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Kapitel 4
ОглавлениеAnna sagte mir natürlich sofort zu. Sie wollte mich unbedingt begleiten. Zum Glück. Ich konnte einfach immer auf meine beste Freundin zählen. Wir freuten uns riesig auf die Reise nach Teneriffa. Salborgh hatte mir auf ihrem Girokonto eine stattliche Summe hinterlassen. Mit den fünftausendsiebenhundertzweiundzwanzig Euro hätten wir vier Wochen im luxuriösesten Hotel der Insel absteigen können. Wir entschieden uns trotzdem für eine kleine, gemütliche Ferienwohnung in Igueste de San Andres. Igueste de San Andres liegt im Nordosten Teneriffas, unweit der Inselhauptstadt Santa Cruz, am Rande des grünen Anaga-Gebirges. Wir hatten keine Lust auf eine typische Pauschalreise und wollten die Insel fern der Tourismushochburgen auf eigene Faust erkunden. Meiner Mutter erzählten wir, dass wir uns auf Teneriffa ein bisschen vom Unistress erholen wollten. Das war zumindest nicht gelogen und sie brauchte nicht besorgt sein. Zwei Wochen mussten reichen, um Friedrichs vermeintlichen Schatz ausfindig zu machen. Ich war unwahrscheinlich gespannt, was mich auf der Insel erwarten würde. Am nächsten Morgen buchten wir unsere Flüge und einen Mietwagen.
*
Im Terminal eins tummelten sich Menschen aller Hautfarben und Nationalitäten. Hektisch und gestresst liefen die Leute in alle Richtungen. Teilweise blickten sie suchend umher und einigen stand die Orientierungslosigkeit ins Gesicht geschrieben. Vor den Check-In-Schaltern der verschiedenen Fluggesellschaften bildeten sich lange Schlangen. Unser Flug ging um 10.30 Uhr. Anna und ich waren schon zwei Stunden vor Abflug am Flughafen eingetroffen. Annas Vater hatte uns hingefahren. Wir kamen ziemlich schnell durch den Check-In und hatten nun noch gut anderthalb Stunden Zeit bis zum Abflug.
»Wollen wir noch nen Kaffee trinken? Wir haben jetzt ja noch ein bisschen Zeit zu überbrücken.«
»Gute Idee. Lass uns doch da vorne hinsetzen. Ich würde gerne auch noch eine Kleinigkeit essen. Auf die Verpflegung im Flieger kann ich nämlich gut verzichten.« Anna grinste.
»Da hast du Recht. Immer diese komischen knatschigen Brötchen. Bäh!« Annas Miene verzog sich. Sie rümpfte die Nase und schaute angewidert. Doch ihr Blick erhellte sich schnell wieder.
»Guck mal! Das dort vorne sieht doch nett aus.« Sie deutete auf das Café, das auf großen Aufstelltafeln sein Frühstück anpries. 3,90€ für einen großen Kaffee und einen belegten Bagel. Das war für Flughafenverhältnisse sehr günstig. Wir nahmen an einem der kleinen Bistrotische in der vorderen Reihe Platz. Von hier aus konnte man wunderbar die vorbeigehenden Menschenmassen beobachten. Wir bestellten uns beide den Frischkäse-Bagel mit Kaffee.
»Wie sieht denn jetzt eigentlich dein Plan für die nächsten Tage aus?« Anna blickte mich erwartungsvoll an.
»Es wäre gut, wenn wir so schnell wie möglich zur Areiabank in Santa Cruz fahren könnten und uns mal ansehen, was Friedrich in dem Schließfach deponiert hat. Und dann hat Salborgh in dem Brief ja etwas von einem Pater Eladio geschrieben. Den sollten wir anschließend vielleicht mal ausfindig machen. Eventuell weiß er auch etwas zum Verbleib dieser ominösen Gegenstände, die Friedrich irgendwo zurückgelassen haben soll. Du weißt schon. Das ist bestimmt dieses Zeugs aus Ägypten, von dem meine Mutter uns mal erzählt hat.« Anna hing wie gebannt an meinen Lippen und schüttelte dabei langsam ihren Kopf.
