Читать книгу Revolvergeier: Western Sheriff Sammelband 6 Romane - Alfred Bekker - Страница 39

9.

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Ja, das hatte Hay Stoard gesagt. Kid glaubte, die Worte jetzt noch zu hören. Drei lange Wochen brauchte er für seine Genesung, und das Geld, das er sich als Trailboss verdient hatte, schrumpfte mächtig zusammen, denn Dodge war eine teure Stadt. Nach drei Wochen war er so weit wiederhergestellt, dass er in den Sattel klettern konnte.

Seltsam, in den Tagen, in denen ihn das Schicksal ans Bett gefesselt hatte, war ihm Hay Stoard unentbehrlich geworden. Es gab keinen besseren Krankenpfleger als ihn. Er wechselte die Verbände, brachte das Essen, rollte Zigaretten, war immer und allezeit bereit, irgend etwas zu tun. Er versorgte die Pferde, kaufte frühzeitig Packpferde und Proviant, war unermüdlich, von einer grimmigen Besessenheit erfüllt. Nachts überraschte Kid ihn oft, wie er katzenweich aufstand, seinen Colt von der Bettdecke nahm, zum Fenster trat und lange, lange im Mondlicht stand und auf die Straße hinabblickte.

Ja, Hay war schon ein prächtiger Junge, und alle seine Handlungen waren wohldurchdacht und überlegt.

Jetzt ritten sie.

Meile um Meile blieb unter den Hufen ihrer Pferde zurück. Nach Norden führte der Trail, immer weiter nach Norden. Der Boy war ein schweigsamer Begleiter. Ab und zu spürte Kid seine hellen Augen auf sich gerichtet, und wenn er den Blick erwiderte, sah Hay schnell zur Seite.

Sie durchquerten Kansas, ließen den Smoky-Hill und den Salomon-River hinter sich.

Ranches und Farmen lagen auf ihrem Weg, kleine und große Ortschaften, Poststationen und Handelsniederlassungen. Sie begegneten Frachtwagenkolonnen und Rinderherden, ritten durch wogende Kornfelder und fanden einsame Blockhütten, in denen sie ausruhen, Wasser und Proviant erneuern konnten.

Oft rollte die Postkutsche an ihnen vorbei. Jagende Hufe, Staub und Dreck, Peitschenknallen und rollender Räderlärm schreckten Reit und Packtiere auf.

Ja, sie waren gut ausgerüstet. Kid hatte außer dem Waffengurt mit den tief baumelnden Eisen einen Schulterhalfter unter der Kalbslederjacke und eine Winchester im Scabbard stecken, und Hay trug einen langläufigen Revolver im Hosenbund.

Bald hatten sie Kansas hinter sich und ritten durch Nebraska. Überall im Lande waren die Anzeichen einer neuen Zeit zu sehen. Harte Männer waren auf dem Trail. Gute und böse waren darunter. Männer, die beim Anblick der beiden Reiter ihre Pferde schnell zur Seite lenkten, und Männer, die stolz herankamen, einen kurzen Gruß austauschten, wenige Fragen stellten und weiter ritten.

Der Westen hatte eine rauchige Zeit, und jede Begegnung mit anderen Reitern war eine Nerven- und Kraftprobe.

Hay hielt sich wie ein ganzer Mann.

Vier Tage waren sie nun schon unterwegs. Des Nachts waren sie in Camps gegangen, und der fünfte anbrechende Tag sah sie durch eine blumige Prärie reiten. Kid war aufmerksamer denn je. Weit vorgeneigt hockte er im Sattel, und seine Augen suchten nach Spuren.

„Sie sind nun vor uns, Sonny“, sagte er unvermittelt. Hay Stoard warf den Kopf herum. Seine blanken Augen hefteten sich auf Kid.

„Ich habe nicht geschlafen, Kid. Ich bin in der Nacht einmal wach gewesen und fand deine Decken leer!“

„Nun, um so besser, Sonny. Die vier Kerle, die mich in Dodge zusammenschlugen, haben sich auf unsere Spur gesetzt. In der Nacht umstrich einer von ihnen unser Lager ...“

„By Gosh, was willst du nun tun?“, entfuhr es Hay überrascht.

