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Zwei Wochen später...

"Scheiße, ich mag weder Cappuccino noch kann ich diese verdammten Itaker ausstehen!", sagte der Mann mit den gelockten Haaren. Er saß Milo und mir an einem der kleinen runden Tische von Antonio's Coffee Shop in der Elizabeth Street gegenüber.

"Warum haben Sie dann ausgerechnet diesen Ort als Treffpunkt angegeben?", fragte ich.

Der Lockenkopf beugte sich vor.

Er kicherte.

"Weil jeder, der mich kennt, das weiß und niemals vermuten würde, dass ich mich ausgerechnet in Little Italy mit zwei FBI-Agenten treffen würde!"

"Behalten Sie Ihre Ansichten über Italiener hier trotzdem besser für sich", erwiderte ich.

Der Lockenkopf hieß Roy Ortega. Er war Mitbesitzer eines Clubs namens !VENGA! in Spanish Harlem und darüber hinaus in alle möglichen undurchsichtigen Geschäfte verwickelt. Als Informant bot er sich uns allerdings zum ersten Mal an.

"Kommen wir zur Sache!", forderte mein Freund und Kollege Special Agent Milo Tucker. "Angeblich wissen Sie etwas über bevorstehende Terroranschläge in New York City und Umgebung."

Roy Ortega lächelte dünn.

"Sie müssen mir erst garantieren, dass Sie den Mann, um den es geht, umgehend aus dem Verkehr ziehen. Sonst ist mein Leben keinen Cent mehr wert."

"Dazu müssten wir erst einmal wissen, ob an Ihren Aussagen etwas dran ist", erwiderte Milo.

Roy Ortega setzte ein Pokerface auf.

Ich fragte mich, was dieser Mann für ein Motiv haben mochte, sich mit uns an einem Tisch zu setzen. Finanzielle Forderungen hatte er bislang nicht gestellt. Nach allem, was wir über Ortega wussten, war er auf die paar Dollar, die sich ein Informant bei uns verdienen konnte, auch nicht angewiesen. Es musste einen Grund dafür geben, dass dieser krumme Hund auf einmal seine Pflichten als gesetzestreuer Staatsbürger entdeckt hatte.

Entweder er saß selbst in der Klemme oder er wollte jemand anderem schaden.

"Sie wissen wie das in einem Club wie dem !VENGA! ist", erklärte er. "Da gehen viele Leute ein und aus, der Champagner, die Girls... Da redet der eine oder andere schonmal ein bisschen mehr, als er es unter normalen Umständen tun würde..."

"Verstehe", nickte ich. Im Klartext hieß das wahrscheinlich, dass Ortega jemanden abgehört hatte.

Zumindest lag diese Vermutung nahe.

"Ich möchte betonen, dass ich mit der Sache, um die es geht, nicht das Geringste zu tun habe und nur durch Zufall darauf gestoßen bin."

"Ich hoffe, es kommt noch etwas mehr als heiße Luft, sonst vertun wir hier nur unsere Zeit", warf Milo ein.

Für Wichtigtuer war uns die Zeit zu schade.

Ortega verzog das Gesicht.

"Da war ein Mann bei mir im Club, der über einen Deal sprach, bei dem es um sehr starke Mikrowellen-Sender ging. Caramba, ich hatte es nie so mit der Schule und hab' keine Scheiß-Ahnung von Physik oder solchem Zeug! Für's Leben reicht es doch, wenn man die Wörter GENTLEMEN und LADIES lesen kann, damit man die richtige Toilette findet!" Er kicherte dreckig. "Ich gehe natürlich dahin, wo LADIES steht..."

"Sehr witzig, Mister Ortega", erwiderte ich kühl.

Ortega beugte sich vor, sprach in gedämpftem Tonfall und schob den Cappuccino zur Seite.

"Ich bin erst stutzig geworden, als der Typ über die Wirkungsweise dieser Mikrowellensender schwadronierte. Er faselte etwas in der Art daher, dass die Impulse, die diese Dinger abgeben, alles stören, was irgendwie mit Computern zu tun hat. Wenn es einem gelingt so etwas in einen Flughafen hineinzubringen, dann lässt sich die Leitzentrale derart stören, dass ein Chaos entsteht. Kollisionen und Abstürze sind die Folge." Er kicherte erneut und fuhr fort: "Oder stellen Sie sich mal vor, die Rechner im Federal Building arbeiten nicht mehr und Sie können Ihre Fahndungsdateien nicht mehr zuverlässig abrufen!"