»Wow! Ich finde das alles super aufregend. Das könnte ja ein richtiges, kleines Abenteuer werden!«
»Ich hoffe, wir werden erfolgreich sein. Am besten schnell, dann können wir nämlich die restlichen Tage in vollen Zügen genießen.« Anna lachte amüsiert und zwinkerte mir zu. Plötzlich stand der Kellner vor uns und servierte unser Frühstück.
»So, bitte schön! Zweimal den Bagel mit Kaffee.« Er schaute uns freundlich an und stellte die Sachen auf den Tisch. Während ich voller Genuss in meinen leckeren Frischkäse-Bagel biss, schaute Anna mich plötzlich mit düsterer Miene an.
»Du, Emie... Ich fühle mich gerade irgendwie beobachtet. Guck mal zu den Sitzbänken dort drüben. Da sitzt so ein komischer Heini mit Zeitung. Der glotzt schon die ganze Zeit zu uns rüber.« Unauffällig drehte ich meinen Kopf nach rechts zum Wartebereich. Auf der Bank saß ein schwarz gekleideter Herr, Mitte vierzig, der sich hinter einer großen Tagezeitung versteckte. Er wirkte unauffällig.
»Der ist doch total in seine Zeitung vertieft.«
»Ja, jetzt gerade. Aber eben hat er ständig die Zeitung zur Seite gehalten und hierher gesehen.«
Und tatsächlich. Nach einer Weile bemerkte auch ich seine Blicke.
»Anna, es ist nicht gesagt, dass er zu uns schaut. Schau mal über unseren Köpfen hängt ein riesen Flachbildschirm, auf dem Werbung läuft.« Ich deutete mit meinem Finger nach oben.
»Ich glaube wirklich der schaut auf den Bildschirm.« Wir beachteten den Mann nicht weiter und leerten unsere Tassen.
»Oh, ich glaube wir müssen mal langsam ins Abflugterminal! Unser Flug geht schon in fünfzig Minuten.« Wir nahmen unser Handgepäck und liefen etwas hektisch ins Zentrum der Halle.
»So, jetzt müssen wir mal schauen, von wo die Bahn ins Terminal zwei abfährt.« Ich entdeckte einen Wegweiser.
»Ah, dort drüben. Komm Anna, wir müssen hier lang.« Wir bahnten uns den Weg durch die Menschenmenge.
»Los, am besten wir spurten uns ein bisschen.«
*
Nach knapp viereinhalb Stunden Flug setzte der Flieger allmählich zur Landung an. Die Durchsage des Piloten erweckte mich aus meinem kurzen Dämmerschlaf. Ich streckte mich kurz und schaute zu Anna, die neben mir am Gang saß. Sie hatte fast den kompletten Flug über geschlafen und schien immer noch tief und fest zu schlummern. Ich schubste sie leicht mit meinem Ellenbogen an.
»Hey, du Schlafmütze! Aufwachen, Anna! Du hast ja den kompletten Flug verpennt.« Anna reagierte erst beim zweiten Schubs und schreckte dann auf.
»Oh, Mann! Was ist denn? Sind wir schon da? Ich hab ja wirklich die ganze Zeit geschlafen.« Anna gähnte laut und schaute mich dann mit einem verschlafenen Lächeln auf den Lippen, an. Sie rieb sich die Augen und streckte sich. Dann beugte sie sich über mich und schaute aus dem Fenster.
