Читать книгу Revolvergeier: Western Sheriff Sammelband 6 Romane - Alfred Bekker - Страница 37

8.

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Tabakrauch und Stimmenlärm waren um ihn herum, als er das Essen hinunterschlang. Männer kamen und gingen. Fremde Gesichter schauten ihn flüchtig, interesselos an.

Auf der improvisierten Bühne bemühte sich ein Zauberkünstler um die Gunst des Publikums – vergebens! Niemand störte sich an seinen Attraktionen.

„Jonny, jetzt gibt es etwas zu sehen“, sagte ein pockennarbiger Kerl am Nebentisch. Er sollte recht behalten. Mit einem Schlag verstummten die Geräusche. Jetzt bemerkte auch Kid, was alle dazu zwang aufzusehen, die Augen aufzureißen, was sie dazu zwang, die Gläser hinzustellen, die Karten hinzulegen. Teufel, es war die Sucht aller hart lebenden Männer nach dem Schönen, und, by Jolly, die drei Mädchen auf der Bühne waren schon recht appetitlich, nett aufgemacht, und in ihren Flittergewändern mochten sie den Hinterwäldlern wie fleischgewordene Träume erscheinen. Der Anblick alleine berauschte sie, die Mädchen brauchten gar nicht mehr viel zu bieten, tänzelten zu den Klängen eines verstimmten Klaviers über die Bühne. Irgendein Cowboy pfiff die Melodie mit, und plötzlich dröhnte der „Goldene Mustang“, raue Männerkehlen grölten, sangen mit, klatschten und trampelten im Takt, johlten, als eine Schöne den Stetson eines Mannes von der Bühne her mit dem Fuß angelte und so im Vorbeimarschieren weit in den Raum fegte.

Sie gerieten fast in Aufruhr, als der Mann, dem der Stetson gehörte, versuchte, das reizende Bein der Schönen mit einem kühnen Griff zu fassen. Aber die Kleine war behänder. Sie knallte dem zudringlichen Cowboy ihr Bein vor das Kinn, lächelte strahlend in die Menge hinein, und es hätte nicht viel gefehlt, dann wäre aus dem „Goldenen Mustang“ ein Tollhaus geworden. Kid wurde es allmählich zu viel, er zahlte, erhob sich, rückte die Futterale eilig nach vorn und drückte sich durch die Menge, die nur widerwillig Platz machte.

Inzwischen war es Nacht geworden. Schon als er durch die Schwingtür in den Lichtkreis der Laternen trat, wusste er, dass er einen Fehler gemacht hatte.

Es war zu spät, ihn wiedergutzumachen.

„Wie schmeckt dir das, Carson!“, giftete ihn leise eine Stimme an. Vier Männer mussten es sein, die ihn umringten, deutlich sehen konnte er jedoch nur zwei. Zwei von vorn und zwei, die hinter ihm standen, er konnte aus den Augenwinkeln ihre drohenden Silhouetten sehen.

„Dick, geh heran und zieh ihm die Eisen aus den Halftern.“

„Allright“, flüsterte es leise zurück.

Kids Augen wurden schmal. Blitzartig erkannte er, dass er in diesem Spiel alle Karten aus der Hand gegeben hatte. Er hatte nicht die geringste Chance, und so blieb er steif stehen, hörte die schnellen schlürfenden Schritte hinter sich.

Jetzt war er waffenlos.

„Und nun?“, forschte er.

„Nun ... wir wollen uns ein wenig mit dir unterhalten. Du hast doch nichts dagegen, wie?“

„Kaum“, sagte Kid. Was sollte er auch anders sagen. Die Kerle hatten ihn gestellt. „Ihr arbeitet wohl für Gibson?“

„Du bist ein kluges Kind, Carson!“, knurrte der Sprecher, und sein Bulldoggengesicht verzog sich zu einem heiteren Grinsen.

Die Gents in Kids Rücken stießen ein unterdrücktes Kichern aus. Kid warf den Kopf noch einmal nach links, dann nach rechts herum. Jetzt wusste er, dass vier Schwergewichtler, wahrscheinlich die Schlägerelite von Dodge, von Gibson angeworben waren, eine sehr schmutzige Arbeit zu verrichten. Vier bullige Kerle hielten ihre Hände in den Taschen versenkt, und es war leicht zu erraten, was sie unter dem Stoff verborgen hatten.