„Sie sind vor uns, und das kann zweierlei bedeuten. Entweder, sie wollen uns einen Hinterhalt legen, oder aber sie setzen sich mit Gibson in Verbindung. Letzteres wäre das schlimmere Übel“, murmelte Kid Carson. Eine steile Falte zerfurchte seine Stirn. Düster brannten seine Augen. Hölle, niemals würde er den Kampf vergessen, niemals, so lange er lebte. Hörbar knirschten seine Zähne aufeinander. „Sie dürfen nicht auf Gibson und seine Raureiter stoßen, denn vereint sind die Kerle eine Macht, die von uns wohl kaum zu schlagen ist. Unsere Chancen stehen eins zu Hundert, und das ist bitter. Sie haben dann zwei Möglichkeiten, entweder fangen sie uns und quetschen unser Wissen mit mittelalterlichen Foltermethoden aus uns heraus, oder – sie lassen uns ziehen und bleiben auf unserer Fährte. Beides führt sie zum Ziel, führt sie zu Constance Dugham. Himmel und Hölle, die Zwei-Gitter-Ranch in Arizona muss in der Tat eine Goldgrube sein, dass Männer quer durch den Kontinent jagen, dass sie Himmel und Hölle in Bewegung setzen, um die Papiere der Ranch in ihre Hände zu bekommen. Höre, Sonny, die Kerle dürfen nicht mit Gibson zusammenstoßen. Wir müssen sie vorher stellen.“

„Du willst sie auf ihre Größe zurechtstutzen. Gut, ich kann das verstehen, kann es nur zu gut verstehen, lass uns also reiten. Sie haben nur einige Stunden Vorsprung“, brach es heiser aus Hay heraus. Seine Augen funkelten vor Kampfeseifer, und sein Kinn streckte sich vor. Leise und dunkel lachte Kid vor sich hin.

„Sonny, ich will sie nicht nur zurechtstutzen – ich will auch von ihnen erfahren, wer Rubi Dugham aus dem Hinterhalt die zweite Kugel gegeben hat. Yeah, das will ich wissen, und bevor sie zur Hölle fahren, werden sie mir einen Song anstimmen!“

Die beiden Reiter rissen ihre Sporen über Flanken und Weichen. Das Sattelleder quietschte. Die Hufe trommelten den Boden. Staub quoll hinter ihnen empor, glitzerte in der Sonne.

Reit- und Packpferde preschten über die Prärie, die in sanften Wellen sich bis zum Horizont ergoss. Bauminseln und kleine Wälder tauchten auf, blieben rechts und links zurück, und die sanften Hügel wurden zu bewegten Wellen, die sich langsam und stetig den Reitern entgegenwarfen.

Eine Stunde verstrich. Nichts hatten sie von den vier Reitern erblicken können, nicht einmal die Schweifspitze eines Pferdes. Kid zügelte seinen Gaul, und Hay tat es ihm nach.

„Sonny, es sieht ganz bedenklich nach einer Falle aus!“, murmelte Kid und lachte grimmig vor sich hin. „Pass auf und sei vorsichtig. Hinter jedem Hügel, Baum und Strauch kann jetzt ein Gewehrlauf wachsen. Bleib ein wenig hinter mir und halte die Augen auf!“

„Ich werde aufpassen wie ein Luchs, Kid“, entgegnete Hay grimmig.

„Nun, ich weiß, dass ich mich auf dich verlassen kann. Du hast es genügend bewiesen. Wenn ein Mann durch die Hölle gegangen ist, bleiben ihm nur zwei Wege offen, entweder, er zerbricht, oder aber er wird härter denn je. Du bist hart geworden, Sonny!“

Hay bekam rote Ohren, war verwirrt und beschämt. Das Lob brachte ihn mehr durcheinander, als eine Serie schneller Schüsse. Doch Kid erreichte damit, dass der Boy wirklich einige Pferdelängen hinter ihm blieb, und das wollte er unbedingt, denn von den vier Gegnern war auf keinen Fall zu erwarten, dass sie Hay besonders liebevoll gesinnt waren. Er war es, der sie, bevor sie ihre Aufgabe erfüllt hatten, in die Flucht getrieben hatte, und das würden sie ihm nie verzeihen, würden es ihm auf die raue Art zeigen wollen, und wie so eine Sache aussah, wusste Kid.

