Читать книгу Revolvergeier: Western Sheriff Sammelband 6 Romane - Alfred Bekker - Страница 40

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10.


Crokston war eine blühende Siedlung. Kid Carson war erstaunt, denn das hatte er nicht erwartet. Mitten im Indianerland, nahe der kanadischen Grenze lag sie, von sanft ansteigenden Bergen eingeschlossen, von allen rauen Winden, die über das Land fegten, abgekapselt.

Kid trieb seinen Rotschimmel durch die weite Straße, hielt an, sprang aus dem Sattel, führte Ronny am Zügel hinter sich zu dem bärtigen Mann hin, der die rauchgrauen Augen zusammenkniff, ihn offen musterte.

„Hello“, grüßte Kid höflich. „Ich möchte mein Pferd hier abstellen, geht das?“

„Sie sind weit geritten, Gent“, sagte der Oldtimer. „Es kommt selten ein Fremder nach Crokston. Well, es sind mehrere Boxen frei. Stellen Sie Ihren Rotschimmel in irgendeiner unter, und schauen Sie sich um, Heu und Hafer ist in Mengen da!“ Er wandte sich von Kid ab, betätigte weiter den Blasebalg und schwang den Schmiedehammer. Seine mächtigen Muskelwülste spannten sich, spielten unter der Haut, und das Schmiedefeuer warf zuckende Flammenlichter auf ihn. Er war klein und breit, fast viereckig gebaut und arbeitete wie verbissen. Unter seinen Hammerschlägen nahm das glühende Eisen Formen an.

„Komm, Ronny“, murmelte Kid. Er zerrte an den Zügeln. Der warme Atem des Tieres berührte seinen Nacken. Ein wenig später stand Ronny in einer Box und Kid rieb den staubverkrusteten, abgezehrten Gaul sorgfältig ab. Schweiß und Ledergeruch, der Duft von süßem, würzigem Heu und lebendiger Tierleiber vermischte sich. Kid kam in Schweiß. Der Rotschimmel schnaubte behaglich.

„Er muss viele Meilen hinter sich gebracht haben!“, tönte die Stimme des Bärtigen hinter ihm auf. „Well, ein gutes Tier braucht einen guten Mann. Sie haben ihn wohl sehr gern?“

Der Schmied lehnte an der Box, zog heftig an seiner selbstgedrehten Zigarette, und machte einen etwas abgespannten, müden Eindruck.

„Yeah, Ronny hat mich durch viele Gefahren gebracht“, murmelte Kid. „Er ist mir ein guter Kamerad geworden!“

„Hm, nicht alle Cowboys denken so“, nickte der Bärtige versonnen. „Ich sah es gleich, Stranger, denn der Rotschimmel hat an Flanken und Weichen keine Narben. Sie reiten ihn wohl ohne Sporen, wie?“

„Ich brauche sie nicht“, gab Kid zur Antwort und wusste im gleichen Moment, dass der Schmied mit seinem Gespräch auf etwas ganz anderes zusteuern wollte.

„Yeah, Sie sind ein stolzer Mann, Stranger, und Sie tragen Ihre Eisen auf eine besondere Art. Es gibt nur wenige, die sich das erlauben können. Übrigens, bleiben Sie länger?“

Überrascht hob Kid den Kopf, lächelte vor sich hin, entgegnete: „Das klingt so, als wären vor mir einige Reiter angekommen!“

„Holy Gee, Sie können wahrhaftig Gedanken lesen. Yeah, es kamen einige Reiter nach Crokston und ...“

„Sie trugen ihre Eisen tief geschnallt, waren großspurige Burschen, und einer von ihnen, ein blasser Geselle, trug einen Stern“, unterbrach Kid schnell und krallte seine Augen in den Blick des anderen hinein.

„Yeah, so ist es.“

„Nun, und wo sind sie jetzt?“, raunte Kid, denn jetzt hatte er Gewissheit, dass Gibson ihn überholt und vor ihm in Crokston angekommen war. Er musste sich beherrschen, musste seiner Stimme einen unpersönlichen Klang geben. Die Augen des Bärtigen leuchteten eigenartig. Noch eigenartiger war jedoch seine Frage: „Gehören Sie auch zu den Raureitern?“

Für Sekunden setzte Kids Herzschlag aus, dann grollte er: „Sie sind hinter mir her, Fellow! Yeah, sie sind hinter mir her! Und nun können Sie hingehen, und die Kerle auf mich aufmerksam machen. Yeah, gehen Sie hin ...“ Mit einem Schlag brach in Kid die Verzweiflung eines Mannes durch, der am Ende des Trails feststellen musste, dass seine Gegner ihm zuvorgekommen waren, dass alle Strapazen, Hoffnungen und Wünsche umsonst, dass alle wilden Kämpfe vergeblich gewesen waren. Eine wilde, heftige Verzweiflung war es, die ihn alle Vorsicht vergessen ließ, allen Gefühlen zum Trotz die Maske vom Gesicht riss. Er hatte nur noch einen Wunsch, mit rauchenden Colts mitten unter die Wölfe zu fahren, zu töten, zu vernichten. Wie ein Höllenfeuer brannte dieser Wunsch in ihm, wie ein dämonisches Verhängnis. Keuchend ging sein Atem und in seinen Augen zuckten gelbe Flammen.

