Читать книгу Der Zirkel von Versailles: Die Seherin von Paris 3 - Alfred Bekker - Страница 6
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Alle waren bereits da. Sie warteten auf Robert in dessen Gemächern auf Schloss Versailles. Wie er es verlangt hatte. Damit sie gemeinsam besprachen, wie weit ihre Ermittlungen im geheimen Auftrag des Königs inzwischen gediehen waren.
Robert sah in die fragenden Gesichter von Barnabas, Georg, Milan und Pascal. Auch der ungewöhnlich zurückhaltende und eigentlich nie auffallende Jacques, den sie Frére Jacques nannten, war anwesend. Es war, als könnte er sich unsichtbar machen. Eigentlich fiel er Robert zum ersten Mal so richtig auf.
Er konzentrierte sich auf das, was er ihnen mitzuteilen hatte. Besonders viel war es nicht, aber er musste ihnen natürlich klar machen, dass er nicht ganz umsonst den Weg nach Paris gegangen war. Wobei er sich allerdings vorgenommen hatte, zunächst einmal nichts über die besondere Doppelrolle der Marie de Gruyére als Wahrsagerin in Paris zu verraten. Aus noch ungewissen Gründen wollte er das erst einmal für sich behalten.
Wobei seine Gründe höchstwahrscheinlich nicht wirklich ungewiss waren, wenn er an das pochende Gefühl in seiner Brust dachte, das allein schon bei der Nennung ihres Namens entstand.
Immerhin erzählte er ihnen, dass sich die Spur des Barons in Paris verlor und es an der ermittelten Adresse nichts Auffälliges gegeben hatte. Also nicht auffällig in ihrem Sinne. Obwohl er es nicht versäumte, in diesem Zusammenhang doch auch darauf hinzuweisen, dass sein wichtiger Kontakt in Paris das Viertel ebenfalls in Verdacht hatte als Nest okkulter Verschwörer. Es erschien allein schon von daher gesehen also angebracht zu sein, es auch weiterhin unter Beobachtung zu halten.
Schließlich kam er auf den Hofschreiber François Delacroix zu sprechen, seinen alten Freund vom Hofe. Anscheinend hegte dieser ja auch einen gewissen Verdacht gegen den Baron, und das sollten seine Helfer natürlich wissen.
Am Ende fasste Barnabas folgerichtig zusammen: „Wir sind also nicht wirklich viel weiter gekommen bei unseren Ermittlungen. Außer dass wir in wahrlich unangenehmer Weise die unerwünschte Aufmerksamkeit ausgerechnet des Exorzisten-Kollegs auf uns gezogen haben!“
Robert nickte ihm zu.
„Wir müssen auf jeden Fall auch dahingehend äußerst vorsichtig sein. Mit dem Kolleg ist sicherlich nicht zu spaßen. Immerhin agieren diese Leute hier am Hofe mit ausdrücklicher Einwilligung des Königs.“
Keiner von ihnen wusste ja schon, dass der König inzwischen persönlich dem Anführer des Kollegs Monsignore Rafaelo Santorini befohlen hatte, seinen heimlich ernannten Sonderermittler Robert de Malboné nebst seinen Helfern unbehelligt zu lassen. Ohne natürlich das Misstrauen des Monsignore zu erregen, dass Genannte tatsächlich im Auftrag des Königs handelten.
Wobei trotzdem zu befürchten war, dass die Mitglieder dieses Kollegs sich nicht ganz daran halten würde. Wenn Robert mit seinen Helfern einen Fehler beging oder ihnen auch nur einen passenden Vorwand lieferte, würden sie es zu nutzen wissen. Gegen sie als unliebsame Konkurrenz im Kampf gegen den Circle Rufucale.
