Читать книгу Revolvergeier: Western Sheriff Sammelband 6 Romane - Alfred Bekker - Страница 31

4.

Оглавление

Ay ah, wie war es noch? Hinter ihnen lag James Tronterton, umgeben von einem Kreis eifrig diskutierender Männer. Einige Burschen hoben den schwer angeschlagenen Riesen aus dem Staub, wollten ihn in den Schatten der Veranden, oder in eine Whiskybude tragen. Der Riese selbst war es, der diese löbliche Absicht zum Scheitern brachte. Sein Schrei ließ sie verharren. Ungestüm befreite er sich, kam auf die Beine zu stehen, pumpte den rasselnden, fast schnobenden Atem aus und seine kreischende, sich fast überschlagende Stimme hieb wie ein Schwert in die Zuschauer hinein:

„Platz ... jetzt rechne ich ab!“

Was damit gemeint war, brauchte man keinem einzutrichtern oder lang oder breit zu erläutern. Die Burschen wetzten aus der Schusslinie, gerieten fast unter die Hufe der an den Holmen sich aufbäumenden Pferde, stießen sich gegenseitig in den Dreck, stolperten, fielen übereinander, rollten sich wie Igel zusammen und keiner – nicht ein einziger – dachte ernsthaft daran, dem Großmaul entgegenzutreten, wie es vorher Rubi Dugham getan hatte.

Sie spritzten so schnell aus der Schusslinie, dass die Gasse sich gerade in dem Augenblick öffnete, als Rubi hinter Kid in die Gentleman-Bar eintreten wollte. Der Schrei und die darauffolgende Stille rissen ihn förmlich herum. Fünfzig Yards entfernt, in der Menschengasse, stand James Tronterton.

Rubi wusste sofort, was die Uhr geschlagen hatte. Er wartete die grölende Herausforderung des Riesen nicht ab, sondern machte langsam auf seinen hochhackigen Reitstiefeln kehrt.

„Zum Teufel, was ist ...“ Kid erschien an der Bartür. Er hatte auf den Freund gewartet und wollte nun nachsehen, was sein Zögern zu bedeuten hatte. Die Worte blieben ihm in der Kehle stecken. „Damned, der Gorilla hat zu lange in der Sonne gelegen, er hat den Verstand verloren. Stopp, Rubi, es ist keine Schande, wenn du einem Fuselgorilla aus dem Wege gehst. Du hast bewiesen, dass du über ihm stehst, lass es genug sein und komm. Aus so einer Sache macht man keine Schießerei.“

Rubi wandte sich nicht einmal um, steif und breitbeinig schritt er vor, erklärte dem langsam nachfolgenden Kid über die Schulter: „Boss, die ganze Sache ist gestellt. Ich habe immer geglaubt, Gibson würde mich nicht mehr wiedererkennen, das war ein großer Irrtum von mir. Er muss mich erkannt haben, und das bedeutet, dass er mich so oder so vor seine Rohre holt. Ah, kümmere dich nicht weiter um mich. Diese Kreatur da vorne ist eine Gestalt, die Gibson hörig ist. Von der Sorte hat er im ganzen Land, in allen Städten Männer. Ich habe genau gesehen, dass James Tronterton mir die Schwingtür mit voller Absicht vor die Knie stieß. Er war darauf aus, einen Streit vom Zaun zu brechen, und dass er nicht zu den Eisen griff, bewies mir nur, dass mein Verdacht stimmt.“

Monoton, heiser klang seine Stimme. Man merkte ihr keine Erregung an. Sie schwankte, bebte nicht, wurde nicht dunkler und nicht heller. Rubi hatte seine Nerven in der Gewalt. Nichts deutete darauf hin, dass er vielleicht dem Tod in den Rachen lief. Kids Zähne knirschten aufeinander. Worte brannten auf seiner Zunge, aber sie blieben ungesagt. Niemand konnte Rubi von diesem Gang abhalten, niemand!

Zwei Reiter hielten ihre Pferde mitten auf der Fahrbahn an, stierten herüber. Hinter den Fensterscheiben zur rechten Hand erschien für Sekunden das wachsbleiche Gesicht einer jungen Frau, Wortfetzen und Stimmengemurmel drangen über die Straße, wurden leiser, brachen ganz ab, und die düstere Spannung des Todes kroch wie ein Untier durch Dodge.

