Читать книгу Revolvergeier: Western Sheriff Sammelband 6 Romane - Alfred Bekker - Страница 34

6.

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Grau und bleich war Rubi Dughams Gesicht, als Kid das Zimmer im Gentleman-Hotel betrat, in dem sie den Kameraden aufgebahrt hatten.

Es war ihm zugewandt, und die verlöschenden Augen hatten sich an Kid Carson geklammert, als könnte er die furchtbare Tatsache aufhalten, als könnte er die Macht des Todes brechen, der bereits seine Klauen nach ihm ausgestreckt hatte.

Langsam kam er näher. In seinem Innern musste etwas Seltsames vorgehen, denn Tonny und Hay wichen scheu beiseite, als sie ihm in die Augen geblickt hatten, stierten auf die Stetsons in ihren Händen, rissen und zerrten an den Krempen, waren verlegen und unruhig. Ihre Gesichter waren verzerrt. Sie wagten kaum, zu dem Sterbenden hinzuschauen, dessen Brust von rasselnden Atemzügen begleitet, sich schnell hob und senkte.

Der baumlange Amb löste sich von der Tür, die er mit grimmiger Entschlossenheit bewacht hatte, damit kein Unberufener eindringen, die letzten Minuten des Sterbenden mit Unruhe ausfüllen konnte; kam mit schnellen, trippelnden Schritten heran, legte Kid Carson die Hand auf die Schulter, murmelte:

„Boss – Rubi will dich allein sprechen, er hat dir einiges zu sagen ...“

„Warum ging der Doc?“, unterbrach Kid heiser.

„Das wirst du später sehen, Boss“, klang es schnell zurück. Er betonte das „Später“ so eigenartig, dass Kid schnell den Kopf hob, entgegnete aber nichts, denn auf einen Wink Ambs setzten sich Tonny und Hay in Bewegung. Etwas zu schnell, aber das konnte Kid verstehen, die Boys fühlten, dass der Tod im Raum stand, dass er seine knöchernen Hände bereits auf sein Opfer gelegt hatte und, by Jove, der Tod löste in jedem Menschen Schrecken und Grauen aus.

Kid hörte, wie sich die zwei auf Zehenspitzen entfernten, die Tür hinter sich schlossen und draußen vor der Tür warteten.

„Fellow“, nur das eine Wort verließ seine Lippen, wehte durch den Raum und erreichte das Ohr des Sterbenden, auf dessen wachsbleichem Gesicht perliger Schweiß stand. Eine blonde Haarsträhne klebte in seiner Stirn. Kid strich sie mit seiner Hand zurück. Er spürte, dass alle Wärme bereits den Körper Rubi Dughams verlassen hatte, spürte, dass nur ein übermächtiger Wille die Lebensflamme noch weiterbrennen ließ. Diese Erkenntnis erschütterte ihn. Er sank in die Knie, so dass sein Ohr dicht vor dem Mund des Sterbenden war, hörte die abgerissenen, leisen Worte:

„Es geht zu Ende, Kid. Ein Mann weiß, wann sein Trail beendet ist, und das ist gut so.“ Er machte eine kleine Pause, um sich zu erholen. By Gosh, Rubi Dugham war ein harter Mann, er klagte und jammerte nicht. Er nahm die Tatsache hin und fand sich damit ab. Er war ein echter Mann.

„Du hast von Gibson gehört, dass ich ein Geächteter bin – yeah, ich hatte eine Schießerei ...“

„Ich weiß, du hast Fred Astor angeschossen. Wahrscheinlich hatte er dich gereizt, und du hast es mit dem Colt zurückgezahlt. Nun ist Astor der Verwalter der Zwei-Gitter-Ranch in Arizona, der Ranch, die dir gehört, Fellow!“

„Sie gehört mir und Constance, und unser Nachbar ist Gibson ...“

„Gibson hat eine Ranch in Arizona?“, entfuhr es Kid überrascht.

„Yeah, und ein Mann namens Rufe Wells ist sein Verwalter.“

„Wells, Rufe Wells?“, explodierte Kid Carson. „Mein Gott!“

„Du kennst ihn, Boss?“, forschte Rubi leise. Die Augen des Sterbenden weiteten sich, funkelten auf einmal hell und klar.