Langsam ritten sie nun den langgestreckten Hang eines Hügels hinan. Plötzlich lenkte Kid nach

rechts ab, setzte die Sporen ein, wandte sich eilig im Sattel um und schrie Hay zu: „Bleib auf meiner Fährte und kümmere dich nicht um die Packtiere.“ Hay Stoard warf sich in den Steigbügeln auf, fuchtelte wie wild mit den Armen. Was er indes sagte, wurde von dem harten, polternden Hufschlag des Braunen verschluckt, vom Reitwind übertönt.

„Ich muss ihn zurücklassen“, murmelte Kid Carson. „Er ist zu jung, und er hat keine Kampferfahrung. Er ist ein Heißsporn und würde einer fliegenden Kugel glatt entgegentreten. Lauf Brauner ... lauf zu!“ Die letzten Worte galten seinem Gaul. Bäume und Sträucher flogen ihm entgegen, zuckten vorbei, nichts geschah. Auf der Kuppe des Hügels angelangt, stoppte er den Braunen mit einem harten Ruck, so dass der Gaul böse schnaubend auf die Hinterhand ging und mit den Vorderhufen durch die Luft angelte.

Tief sog Kid die Luft ein, wischte sich über die Augen. Genau vor ihm lagen die Blockhütten einer Siedlung. Ein breiter Creek schlängelte sich am Fuße des Hügels von Ost nach West, und über diesen führte eine schmale Holzbrücke zu der Siedlung hin.

Jetzt war ihm alles klar. Die vier Kerle lauerten in der Siedlung und wenn er jetzt weiter ritt, konnte es bei den ersten Häusern aufblitzen.

Verdächtig war die Ruhe dort unten, verdächtig die Tatsache, dass sich kein Mensch sehen ließ. Wie ausgestorben lag die Siedlung da.

„Vorwärts!“ Bitter und grimmig stieß er die Worte hervor. Ja, er wollte sich unter keinen Umständen aufhalten lassen. Es war gewiss, dass sie ihn wohl nicht mit Blei zudecken würden, denn sie wollten ja noch etwas von ihm wissen. Tot nützte er ihnen keineswegs!

„Vorwärts, Brauner!“ Eine grimmige Genugtuung war in ihm. Nur Jäger mochten eine solche Freude empfinden, wenn sie ihr Wild gestellt hatten. Jäger und Männer, die den Kampf liebten. Kid Carson war so ein Mann, die Natur hatte ihn so geschaffen. Der Kampf gehörte zu seinem Leben, und niemals war ihm der Gedanke gekommen, dass es auch anders sein könnte.

Kid war eben ein Kämpfer.

Er trieb seinen Braunen an. Beim Weiterreiten spürte er leicht ziehende Schmerzen in den Rippen. Ja, sie waren wohl wieder intakt, aber gerade jetzt erinnerten sie ihn daran, dass er vier Kerlen entgegen ritt, die ihn zerschlagen und zertreten hatten.

Sein Grimm wuchs, wurde mit jedem Hufschlag größer, gewaltiger. Hass brannte in ihm, loderte in seinen gelblich glimmenden Augen.

Er dachte an ein wachsbleiches Gesicht, an ein frisches Grab in Dodge.

Kälte senkte sich in sein Herz und füllte ihn aus.

Näher rückten die Blockhäuser. Die erblindeten Scheiben bei den ersten Hütten wurden weder aufgestoßen, noch von flammenden Mündungsfeuern überblendet.

Er hatte die Brücke erreicht, als er den ersten Bewohner der Siedlung sah. Es war eine hagere Frau, die am Creek stand und mit geweiteten Augen den stolzen Reiter betrachtete.

Kid nickte ihr zu, sah, wie sie erschrocken die Rechte hochriss, auf ihren Busen presste und ihn mit seltsamen, eindringlichen Augen musterte.