Schritt um Schritt stampfte Rubi Dugham seinem Schicksal entgegen. Er hatte es fürwahr nicht sonderlich eilig. Seine Stiefelsporen klirrten, die Sohlen warfen etwas Staub auf, denn er hatte sich vom Bohlensteig fort mitten auf die Fahrbahn begeben.

Eigenartig war das alles, nervenaufpeitschend und unheimlich zugleich. Rubis Oberkörper pendelte leicht nach vorne, und seine Rechte schwebte mit gekrümmten Klauenfingern über den tief baumelnden Kolben seiner Waffe.

Neben ihm, nur einige Yards entfernt, schritt Kid Carson, dessen Lippen zu schmalen Strichen zusammengepresst und blutleer waren, dessen Augen weit aufgerissen an dem Freund hingen, dann zu dem Riesen hinüberschnellten, der breitbeinig sich versteift hatte, in Haltung und Gebärde keinen Zweifel aufkommen ließ, dass er diesen Kampf endgültig entscheiden wollte. Und nur einer würde mit rauchendem Colt am Leben bleiben.

„Beobachte seine Augen, Sonny“, zischte Kid seinem Trailpartner zu.

Es war ungewiss, ob Rubi die Worte verstanden hatte, ungewiss, ob er sich danach richten würde, und doch war es notwendig, lebenswichtig sogar, denn der Bruchteil einer Sekunde entschied über Leben und Tod, kündigte sich in dem Aufflammen der Augen an.

Yeah, Kid war sich nicht im Klaren darüber, ob Rubi die Worte geschnappt, aufgesogen hatte. Worte, die mehr waren als eine tröstliche Aussage, denn sie waren aus einem harten Wissen heraus geformt, aus einer bitteren Erfahrung weitergegeben, denn Kid trug zwei Eisen. Was das bedeutete, war jedem Kind im Westen klar.

Rubi indes schien gegen alle von außen kommenden Einflüsse gefeit zu sein. Er sah nur eins: Den Gegner, und alle seine Sinne hatten sich auf diesen konzentriert, alle Gedanken krallten sich an diesem Riesen fest, umwogten ihn, tasteten ihn ab.

Tapp, tapp, tapp ratschten seine Stiefel. Jeder Schritt fraß sich in die Nerven der Männer ein, jeder Schritt zwang die Zuschauer dazu, geduckt abzuwarten, den Atem anzuhalten.

Kid warf mit einem Ruck den Kopf hoch, sah zu den an beiden Seiten der Fahrbahn stehenden Männern hin, denen die wahnsinnige Erregung die Augen weitete, die Münder aufklappen ließ und den kalten Schweiß auf die Stirnen trieb.

Nur zwei Mann waren aus dieser Erregung ausgeschlossen, die Kämpfer.

Beide waren wach, beide wussten, worauf es ankam.

Jetzt war Rubi nur noch zwanzig Yards von James Tronterton entfernt. Langsamer wurden seine Schritte. Es war, als ob ein magisches Gesetz die Kämpfer zuerst angezogen, nun aber auseinander schleudern wollte, dennoch wurde der Abstand zwischen ihnen bis auf fünfzehn Yards verringert.

Das war eine knappe Entfernung. Auf diese kurze Distanz musste eine abgefeuerte Kugel eine schrecklich verheerende Wirkung haben. Ein Geschoss aus dieser Entfernung würde nur den Tod auslösen.

„Nun“, schleppte Rubi Dughams Stimme zu dem Gegner hin, „ich bin bereit!“

Das war kurz und klar, für alle verständlich. Was er jedoch hinterhersetzte, ließ manchen Zuschauer den Kopf schütteln.

„Überlege es dir, James. Wir haben unsere Sache ausgetragen, und damit dürfte wohl die Angelegenheit erledigt sein!“

Der gute Wille zur Überbrückung löste James Trontertons krächzende Bassstimme:

„Sie ist nicht erledigt, Dugham!“

„Dass du meinen Namen kennst, sagt mir mancherlei. Nenne mir den Mann, der dich beauftragt hat, mit mir einen Streit zu beginnen, und ich werde dich laufen lassen!“

Das war kühn. Die Männer, die soeben noch die Köpfe schüttelten, die nicht verstehen konnten, dass ein Mann um Frieden bat, reckten sich hoch auf, und ihre Gesichter verzerrten sich vor Anspannung.