„Nehmt ihn in die Mitte, Jungs, wir wollen uns hier nicht aufhalten!“

Eiskalt überlief es Kid. Er hätte wissen müssen, dass Gibson ihn keineswegs in Ruhe lassen und dass der gemeine Bursche irgendeinen hässlichen Plan ausdenken und in die Tat umsetzen würde. Er hatte Gibson zu hoch eingeschätzt, das war sein Fehler, und den musste er jetzt bezahlen.

Aus dem „Goldenen Mustang“ drang erneutes Grölen. Niemand kam heraus. Die aufreizenden Mädchen schlugen die Zuschauer in ihren Bann.

Scharf blickte Kid zur Seite. Links und rechts auf den Bohlensteigen gingen Menschen. Sie blickten kaum herüber, hatten es eilig. Überhaupt machten alle Menschen in Dodge einen nervösen, gehetzten Eindruck – und wenn er jäh um Hilfe rufen würde, niemand würde ernstlich daran denken, ihm zu helfen, ihm beizustehen, denn welcher vernünftige Kerl mischt sich aus purer Nächstenliebe in eine Schlägerei ein?

„Los denn!“

Der Kerl mit dem Bulldoggengesicht trat einen Schritt zurück. Zwei Mann glitten heran, nahmen Kid in die Mitte, die beiden anderen marschierten hinterher. Eine geschlossene Gruppe raubeiniger Kerle suchte nach einem ausgefallenen Lokal, so mochte mancher Straßenpassant denken.

Mitten auf der Fahrbahn marschierten sie. Reiter und Frachtwagen kamen ihnen entgegen. Dunkel und tintig stand der Nachthimmel über ihnen, und an den Häuserfronten zogen sich die Girlanden der leise im Wind hin und her pendelnden Lampen.

„Rechts einbiegen“, kommandierte der Bully Boy mit nasaler Stimme.

Goddam! Es war verdammt hart, zwischen diesen Brüdern zu gehen. Es bedeutete schon etwas, denn immer wieder rammten sie Carson mit ihren eckigen Schultern, und die beiden Hintermänner stöhnten vor unterdrücktem Lachen.

„Buddy, du wirst ja jetzt schon weich“, meckerte der Bully Boy.

„Abwarten, Gents“, zischte Kid zurück. „Vielleicht habe ich noch einen Trumpf im Ärmel versteckt.

Das war ein Bluff, weiter nichts. Jedenfalls war der Kerl zunächst verblüfft.

„Nun, du wirst doch nicht etwa ein Falschspieler sein, Carson“, murmelte er tückisch. In diesem Augenblick bogen sie in eine dunkle Seitengasse ein, und Kid handelte. Er wollte nicht warten, bis sie am Ziel waren, bis sie ihn handgerecht hinstellten, um mit ihren Fäusten einige Fragen aus ihn herauszupressen. Er wollte nicht warten, bis sie ihn in Stücke schlugen, um den Aufenthaltsort Constance Dughams zu erfahren. Hass, grimmiger Hass hatte sich in ihm aufgespeichert, drängte nach einer explosiven Entladung. Ein Hass ohnegleichen war es, denn Kid dachte an Rubi Dugham, dessen sterbliche Überreste auf dem Friedhof von Dodge ruhten, dachte daran, was dem Kameraden widerfahren war.

Der Augenblick schien günstig. Das Lärmen der Mainstreet verstummte hinter ihnen. In dieser finsteren Gasse schien das Leben ausgestorben zu sein. Sie war schmal und eng. Nur wenige Fenster waren erleuchtet. Kid erkannte, dass es eine Straße war, die für Entladungen der Frachtschoner aus dem Innern des Landes vorgesehen war. Solche Gassen gab es viele in Dodge, hier tauschten die Fahrer und Besitzer ihre kostbaren Pelze, Häute und Decken gegen Saatgut und Handelsware ein. Hier war am Tage ein ständiges Kommen und Gehen, und in der Nacht tauchte vielleicht hier und da ein Wärter auf, um die Lagerschuppen zu bewachen, denn es stand allerlei Gut herum. Kisten und Kasten, Fässer und Gerätschaften.

