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Rom. Die ewige Stadt. Für die einen. Für die anderen lediglich eine uralte Stadt, die in ihrer langen Geschichte mehrmals beinahe untergegangen wäre, vor allem ja beim Untergang des sogenannten römischen Reiches. Um sich auf wundersame Weise am Ende dennoch immer wieder zu erholen – und das vielleicht nicht nur zum Vorteil für seine Bewohner.

Und für die dritten nicht nur die ewige Stadt, sondern vor allem das Symbol christlichen Glaubens. Mit dem Vatikan, eingebettet in diese Stadt, als wäre Rom nur dafür da, ringsum den Vatikan vor allen Unbilden zu schützen. Weil alle Unbilden zuerst die ganze Stadt heimsuchen müssten, um überhaupt den Vatikan erreichen zu können.

So jedenfalls der Glauben vieler. Obwohl ausgerechnet die größte Gefahr für das Christentum nicht außerhalb der Mauern Roms lauerte, sondern innerhalb.

Etwas, was Robert de Malboné und seine fünf Helfer nicht sicher wissen konnten. Noch nicht. Aber es gab genügend Hinweise darauf. Unanfechtbare, falls man den Worten der Gebrüder Johannes und Wolfgang von Schlichten glauben mochte, die dafür, dass sie sich dem Kampf gegen die okkulten Verschwörer verschrieben hatten, teuer mit dem Leben hatten bezahlen müssen.

Oder der Engländer George Malgount, der selbst eine ganze Weile Mitglied des Exorzisten-Kollegs gewesen war und auch seinen Austritt aus dem Kolleg mit dem Leben bezahlt hatte.

Wer waren die Mörder eigentlich im Einzelnen gewesen? Die sogenannten Exorzisten oder der Circle Rufucale, jene Geheimorganisation, deren Macht man als Außenstehende nicht einmal erahnen konnte? Und es gab außerdem niemanden, dem man davon erzählen durfte, um nicht von vornherein als wahnsinnig zu gelten. Oder zumindest als Verschwörungstheoretiker mit absurden Vorstellungen, gar als Feind des Christentums, der doch tatsächlich sich erdreistete, ausgerechnet die heiligste Führung der Gläubigen als eher dem Satan zugewandt zu bezeichnen.

Für die meisten Menschen war die Welt nämlich durchaus noch in Ordnung. Man teilte auf in Gut und Böse, in Kirche und Ungläubige. Man feierte Papst Innozenz XI. als Sinnbild des erfolgreichen Kampfes gegen alles Nichtchristliche. Immerhin in einer Zeit, in der es tödlich enden konnte, falls man es wagte, im falschen Land nicht dem jeweils passenden Glauben anzugehören. Was in Europa eindeutig der christliche Glauben war.

Ein Europa, das nicht nur die Türken von diesem Glauben befreien wollten, wobei sich die Türken allerdings derzeit am aggressivsten gebärdeten. Immerhin ein Kampf, der seit den Mauren immer noch anhielt. Obwohl der endgültige Erfolg bislang ausgeblieben war.

Es war in der Tat angesichts solcher Fakten nur äußerst schwer vorstellbar, dass ausgerechnet der Vatikan selbst als das erkennbar erfolgreiche Bollwerk gegen jeglichen Unglauben gleichzeitig das Zentrum okkultistischer Verschwörer sein sollte und sogar Satanisten. Obwohl eben die Hinweise recht eindeutig erschienen.

Andererseits jedoch: Nichts, was eindeutig erschien, musste sich letztlich auch wirklich als eindeutig erweisen. Eine Binsenweisheit, die nicht nur Robert de Malboné bekannt war, sondern auch seinen Helfern Barnabas, Georg, Milan, Pascal und Jacques, mit denen es ihm gelungen war, Rom nicht nur heil zu erreichen, letztlich von Wien her kommend, sondern auch zu betreten.

Offensichtlich erwartete sie der Circle Rufucale hier noch nicht. Oder aber – und dies war die Möglichkeit, die Robert insgeheim längst favorisierte – der Circle Rufucale wähnte sich so sicher vor ihnen, dass er deshalb nichts tat, um sie unterwegs aufzuhalten oder auch nur ihr Betreten der ewigen Stadt zu verhindern.

Sie waren dem Hinweis gefolgt, dass die schon wieder entführte Marie de Chambourac in den Katakomben von Rom im Rahmen einer Schwarzen Messe Satan geopfert werden sollte. Ein Hinweis jedoch, der eigentlich nicht vager hätte sein können, wenn man dann endlich vor Ort war und sich fragen musste, wo, bei Gottes Gnaden, diese Opferung denn nun tatsächlich stattfinden sollte? In Katakomben, die ein unterirdisches Labyrinth bildeten, in denen sich sogar Ortskundige unweigerlich verirrt hätten?

Gab es denn irgendwelche zusätzlichen Hinweise in der Stadt zu finden? Und worauf sollten sie dabei achten? Zumal keiner von ihnen jemals zuvor diese Stadt betreten hatte, also ihre Orientierungslosigkeit wahrlich umfassend war.

Natürlich gab es auch keine Ansprechpartner. Das wäre auch zu schön gewesen. So standen sie da auf den Straßen Roms und hätten sich sogar durchfragen müssen, um überhaupt auch nur den Vatikan zu finden. So unbedarft waren sie immerhin.

Robert war beinahe dankbar um die Ablenkung von diesen allzu trübsinnigen Betrachtungen, als Milan einen Einwand geltend machte, darauf abzielend, dass Robert immer noch die Möglichkeit in Betracht zog, Rom und vor allem der Vatikan müsste nicht unbedingt das Zentrum der Verschwörung sein.