„Ich suche Wells schon seit Jahren. Habe mich überall nach ihm erkundigt, überall habe ich nach einem Kerl geforscht, der eine breite Messernarbe von der linken Stirnseite bis zum rechten Mundwinkel trägt. Ich habe ihn nicht entdecken, nicht finden können.“

„Nun, dann brauchst du jetzt nicht mehr zu suchen, denn er ist es. Er sieht so aus, wie du ihn beschrieben hast, und er leitet jetzt die Gibson-Ranch in Arizona. Doch, was weißt du von ihm?“

„Dass er ein Schuft ist! Ein Kerl, der zu der Dornsporen-Bande gehörte und der meine Eltern mordete. Genügt’s, Fellow?“, stieß Kid zwischen den Zähnen hervor.

„Es genügt“, nickte Rubi. „Vielleicht ist seine Verbindung zu Gibson nicht von ungefähr – vielleicht ...“

Erschöpft brach er ab. Ein gequältes Lächeln huschte über die eingefallenen Wangen. Das Sprechen wurde ihm immer schwerer, und Kid musste sich tiefer beugen, um ihn zu verstehen.

„Wells ist Gibsons rechte Hand. Er hat die Zwei-Gitter-Ranch fast zerschlagen, um uns auf die Knie zu zwingen, um Constance, die immer wieder Gibsons Heiratsantrag abwies, zu zerbrechen. Gibson hat geschworen, dass er die Zwei-Gitter-Ranch und Constance zerbrechen wird. By Jove, es ist ihm beinahe gelungen ... die Schießerei mit Fred Astor nahm er zum Vorwand, um mich zum Geächteten zu stempeln. Er hetzte, verfolgte mich – aber ich konnte unbemerkt zur Ranch zurückkehren, konnte meine Schwester dazu überreden, mit mir zu fliehen. Ich brachte sie nach Nord-Dakota ... dort sollte sie bleiben, bis ich Näheres von unserem Vormann, Fred Astor, wusste, von dem ich ja annahm, dass ihn meine Kugel getötet hatte. In der Wildnis, einige Meilen von der Siedlung Crokston entfernt, baute ich ein Blockhaus, einige Corrals, holte Milchkühe, Hausrat und andere Dinge aus Crokston, richtete Constance ein Heim ein, in dem sie sich so lange versteckt halten sollte, bis ich herausfand, was mit Fred Astor geschehen war. Ich verließ sie und ging auf den Trail, kam unbemerkt zur Zwei-Gitter-Ranch und konnte mit Fred Astor sprechen, der inzwischen gesundet war und die Ranch weiterführte. Ich setzte ihn als Verwalter ein, wollte Gibson aufsuchen, um alles zu klären. Doch Astor warnte mich, sagte mir, dass Gibson sich auch durch die veränderten Tatsachen nicht das Heft aus der Hand nehmen lassen würde, dass der Staatenreiter in Zeitabständen immer wieder auf der Zwei-Gitter-Ranch erschien, um Untersuchungen und Nachforschungen vorzunehmen. Fred Astor hatte Gibson in Verdacht, dass der Schurke in Wirklichkeit nur nach den Papieren der Ranch Ausschau hielt, um dieselben verschwinden zu lassen und die Ranch zu kassieren. Einige Male hatten Gibsons Raureiter Fred Astor gemartert. Er sollte ihnen Constances Versteck verraten. By Gosh, sie werden es immer wieder versuchen, an Constance heranzukommen, denn auf dem Gebiet der Zwei-Gitter-Ranch muss etwas sein, was den Schurken ins Auge sticht. Vielleicht ist es Gold ... Waschgold, welches der Creek von den Bergen spült, oder aber sie wissen um eine Silbermine, um eine fette Ader, die sie auszubeuten gedenken. Ich konnte Gibson einmal belauschen und hörte so manches, was mir zu denken gab. Die Papiere der Zwei-Gitter-Ranch müssen sie haben, wenn sie ihr Vorhaben ausführen wollen. Die Papiere sind es, die sie haben wollen, und die hat Constance. Reite, Fellow, suche Constance und teile ihr mit, dass sie mich ausschalten konnten, dass sie nun die Letzte ist, die ihren Plänen noch im Wege steht.“

Jäh brach seine Stimme ab. Die lange Rede hatte ihn restlos erschöpft, ausgepumpt. Seine Augenlider flackerten, warfen blaue Schatten auf die hohlen Wangen.