Kid hatte das alles in sich aufgenommen, und in diesem Augenblick sauste seine Faust hoch, traf den rechten seiner Begleiter mit voller Wucht an der Schläfe. Der wuchtige, mit aller Kraft und Wut geführte Schlag ließ den Kerl seitwärts über eine Kiste rollen. Es krachte und barst. Der bullige Kerl war anscheinend zu schwer für die Kiste, nahm sie im Schwung mit, blieb in den Splittern stecken, stöhnte laut auf. Die geborstenen Bretter mussten empfindliche Körperteile mit einigem Nachdruck lädiert haben.

Nun war die Hölle los! Er konnte gerade noch unter einem mächtigen Schwinger untertauchen, den der linke Begleiter gegen ihn mit unerhörter Wucht führte, konnte sich einen Drall nach links geben und erwischte drei, vier Schläge, die ihn mit Schmerzen erfüllten. Drei Mann wirbelten ihre Fäuste wie mächtige Schmiedehämmer, schlugen zu. Kid stolperte, rote Nebelfetzen jagten sich vor seinen Augen. Mit dem Kopf voran knallte er gegen etwas Hartes, glitt aus, stürzte. Drei wilde Kerle stürzten heran – drei Kerle, die einen tierischen, heulenden Schrei ausstießen und ihre Fäuste in ihn rammten.

Wahnsinnige Schmerzen trieben Kid zur äußersten Kraftanstrengung. Sein Blut summte, und in seinen Ohren und Schläfen pochte es in irrsinnigem Rhythmus. Aus der Tiefe seines Ichs jagte Alarm durch den ganzen Körper. Nun wusste er, dass sie ihn zusammenschlagen, ausquetschen und töten würden. Gibson hatte es so angeordnet, und sie würden diesen Befehl ohne mit der Wimper zu zucken ausführen, sobald sie wussten, was sie erfahren wollten.

Der Kerl im Splitterkasten stöhnte, fluchte verbissen, wollte sich aufrichten, schaffte es aber nicht und stieß einen lauten, zornigen Schrei aus. Kid hatte sich zur Seite gewälzt und seine vorgestreckten Arme erwischten ein zölliges Eichenbrett, mit dem er nun zuschlug. Die Stirn des Mannes dämpfte den Schlag. Dumpf prallte sein schwerer Körper neben Kid zu Boden.

„Carson, das rechnen wir dir an“, kreischte der Kerl mit dem Bulldoggengesicht, indem er eine harte Schlagserie abschoss, eine Serie, die Kid über zwei Kisten und über einige Fässer warf, als wäre ein Katapultgeschoss in seinem Innern zur Explosion gekommen. Doch es war sein Glück, denn die schweren Kerle konnten nicht so schnell das Hindernis umgehen, wie Kid sie im Flug genommen hatte. Drei, vier Sekunden lag Kid benommen hinter den Fässern; drei Sekunden nur, und er hatte den Schmerz überwunden, hatte sein eigenes Blut hinuntergewürgt. Damned, er war nicht der Mann, den man mit einem Gewaltangriff erledigen konnte. Drei Sekunden genügten, um seine Lungen mit Luft zu füllen, um ihn wieder auf die Beine zu bringen und ihm die verfahrene Situation klar vor Augen zu führen.

Soeben befreite sich der Mann aus der Kiste, eilte zu den anderen, die nun versuchten, Kid zu umstellen. Einer der Kerle kletterte über den Mann hinweg, den Kid mit dem Eichenbrett zu Boden geschlagen und vorläufig kampfunfähig gemacht hatte. Während er diese Beobachtung machte, traf ihn das stöhnende Keuchen der Angreifer aus dichter Nähe. Sie konnten nicht schnell genug an ihn herankommen. Bluthunde waren es, und sie stürmten auf ihr Opfer zu, die Kampfgier trieb sie vorwärts. Urinstinkte waren entfesselt.

Der Teufel mochte wissen, warum Kid in diesem Moment ein helles Gelächter ausstieß, warum er in dieser verzwickten Situation noch lachen konnte. By Jove, sie hatten ihn doch schon halb erledigt, und er lachte noch? Damned, das war eigenartig.

„Dein Gelächter nützt dir nichts, Carson, auch einen stolzen Mann wie dich bekommen wir klein, stutzen ihn zurecht! Verlass dich darauf“, fauchte es.

