Читать книгу Der Kreis der Verschwörer: Die Seherin von Paris 5 - Alfred Bekker - Страница 5

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Der Mann trug auf dem rechten Auge eine Filzklappe und steckte in den typischen Kleidern eines Landsknechtes, wie sie während des sogenannten dreißigjährigen Krieges üblich gewesen waren. Wobei es nicht unwahrscheinlich erschien, dass er tatsächlich damals daran teilgenommen hatte, denn Marie schätzte ihn als noch sehr rüstigen aber dennoch ziemlich alten Mann ein.

Was ihr besonders auffiel bei ihm, war das Wappen, das er trug: Irgendwie kam ihr dieses bekannt vor. Sie hatte es schon einmal irgendwo gesehen, obwohl ihr einfach nicht einfallen wollte, in welchem Zusammenhang oder auch nur wo. Aber sie prägte es sich ganz besonders ein.

Dann versuchte sie, die nähere Umgebung zu bestimmen, aber das lag alles wie im Nebel. Ein ziemlich seltsamer Nebel, wie sie fand, denn er bedeckte alles total mit seinem milchigen Schein, außer eben diesem Mann, der so deutlich sichtbar erschien wie inmitten einer sonnenbestrahlten Lichtung mitten in einem urtümlichen Wald.

Ja, genau diesen Eindruck hatte sie, obwohl sie nichts davon wirklich sehen konnte: Sie glaubte mehr als dass sie es sehen konnte, wie dieser Mann eben mitten auf einer sonnenbestrahlten Lichtung stand.

Was tat er dort?

Auch das war nicht erkennbar. Bis ein Schatten auftauchte, wie aus dem Nichts. Ja, es war nicht mehr als nur ein Schatten, ohne feste Konturen obendrein. Es war weder erkennbar, ob es sich um eine Frau handelte, noch ob um einen Mann. Noch nicht einmal die Größe und Figur waren zu erahnen, weil der Schatten seltsam flatterte, wie schwarzer Rauch im leichten Wind, ohne dabei zu verwehen.

Marie strengte sich wirklich an, um noch mehr Details aufzunehmen. Es misslang ihr. Irgendwie interagierte der Mann mit der Augenklappe mit diesem Schatten, mit dem er sehr vertraut zu sein schien. Dabei kam in Marie das Gefühl auf, als wäre besonders dieser Schatten von großer Bedeutung, weniger der Mann mit der Augenklappe. Und wieso konnte sie diesen dann so deutlich sehen und den Schatten nur halbwegs erahnen?

Und dann verschwand auch das Gefühl, dass sich das Ganze auf einer Waldlichtung abspielte. Was spielte sich denn überhaupt ab? Und es schien in Wahrheit gar keine Waldlichtung zu sein, obwohl diese durchaus irgendeine Rolle spielte.

Das alles verwirrte Marie zusehends. So sehr am Ende, dass sie mit einem leisen Schrei auf den Lippen erwachte.

Sie benötigte mindestens eine Minute, um sich darüber klar zu werden, dass sie sich in ihren Gemächern befand auf Schloss Versailles. Und sie war hier nicht allein. Zwei der Helfer von Robert de Malboné, des geheimen Sonderermittlers Seiner Majestät König Ludwig XIV. schliefen am Boden an der Tür. Falls jemand herein wollte, stieß er mit der Tür unweigerlich mindestens einen der beiden an.

Eine Vorsichtsmaßnahme, durchaus angebracht, seit sie selbst den Fängen des geheimnisumwitterten Circle Rufucale entronnen und auch noch das Exorzisten-Kolleg für sie alle zu einer Gefahr geworden war. Obwohl das Kolleg doch eigentlich auf das Schloss gekommen war, um dem Zirkel nachzustellen.

Alles Dinge, die ihr blitzschnell durch den Kopf gingen und sie wieder endgültig in die Wirklichkeit zurückbrachten.

Die beiden waren jedenfalls durch ihren leisen Schrei aufmerksam geworden. Im flackernden Kerzenlicht, das den Raum als bloßes Notlicht nur dürftig erhellte, sahen sie nur, dass sie beruhigend abwinkte, bevor sie wieder zurück in die Kissen sank.

Marie starrte blicklos zur Decke.

Diese Vision mit dem Mann, dessen rechtes Auge von einer Filzklappe bedeckt war, hatte sie nun schon seit mehreren Nächten. Teilweise sogar mehrfach in der selben Nacht. Immer wieder derselbe Traum wohlgemerkt. Und es fehlte ansonsten jeglicher Anhaltspunkt, was das Ganze eigentlich sollte.

Was aber, wenn sie endlich versuchte, dieses Wappen aufzuzeichnen, an das sie sich inzwischen überdeutlich erinnern konnte? Vielleicht wusste Robert de Malboné darüber besser Bescheid? Oder einer seiner fünf Helfer?

Bisher hatte sie das noch nicht getan, weil sie sich unsicher war. Zumal sie wusste, dass Robert ihren Visionen nicht vertraute. Schlimmer noch: Er hielt sie für Humbug, und sie wollte nicht unbedingt seinen Unwillen damit erregen. Obwohl ihr inzwischen wohl nichts anderes mehr übrig blieb, denn erfahrungsgemäß war eine Vision ganz besonders wichtig, wenn sie sich ständig wiederholte.

Derzeit waren Robert und seine Helfer zwar in erster Linie damit beschäftigt, endlich die Briefe zu entschlüsseln, die Milan zusätzlich in einem Geheimversteck in den Gemächern des verstorbenen Barons Pedro de Cunha, seines Zeichens Gesandter Spaniens, gefunden hatte, aber sie musste es dennoch wagen. Frühestens bei Tagesanbruch allerdings erst. Nicht schon jetzt, mitten in der Nacht.

Noch während sie das dachte, schlief sie wieder ein. Es wurde diesmal ein traumloser, tiefer Schlaf, der ihr die nötige Erholung spendete. Auch ohne neuerliche Vision. Als hätten ihre Visionen endlich begriffen, dass Marie sich tatsächlich bemühen würde nach Tagesanbruch und sie sich nicht erneut in Erinnerung rufen mussten.

Der Kreis der Verschwörer: Die Seherin von Paris 5

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