„Ich werde reiten, Fellow“, murmelte Kid Carson ergriffen. Die drohende Nähe des Todes erschütterte ihn tief, doch er hatte sich in der Gewalt, zeigte äußerlich keine Regung und lächelte mit zuckenden Lippen dem Sterbenden zu.

„Beschütze Constance, Fellow!“

„Ich werde sie vor Gibson beschützen“, erklärte Kid hart. Seine Stimme schrillte ein wenig, denn Rubis knochige Hand streckte sich mit einem Ruck nach ihm aus.

„Nimm es ... das wird Constance beweisen, dass du ...“

Seine Worte verlöschten, und Kid wusste, dass der Tod die Unterhaltung beendet hatte. Sanft löste er den Siegelring aus der Hand, steckte ihn zu sich, faltete die Hände des Toten, und drückte die gebrochenen Augen zu, schrak auf, als die keuchende Frage Ambs in das unheimliche Schweigen hieb: „Boss ...“

„Nimm den Hut ab! Rubi ist tot!“

„Tot“, würgte es zurück, dann leise: „Kommt herein, Jungens. Rubi ist auf den langen Trail gegangen, wir wollen ihm die Stiefel ausziehen!“

Ja, sie zogen ihm die Stiefel aus, und jetzt erst entdeckte Kid, dass Rubi Dugham durch eine zweite Kugel ums Leben gekommen, dass er innerlich verblutet, unter qualvollen Schmerzen gestorben war.

Darum also hatte der Doc abgewinkt ... darum also!

„Amb, schau her ... Gibsons Kugel ist Rubi in die Schulter gedrungen ... schau hier, was siehst du?“

„Dass die zweite Kugel – mein Gott“, stöhnte der Cowboy schreckensbleich auf und schaute mit irren Augen um sich.

„Yeah, die zweite Kugel ist in Rubis Rücken eingedrungen. Sie wurde zur gleichen Zeit abgefeuert, und nicht einmal ich habe die zweifache Detonation vernommen. Irgendeiner von den Schuften aus Gibsons Leibgarde hat es getan. Oh, es ist eine ganz erbärmliche Sache.“

Ohne sich um die anderen zu kümmern, rannte Kid Carson aus dem Zimmer, schlug die Tür hinter sich zu. Die wilde Erregung seines Blutes hatte ihn handeln lassen. Auf dem Gang traf er auf neugierige Männer, die ihn erschrocken anstarrten, verstört zur Seite wichen, hinter ihm her flüsterten. Doch das konnte ihn nicht aufhalten. Er musste Gibson erwischen, musste ihn stellen! Jetzt würde er ihm keine Chance lassen – nicht die geringste!

Er durchquerte die Bar. Die Männer an den Tischen warfen sich gegenseitig schnelle Blicke zu, erhoben sich eilig, schritten hinter ihm her. Kid hatte die Schwingtür erreicht, blieb stehen, atmete tief und schnell. Hinter ihm war die Ruhe einer hochgeladenen Atmosphäre, die Ruhe vor dem Sturm. Vor ihm lag die Straße. Er trat rasch auf die Veranda, blieb abermals stehen, ließ seine Blicke hin und her schweifen.

Ein Mann duckte sich gerade unter der Haltestange hindurch, sah ihn und wollte sich schnell verdrücken, doch schon war Kid heran, baute sich vor ihm auf.

„Wo ist Gibson?“, kam es scharf über seine fieberheißen Lippen.

„Und wenn du mir Dynamit vor die Füße legen würdest, Carson, ich weiß es nicht. Weiß nur, dass er und seine Reiter aus der Stadt geritten sind“, knurrte der Kerl. „Will dir etwas sagen, Carson, du hast die Hölle im Blick, mach jetzt keine Dummheiten und bleibe hier. Vielleicht wartet Gibson nur darauf, dass du ihm folgst!“

„Nun, ich werde ihn noch erwischen“, schleppte Kid und drehte sich schwerfällig auf seinen hochhackigen Reitstiefeln um. Leise klirrten seine Sporen.