„Dann kommt nur“, quälte es sich von Kids Lippen. Und mit diesen Worten begann er von sich aus die mörderische Sache weiter auszutragen! Von sich aus suchte er den weiteren Kampf, denn fort und entwischen konnte er doch nicht, sie hätten ohne Zweifel von ihren Eisen Gebrauch gemacht, hätten ihn glatt auf der Flucht erschossen.

Wenn er kämpfte, würden sie die Eisen stecken lassen und nur ihre Fäuste einsetzen. Heh, bloody damned fools, das war eine bittere Sache, aber es war seine einzige Chance. Er musste den Kampf austragen, egal, wie die Entscheidung ausfallen würde, egal, was später wurde. Er konnte es sich an allen Fingern abzählen, dass er mit fliegenden Fahnen untergehen würde. Nun, was machte es schon. Ein richtiger Mann musste immer das tun, was in der Stunde Gebot war!

Er sprang wie ein Tiger vor. Ja, wie ein Tiger, denn jetzt, wo es um die Entscheidung ging, hatte er die lässige Geschmeidigkeit seiner Glieder wiedergefunden. Der Bullige duckte sich. Etwas Raues streifte Kids Schädeldecke, plumpste dumpf und schwer gegen ein Fass und riss die Bohlen auf.

Mit dem Kopf sauste Kid im Hechtsprung in die Magengrube seines Gegners hinein. Der Kerl schrie gellend auf, stimmte noch einige Töne höher, als aus dem aufgeschlagenen Fass ein breiiger Schleim sich über seinen Kopf ergoss und Augen, Mund und Nase verklebte.

Auch Kid bekam etwas davon ab, rollte sich jedoch eilig zur Seite, wusste, dass er sich um diesen Gegner nicht mehr zu kümmern brauchte, denn der breiige Schleim, den der Totschläger des Kerls aus dem Fass hervorgezaubert hatte, war eine zähe Sache. Das prustende Röcheln und Gurgeln klang schaurig, trieb Kid dazu, aufzuschnellen und sich den anderen beiden Kerlen zu widmen, die mit gesenkten Köpfen heranstürmten.

Er wartete nicht, hechtete vor, traf mit der Faust ein breites Kinn, holte aus und pflanzte die Linke hinterher. Beide Schläge trafen, schüttelten den Kerl durch und durch. Er war weicher, als Kid angenommen hatte. Hastig drängte Kid nach. Er wollte die Bresche vollends aufschlagen, sich einen Weg in die Freiheit bahnen. Er war etwas zu hastig, zu schnell, achtete nicht darauf, was sich in seinem Rücken aufbaute, und als er es bemerkte, trieben ihn die Kerle auch schon in die Runde, hieben unbarmherzig auf ihn ein. Hammerschläge waren es, Schläge, die jeden anderen Mann die Seele aus dem Leib getrieben hätte – die auch Kid erschütterten, in die Knie zwangen, die ihn zum Fang- und Spielball machten. Von allen Seiten prasselte es auf ihn ein, deckten ihn Schläge zu. Er konnte kaum noch die eigenen Fäuste hochreißen, konnte nur noch einstecken, hinnehmen und wusste doch, dass es gleich zu Ende sein würde, dass seine Knie weich wurden und ihn nicht mehr tragen würden.

Sein eiserner Wille hielt ihn aufrecht, zwang ihn dazu, noch einige Schwinger auszuteilen, blind um sich zu schlagen, denn sehen konnte er nichts mehr, die Augen hatten sie ihm zugeschlagen. Er war blind, müde, ausgepumpt, zerschlagen, aber er schlug noch zurück, und seine Fäuste fanden immer noch Widerstand. Doch dann wurde es dunkel um ihn – dunkel und tintig – und ganz von fern hörte er eine helle Knabenstimme plötzlich sagen: „Streckt sie hoch, Gents!“

Eine Flammenzunge blitzte grell auf, und eine Kugel patschte irgendwo in eine Kiste. Die Erde kam Kid entgegen und mit der Erde ein Stiefel, der sich mit grausamem Schwung in seine Seite bohrte.

Der stechende Schmerz presste einen Schrei von seinen Lippen, vielleicht war es auch nur ein verlöschendes Gurgeln, ein undeutbarer Laut. Erde und Dreck waren in seinem Mund, als er wieder zu sich kam. Er spuckte, hörte eine Stimme sagen: „Boss? Hello, Boss! Heilige Mavericks, ich dachte schon, Sie wären abgekratzt.“

„Hay ... Hay Stoard ...“

„Yeah, ich bin’s, Boss“, klang es schnell zurück. „Ich – ich sagte dir doch ...“

Was er eigentlich sagen wollte, erfuhr Hay an diesem Tag nicht mehr. Kid Carson wurde wieder

ohnmächtig, lag bewegungslos, still, regte und rührte sich nicht mehr.