In der Totenstille wieherte ein Gaul auf. Schaurig abgehackt klang der tierische Laut, senkte lähmendes Entsetzen in die Herzen der Männer, denn es klang wie ein Trompetenstoß aus Grabestiefen, war ein böses Omen, eine drohende Ahnung des Kommenden.

„Nun, Tronterton, du schweigst, und das ist für mich mehr als eine Antwort!“

„Verdammt, so groß bist du nicht, Dugham. Mit mir macht man das nicht, und ich werde es dir beweisen ...“

Unvermittelt brach seine urige Bassstimme ab. Im gleichen Augenblick hatte er auch schon sein Eisen heraus, doch die Mündung der Waffe war noch nicht aus dem Futteral, als Rubis 46er Colt einen grellen Flammenstoß hinaus jagte. Polternd hieb die Detonation in den schrillen, stammelnden Schrei eines Mannes hinein, der jählings auf den Lippen erstarb.

Kid Carson erfasste in Sekundenschnelle die Situation. Mit seltsam eindringlicher Schärfe prägte sie sich seltsam tief in seine Seele ein, sog ihn in einen wilden Strudel sonderbarer Empfindungen hinein, und es war ihm, als ob er selbst den rauchenden Colt in den Händen hätte, als ob er aus der Eiseskälte seines Innern heraus einen Flammenstoß auf einen Gegner jagte.

In stummem Entsetzen waren die Zuschauer erstarrt, stand der Riese James Tronterton auf den Beinen, obgleich ihm die Kugel fast das halbe Gesicht weggerissen hatte. Ihm gegenüber stand Rubi. Düster und tief in den Höhlen eingefallen waren seine Augen, wie tintige Grüfte, die das Grauen schluckten. Sein Kinn war vorgeschoben, die Lippen geöffnet. Er hielt die Revolverhand leicht von sich gestreckt, und aus der Mündung seiner Waffe quoll ein dünner Rauchstreifen, der sich mit der flirrenden Luft vermählte.

By Gosh, dass ein einziger Augenblick im Dasein eines Mannes sich mit einer derart unerhörten Wucht ins Gedächtnis graben konnte, musste Kid nun erfahren. Ein kalter Schauer rann durch seine Glieder, und dann erst schaltete sein Hirn um, nahm das explosive Geschehen auf und das, was sein Hirn zu Ewigkeiten formte, war in Wirklichkeit nur der Bruchteil einer Sekunde gewesen.

James Trontertons Revolver flog in den Staub. Im gleichen Moment sackte der Riese in sich zusammen, schlug wie vom Blitz gefällt vornüber. Ein wildes Stöhnen brach von Rubis Lippen, einem Urlaut ähnlich, der durch Mark und Nerven drang. Klagend zerriss ein Frauenschluchzen die unheimliche Stille, und dann schwang der schrille lähmende Ruf eines Mannes auf:

„Du bist gestellt, Rubi Dugham!“

Der laute Ruf war wie ein peitschender Schrei, wie das Einschlagen eines Blitzes aus heiterem Himmel. Er durchbrach den aufbrandenden Lärm, den gellenden Schrei vieler Männerkehlen, erstickte beides, und zurück blieb eine gespenstische Ruhe, in der der abgerissene Laut eines Atemzuges stand.

Beim Aufklingen der kalten, krächzenden Stimme wirbelte Kid Carson herum.

Mitten auf der Fahrbahn standen zwei Pferde. Ihre Reiter hockten vorgeneigt in den Sätteln, hatten ihre Beine in die Steigbügel gestemmt.

Goddam, die beiden Reiter hatte Kid schon vorher gesehen, ihnen aber keine große Aufmerksamkeit gezollt. Jetzt biss er sich auf die Lippen, denn der Kerl auf dem Falben war niemand anderes als Gibson, dessen blasses, eigenartig graues Gesicht zur ausdruckslosen Maske erstarrt war.