Noch am selben Tag brachten sie Rubi Dugham außerhalb der Stadt zum Friedhof. Fünf Männer, die allesamt zur Trailcrew gehörten, waren anwesend, als sich der einfache Brettersarg in die Erde senkte. Fünf harte Männer hielten in ihren verkrampften Fäusten die Stetsons, und der leise Wind spielte in ihren Haaren.

Kid sprach ein Vaterunser, sagte einige Worte über den Verschiedenen, dann traten sie alle nacheinander an die Gruft und warfen einige Schaufeln Sand hinunter. Hohl polterten die Schollen in der Tiefe.

Es war ein schlichtes, einfaches Begräbnis. Es wurden keine großen Worte gemacht, keine langen Reden gehalten, doch jeder der Männer wusste, dass sie einen ihrer Besten verloren hatten. Nachdenklich verließen sie den Friedhof, schritten zu den Pferden, die sie an einem Espenhain vor dem Friedhof zurückgelassen hatten.

„Boys, den Trail nach Texas zurück werdet ihr wohl allein machen müssen“, eröffnete Kid das Gespräch, als sie den Friedhof hinter sich gelassen hatten, „es tut mir aufrichtig leid – doch ich habe nun eine andere Aufgabe übernommen.“

„Boss, du solltest dir das reiflich überlegen! Wir sind immer gut miteinander ausgekommen, und wir können noch manche Herde von Texas nach Dodge trailen und gut verdienen. In einigen Jahren könnte jeder von uns sich selbst nach einer Weide umsehen, sich irgendwo niederlassen und Rancher werden. Ob diese Aussichten bestehen bleiben, wenn wir unter einem anderen Trailboss arbeiten, ist fraglich.“

„Ich weiß, aber ich kann nicht anders, ich muss diese Aufgabe zu Ende führen. Rubi Dughams Schwester ist in Not, man trachtet ihr nach dem Leben, man will sie auslöschen, wie man es mit Rubi getan hat. Ich reite für Rubi. Es ist sein Vermächtnis!“, erklärte Kid und schaute die Männer mit hellen Augen an. Einer nach dem ändern trat schweigend zu ihm, gab ihm die Hand.

„Du reitest in einen gefährlichen Kampf, Boss“, murmelte Amb bedrückt. „Wenn ich nicht für meine jüngeren Geschwister zu sorgen hätte, würde ich mit dir reiten, denn es wird ein gnadenloser Kampf, und jeder Colt zählt!“ Er schaute Kid einen Moment in die Augen, senkte rasch den Blick und eine scharlachfarbene Röte jagte über seinen Nacken, bedeckte sein Gesicht, tauchte es in feurige Glut. Es war sicher, dass Amb sich schämte. Mit hängenden Armen, die leicht hin und her schlenkerten, ging er zu seinem Reittier, saß auf und ritt davon, ohne sich noch einmal umzublicken.

Ah, Amb war kein Feigling, aber er hatte sieben jüngere Geschwister, deren Ernährer er war, und die irgendwo in Texas auf seine Rückkehr warteten, damit er ihre ewig hungrigen Mäuler stopfen konnte. Nein, Amb konnte man es nicht zumuten, gegen Gibson, gegen Rufe Wells und die Raureiter zu ziehen. Amb hatte Verpflichtungen, die genau so wichtig waren.

„Boss, ein offenes Wort, sonst ersticke ich“, sagte Hay, fest und kräftig war sein Händedruck. Er war der Jüngste der Mannschaft, kaum neunzehn Jahre alt, ein harter, zäher, wendiger Bursche, der im Sattel zu Hause war und versprach, einmal ein Mann von Format zu werden. „Du nimmst mich doch mit, wie?“

Kid schüttelte den Kopf, entgegnete: „Es wird eine rauchige Sache, Sonny, und den Revolverschwingern, mit denen ich zusammenstoßen werde, bist du keineswegs gewachsen. Ich sage es dir, nicht um dich zu kränken, sondern weil du noch Jahre hinter dich bringen musst, um einen solchen Kampf entgegenzureiten!“

„Nun, was würdest du davon halten, wenn ich mich nicht abweisen ließe und mich in deiner Nähe halten würde?“

„Vielleicht müsste ich dich dann zu deinem Glück zwingen, Sonny“, lächelte Kid.