„Mein Gott, Stranger“, zischte der Bärtige verstört und trat rasch einige Schritte zurück.

Kids Anblick musste ihn zurückgeworfen haben, bleich, fahl war sein Gesicht. Sein Kinn klaffte herab und seine knochigen Arme mit den breiten Handgelenken hoben sich, wie in Abwehr. „Mein Gott! Yeah ... es war Gibson mit seinen Raureitern. Sie kamen gestern Abend an und ritten Pferde, die alle den Herzbrand trugen. Sie erkundigten sich nach einem Mann, der so aussieht wie Sie, Stranger. Wir konnten ihm jedoch keine Auskunft geben, und als sie dann noch eine weitere Auskunft verlangten, wussten wir, was die Glocke geschlagen hatte und schickten sie in die Wildnis.“

„Zu Constance Dugham, wie?“, brüllte Kid auf.

„Sie fragten nach dem Mädel, Stranger“, riss es von den Lippen des Bärtigen. „Yeah, sie forschten nach ihr. Genau wie du!“

„Wer sagt denn ...“

„Nun, ich höre es wohl“, unterbrach der Schmied beißend. „Du kannst nicht leugnen, dass du das Mädel suchst. Genau wie Gibson und seine Raureiter. Genau wie ...“

„Ich werde sie finden! Yeah, ich werde sie finden!“

„Ha, das sagte Gibson ebenfalls“, zischte der Bärtige. „Aber er wird sie nicht finden! Er nicht – und ...“

Abermals unterbrach Kid.

„Wenn Gibson sie findet, wird er sie töten. Er wird sie genau so kalt lächelnd umbringen wie ihren Bruder.“

„Was, Rubi Dugham ist tot? Tot?“, fauchte der Schmied, kam schnell einige Schritte näher, trat dicht vor Kid hin.

„Yeah! Er war mein Freund, und er gab mir diesen Ring zum Zeichen, dass ich mich um Constance kümmern sollte, dass ich sie vor den üblen Kerlen retten sollte. An diesem Ring soll Constance erkennen, dass sie mir vertrauen darf!“

Kid hob die Hand. An seinem Ringfinger blitzte Rubis Siegelring. Der Bärtige warf einen langen Blick darauf, kam noch näher, und Kid spürte seinen heißen Atem über seinen Handrücken wehen.

„Es ist Rubis Ring ... aber wer kann dafür garantieren, dass er dem Toten nicht vom Finger gezogen wurde? Wer ...“

Er unterbrach sich, prallte zurück. In Kids Rechter steckte ein kurzläufiger Derringer, und die Mündung der Waffe war auf seine Brust gerichtet.

„Ich liebe es nicht, wenn man meine Worte anzweifelt. Ich mag es gar nicht und kann so etwas nicht schlucken, Fellow!“, brach es heiser aus Kids Kehle. „Zum Teufel, ich habe dich aufgefordert, die Raureiter und Gibson zu holen, damit ich ihnen zum letzten Tanz aufspielen konnte. Ich habe ...“

„Yeah“, schrillte der Schmied, „das hast du getan. Hättest du es jedoch gestern Abend ... gestern, als Gibson mit seinen Reitern im Ort waren, getan, dann hätte ich dir glauben können, aber so? Kannst du nicht zu ihnen gehören? Kann es nicht sein, dass Gibson dich noch einmal zurückschickte, um auf diese Art zu erfahren, wo Constance Dugham ihr Blockhaus stehen hat? Himmel und Hölle, ich bin mir nicht sicher. Es sind zu viele Reiter unterwegs, die sich um Constance Dugham kümmern.“

„Narr, verdammter Narr“, fauchte Kid außer sich, „ich sage dir nur das eine: Wenn Gibson sie findet, dann wird er keine Rücksicht nehmen. Er wird sie dazu zwingen, die Papiere der Zwei-Gitter-Ranch herauszugeben und dann – dann wird sie sterben, denn er muss sie ja töten, um keinen Zeugen zu haben, um die Dugham-Ranch ganz zu besitzen.“ Mit steigender Erregung schrie er seine Worte fast dem anderen ins Gesicht, stand abwartend, bereit, etwas Unbesonnenes zu tun. Doch dann ließ er jählings den Derringer im Schulterhalfter verschwinden, lachte rasselnd, wie gequält und murmelte: „Vielleicht ist es noch nicht zu spät, vielleicht kann ich sie noch retten!“