»Wow! Was für ein genialer Ausblick!«
Durch das Fenster konnte man die komplette Insel sehen. Teneriffa sah aus dieser Höhe wunderschön aus. Wie ein gleichschenkliches Dreieck erhob sie sich anmutig aus dem Ozean. Auf dem kegelförmigen Teidemassiv, lag weißer Schnee und in der Landschaft ringsherum waren einige tiefe Schluchten zu erkennen. Saftiges Grün und Badestrände standen im krassen Kontrast zu dem hohen, mit Schnee bedeckten Gipfel des Teide. Die Insel war von hier oben prächtig anzusehen. Je tiefer die Maschine ging, desto deutlicher erkannte ich die Landschaft und dann sogar einige Gebäude und Pools. Schließlich drehte sich der Flieger steil nach rechts und man erblickte nun viele Details der Hauptstadt. Einige Sekunden später befanden wir uns schon über der Landebahn. Der Flieger setze mit einem leichte Ruck auf die Landebahn auf. Prompt begannen auch schon die Fluggäste zu klatschen. Die Stewardess bat die Passagiere durch die Lautsprecher noch auf den Plätzen zu verweilen, bis der Flieger seine endgültige Parkposition erreicht hätte. Auf den kleinen Bildschirmen über unseren Köpfen wurde ein Musikvideo abgespielt. Während das Flugzeug geparkt wurde, betrachtete ich aus meinem kleinen Fenster die hüglige Landschaft. Die Palmen auf dem Flughafengelände bogen mächtig sich im Wind.
*
Nachdem wir endlich unsere Koffer hatten, machten wir uns auf dem Weg zum Schalter unserer Autovermietung. Ohne lange Wartezeit erhielten wir die Schlüssel für unseren Polo. Dieser stand draußen auf dem Parkplatz bereit. Wir bahnten uns mit unserem Gepäck den Weg zum Ausgang. Vorbei an unzähligen Touristen, die auf der Suche nach ihrer Reiseleitung waren, um endlich in den Transferbus zu gelangen und in ihr Hotel chauffiert zu werden.
»Anna, ich bin so froh, dass wir diesen Stress diesmal nicht haben!«
Anna stimmte mir nickend zu. Wir verließen die Halle durch die große Glastür. Draußen vor dem Eingang angekommen küsste die warme Sonne unsere Gesichter. Das Klima war herrlich und der Himmel tiefblau und fast wolkenlos. Endlich wieder im Süden, schwärmte ich in Gedanken. Ich schaute mich um und sah inmitten des Kreisels vor dem Parkplatz ein großes, rundes Beet. Es war schön angelegt. Große Kokospalmen wurden von traumhaft blühenden Strelizien umsäumt. Weiter hinten konnte man die leicht begrünten Vulkanberge sehen. Es war ziemlich warm und von Westen wehte unbändig der Passat in unsere Gesichter und lies unsere Haare wild um die Köpfe fliegen.
»Schau mal, Emie! Da vorne ist schon der Parkplatz. Dort steht bestimmt unser Wagen« Wir zogen die Koffer hinter uns her und gingen zügig auf den großen Parkplatz zu. Bei dem Blick in die Landschaft geriet ich langsam, aber sicher, in Urlaubsstimmung und die eigentliche Mission geriet etwas in Vergessenheit.
»Sodele, dann wollen wir doch mal probieren, welcher Wagen uns gehört.« Ich drückte die Taste auf dem Autoschlüssel und ließ meinen Blick über die vielen Neuwagen der ersten beiden Reihen schweifen. Anna deutete mit einem breiten Grinsen auf einen silbernen Polo.
»Das ist er! Cool, der sieht ja noch aus wie neu.« Wir gingen auf unseren Mietwagen zu. Ich öffnete den Kofferraum und wir versuchten unser Gepäck einzuladen.
»Wir müssen die Rücksitze umlegen. Das reicht so nicht!« Anna öffnete die Beifahrertür, um den Schalter umzulegen.
»So, jetzt passen sie rein!« Wir lächelten uns zufrieden an und stiegen in unseren Mietwagen.
»Zum Glück habe ich mir das Kanaren-Update auf mein Navi geladen.« Ich gab die Adresse unserer Ferienwohnung in Igueste de San Andres ein und Anna befestigte das Navi an der Frontscheibe. Dann drehte ich den Schlüssel in der Zündung um und startete den Wagen.