„Ich würde dir in der Tat nicht lästig fallen, Boss. Versuch es doch mal, ich werde es dir beweisen.“ Hay Stoard war ein Heißsporn, wollte sich nicht abwimmeln lassen. Sein schmales Jungengesicht zuckte. Er krampfte die Rechte um das Sattelhorn, murmelte: „Da drüben liegt Rubi. Er war mein Freund, genau so wie deiner ... niemand kann verhindern, dass ich eine Sache für ihn übernehme, Boss. Er ist meuchlings ermordet worden, das schlucke ich nicht, und ich werde ...“

„Du wirst mit den anderen heimreiten, Sonny“, unterbrach Kid.

Hay Stoard zuckte mit den Schultern, fasste nach den Zügeln seines Pferdes und führte das Tier fort, damit die anderen Männer an Kid herankonnten.

„Der Junge hat es in sich“, sagte Tonny. Er zischelte die Worte und schaute dabei den Oldtimer, Max Cherro, an, der verlegen von einem Bein auf das andere trat und sich scheinbar in seiner Haut gar nicht wohl fühlte.

„Er wird ein prächtiger Mann“, sagte Kid gedankenverloren, fuhr dann eilig fort: „Ich erwarte nichts, ihr beiden braucht mir keine Hilfe anzubieten. Ich erledige es allein!“

„Für einen einzigen ist das unmöglich, Kid ... bedenke es richtig“, krächzte der krummbeinige Oldtimer. „Wenn ich einige Jahre jünger wäre, würde ich keinen Augenblick zögern, mit dir zu reiten.“

Sein zerfurchtes Pergamentgesicht wandte sich Tonny zu, doch dieser bemerkte scheinbar nicht den herausfordernden Blick, sondern sagte nur verbissen:

„Wer gegen Gibson angeht, kann sich gleich selbst eine Kugel durch den Schädel jagen. Man kann nicht gegen das Gesetz an. Es ist Wahnsinn!“

„Spare deinen Atem. Ich habe weder Hilfe verlangt, noch erwartet. Die Sache geht nur mich an.“

„Boss, ich ...“

„Es ist gut, Tonny, so long!“

„So long“, krächzten zwei Stimmen hinter ihm her, und die des Oldtimers fügte hinzu: „Cheerio, Boss.“

Kid hatte es nun eilig, nach Dodge zurückzukommen. Er fuhr mit den Absätzen über Weichen und Flanken seines Pferdes, jagte wie ein Ungewitter der Stadt zu. Aus! Vorbei! Er war der Trailboss einer rauen Mannschaft gewesen, nun war er frei und zog in den Kampf. Es würde ein verdammt harter und furchtbarer Kampf werden, den er der Gibson-Bande liefern musste. In dieser Beziehung gab er sich keinen Illusionen hin. Er wunderte sich nur darüber, dass Gibson so schnell das Feld geräumt und aufgegeben hatte. Er hatte ihn eigentlich anders eingeschätzt. Gibson konnte sich sicher denken, dass Rubi auf seinem Sterbelager etwas verlauten lassen würde, dass er das Geheimnis und das Versteck seiner Schwester Constance preisgeben würde.

Goddam! Etwas stimmte hier nicht! Jetzt musste Kid wachsam sein, mehr denn je auf sich aufpassen, denn überall hatte Gibson seine Kreaturen, die für ihn arbeiteten. Rubi hatte es erfahren, und mit seinem Leben bezahlen müssen.

Nochmals sollte sich das Gleiche nicht wiederholen. Aber nach Dodge musste er zurück. Für einen weiten Ritt musste ein Mann Proviant und Munition in Fülle haben, vielleicht auch ein Packtier, und alles das musste er in Dodge erstehen.