„Gibson, auf diesen Augenblick hast du wohl gewartet, wie?“, brach es über Rubis Lippen. „Dieser Kampf hier war fair, und jeder Mann kann es bezeugen. James Tronterton griff zuerst zum Eisen!“

„Du weißt, dass ich nicht dieser Sache wegen hier bin. Damned, habe dich immer wieder gesucht, und wenngleich ich dich auch vor zwei Jahren aus den Augen verlor, so bist du der beste Beweis dafür, dass mir niemand auf die Dauer entgeht. Niemand wird sich dem Gesetz entziehen können. Auch du nicht!“

Die eiskalten, seltsam schwelenden Augen des Staatenreiters waren starr auf Rubi Dugham gerichtet. So etwa, als ob er mit seinem kalten Schlangenblick den Cowboy hypnotisieren wollte. Seine Stimme war monoton, heiser, barg Drohung und Gefahr. Beides war nicht zu überhören, und doch lachte Rubi Dugham, lachte schallend, wie mit berstendem Grimm erfüllt. Langsam drehte er sich dem Staatenreiter zu, blieb wie angewurzelt stehen, und sein schreckliches Gelächter hieb über die Straße, füllte die Winkel und Ecken aus, brach jäh ab.

„Gibson, ich bin zu vernünftig, um von meiner Waffe Gebrauch zu machen. Ich weiß, dass du nur darauf wartest ... aber den Gefallen kann ich dir leider nicht tun!“ Langsam hob er die waffenbewehrte Rechte, unendlich langsam steckte er den Colt in das Futteral zurück, ließ dann beide Hände schlaff herabbaumeln, als wären sie kraftlos und ohne Leben.

„Nun, ob das vernünftig war, will ich nicht beurteilen. Im Namen des Gesetzes, du bist verhaftet, Rubi Dugham!“

„Du hast Jahre gebraucht, um die Verhaftung durchzuführen. Well, inzwischen habe ich erfahren, dass Fred Astor nicht einmal eine Anzeige gegen mich erstattet hat, und dass er wieder für die Zwei-Gitter-Ranch reitet!“, grollte Rubi Dugham. „Was soll das Ganze also?“

„Vielleicht weißt du nicht, dass deine Schwester Constance nicht mehr auf der Zwei-Gitter-Ranch weilt. Vielleicht ist es dir nicht bekannt!“, zischte Gibson herüber.

Die Antwort erfolgte prompt: „Oh, doch, es ist mir bekannt, Gibson. Constance ging fort, damit sie dir nicht mehr in den Weg laufen musste. Sie ging fort, weil sie dein verdammtes Spiel durchschaute, weil sie genau darüber informiert war, dass du deine gierigen Hände auf die Zwei-Gitter-Ranch legen wolltest, und sie gab dem Mann, mit dem ich einen kleinen Kugelwechsel hatte, die Leitung der Ranch in die Hände. Fred Astor ist nun der Verwalter der Ranch in Arizona, und er selbst weiß nicht, wo Constance sich befindet. Niemand wird es dir sagen, niemand!“

Er hatte noch nicht ganz ausgesprochen, als das grelle Mündungsfeuer in Gibsons Rechte ihn unterbrach, als die belfernde Detonation seine weiteren Worte erstickte.

Kid Carson sah den Freund fallen, sah den Reiter neben Gibson die Waffe hochreißen und schoss auch schon. Die Flammenzunge hieb aus dem geöffneten Halfter. Mit einer einzigen, gleitenden Bewegung, mit einer unheimlichen Schnelligkeit, und mit einer Reaktion, die schneller als Gedanken war, hatte Kid gehandelt und sah den Reiter aus dem Sattel gleiten, sah das fremde Pferd aufsteigen, für Sekunden Gibson verdeckend.

„Lass fallen, Gibson!“, schrillte es aus seiner Kehle. Es war ein fremder Laut, ein fast heulender Schrei, der sich aus seiner Kehle brach, und irgend etwas war an diesem Schrei, was selbst einem Kerl wie Gibson nicht ganz geheuer war, was ihn dazu zwang, seine Tat zu beschönigen.

„Mischen Sie sich nicht ein! Dugham hat das bekommen, was er verdient, er war ein Geächteter!“

„Steigen Sie vom Gaul, Gibson! Steigen Sie ab! By Gosh, steigen Sie ab, und legen Sie den Orden weg. Sie haben Dugham keine Chance gegeben, Sie haben ihn kaltblütig ermordet, und das werden wir nun austragen! Come on ...“

„Sie sind wahnsinnig, Carson!“

„Steig ab. Du bist ein kaltschnäuziger Killer, ein rot und gelb gestreifter Coyote und verkriechst dich hinter dem Gesetz. Leg den Orden ab, denn, by Gosh, ich kämpfe nicht gegen das Gesetz, aber den Killer Gibson werde ich in die Grube bringen!“