Leicht beugte er sich im Sattel vor, tippte an die Stetsonkrempe und stieß rau hervor:

„Madam, eine Frage ...“

„Die ersparen Sie sich ruhig, Stranger. Hier gibt es wenig zu fragen“, gab sie orakelhaft zur Antwort. Das genügte ihm. Er ritt weiter. Dumpf rumorten die Hufe auf den Bretterbohlen. Die Frau am Ufer sah ihn herankommen und machte Anstalten, sich in Sicherheit zu bringen. Eilig wandte sie sich um, wollte hinter den Büschen untertauchen, doch dann besann sie sich eines anderen und blieb steif, seltsam verkrampft stehen.

Sie war das einzige Lebewesen in dieser Siedlung, die aus drei Hütten und einigen Schuppen bestand, und ihre Art war nicht gerade dazu angetan, einem Mann Hoffnung und Mut zu machen. Kid Carson ahnte, sie war in Not. Vier üble Kerle hatten sie überrascht. Vielleicht waren die anderen Leute der Siedlung schon am frühen Morgen aufgebrochen, und sie war allein zurückgeblieben. Yeah, so konnte es sein.

„Carson, hoch mit den Händen“, gellte eine misstönige Bassstimme aus dem Gebüsch, neben dem die Frau stand.

Kid handelte sofort. Himmel und Hölle! Im ersten Impuls wollte er die herausgerissene Waffe auf das Gebüsch abfeuern, doch dann hätte er aller Wahrscheinlichkeit nach die unschuldige Frau getroffen. Das war eine verdammt teuflische Sache. Diese gemeinen Kerle scheuten sich nicht, hinter Frauenröcken Schutz zu suchen, wenn sie sich einen Vorteil davon versprachen. Well, sie hatten Kid Carson richtig eingeschätzt. Sie kannten ihn und jeder Trick war ihnen recht, jeder gemeine, mörderische Trick.

Grell flammte das Mündungsfeuer auf. Es summte, zuckte heran, traf das Pferd. Schrill wiehernd stieg der Braune hoch und fing mit seinem Leib drei weitere Kugeln auf.

„Herunter vom Gaul! Carson, du bist gestellt!“, gellte es nun auch hinter Kid. Aus den Augenwinkeln heraus konnte er einen Mann sehen, der in langen Sprüngen sein Versteck verließ, an dem Kid vorbeigeritten war. Ein Gewehrlauf blitzte in seiner Hand.

Damned, Kid hatte töricht gehandelt. Er war zu stolz gewesen und zu sehr mit Grimm geladen, als dass er die primitive Falle meiden wollte.

Jetzt saß er in der Tinte, und sie war mächtig dick und übel. Qualvoll, wild, fast menschlich, war der Schrei des getroffenen Braunen. Viele Dinge auf einmal stürmten auf Kid ein. Er sah die Frau am Ufer in die Knie sinken, hörte das Wimmern der Kugeln, den Fluch des Killers hinter sich, und spürte es heiß an seinem Ohr vorbei brennen, spürte, wie eine Kugel ihn an der Schulter zupfte.

Sein rechtes Bein hakte im Sattelschuh, gleichzeitig schoss er. Drei, vier Flammenzungen peitschten aus dem rechten Colt, waren wie eine einzige, schmetternde Detonation. Die Kugeln prasselten um den Kerl, der mit der Winchester im Anschlag stand, hieben ihm den Stetson aus dem bulligen Nacken.

Aber das und viele andere Dinge sah Kid nicht. Er wusste nur, dass sein Bein unlöslich im Sattelschuh verheddert war, wusste, dass er verloren war, wenn der Braune in sich zusammenbrechen und ihn unter sich begraben würde.

Yeah, das alles wurde ihm in Bruchteilen von Sekunden klar, oder waren es Ewigkeiten? Ewigkeiten, in denen er wie rasend um sich schoss, versuchte, mit verzweifelter Kraft sein Bein zu lösen, indem er mit dem linken Bein versuchte, die Sporen einzusetzen, um dem sterbenden Tier seinen eigenen, übermächtigen Willen aufzuzwingen.