Ich wechselte einen kurzen Blick mit Milo.

Alles heiße Luft, schien der Blick meines Kollegen zu sagen.

Ich war mir noch nicht sicher.

Es gab Leute, die sogar einen Mord gestanden, den sie nicht begangen hatten, um sich sich wichtig zu machen.

Aber in die Kategorie der Wichtigtuer gehörte Ortega für meine Begriffe nicht.

"Bis jetzt ist das alles etwas dünn, was Sie uns da präsentiert haben", erklärte ich. "Wie heißt der Typ?"

"Jacky Tasso."

"Sagt mir nichts."

"'Ne aufstrebende Nummer aus der Bronx. Wenn ich das richtig verstanden habe, hat er den Deal auch nur vermittelt und dafür Provision kassiert. Nehmen Sie ihn hops und fühlen Sie ihm auf den Zahn. Dann wissen Sie mehr."

"Der Besitz und Verkauf von derartigen Sendeaggregaten ist nicht strafbar", stellte ich klar.

"Nein, das nicht. Aber überlegen Sie mal, wer so etwas brauchen könnte! Ich habe mich ein bisschen informiert. Normalerweise versucht man die elektromagnetischen Abstrahlungen von elektronischen Geräten wie Computern oder Handys so gering wie möglich zu halten, damit sich die Dinger nicht gegenseitig stören. Aber wenn jemand sich ein Gerät zusammenbasteln lässt, dass genau das Gegenteil bewirkt, dann ist doch klar, was der will!"

"Was Sie nicht sagen..."

"Es gibt übrigens ein Video-Band, auf dem ein Teil des Gesprächs drauf ist."

"Habe ich es mir doch gedacht, Sie hören Ihre Gäste ab", sagte ich. "Erpressen Sie sie hinterher mit den Aufnahmen?"

"Die Aufnahmen entstehen nur aus Sicherheitsgründen."

"Darum sind die Kameras auch vermutlich so angebracht, dass man sie nicht sieht!"

"Nein, das hat ästhetische Gründe."

"Ach!"

"Hören Sie, Agent Trevellian, man kann das meiste, was die beiden Männer auf dem Video sagen nicht verstehen, aber Sie werden sicher über Spezialisten im Lippenlesen verfügen, so dass Sie noch mehr herausfinden könnten."

"Wo ist das Video?"

"An einem sicheren Ort."

"Und Sie geben es nur heraus, wenn wir auf Ihre Bedingungen eingehen."

"Jacky Tasso bringt mich um, wenn er davon erfährt. Und wenn es nicht möglich ist, ihn aus dem Verkehr zu ziehen, dann muss ich eben verschwinden."

"Sie sprechen vom Zeugenschutzprogramm?"

"Ja."

Ich lehnte mich zurück. Dabei fragte ich mich, ob Ortega uns am Ende nur dazu missbrauchen wollte, ihm bei seinen Schwierigkeiten mit Jacky Tasso zu helfen, die im Hintergrund offenbar irgendeine Rolle spielten.

Eine Art roter Blitz zuckte durch die Luft. Der Strahl eines Laserpointers wurde durch die große Fensterscheibe gebrochen. Ich zuckte herum, instinktiv glitt die Hand zur Dienstwaffe vom Typ SIG Sauer P 226. Ich sah zum Fenster, hatte einen freien Blick auf die von zahllosen Passanten belebte Elizabeth Street.

Bevor ich irgendetwas tun konnte, durchschlug ein Projektil die Scheibe. Von einem daumennagelgroßen Loch aus verzweigten sich spinnennetzartig die Risse durch das Glas.

Die Kugel traf Roy Ortega mitten in die Brust.

Sein Körper zuckte zusammen.

Er öffnete den Mund, so als wolle er schreien.

Ein zweiter Schuss bohrte sich mitten zwischen die Augen.

Er sackte zu Boden.

Fast gleichzeitig brach aus der Reihe der am Straßenrand parkenden Fahrzeuge ein Ford Maverick heraus und brauste mit quietschenden Reifen davon.

Ich sprang auf, zog die SIG und sprang mit der rechten Schulter voran durch das Fenster. Das durch die Einschüsse beschädigte und von langen Rissen durchzogene Glas setzte mir keinen Widerstand mehr entgegen. Ich schützte meine Augen mit dem Arm vor dem Scherbenregen. Hart kam ich auf dem Asphaltboden auf, rollte mich ab. Passanten stoben zur Seite, starrten mich an.