Gibson hatte seinen erregten Gaul zur Ruhe gebracht, schaute aus rot entzündeten Augen herüber, stierte über die Mainstreet hinweg, in deren Staub drei leblose Männer lagen. Es war ein übles Bild, ein Bild, das an den Nerven riss, das einen mit den Zähnen knirschen ließ. Dreimal hatte der Tod zugegriffen, dreimal hatte er seine gnadenlose Hand ausgestreckt und zugeschlagen, oder? Nein, eine der drei in den Staub gesunkenen Gestalten lebte noch, deutlich hörte man Rubis Stimme:

„Gib dir keine Mühe mit ihm, Kid, er wird den Orden nicht ablegen. Niemals wird er das tun. Denn solange er das Gesetz vertritt, haben all seine Morde einen gesetzlichen Hintergrund. Er kann damit alles entschuldigen ... er ist feige, ein Mörder ... aber niemand kann ihn stellen!“

Schon während Rubi sprach, war Kid herumgefahren, glitt mit langen Schritten auf ihn zu, beugte sich nieder, untersuchte mit schnellen Händen den Verwundeten, riss ihm das blutbefleckte Hemd auf, warf den Kopf hoch und schrie Gibson an: „Du hast gehört, was ich dir gesagt habe – genügt’s?“

„Es genügt, ich habe Zeit, und ich werde warten!“, klang es grimmig zurück.

By Jove, Gibson kniff nicht. Er machte keine Anstalten, seinem Gaul die Sporen in die Weichen zu drücken, machte auch nicht den leisesten Versuch, zur Waffe zu greifen. Himmel und Hölle, zum zweiten Mal hätte er es auch nicht – zum zweiten Mal hätte er keinen Schuss heraus jagen können, denn Kid Carson war kein Mann, den das Gesetz suchte, war kein Geächteter; und das drohende, anschwellende Gemurmel der Zuschauer deutete darauf hin, dass Gibson alle gegen sich hatte, dass sie ihn mit Blei zudecken würden, wenn er es noch einmal versuchen würde.

Drei, vier Männer drängten sich durch die starre Wand der Zuschauer, blieben vor Kid stehen.

„Boss!“

„Amb, Hay, Tonny“, murmelte Kid aufblickend.

Es waren seine Boys, seine Weidereiter, seine Jungs vom Trail, die mit ihm die Herde nach Dodge gebracht hatten. Jetzt waren sie da, und aus ihren kantigen Gesichtern glühten die Augen.

„Hat es ihn ...“

„Er wird durchkommen“, unterbrach Kid Ambs Frage. „Die Kugel sitzt hoch in der linken Schulter. Tonny, hol einen Arzt herbei, beeil dich aber!“

„Allright, Boss“, presste Tonny hervor, warf einen langen Blick auf Rubi, drehte sich eilig um und verschwand in der Menge.

„Packt an, ihr beiden. Tragt ihn vorsichtig in das Gentleman-Hotel. Ich komme gleich nach, habe noch eine Rechnung offen, die ich erst begleichen möchte!“

Kid richtete sich steil in die Höhe. Seine Wangenmuskeln mahlten, und in seinen Augen glühte ein eigenartiges, gelbes Licht.

„Sei vorsichtig“, murmelte Rubi, dann biss er die Zähne zusammen, unterdrückte einen Aufschrei. Seine Kameraden trugen ihn quer über die Straße.

Kid Carson sah es nicht mehr. Für ihn war die Umwelt einfach wie fortgewischt. Er sah nur noch einen blassen Mann mit fahlem Gesicht, der nur schwerfällig aus dem Sattel stieg, seinen Gaul langsam an der Haltestange festband, und kein Auge von Kid ließ.

„Bist du fertig, Gibson?“

„Für dich immer, Carson. Du hast deine Eisen sehr tief geschnallt, und du hast mir einen üblen Song ins Ohr geblasen. Deine Eisen und deine Zunge sind wohl gleich übel, wie?“

„Du kannst es ja jederzeit ausprobieren, leg deinen Orden ab, mehr habe ich dir nicht zu sagen!“

„Ich werde weder den Orden ablegen, noch sonst etwas tun“, klang es zynisch, „aber ich habe das unfehlbare Gefühl, dass es nicht lange dauern wird, und dann werde ich dich jagen müssen, weil dann das Gesetz hinter mir steht, weil Kerle deiner Art irgendwie zu Geächteten werden, und dir kann ich versprechen, dass ich dann besser schießen werde – auch schneller als du, dann wirst du Gelegenheit haben, mich auszuprobieren, Kid Carson!“

Die Andeutung eines Lächelns setzte sich in Kids Mundwinkeln fest. Seine Rechte sauste zum Kolben, erstarrte in der Luft, fiel schlaff an den Schenkeln nieder.