Es gelang. Der Braune flog noch einmal in die Höhe – mit allen Hufen zugleich, wie ein Bocker, der zur letzten Parade antrat. Kid spürte den sausenden Luftzug, den scharfen Ruck. Der breite Bug des Pferdes hieb mit aller Macht gegen das Haltegeländer der Brücke. Es splitterte und barst, fetzte auseinander und allen Lärm übertönend war der hysterische, wilde Aufschrei der Frau am Ufer. Ihr grausiger Schrei schlug mit den Wasserwogen über Kid zusammen.

Er kam prustend an die Wasseroberfläche, sah über sich die Brücke mit dem zerborstenen Geländer.

Damned, sie hatten ihn auf der Brücke schon in einer Falle gehabt. Von beiden Seiten kamen sie nun heran. Ihre Colts feuerten, hieben grelle Feuergarben heraus. Rings um Kid zischten Wasserfontänen in die Höhe, und wieder traf ihn der helle Notschrei der Frau, zwang ihn unter Wasser, ließ ihn gewaltige Schwimmstöße ausführen. Als ihn der Luftmangel wieder hochtrieb, sah er seinen Braunen vorbeigleiten. Das Tier war noch nicht tot, schlug um sich, hatte den Hals hochgereckt. Schaumiges Wasser troff aus den geblähten Nüstern. Gelbes, lehmiges Wasser rann um die geweiteten, anklagenden Augen.

Der Anblick dieser Not, ließ Kid für einige Herzschläge seine eigene verzweifelte Lage vergessen.

Niemals würde er diese großen Tieraugen vergessen, niemals! Das Bild krallte sich in ihm ein – dann war es verschwunden. Ein kreiselnder Wassertrichter, ein Strudel war dort, wo der Braune noch soeben zu sehen war, sonst nichts.

Zur rechten Zeit war Kid aus dem Sattelschuh freigekommen, und nun trieben sie ihn, rannten an beiden Ufern entlang, und schossen dicht über seinen Kopf hinweg.

„Carson, komm heraus“, gellte es.

„Sie werden lange warten können“, grimmte Kid in sich hinein und tauchte wieder unter. Ohne Zweifel wollten die Burschen den Kampf beenden, bevor er hinter den Schnellen den Wasserfall oder den Nebenarm des Creeks erreichte. Sie wussten, dass sich ein Mann wie er die kleinste Chance ausrechnen würde, und waren deshalb bemüht, ihn mit ihren Schüssen zur Umkehr zu zwingen.

Yeah, jetzt gab es nichts mehr zu deuteln. Es waren jene hartgesottenen Burschen, die ihn in Dodge unter ihren Fäusten hatten; jene plumpen, überschweren Burschen, die man sich wohl als Rausschmeißer in einem Saloon oder einer Bar vorstellen konnte, nicht aber als bewegliche schnelle Reiter. Kerle von ihrem Format taugten nicht für den Sattel. Jeder krummbeinige, dünnhäutige Satteltramp war ihnen überlegen. Well, sie waren mit den Fäusten gut, aber mit den Eisen waren sie miserabel. Sie schossen schlecht, und dennoch würden sie dort, wo der Creek schmaler wurde, ihm gewiss ihren Willen aufzwingen wollen.

Kid hob den Kopf über die Wasserfläche und wusste sogleich, dass die Strecke zu lang war, um sie mit Tauchen zu überwinden. Es war die gefährlichste Stelle. Seine Chancen, zum Nebenarm einzubiegen oder bis zum Wasserfall durchzuhalten, schrumpften zusammen. Am rechten Ufer kamen die beiden Kerle bedeutend schneller voran als die Burschen am linken Ufer – denn rechts gab es nur wenig Gestrüpp, dafür sanft ansteigende Böschungen, Sandbänke und ein wenig Riedgras.

Jetzt liefen sie mit ihm auf gleicher Höhe, feuerten im Laufen.

Die Geschosse lagen verdächtig nahe, und doch dachte Kid nicht daran unterzutauchen. Das planlose Streufeuer um ihn herum war nur Bluff, sollte ihn erschrecken und aufhalten.