„Du hältst dich wohl für sehr stark, wie?“, schleppte der Schmied. Wahrhaftig, der viereckige Bursche zeigte Mut und Entschlossenheit. Er ballte die Linke zur Faust und hieb damit gegen die Box, fuhr eilig fort: „Constance Dugham wusste es schon lange, sie wusste, dass eines Tages Männer nach ihr suchen würden. By Jove, sie hatte sich auf diesen Augenblick vorbereitet, und nur der Teufel weiß, dass in dieser Siedlung keine Verräter zu finden sind. Yeah, Constance Dugham ist mehr als nur eine Lady. Sie ist für diese Siedlung mehr, als man in Worten ausdrücken kann, sie ist sozusagen die Seele des Landes. Geh hin, Stranger! Geh hin und such einen Verräter, such einen Mann oder eine Frau oder auch ein Kind, die dir ihr Versteck preisgeben. Du wirst bis an das Ende deiner Tage suchen können, du wirst keinen finden. Und wenn du glaubst, dass Constance Dugham ihren Feinden wehrlos gegenübersteht, hast du dich in einen Irrtum verrannt. Wenn sie nur den kleinen Finger hebt, sind alle weißen und roten Männer der Umgebung mit Freuden dabei, für sie in den Kampf zu ziehen, sich für Constance in Stücke schießen zu lassen. Aber sie wird niemals den kleinen Finger heben. Nein, niemals wird sie das tun, denn sie ist ein Engel. So, und nun zieh deinen Colt und mach es kurz!“

Kalte Schauer jagten über Kids Rücken. Hart knirschten seine Zähne aufeinander. By Jove, was

er hier zu hören bekam, war neu und aufschlussreich. Das hatte er nicht erwartet. Er senkte den Kopf, ließ die Arme hängen.

„Nun, um so besser – für Madam Dugham“, murmelte er leise. „Aber ... Gibson kann es nicht befreien ... ich werde ihn stellen!“

„Dann vergiss nicht den Mann, der sich Rufe Wells nennt, und der an seiner Seite reitet, besonders im Auge zu behalten. Er erkundigte sich recht nachhaltig nach dir, und das hat nichts Gutes zu bedeuten!“, sagte der Schmied grimmig.

„Nun, er steht seit Jahren auf meiner Abschussliste, Fellow. Ich habe ihn ganz besonders in mein Herz geschlossen, nahm allerdings nicht an, dass er noch mit Gibson reitet, dachte, er hätte sich inzwischen davongemacht.“

„Sie sind zusammen. Ich hörte sie beide miteinander sprechen. Allright, ich will meinen Stetson verschlucken, wenn dieser Staatenreiter nicht der übelste Bursche ist, der mir jemals mit einem Stern an der Weste begegnet ist. Du willst ihn und seine Horde stellen? Nun, er ritt weiter nach Norden.“ Das war eine unmissverständliche Herausforderung und nicht zu überhören.

„Mein Pferd braucht etwas Ruhe ... und neue Eisen an den Vorderhufen. Und ich, ich brauche Proviant.“

„Du willst also reiten?“, klang es gespannt.

„Ich lasse mich durch nichts davon abhalten, Fellow“, knurrte Kid, und in seiner Stimme war nun ein stählerner Klang, war eine finstere Drohung.

Der Bärtige versteifte sich ein wenig, nickte ernst und gelassen, erwiderte: „Jetzt weiß ich, wer du bist. Habe schon von dir gehört. Yeah, du bist wilde und raue Pfade geritten, hast in den rauchigen Städten Ordnung geschafft. Manchmal hat der Orden als Marshal oder als Sheriff an deiner Weste gesteckt, und überall hast du dich nach Rufe Wells erkundigt. Überall, und jetzt bist du hier, Kid Carson!“

Mit dem Daumen schob sich Kid seinen Stetson in den Nacken, schmal und dunkel wurden seine Augen, Kerben zeigten sich in seinem Gesicht, gruben sich tief in das Fleisch ein. Die gelben Flammen in seinen Augen brannten hell.

„Du bist gut informiert, Fellow“, bebte es heiser von seinen Lippen. „Woher weißt du das alles?“

„Ein Mann, der vor zwei Stunden hier eintraf, und der sofort wieder weiter ritt, nach Norden, hat mir von dir erzählt“, klang es rasch.

Diese Nachricht wirkte. Kid hob die Arme, und sein schauriges Lachen gellte durch den Mietstall. Yeah, genau so hatte er damals gelacht, als er seinen Stetson aus dem Creek fischte.

Revolvergeier: Western Sheriff Sammelband 6 Romane

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