*
Nachdem wir ungefähr vierzig Minuten über die Autobahn in Richtung Santa Cruz gefahren waren, fuhren wir nun über eine Landstraße inmitten der hügligen Landschaft direkt ins das Zentrum der Hauptstadt. Santa Cruz hatte einen sehr urbanen, aber dennoch tropischen Scharm. Das Flair der Stadt erinnerte mich fast ein bisschen an Brasilien. Als wir das eher industriell anmutende Hafenviertel durchfahren hatten, kamen wir über San Andres auf die Serpentinenstraße. Sie lag in der Felslandschaft am Rande des Anagas. Zur Rechten sah man den Atlantik. Wir fuhren eine kurze Weile, bis wir von einer Anhöhe einen wunderschönen, hellen Sandstrand erblickten. Er erstreckte sich über circa zwei Kilometer. Ich hielt kurz auf der Aussichtsplattform.
»Wow! Das ist ja der Hammer. Schau mal! Da stehen sogar Kokospalmen im Sand. Da müssen wir heute unbedingt nochmal schwimmen gehen!«
So langsam vergaß ich komplett, warum ich eigentlich hier war. Bei diesem traumhaften Anblick geriet auch Anna endlich in Urlaubstimmung. Wir hatten uns nach dem letzten Semester einen Urlaub mehr als verdient. Endlich kreisten meine Gedanken nicht mehr um das Erbe von Salborgh und Friedrich und die Mission, die ich hier zu erfüllen hatte. Das vergangene Semester war sehr stressig für mich und die Klausuren hatten es diesmal wirklich in sich gehabt. Mich wunderte es ja wirklich, dass ich es überhaupt so erfolgreich abgeschlossen hatte. Schließlich hatte ich vor drei Monaten eine ziemlich harte Trennung zu überwinden. Das Ganze hatte mich nun aber auf eine gewisse Art und Weise auch gestärkt. Ich wusste jetzt, dass ich auch sehr gut ohne Aljoscha leben konnte.
»Ich kann's kaum erwarten!« rief Anna freudestrahlend. Sie blickte auf die Anzeige des Navis. »In sieben Minuten sind wir schon in Igueste des San Andres.«
»Dann lass' uns mal schnell hinfahren und unsere Wohnung beziehen, damit wir an den Strand kommen.«
Ich fuhr weiter durch die kurvigen Straßen. Allzu schnell konnte ich aber nicht fahren, da die Kurven wirklich eng und ziemlich unübersichtlich waren. Die Landschaft hier war einfach herrlich. Grünlich bewachsene, mächtige Felsformationen und hier und da eine Agave und etliche Kakteen in den Bergen. Auf der anderen Seite die Klippen und die Weiten des Ozeans. Hier erinnerte wirklich nichts mehr an den Massentourismus und die Betonlandschaft, die wir in der Nähe des Flughafens vorgefunden hatten. Endlich erreichten wir das kleine Bergdörfchen am Fuße des Anagagebirges. Wir fuhren die Hauptstraße hinunter und kamen schnell an unserem Fahrtziel an.
Das kleine, ockerfarbene Häuschen im typisch kanarischen Stil war von einer Hibiskushecke mit leuchtenden roten Blüten umzäunt. Rechts hinter der Hecke standen im Garten mehrere große Bananenpalmen. Insgesamt wirkte das kleine Grundstück sehr gepflegt und einladend. Kaum hatten wir die Koffer ausgeladen, kam auch schon unsere Vermieterin um die Ecke und begrüßte uns sehr herzlich.
Sie war eine kleine, attraktive Spanierin in den Fünfzigern. Freundlich mustrte sie uns, als sie auf uns zukam. Nach der netten Begrüßung übergab sie uns den Schlüssel und führte und durch die kleine Wohnung im zweiten Stock. Die Wohnung war frisch renoviert und mit hübschen, rustikalen Möbeln ausgestattet. Auf dem Esstisch hatte uns die Vermieterin einen großen Korb mit Obst, Gemüse, einem Bort, einem Glas Marmelade und einer Flasche Sekt bereitgestellt. Wir bedankten uns freudig und verabschiedeten sie.
»Emelie, die Wohnung ist ja ein Traum! Vielen, vielen Dank für die Einladung! Das ist so lieb von dir!«
»Sehr gerne, mein Schatz! Aber vergiss nicht, dass wir hier auch eine kleine Mission zu erledigen haben!« Ich zwinkerte ihr zu.