Читать книгу Falsche Heilige: Kriminalroman - Alfred Bekker - Страница 9

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"Ich habe dich bereits erwartet, Rob", sagte der Mann mit den hart geschnittenen Zügen. Das Kaminfeuer prasselte und ließ Schatten auf seinem Gesicht tanzen. Der schwarze Vollbart und die starken, in der Mitte zusammenwachsenden Augenbrauen gaben ihm ein düsteres Aussehen.

Rob Davis näherte sich vorsichtig.

Er hatte gewaltigen Respekt vor John Nathanael Broxon, dem Mann, der von einer kleinen Schar von Anhängern als leibhaftiger Heiliger angesehen wurde.

Broxon deutete auf den zweiten Sessel in der Nähe des Kamins.

"Setz dich, mein Sohn."

"Ja."

Davis' Stimme klang heiser und fast tonlos.

Er setzte sich zögernd.

Broxon warf ihm eine Zeitung hin.

"Sieh dir an, was die Diener des Heidentums und der Sünde über uns schreiben, mein Sohn!"

Davis faltete die Zeitung auseinander. SKANDAL IM ST.MARY's HOSPITAL titelte das Blatt. DREI PATIENTINNEN STARBEN DURCH TECHNISCHE FEHLFUNKTIONEN IM OP. GIBT ES NOCH MEHR OPFER? SCHLAMPEREI BEI DER GERÄTE-WARTUNG NICHT AUSGESCHLOSSEN.

Davis schluckte.

Die zehn Gebote waren immer die moralische Grundlage seines Lebens gewesen. Wichtiger noch als selbst die Worte des neuen Heiligen John Nathanael Broxon, der gegen das auf dem Boden Manhattans wiedererstandene Babylon wetterte. Und gegen eines dieser Gebote hatte er verstoßen. 'Du sollst nicht töten...' So gut es ging versuchte Davis, diesen Gedanken zu verscheuchen.

"Das Beste steht auf der nächsten Seite", sagte John N. Broxon. Ein zufriedenes, triumphierendes Lächeln spielte um seine Mundwinkel. "Dutzende von Operationsterminen Abtreibungen zumeist, mein Sohn! - sind auf unbestimmte Zeit verschoben worden! Die Klinikleitung steht vor einem Rätsel. Von elektromagnetischer Wechselwirkung ist die Rede, aber natürlich gibt es da Dutzende von Möglichkeiten. Stört der Wehenschreiber das EKG-Gerät oder umgekehrt? Sie wissen nicht woran es liegt. Und natürlich fürchten sie sich vor den Regressansprüchen von Hinterbliebenen und Geschädigten..." Der selbsternannte Heilige lachte auf. Er beugte sich vor. Der intensive Blick seiner sehr suggestiv wirkenden dunklen Augen schien Rob Davis geradezu durchbohren zu wollen. "Drei Kliniken haben wir in den letzten Wochen auf diese Weise lahmlegen können, Rob! Drei Orte der Sünde, Orte an denen unschuldige Seelen dem Moloch geopfert werden sollten! Die Angst geht unter den Sünderinnen um. Auch wenn es nicht die Furcht vor dem Herrn ist, sondern nur die Angst vor dem Versagen medizinischer Geräte. Es ist eine heilsame Angst, sage ich dir! Wahrlich heilsam für diese verlorenen Seelen..."

"Die Frauen werden in andere Kliniken gehen, um abtreiben zu lassen", gab Rob Davis zu bedenken.

"Ja, viele von ihnen werden das tun. Aber dadurch wird unser Kampf gegen das Böse nicht sinnlos. Oder zweifelst du daran?"

"Nein", murmelte Rob Davis. "Aber..." Er stockte.

"Aber was?"

Rob Davis zögerte, ehe er weiter sprach. Er wusste, dass es sinnlos war, dem Heiligen seine Zweifel verbergen zu wollen.

"Nicht alle verstorbenen Patientinnen wollten eine Abtreibung vornehmen."

"Der Kampf gegen das Böse erfordert bedauerlicherweise Opfer, mein Sohn."

"Ja, ich weiß."

"Diese Kliniken sind Orte der Sünde, Rob! Nicht allein der Abtreibungen wegen. Sie nehmen dort Bluttransfusionen vor. Auch das ist gegen den Willen des Herrn, denn das Blut ist der Sitz der Seele..."

"Ja."

"Es ist viehisch!"

"Das ist es."

"Eine Sünde gegen Gott und seine heilige Schöpfung!"

"Amen."

Eine Pause folgte. Der selbsternannte Heilige musterte Rob Davis mit einem Stirnrunzeln. "Hast du irgendwelche Zweifel an unserer Mission, mein Sohn?"

Davis schüttelte den Kopf.

Er wich dabei dem Blick seines Gegenübers aus. Sein Mund öffnete sich ein wenig, aber kein Ton kam über seine Lippen.

"Ich muss dich noch einmal um deine Hilfe bitten, Rob. Es geht um das Bethesda Hospital... Ich kann mich doch auf dich verlassen, mein Sohn!"

"Ja!", stieß Rob Davis hervor und schloss die Augen dabei.

"Der Herr stehe dir bei bei allem, was du tust. Aber sei gewiss: Er wird gnädig auf dich von seinem Thron herabschauen, denn du bist einer der wenigen Gerechten, die sich in die Mauern des neuen Babylon gewagt haben!"

"Amen", flüsterte Davis und wiederholte es gleich darauf, wie um sich selbst Mut zu machen: "Amen!"

Falsche Heilige: Kriminalroman

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