Er holte den Siegelring aus seiner Tasche, steckte ihn an seinen rechten Ringfinger. Hm, es war nichts Sonderliches an diesem Ring, den ein Toter ihm zum Vermächtnis gelassen hatte. Die Buchstaben R D waren auf der Platte eingraviert, sonst nichts. Doch an diesem Ring sollte ein Mädchen erkennen, dass er für Rubi ritt, dass sie sich ihm anvertrauen konnte. Wie mochte sie wohl aussehen? War sie hübsch oder hässlich? Egal, sie war Rubis Schwester, und das war entscheidend!

„Und sollte sie Warzen auf der Nase haben ... ich werde reiten!“, knurrte Kid vor sich hin. „Es ist wohl mein Schicksal, dass ich für eine fremde Frau reite. Mein Schicksal, selbst wenn ich fallen sollte, ohne sie vorher gesehen zu haben.“

Staub wirbelte vor den Hufen seines Pferdes auf, leise knarrte das Sattelzeug. Kid spähte nach allen Seiten. Nirgends war ein Reiter seiner ehemaligen Crew zu sehen. Ah, sie ließen sich Zeit, hatten keine Eile, schämten sich, dass sie ihn alleine reiten ließen. Ein Mann ganz alleine gegen Gibson und seine Raureiter – ein Mann, der sich durch nichts aufhalten, durch kein Hindernis von dem einmal eingeschlagenen Weg abbringen lassen würde. Ein Mann, der den Mut zur Tat hatte, und der erkannte, dass sein Weg der richtige war,der wusste, dass hinter dem blitzenden Orden des Gesetzes ein Mörder steckte. Ein verdammter Mörder, der kein Anrecht auf Gnade hatte, und der fallen musste, damit das Gesetz wieder so dastand, wie es an und für sich sein musste.

„Go on“, flüsterte Kid seinem Braunen zu. Ja, damals hatte er ein gutes Pferd unterm Sattel, einen Braunen, der später von Gibsons Schurken erschossen wurde. Kid Carson ritt in Dodge ein. Staub überkrustet waren Reiter und Pferd. Niemand kümmerte sich um ihn, niemand schaute auf. Das Leben ging weiter, und wer kümmerte sich schon groß um eine Schießerei. Jeden Tag kam es vor, dass sich Colts entleerten, dass Menschen in den Staub sanken. Oh, ja, Dodge war eine rauchige Stadt; eine offene, aufstrebende Rinderstadt, in die sich die Trecks der Siedler ergossen, durch die Goldsucher und Squatter, Minenarbeiter und Cowboys zogen, die Menschen aufnahm und abstieß. Es war ein immerwährendes Kommen und Gehen.

Kid Carson ritt hinter einer langen Reihe schaukelnder Prärieschoner. Fahrzeuge aller Art kamen ihm entgegen und trunkene Cowboys, die in Trupps ritten, zu ihren Herden zurückwollten, die sie vor der Stadt stehen hatten.

Einmal glaubte er an einer Wegkreuzung die schlanke Jungengestalt Hay Stoards zu sehen, aber das musste wohl eine Täuschung sein. Gewiss war Hay mit den anderen schon unterwegs nach Texas. Im Süden würden sich die Boys einem neuen Treibherdenboss anschließen, und schon bald trieben sie wieder Longhorns nach Norden.

Longhorns nach Norden! Kid lächelte hart. Vorläufig dachte er nicht daran, Rinder zu treiben. Was er suchte, war Edelwild. In Gedanken versunken hielt er seinen Braunen vor dem „Goldenen Mustang“ an, schwang sich elastisch vom Pferderücken, band eilig seinen Gaul an dem Holm fest.

Im „Goldenen Mustang“ wollte er zuerst einmal seinen nagenden Hunger stillen und den Staub mit einem Whisky hinunterspülen, und dann würde er alles für den langen Trail vorbereiten.

Langsam trugen ihn seine Beine vorwärts. Mit der Stiefelspitze öffnete er die Schwingtür des „Goldenen Mustangs“ und war wenige Augenblicke später in der Bar untergetaucht.

Revolvergeier: Western Sheriff Sammelband 6 Romane

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