Niemals war eine Falle besser, niemals aussichtsreicher gewesen als die, die sich jetzt vor ihm aufbaute.

Grimmig lachte er in sich hinein. Er gab nicht auf, schwamm weiter, ließ sich mit der Strömung treiben. Er musste versuchen durchzukommen, selbst wenn es Wahnsinn, Selbstmord war! Er musste es wagen!

Näher kamen die Stromschnellen. Die beiden Revolverschwinger am rechten Ufer hatten sich bereits günstige Positionen ausgewählt. Sie brauchten sich nicht einmal zu verstecken, oder in Deckung zu gehen. Offen und frei standen sie da, warteten, lauerten, und das pralle Sonnenlicht lag auf ihren höhnisch verzerrten Gesichtern.

Der Sog trieb Kid schnell vorwärts. Um ihn plätscherten die bewegten Wasser. Gischtnebel senkten sich über die Wellen, wirbelten in die Höhe. Regenbogen- und Diamanten-Farben gleißten und sprühten schaumige Wellen um ihn herum.

„Carson, fahr zur Hölle!“

Deutlich und klar hallte der Ruf zu Kid hin. Er hob die Hand aus dem Wasser, winkte grimmig den Kerlen am Ufer zu.

„Das werdet ihr euch überlegen“, schrie er zurück und holte tief Luft. Er würde viel Luft brauchen, wenn er gleich tauchte; viel, viel Luft, und seine Lungen würden vielleicht bersten. Da,

der Kerl mit dem angeschlagenen Colt warf plötzlich beide Arme in die Höhe, ruderte um sich selbst, sauste mit dem Kopf voran die Böschung hinunter. Der andere Bursche wirbelte beim Aufklingen des Schusses herum – zu spät. Im gleichen Augenblick erwischte ihn Hay Stoards Kugel zwischen den Augenbrauen. Kid vergaß das Tauchen. Eilig trug die Strömung ihn an den beiden Körpern vorbei, die steif und verkrümmt am Ufer lagen. Blicklose Augen stierten ihn an. Augen, in denen das Leben erloschen war, denen der Tod seinen Stempel aufgedrückt hatte.

Vom linken Ufer her wummerten scharfe Detonationen. Eine Winchester spie heißes Blei über ihn hinweg. Ein Gefühl heißer Dankbarkeit durchflutete ihn. Goddam, Hay hatte zur rechten Sekunde in das Geschehen eingegriffen. Ja, Hay hatte ihm nun zum zweiten Mal im rechten Moment aus der Patsche geholfen.

Kid sah ihn, er stand auf den Kamm eines Hügels und lud mit kalter Ruhe das leer geschossene Gewehr auf. Wie ein Oldtimer benahm er sich. Großspurig, wie ein echter, harter Mann saß er im Sattel seines Falben. Weder Unruhe noch Angst hemmten ihn. Das war eine Stärke und Haltung, die die beiden Männer am linken Ufer zurückprallen ließ. Sie blieben stehen, feuerten und suchten dabei wie irr nach Deckung.

„Jippieeeh“, klang es aufreizend schrill von der Höhe. Himmel und Hölle, Hay ließ sich nicht aufhalten, kam herabgestürmt, verschwand wie ein Ungewitter hinter einer Bodensenke, und diesen

Moment nutzten die Kerle, um in langen Sprüngen zurückzulaufen, um sich in Sicherheit zu bringen. Sie hatten vollkommen die Nerven verloren. Es war kaum zu glauben und dennoch wahr!

Hay trieb sie mit seinem schrillen Cowboyruf in die Flucht, und die scharfen Salven seines Gewehrs erhöhten noch die Wirkung. In langen Stößen schwamm Kid nun auf das linke Ufer zu, wankte mühsam an Land. Benommen richtete er sich am Ufer auf, rieb sich die Augen, lachte rasselnd vor sich hin. Die beiden Kerle rannten immer noch, machten keine Anstalten, den Kampf fortzusetzen. Gerade verschwanden sie hinter den Häusern der Siedlung.