„Du hättest es nicht geschafft, Carson“, bebte es rau von Gibsons Lippen, „schau dich um!“

„Yeah“, dehnte Kid zornig, „ich habe es bemerkt, du hast deine Raureiter gut postiert, hast dich nach allen Seiten gedeckt!“

Kaum hatte er das gesagt, als Ambs Stimme über die Straße gellte: „Komm Kid ... mit Rubi geht es zu Ende!“

Die Nachricht traf Kid wie ein vernichtender Keulenschlag. Er zuckte zusammen, zischte zu Gibson gewandt: „Du hast ihn also doch ...“

„Du musst etwas übersehen haben, Carson. Ein Mann, der von meiner Kugel getroffen wurde, steht nicht wieder auf“, höhnte Gibson, ihn scharf unterbrechend, ,.das sollte dir zu denken geben, Carson!“

„Wir sehen uns noch, Gibson“, flüsterte Kid. In diesen Worten lag mehr als bloße Drohung.

„Worauf du dich verlassen kannst“, raunte der andere ihm mit vor Hass zitternder Stimme nach. „Ich würde mich aber an deiner Stelle nicht so sehr nach einer Begegnung sehnen!“

„Ich hab’ nur einmal zu dir lass fallen gesagt, Gibson, nur einmal. Ich will, dass du dir das merkst!“ Er brach ab, ließ Gibson einfach stehen, schritt eilig davon.

Der Staatenreiter gab keine Antwort. Lachte rau, teuflisch hinter ihm her, und Kid spürte die hungrigen, brennenden Augen der Raureiter auf sich gerichtet, hörte das metallische Klicken eines gespannten Hahnes, das unterdrückte Fluchen eines Mannes, aber er blickte sich nicht um.

Nein, jetzt konnte er es nicht. Ein Freund verlangte nach ihm, Rubi Dugham wollte ihn sehen, Rubi, mit dem er den Trail nach Norden geritten war, der mit ihm zusammen an der Herde gearbeitet hatte und Nacht für Nacht das Camp mit ihm teilte. Tage, Wochen und Monate waren sie zusammen durch das wilde Land getrailt. Sie hatten dem Ruf der Herde Folge geleistet, hatten Wind und Wetter, Sturm und Regen Seite an Seite ertragen. Nachts waren sie todmüde aus den Sätteln geglitten, hatten das Raunen der Wildnis, das Muhen der lagernden Herde, das Geheul der Wölfe gehört, und über ihnen hatten ungezählte Sterne Nacht für Nacht gegrüßt. Rubi würde nun keine Nacht mehr erleben, nicht mehr die Sterne sehen, deren Glanz er so liebte. Kampf, Not und Entbehrungen, harte Männerzucht, und noch härtere Arbeit hatten die Männer der Treibherde zu einer Einheit zusammengeschweißt. Und nun rief Rubi, der Kamerad und Gefährte ... rief zum letzten Mal. Alles andere musste ausgeschaltet, vergessen sein.

Heiß brannte es in Kids Augen. Ein Knäuel steckte in seiner Kehle. Er schluckte, würgte. Was störte es ihn noch, dass hinter ihm fünf raue Männer ihre Waffen mit den Fäusten umklammerten, auf ein Zeichen, einen Wink ihres Anführers lauerten; was störte es ihn, dass Gibson einem dunkelhaarigen Mann einen hastigen Auftrag erteilte.

By Gosh, ein Sterbender verlangte nach ihm, wollte ihn sprechen! Ein Mann, den Gibson zum Geächteten gemacht hatte, obwohl niemand eine Strafanzeige gegen ihn erhoben, niemand ihn vor das Gesetz zwingen wollte. Goddam, das war übel, und es enthüllte Gibsons wahre Natur, ließ erkennen, dass er in Wirklichkeit ein reißender Wolf war, der nur darauf wartete, aus dem Hinterhalt zuzupacken.

Revolvergeier: Western Sheriff Sammelband 6 Romane

Подняться наверх