Er wurde erst wieder wach, als die Sonne hoch am Himmel stand, fand sich in einem weißen Bett wieder. Neben ihm saß Hay Stoard und grinste ihn an.

„Gott sei Dank, Boss“, murmelte der Junge vor sich hin.

„Wie komme ich hierher?“, schleppte Kid. Er wollte sich bewegen, spürte sofort stechende Schmerzen und blieb still liegen.

„Was ist mit mir los?“

Verlegen grinste Hay vor sich hin, endlich sagte er: „Der Doc war da. Er sagte, dass er so einen Fall noch gar nicht bearbeitet hätte, denn wenn ein Mann unter eine Stampede gerät, hat er keine Chance mehr, am Leben zu bleiben. Vier Tage lagen Sie ohne Besinnung ... sämtliche Rippen gebrochen und ...“

„Und?“

„Keinen heilen Fleck mehr am Körper. Der Doc sagte, sie müssten einen Körper aus Eisen haben, Boss!“

„Sooo?“, murmelte Kid Carson nachdenklich. „Zum Teufel, warum bist du nicht mit der Crew geritten? Warum hast du nicht darauf gehört, was ich dir sagte?“, fauchte Kid jählings.

Das schmale Jungengesicht erblasste. Hay Stoard umklammerte die Stuhllehne, schluckte schwer, würgte an einem unsichtbaren Brocken und stieß heraus: „Alle haben Sie im Stich gelassen, Boss ... alle. Aber ich bin nicht wie die anderen ... ich nicht! Rubi war mein Freund, und ich trage es mit aus.“

„Dann hast du mich ...“

„Yeah, ich habe Sie herausgeholt, Boss. Ohne meine Hilfe hätten die Burschen Sie zertrümmert, und Sie wären für alle Zeit erledigt gewesen. Als Sie am Boden lagen, traten sie mit den Stiefeln nach Ihnen. Die Kerle waren wie von Sinnen. Ich habe ihnen einen gehörigen Schrecken eingejagt, sie haben die Flucht ergriffen, sind aus der Stadt hinaus geritten, und ich habe mir erlaubt, zwei 46er zu kaufen, Boss.“ Bei diesen Worten holte Hay zwei prächtige Colts aus seinen Hosentaschen, legte sie vor Kid auf die Bettdecke. „Sie werden die Eisen wohl bald brauchen, Boss.“

„Und wie hast du herausgefunden, dass ...“

„Boss“, unterbrach Hay, „ich bin vom Friedhof sofort nach Dodge zurückzukommen und habe Sie beobachtet. Das ist alles. Nach dem Kampf habe ich Sie zum Gentleman-Hotel bringen lassen. Es gab genügend Männer, die das mit Freuden ausführten. Meine Schüsse lockten sie herbei. Boss, reite ich nun mit Ihnen?“

Das war mehr als eine Frage. Wenn Kid bejahte, würde er Hay damit beweisen, dass er ihn als Mann anerkannte. Er würde dem Jungen sozusagen das Rückgrat stärken.

„Ich werde es mir überlegen“, wich er aus. Das helle, gespannte Jungengesicht zuckte. Schmal wurden die hellen Augen. Er nahm die Erklärung mit der Ruhe eines ausgereiften Mannes hin. Yeah, Hay würde später einmal ein Klassemann werden, ein Mann, auf den man sich hundertprozentig verlassen konnte. Es war gut, dass es solche Männer im Westen noch gab. Männer, die genau wussten, was sie wollten. Hay hatte bewiesen, dass er alle Anlagen für einen guten Mann in sich hatte. Die 46er redeten eine deutliche Sprache.

„Boss, um in den Kampf zu ziehen, ist es wohl niemals zu spät, wie?“, brach es heiser aus ihm hervor.

„Wenn man so jung ist wie du, Boy, sollte man es sich überlegen. Der Tod ist schneller als der Wind und reitet auf Kugeln“, murmelte Kid bedrückt.