Roberts fünf Helfer berichteten nun ihrerseits, dass sie mehrere Adelige am Hofe überprüft hätten, was allerdings zu keiner neuen Erkenntnis führen konnte. Der geheime Zirkel der okkulten Verschwörer war und blieb eben geheim. Es hatte sogar den Anschein, als würden die einzelnen Sympathisanten selbst gar nicht wissen, ja, noch nicht einmal ahnen, wer denn nun eigentlich unmittelbar zum Zirkel gehörte oder nicht. Eine Taktik der dezentralen Lenkung gewisser Aktionen, wie sie geeignet war, nachhaltig alle Spuren zu verwischen. Was eindeutig darauf hinwies, in welcher Weise es den Taktikern des Zirkels bereits gelungen war, bis tief hinein in das Machtzentrum am Hofe vorzudringen.
Egal, ob nun so etwas wie eine Zentrale des Circle Rufucale in Paris existieren sollte oder doch eher unmittelbar am Hofe: Hier sollte es sich in erster Linie jedenfalls auswirken. Nämlich möglichst unmittelbar auf den König selbst.
Robert war längst der Ansicht, dass nur ein besonders starker König, eben wie Ludwig XIV., überhaupt in der Lage war, so lange unter diesem ganz besonderen Druck seine Macht zu behalten. Doch sein Durchhaltevermögen war selbstverständlich nicht unendlich. Kein Wunder also, dass er Robert als seinen Sonderermittler eingesetzt hatte.
„Wir müssten diesen Folterknecht finden, der den Attentäter getötet hat!“, meinte Pascal schließlich. „Er verschwand ja leider spurlos.“
Robert nickte abermals.
„Das wäre ein neuer Ansatzpunkt. Ich werde anschließend wieder zurück nach Paris gehen und dort noch einmal meine Kontakte bemühen. Vielleicht kann ich darüber etwas in Erfahrung bringen.“
Er überlegte kurz.
„Dabei wäre es sicherlich hilfreich, wenn dieser Kutscher mich dorthin bringen könnte. Das letzte Mal ist er gleich nach der Ankunft wieder auf und davon. Ich musste am Ende zu Fuß zurückkehren.“
Milan mischte sich ein.
„Das kann ich veranlassen!“, versprach er und stand bereits auf, um sich auf dem Weg zu machen.
Erst als ihm jedoch Robert sein Einverständnis signalisierte, ging er nach draußen, damit der Kutscher sich bereit machte für die bevorstehende Abfahrt.
Selbstverständlich hatte Robert einen ganz bestimmten Hintergedanken, was seine Fahrt nach Paris betraf. Es ging ihm dabei im Grunde genommen eher weniger um die besprochene Ermittlung nach dem verschwundenen Folterknecht, der den Attentäter des Königs zu Tode gebracht hatte, ehe dieser zu viel hatte verraten können, sondern er machte sich schlicht große Sorgen um Marie de Gruyére.
Wie auch immer sie in Wirklichkeit heißen mochte: Ihre letzte Begegnung hatte ihm überdeutlich gezeigt, dass sie sich offenbar in großer Gefahr wähnte. Ihre Andeutungen von wegen irgendwelcher Visionen mochte er zwar nicht glauben, weil so etwas für ihn absolut absurd war, doch das schmälerte seine Sorge um sie keineswegs.
Hatte er vor ihrer letzten Begegnung noch annehmen müssen, sie würde in Wahrheit zum Feind gehören, war er sich dessen inzwischen ganz und gar nicht mehr so sicher. Ganz im Gegenteil: Vor wem sollte sie denn solche Angst haben? Sicherlich war diese Angst nicht darin begründet, dass sie Feinde des Geheimzirkels fürchten musste.
Und schon wieder ganz im Gegenteil: Es handelte sich wohl eher um den Zirkel selbst, der ihr vielleicht sogar nach dem Leben trachtete!
Auf jeden Fall musste er dem nachgehen. Soviel stand fest. Und deshalb musste er so schnell wie möglich nach Paris. Schneller jedenfalls als es zu Fuß möglich gewesen wäre.