„Hello, Kid!“, schrie Hay. Hoch aufgerichtet saß er im Sattel. Quer über seinen Knien lag die Winchester. Sein Falbe tänzelte hin und her.

„Ah, Sonny, du hast ihnen mal wieder Beine gemacht“, lachte Kid.

„Oh, ich werde sie bis zum Nordpol jagen, wenn es sein muss. Sind deine Waffen in Ordnung?“, erkundigte sich Hay und zügelte seinen Gaul. Er beugte sich im Sattel vor und spähte zu den Toten hin.

„Ich hatte keine Gelegenheit es auszuprobieren, Sonny. Schätze, dass es mir wohl übel ergangen wäre“, raunte Kid und schüttelte sich.

„Wir tragen es aus, Kid“, fauchte Hay. „Wir lassen sie auf keinen Fall aus der Siedlung heraus. Probier erst schnell deine Colts und dann ...“

Mit einem Ruck zog Kid beide Waffen aus den Futteralen und schoss. Ja, das Wasser hatte die Waffen keineswegs unbrauchbar gemacht. „Sie beißen noch, Sonny“, fauchte er heiser. „Reite du nun langsam am Ufer entlang bis zur Brücke. Aber halte dich hinter den Sträuchern. Werde nicht leichtsinnig, bedenke, dass gestellte Wölfe um sich beißen, und dass Feiglinge zu Helden werden, wenn sie keinen Ausweg, keine Chance mehr sehen!“

Hay gab keine Antwort, trieb seinen Gaul mit leisem Zuruf an. Stolz und aufrecht saß er auf seinem Gaul, schwang grüßend seine Winchester, tauchte hinter den verfilzten Dornenbüschen am anderen Ufer unter.

Kid setzte sich nun auch in Bewegung. Lang ausgreifend, tigerhaft lässig war sein Gang. Schon die nächste Deckung benutzte er, um aus dem Sichtwinkel der Blockhütten zu verschwinden. Kein Indianer hätte es besser machen können. Im Halbbogen näherte er sich der Siedlung. Ab und zu blieb er lauschend stehen, reckte sich, oder legte sich lang auf den Boden, presste sein rechtes Ohr in das Moos hinein.

Er hörte nicht das leise Pochen sich eilig entfernender Hufschläge – entgegen seiner Vermutung rissen die Kerle nicht aus. Vielleicht waren sie schlau genug, um zu wissen, dass sie dann alles verloren hätten. Vielleicht wussten sie, dass Reiter wie Hay Stoard und Kid Carson niemals den Staub ihrer Gäule schlucken würden. Ah, es waren Ratten! Ratten, die allerdings sehr übel sein konnten, die mit den verwerflichsten Tricks aufwarteten und nun ihre Giftzähne zeigten.

Mücken umschwirrten ihn. Er verließ die Bodenfalte und huschte weiter. Rechts aus dem Corral klang das leise Schnauben eines Pferdes. Im Schlagschatten des Schuppens verhielt er. Das Blut rauschte in seinen Ohren, und sein Herz hämmerte in jagenden Stößen gegen die Wandung seiner Rippen.

Er tastete nach seinen Colts, lockerte den Schulterhalfter und schlich weiter.

Sonderbarerweise musste er jetzt an die verhärmte Frau denken, die ihm an der Brücke die Warnung zukommen ließ. Wo war sie? Ein leises Geräusch erklang hinter ihm. Wie der Blitz wirbelte er herum.

„Stranger“, flüsterte es, „Sie rennen in Ihr Verderben!“

Betroffen ließ Kid die Waffe sinken, versteifte sich, neigte sich vor und wartete.