Ich rappelte mich auf, schüttelte mir notdürftig die Scherben aus den Haaren und sprintete los. Eine Phalanx aus parkenden Autos verhinderte, dass ich dem Ford Maverick auf der Stelle mit meiner SIG ein Loch in den Hinterreifen brennen konnte.

Mit einem Satz war ich auf dem Kofferraum eines Mercedes, mit einem weiteren stand ich auf dem Dach.

Die SIG fasste ich mit beiden Händen, legte an.

Feuerte.

Der erste Schuss kratzte am Kotflügel des Maverick, der zweite ließ den Reifen hinten links platzen, kurz bevor der Wagen die nächste Kreuzung erreichte.

Der Maverick brach zur Seite aus, krachte in einem am Rand abgestellten Lieferwagen hinein. Ich sprang von dem Mercedes-Dach, rannte in geduckter Haltung auf den Maverick zu.

Dessen Tür ging auf.

Ein Mann mit Baseballkappe und einem Scharfschützengewehr vom Typ K16 stürzte hervor.

Der Strahl des Laserpointers tanzte durch die Luft, als er anlegte.

Ich duckte mich.

Der Schuss ging knapp an mir vorbei. Bevor mein Gegenüber ein zweites Mal abdrücken konnte, feuerte ich zurück, traf ihn in die Schulter.

Die Wucht, mit der das Projektil seinen Körper durchschlug und auf der anderen Seite wieder austrat, riss ihn zurück.

Ein Schuss löste sich aus seinem K 16-Gewehr, ging aber ins Nichts. Er taumelte zurück, prallte gegen den Maverick. Ich setzte nach, den Lauf der SIG immer in seine Richtung gewandt.

"FBI! Waffe fallen lassen!", schrie ich.

Aber daran dachte der Killer nicht im Traum.

Er ließ den Lauf des K 16-Gewehrs wieder hochzucken, versuchte einen Schuss aus der Hüfte und ließ mir damit keine andere Wahl. Bevor er abzudrücken vermochte, feuerte ich meine SIG ab. Die Kugel traf den Killer mitten in der Brust. Er rutschte am Blech des Maverick hinunter und zog eine blutige Schmierspur hinter sich her. Seine Augen waren starr.

Ich senkte inzwischen den Lauf meiner SIG.

Milo tauchte hinter mir auf, ebenfalls mit der SIG in der Hand.

"Alles klar, Jesse?"

"Wie man's nimmt."

Fragen würde uns der Killer auf jeden Fall nicht mehr beantworten können.

Ich ging auf die Leiche zu.

In seiner rechten Jackentasche steckte ein Führerschein.

Ich nahm ihn heraus. Er war auf den Namen George F. Brown ausgestellt. Darunter war eine Adresse in Paterson, New Jersey angegeben.

Eine Viertelstunde später war die Elizabeth Street von den Kollegen der City Police für den normalen Verkehr gesperrt worden. Gut ein Dutzend Einsatzfahrzeuge drängelten sich in der Nähe von Antonio's Coffee Shop. Kollegen von der Scientific Research Division, dem zentralen Erkennungsdienst aller New Yorker FBI-Einheiten waren ebenso eingetroffen wie unsere eigenen Erkennungsdienstler Sam Folder und Mell Horster. Dazu weitere Fahrzeuge unserer Fahrbereitschaft und der Wagen des Coroners, mit dem die Leichen von Roy Ortega und dem Killer namens George F. Brown abtransportiert wurden.

"Scheint mehr dran zu sein, an der Geschichte, die Ortega uns da erzählt hat, als ich erst dachte", meinte Milo.

"Jedenfalls war es jemandem verdammt viel wert, ihn aus dem Weg zu räumen", murmelte ich.

"Du gehst davon, dass der Kerl mit der K 16 ein Profi war."

"Das ist das einzige, was mir ziemlich sicher scheint! Und ich wette, dass seine Identität falsch ist."

"Abwarten."

"Wir können drauf wetten."

"Hast du schonmal was von diesem Jacky Tasso gehört, mit dem Ortega seine Schwierigkeiten hatte?"

"Nein. Aber wir werden ihn wohl in Kürze näher kennenlernen, Milo."

Falsche Heilige: Kriminalroman

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