Hay wandte ihm das schmale, braungebrannte Jungengesicht zu. In der Tat, er war härter geworden; härter und straffer, er mochte wohl schon ein Mann sein, ein ganzer Mann. Eine einzige Nacht hatte in sein Gesicht Spuren eingegraben.

„Die besten Kämpfer waren auch mal jung, Boss.“

„Nun, das ist nicht abzuleugnen. Für jeden Mann kommt einmal die Stunde, in der er hart wird, Boy. Aber es ist ein Unterschied, ob ein Junge von falschen Vorstellungen getrieben zum Helden wird, oder ob er den Kampf aufgezwungen bekommt. Yeah, das allein ist entscheidend, und es stellt heraus, ob er ein Killer wird, oder ob er untergeht!“

Lange, sehr lange war es ruhig. Hay verarbeitete diese Worte, schluckte sie, dachte darüber nach. Sonnenstrahlen fielen ins Zimmer, und gedämpft klang das Lärmen der Stadt durch die Wände und Ritzen.

Himmel und Hölle, es wäre unverantwortlich, diesen prächtigen Jungen auf den harten Trail mitzunehmen. Unverantwortlich, denn hinter Gibson stand das Gesetz!

„Ich denke, dass Gibson eine harte Nuss ist, Boss. Er wird dich überwachen lassen, und ich schätze, dass er in der Nähe ist und nur darauf wartet, dass wir aufbrechen!“

„Du sagst wir?“

„Yeah, denn ich lasse mich nicht noch einmal beiseite stellen. Und wenn Sie mich nicht mitnehmen wollen, Boss, dann reite ich allein, breche sofort auf, reite nach Dakota ...“

„Dakota?“, krächzte Kid, wollte sich hochstemmen, fiel jedoch mit einem Stöhnen wieder zurück. „Sonny, wer hat dir diesen Song ins Ohr geflüstert, wer ... “

„Rubi Dugham, Boss. Ich sagte doch, er war mein Freund und ...“

„Du ... du weißt, wo seine Schwester ist?“, entfuhr es Kid rau.

„Yeah, ich weiß es“, flüsterte Hay.

„Hay, schau mich an!“ Das war ein Befehl.

„Du sollst mich anschauen, Sonny!“

Die Augen des Jungen tasteten sich über Kids Gesicht, flackerten in wilder Erregung.

„Du lügst, Sonny! Du lügst. Rubi hat dir niemals den Aufenthalt seiner Schwester verraten. Ich sehe es in deinen Augen, Sonny!“

„Nun, Constance Dugham ist in Nord-Dakota, drei oder vier Meilen von der Crokston-Siedlung entfernt untergebracht!“, murmelte Hay tonlos.

„Junge ... das ...“ Kids Worte erstickten. Er konnte die Ungeheuerlichkeit nicht schlucken, konnte es einfach nicht fassen. Hay Stoard wusste, wo sich Constance aufhielt. Wie war das nur möglich? Wussten noch mehr Leute davon, hatte Rubi ihn auf dem Sterbelager belogen? Konnte ein Mann mit einer Lüge auf den Lippen sterben? Nein! Der Teufel mochte wissen, woher Hay seine Informationen bezogen hatte.

„Kann ich nun mitreiten, Boss?“ Hay schnellte von seinem Sitz hoch. Blass, hager, mit seltsam verkrampftem Gesicht stand er ein wenig vorgeneigt, schien gespannt, mit explosivem Zündstoff geladen.

Kid rührte sich nicht. Hart und kalt schaute er den Jungen an. Himmel und Hölle, der Boy war wie verrückt, wollte unbedingt durch eine Hölle, eine Hölle, die ihn mit 99prozentiger Sicherheit zermalmen würde. Es war schwer, hier eine Entscheidung zu treffen. Schwer, weil die Bandagen drückten, weil eine Hand zur Pflege nötig war. Wenn er ihn abwies, würde dieser törichte, von seiner Idee besessene Junge das Wagnis auf eigene Faust durchführen. Er würde sicher nicht weit kommen, oder aber die Kerle würden ihn reiten lassen, um sich dann auf seine Fährte zu heften. Er würde sie ohne Zweifel zu Constance führen. Und was war dann? Ah, die Kerle würden ein leichtes Spiel gegen einen Jungen und ein Mädchen haben. In Nord-Dakota würde sich ein Drama vollenden – und Gibson würde triumphieren, ohne Mühe hätte er die Papiere der Zwei-Gitter-Ranch in seinen gierigen Händen.