„Und falls hier doch noch nicht das Zentrum der Verschwörung zu finden ist, fragt es sich, wieso sonst soll die Comtesse in Wien entführt werden, um sie erst hier in Rom zu opfern?“

Robert schüttelte den Kopf.

„Ja, wieso wohl? Inzwischen bin ich misstrauisch geworden ob dieses großzügigen Hinweises ausgerechnet eines Mitgliedes des Zirkels. Er hat zwar behauptet, in Verbindung gestanden zu haben mit den Gebrüdern von Schlichten, aber was, wenn nicht? Wenn er diesen Hinweis nur deshalb an uns weitergegeben hat, um uns nach Rom zu locken? Noch nicht einmal unbedingt, weil hier eine Falle auf uns wartet? Vielleicht ja nur deshalb, um uns vom wahren Zentrum der Verschwörung abzulenken?“

„Und wo sollte dies denn in Wahrheit sein, Patron, mit Verlaub? Etwa in Wien?“, blieb Milan skeptisch.

Die anderen sagten lieber gar nichts. Man konnte ihnen noch nicht einmal ansehen, was sie selbst dachten. Immerhin wären sie dann völlig umsonst nach Rom gekommen, wenn es hier nicht wirklich das Zentrum der Verschwörung zu finden gab.

Und natürlich hatte auch Robert insgeheim die Wahrscheinlichkeit bedacht, dass Marie überhaupt nicht hierher gebracht, sondern längst schon in Wien geopfert worden war. Vielleicht wollte man diesmal verhindern, dass sie rechtzeitig einschritten, indem man auf Rom verwiesen hatte?

Wie dem auch sein mochte: Es war keinerlei Gelegenheit in Sicht, dies auch nur im Geringsten zu überprüfen. Sie waren jedenfalls darauf hereingefallen. Sonst wären sie nicht hier gewesen.

Und was nun?

Es war, als sei das von einer fremden Macht erhört worden, die ihre Gedanken lesen konnte, denn genau in diesem Moment trat jemand zu ihnen. Er gab sich äußerst vorsichtig, sah immer wieder um sich, als wollte er Ausschau halten nach möglichen Gefahren. Ansonsten war er weitgehend vermummt. So sehr, dass er knapp davor war, ausgerechnet wegen seiner Vermummung am hellen Tag auf den Straßen und in den Gassen Roms aufzufallen.

„Ich bin ein Vertrauter der Gebrüder von Schlichten!“, behauptete er mit gedämpfter Stimme im Tonfall des Verschwörers.

Das hatten sie doch schon in Wien erlebt. Daraufhin war dann der Hinweis gekommen, Marie habe man nach Rom gebracht, um sie irgendwo in den Katakomben Satan zu opfern.

Und was folgte nun?

Sie mussten sich nicht lange dafür gedulden.

„Comtesse Chambourac wird in den Katakomben von Rom noch heute Abend Satan geopfert. Ihr müsst Euch von hier aus in Richtung Vatikanstadt begeben. Unterwegs werdet Ihr die Zeichen erkennen.“

Der Mann wandte sich ab und rannte davon.

Robert verzichtete darauf, ihn zu verfolgen. Was hätte er auch auf offener Straße mit dem Mann anfangen sollen?

Er sah nach seinen Helfern.

„Das war mehr als vage“, bemerkte Pascal. „Obwohl präziser noch als der Hinweis in Wien. Wir sollen also in Richtung Vatikan weitergehen? Und er hat in diese Richtung gezeigt? Ja? Na – dann ...“

Robert hatte keine Einwände. Also gingen sie gemeinsam genau diesen Weg entlang.

Falls es sich wirklich als eine Falle herausstellen sollte, was ja nie ganz auszuschließen war, sahen sie sich eigentlich nicht mehr gefährdet als sonst irgendwo in dieser für sie völlig fremden Stadt.

Ja, sie hatten noch nicht einmal geeignetes Kartenmaterial zur Verfügung. Das hatte nur gereicht, um sicher den Weg von Wien nach Rom zu finden. Ab da waren sie völlig auf sich gestellt.

Mit der einzigen Hilfe jetzt durch diese mehr als dubiose Begegnung.

Ein Vertrauter der Gebrüder von Schlichten, die solche Bekanntschaften letztlich mit dem Leben bezahlt hatten?

Oder hatte er dies nur vorgegeben, eben um die Falle auf dem Weg zum Vatikan zuschnappen zu lassen?

Und was sollte eigentlich die Bemerkung, sie würden die Zeichen erkennen? Wenn sie noch nicht einmal ahnten, auf welche Zeichen sie überhaupt achten sollten?

Grimmig packte Robert den Knauf seines Kurzschwertes fester. Natürlich so, dass zufällige Passanten nicht darauf aufmerksam wurden. Ansonsten waren auch seine fünf Helfer durchaus kampfbereit und auf alles gefasst, außer auf etwas Positives.

Egal, was noch auf sie zukommen würde. Sie würden sich bis auf den letzten Blutstropfen verteidigen.

Robert dachte mal wieder an Marie, obwohl er eigentlich alles tun wollte, um solche Gedanken zu vermeiden, weil es so schrecklich weh tat, wenn er daran dachte, sie in den Fängen okkulter Verschwörer und Satanisten zu wissen, die ihr das Schlimmste antun wollten ...

Im Zentrum der Verschwörer: Die Seherin von Paris 6

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