„Sie haben mich hier eingesperrt, Stranger“, raunte es wiederum. „Es sind Killer, und sie haben mich wehrlose Frau überrumpelt.“

Durch die Ritzen hindurch klang die Stimme. Sie bebte vor Aufregung, und Kid fragte gespannt: „Sie waren alleine, Miss?“

„Yeah“, klang es schnell. „Alle Männer sind gestern Nacht fortgeritten, um gegen die Sioux zu ziehen, die uns das Leben hier zur Hölle machen.“

„So ähnlich habe ich es mir vorgestellt. Wo sind die Burschen jetzt?“

Keine Antwort erfolgte, dafür aber ein Schrei, der durch Mark und Bein ging. Der Schrei riss die letzten Hemmungen in Kid nieder. Himmel und Hölle, die Burschen vergriffen sich an einer Frau. Für den Bruchteil einer Sekunde war Kid fassungslos, dann fetzte ein wildes Stöhnen über seine Lippen. Mit einem Satz sauste er um die Ecke des Schuppens herum. Vor ihm blitzte es grell auf, und hinter ihm schlug klatschend eine Kugel in die Bretterwand. Im Rennen riss er seine Colts aus den Halftern, ließ sie aufbellen. Flammenstrahlen zuckten aus den Mündungen. Wogender Pulverdampf war um ihn, er stand vor einer Tür, stieß sie mit dem rechten Stiefel auf, sprang hinein und schoss, ließ sich im gleichen Augenblick fallen, flog weit in den Raum hinein und dort, wo er soeben noch gestanden hatte, hieben Kugeln in das Holzwerk der zufallenden Tür.

Kid lag am Boden und schoss – schoss, bis es in seinen Eisen knackte, schoss, bis die Hämmer auf leere Patronenhülsen schlugen. Ein fauchendes Lachen sprang von seinen Lippen. Ein Lachen, wie es wilder und rauer niemals gehört worden war. Und in diesem teuflischen, gespenstigen Lachen fuhren zwei Kerle zur Hölle, die es gewagt hatten, eine Frau als Köder zu benutzen. Zwei Kerle, die nicht schnell genug mit ihren Eisen waren und nun am Boden lagen, verkrümmt und ohne Leben.

Kid erhob sich. Jäh brach sein Lachen ab. Düster und grau wie Schattenlandschaften wurden seine Augen, wie tintige Klüfte, die das Grauen geschluckt.

Nun lagen sie da, die Männer, die mit ihren Fäusten Menschen in die Grube brachten, die mehr als einen guten Mann zerbrochen, für immer erledigt hatten. Sie rührten und regten sich nicht mehr,

und dort, wo sich die schmale Tür zum Schuppen befand, stand die abgehärmte, blasse Frau. Sie lehnte am Türpfosten. Groß, weit waren ihre Augen. Mit seltsamer Eindringlichkeit flogen sie über die Gefallenen, hefteten sich auf Kid, der ein wenig überrascht den Kopf hob, die rauchenden Colts an den Chaps abwischte und mit einem harten Ruck in die Futterale stieß.

„Madam, diese Kerle werden ihre nichtsnutzigen Hände nicht mehr ausstrecken“, murmelte er leise und sah sie fest an.

„Es waren Killer übelster Sorte. Sie haben es verdient, und ich weiß nicht, was aus mir geworden wäre, wenn Sie nicht gekommen ...“

„Diese Männer haben auf mich und meinen Sattelgefährten gewartet, Madam. Sie hatten den Auftrag uns zu fangen.“

„Ich kann es kaum glauben“, unterbrach sie ihn erregt. „Als sie ankamen, durchsuchten sie alle Häuser der Siedlung und nahmen, was ihnen gefiel. Sie sind ...“ Jagender Hufschlag ließ sie verstummen. Draußen sprang ein Mann aus dem Sattel, dann flog die Tür auf.

„Kid!“ Hay gurgelte es hervor, stand dann steif, unbeweglich, zerrte sich den Stetson von den Haaren. „Ich dachte, du wärst in Not, Kid! Ich dachte, ich ... Du hast das Letzte ohne mich gemacht ... und du wolltest doch von ihnen herausholen, wer die zweite Kugel auf Rubi Dugham abgefeuert hat. Nun werden sie dir nichts mehr sagen können!“

„By Jove, du hast recht“, murmelte Kid leise. Aber es ging nicht anders!“

„Doch es gibt noch jemand, der es weiß! Gibson! Ja, Gibson allein wird es mir sagen!“

Revolvergeier: Western Sheriff Sammelband 6 Romane

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