„Hay, woher weißt du es? Ich sehe es dir an, dass du mich belogen hast. Nun, heraus mit der Wahrheit, heraus damit, denn sonst müsste ich dir versprechen, dass ich dich suchen würde; dass ich dich durch alle Länder hetzen, dir nie mehr Ruhe gönnen würde!“

Ein Beben lief durch die schlanke Gestalt des Jungen, doch trotzig richtete er sich steil in die Höhe, trotzig waren seine Lippen aufgeworfen und trotzig war auch die Antwort:

„Gib mir dein Wort, Boss! Gib mir dein Wort, dass ich bei dir bleiben kann.“

„Warum willst du das, warum nur?“, raunte Kid.

„Weil es Gibson war, der meinen Vater erschoss“, schluckte Hay nun vollkommen aufgelöst, und dann brach es wie eine Sturmflut aus ihm hervor, sprudelte wie eine aufgebrochene Quelle.

„Ich habe eine alte Rechnung zu begleichen, Boss. Er nahm mir meinen Dad und damit den Letzten, der mir nahestand. Ah, mein Vater hatte in Texas nur eine Ein-Kuh-Ranch, und es ging uns wirklich nicht gut. Sein Nachbar aber hatte viele Tausende von Rindern auf den Weiden, nahm uns die Quellen, trieb seine Rinder auf unsere Weiden, sperrte uns das Wasser ab und drückte uns den Lebensnerv ab. Mein Vater schlug zurück, so gut er eben konnte, denn er musste ja leben, musste es schon um meinetwillen. So trieb er kleine Rudel der großen Rinderherden über die Grenze. Boss, er wurde ein Rinderdieb!Yeah, ein Rinderdieb würden die Leute sagen. Aber ich weiß es besser. Er nahm nur das, was eigentlich ihm gehörte, und es blieb ihm ja praktisch gar nichts anderes übrig. Auf jeden Fall, Gibson überraschte ihn dabei, als er wieder einmal ein kleines Rudel über die Grenze treiben wollte. Mein Vater kehrte nicht zurück – dafür aber Gibson. Ich war damals vierzehn Jahre alt, als Gibson mit seinen Raureitern die Ranch durchsuchte. Er sagte mir höhnisch, wo ich meinen Vater finden könnte und zog mit seinen Reitern ab. Ich aber fand meinen Vater, Boss ... ich fand ihn, und niemals werde ich diesen Anblick, der sich mir bot, vergessen. Niemals.“

Er schrie das letzte Wort heraus, verstummte, atmete heftig und seine Jungenbrust hob und senkte sich stürmisch.

Kid wartete eine Weile, wartete, bis sich die unheimliche Erregung des Jungen gelegt hatte. Ja, jetzt verstand er den Jungen, verstand ihn nur zu gut. Auch er war auf der Suche nach einem Mann. Rufe Wells! Dass dieser Mann zu Gibsons Mannschaft gehörte, vereinfachte die Sache wesentlich.

„Boy, setz dich zu mir – komm! Ich glaube, wir werden zusammen reiten, du und ich. Wir werden ein gutes Gespann abgeben, meinst du nicht auch?“

„Wirklich, Boss?“, keuchte Hay, und seine düster brennenden Augen wichen nicht von Kid.

„Yeah, es wird schon so sein. Doch den Boss kannst du von jetzt ab weglassen, wir sind nun Trailpartner und meinen Namen kennst du ja!“

„Allright, Boss ... eeeh ... Kid. Verdammt, es wird mir schwer ...“

„Du wirst dich daran gewöhnen, Sonnyboy, und nun pack aus!“

„Auspacken?“

„Yeah!“

„Ja, nun ... du hast im Schlaf gesprochen, Kid. Die ersten Stunden nach dem Kampf war es fürchterlich. Ich musste dich festschnallen, damit der Doc dich verbinden konnte, und dabei hast du in Gedanken gegen tausend Teufel gekämpft – und dann auch von Constance gesprochen. Es war schrecklich!“

„Haben es noch andere Leute gehört?“, erkundigte sich Kid rasch und besorgt.“

„Nur der Doc, Kid ... und der war schwerhörig.“

Revolvergeier: Western Sheriff Sammelband 6 Romane

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