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„Sie sind in Rom angelangt, Eure Eminenz!“

Ein einfacher Satz mit Tragweite. Keine besonders große zwar nach Auffassung des Kardinals, der sich nur zu gern als Eminenz ansprechen ließ, als sei in Wahrheit er der Papst und nicht Innozenz XI., aber immerhin – ein Satz mit Tragweite.

Schließlich war kein Geringerer als Robert de Malboné gemeint. Nebst seinen fünf Helfern, die anscheinend ebenfalls noch anzunehmen schienen, ihre Identität sei nicht schon längst bekannt.

Sonderermittler König Ludwigs XIV. Mehr noch: Geheimer Sonderermittler! So geheim immerhin, dass es niemanden gab innerhalb des Exorzisten-Kollegs, der es nicht schon länger wusste. Oder innerhalb des Circle Rufucale. Von den Rittern Christi ganz zu schweigen, für die der Circle Rufucale sowieso nur eine Spielart war, um jene einspannen zu können, die von vornherein das Gegenteil von allem anstrebten, was man mit so etwas wie dem christlichen Gedanken in Verbindung brachte.

Der Kardinal erinnerte sich gern daran, wie es ihm letztlich gelungen war, das Exorzisten-Kolleg dermaßen bedeutsam werden zu lassen. Bedeutsam nicht nur für den Vatikan. Und das sogar mit größtem Wohlwollen des Papstes selbst, der tatsächlich die Auffassung vertrat, die Teufelsaustreibungen wären eine zwingende Notwendigkeit, um die er sich selbst dank des Kollegs nicht mehr zu kümmern brauchte.

Allein schon am Beispiel der sogenannten Schweizer Garde zeigte sich die Vormachtstellung des Kollegs. Während die Schweizer Garde nur einhundert Mitglieder zählte, was sie zur kleinsten Armee der ganzen Welt degradierte, durfte allein das Kolleg mit deutlich mehr Mitgliedern aufwarten.

Natürlich waren nicht alle hier im Vatikan, sondern möglichst europaweit verstreut, plus einigen auch noch außerhalb von Europas Grenzen, sozusagen in geheimer Mission.

Das hatte nur gelingen können eben durch die gezielte Förderung des Circle Rufucale und dessen möglichst üblen Ruf.

Man stelle sich vor: Der Zirkel, dessen Name niemand laut auszusprechen wagte, als würde ihn dadurch allein schon der Teufel persönlich heimsuchen. Und auf der andere Seite das Exorzisten-Kolleg, offiziell geschaffen, um die Drahtzieher des Zirkels ausfindig und dingfest zu machen. Im erklärten Kampf gegen die Horden Satans, bevor sie noch schlimmer auf Erden zu wüten vermochten.

Dass beide strategisch so ausgerichtet waren von höchster Stelle, eben vom Kardinal als Schwarzer Eminenz, dass sie sich gegenseitig immer einflussreicher werden ließen, davon ahnte niemand etwas, noch nicht einmal die Betroffenen selbst. Mit ganz wenigen Ausnahmen, zu denen beispielsweise auch Monsignore Rafaelo Santorini als ganz persönliche Marionette des satanistischen Kardinals gehörte.

Ja, die um sich greifende und offensichtlich durchaus berechtigte Furcht vor dem Zirkel hatte das Kolleg erst so mächtig werden lassen. Denn ohne Satans Wirken auf Erden, wie es offensichtlich genug werden musste, um nur ja von niemanden mehr übersehen werden zu können, hätte es keinerlei Handlungsgrundlage für ein so mächtiges Exorzisten-Kolleg gegeben.

Und über allem herrschten in aller Heimlichkeit die „einzig wahren Ritter Christi“, die in Wahrheit Ritter des Teufels waren, obwohl auch das in der Regel kaum einem der Mitglieder wirklich bewusst war. Sie handelten im guten Glauben – und es war dennoch der falsche Glaube, wofür Kardinal Cagliarini als genialer Stratege optimal gesorgt hatte.

Um seinen Pakt mit dem Teufel zu erfüllen.

Dazu gehörte es auch, dass er veranlasst hatte, Marie de Chambourac allein vom Exorzisten-Kolleg in Wien entführen zu lassen, wo die Exorzisten eigentlich am Hofe der Habsburger tätig sein sollten, vorgeblich, um das Böse von dort zu vertreiben.

Damit Marie letztlich in den Katakomben von Rom, zugänglich direkt von Vatikan-Stadt aus, geopfert werden konnte.

Eine Opferung, die spektakulär werden würde, weil der kleine Hinweis auf diese Opferung Robert de Malboné und seine lästigen Helfer vor Ort gelockt hatte. Um sich selbst ebenfalls noch zur Verfügung zu stellen.

Zur Opferung natürlich! Was sonst?

Glaubten die denn tatsächlich, sie könnten hier, gewissermaßen in der Höhle des Löwen, Marie de Chambourac befreien?

Der Kardinal fand das dermaßen absurd, dass er ein schallendes Gelächter nicht länger unterdrücken konnte.

Diese Narren! Sie lieferten sich freiwillig aus. Niemand hatte sich bemühen müssen, sie zu entführen und auf beschwerlichem Weg in das Zentrum der satanischen Macht zu bringen. Diese Marie allein hatte bereits genügt als Lockvogel.

Nicht nur zur Freude Satans geschah dies alles, verkörpert auf Erden von Kardinal Cagliarini, wie er fest überzeugt war, sondern auch zur Freude aller, die an diesem Triumph teilnehmen würden während der Opferung.

Für den Kardinal würde es zwar nur eine angenehme Begleiterscheinung seines eigentlichen Wirkens sein, weil er selbstverständlich viel größer denken musste, aber dennoch konnte er es im Vorhinein bereits als ganz besonders erfreuliche Begleiterscheinung verbuchen, die endlich einmal ein wenig Abwechslung bringen würde in seine ansonsten von streng logischer Strategie getriebener Existenz.

Und dann, auf dem Höhepunkt seiner Euphorie, während er sich an der Unaufhaltsamkeit seiner Machtgelüste regelrecht labte, öffnete sich die Tür, und zwei Vermummte stürmten unaufgefordert herein. Beide hatten blitzende Waffen in den Händen.

Ihre Absicht war unmissverständlich: Sie waren gekommen, um denjenigen zu töten, der soeben sich selbst noch als den unsterblichen Sieger über alles irdische Sein gesehen hatte.

Zu früh gefreut?

Im Zentrum der Verschwörer: Die Seherin von Paris 6

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