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Es ist vollbracht

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Aus meiner lethargischen Stimmung wurde ich gerissen, als sich die anfängliche zu frühe Blutung als Schmierblutung herausstellte und die vielleicht tatsächliche Periode ausfiel. Ich hatte die Hoffnung auf eine Schwangerschaft schon aufgegeben. Ein kleiner Funke blieb doch noch übrig und so überredete ich Thomas zum Kauf eines weiteren, ganz normalen Schwangerschaftstests. Am nächsten Morgen ging ich wie im Kino aufs WC, um den Test zu machen. Ich konnte es kaum glauben. Es dauerte nur wenige Sekunden, dann war ein zweiter roter Strich ersichtlich – das Zeichen für „schwanger“. Voll Freude bin ich in der Wohnung herumgesprungen und habe Thomas den positiven Schwangerschaftstest unter die Nase gehalten. Der konnte sein Vaterglück offensichtlich noch gar nicht richtig fassen und zog die Decke über das Gesicht. Keine Reaktion, die ich mir in diesem Moment gewünscht oder erwartet habe.

An diesem Tag bin ich so glücklich wie noch nie in die Arbeit gegangen und es war mir wirklich alles egal, was da in den Besprechungen gefallen ist. Ich konnte mir die ganze Zeit nur denken, dass es mich eh nicht mehr betrifft. Meiner Zimmerkollegin hatte ich von meinem „Babybasteln“ erzählt und sie wusste einfach durch meine Körpersprache, dass ich schwanger war. Bei meinem letzten Gynäkologen-Termin – genau 25 Tage vor dem positiven Schwangerschaftstest – fragte ich, wann die erste Untersuchung notwendig sei. Mein Arzt meinte: „Wenn sie wissen, dass sie schwanger sind, so früh wie möglich.“ Also habe ich in der Mittagspause seine Sprechstundenhilfe angerufen und prompt einen Notfalltermin bekommen. Gemeinsam mit meiner Arbeitskollegin bin ich zum Gynäkologen gefahren. Ich war in meinem Leben noch nie so nervös wie vor diesem Ultraschall, weder bei meiner Diplomprüfung noch bei der Hochzeit. Das Warten bis zum Aufrufen war eine Ewigkeit. Meiner Kollegin war und bin ich sehr dankbar, dass ich dieses Erlebnis nicht ganz alleine bewältigen musste. Die Untersuchung war enttäuschend, da eine Schwangerschaft noch nicht festgestellt werden konnte. Es fehlte hierfür der Dottersack. Zu sehen war lediglich eine leichte Wölbung der Gebärmutter, die eine Befruchtung als auslösenden Grund haben könnte. Sehr traurig und verunsichert habe ich dann am Ende dieser Sitzung meinen Arzt gefragt, wie es nun weitergehe und wann ich wieder kommen sollte. Seine Antwort war meiner Meinung nach etwas hart und ich bin mir dabei lächerlich vorgekommen: „In 14 Tagen, dann bekommen Sie auch den Mutter-Kind-Pass ausgehändigt. Falls der Embryo in dieser Zeit abgehen sollte, kann ich nichts tun, dann tut es mir leid.“ Nach meinem ersten Schock wollte ich natürlich wissen, wie wahrscheinlich ein Abort in diesen ersten 14 Tagen wohl sei. Seine Schätzung lag bei zirka 30 Prozent. Kein frohlockender und beruhigender Gedanke, noch dazu, da ich in dieser Zeit einen London-Trip vor mir hatte. Kaum waren wir aus der Tür draußen, habe ich Thomas informiert. Der wirkte leicht säuerlich, als ich ihm von meinem Spontanbesuch beim Gynäkologen erzählte und hatte überhaupt kein Verständnis für mein Verhalten. Mit dieser Reaktion konfrontiert und den Abortfakten des Arztes im Hinterkopf, habe ich meinen Arbeitsdienst wieder aufgenommen und war schon viel weniger euphorisch, als noch Stunden zuvor.

Drei Jahre nach dieser Aktion kann ich mein damaliges Handeln selbst nicht nachvollziehen. Man härtet während der Schwangerschaft ab und gewinnt viel an Lebenserfahrung. Wenn ich nochmals schwanger wäre, dann glaube ich nicht, dass ich so früh einen Arzt aufsuchen würde. Ich habe damals den Ratschlag meines Frauenarztes befolgt (in den Schwangerschaftsratgebern steht dieselbe Vorgehensweise beschrieben) und bin sofort zu ihm gegangen. Im Nachhinein habe ich mich dann eher blamiert gefühlt. Oft habe ich mich gefragt, ob dieser Arztbesuch tatsächlich zum „richtigen“ Zeitpunkt stattgefunden hat. Ist es nicht sinnvoller, überhaupt einmal 14 Tage verstreichen zu lassen, um einen möglichen frühen Abort „erledigt“ zu haben, wenn die Wahrscheinlichkeit mit 30 Prozent doch so hoch anberaumt ist?

Aborte haben mich zu dieser Zeit sehr interessiert. Meine Recherche damals hat ergeben, dass es eine hohe Dunkelziffer in diesen frühen Schwangerschaftstagen gibt. Lediglich 15 bis 20 Prozent aller Fälle werden klinisch aufgezeichnet. Der Rest der Abgänge wird als starke Regel wahrgenommen. Schätzungen zufolge könnte es sogar sein, dass bis zu 50 Prozent aller befruchteten Eier – in diesem frühen Stadium – zu Grunde gehen.

Hier ist wichtig anzumerken, dass in der Frühschwangerschaft noch Alkohol konsumiert werden kann. Frauen müssen sich keine Vorwürfe machen. Auch ich habe nach meinem ersten negativen Schwangerschaftstest alkoholische Cocktails getrunken und bin deswegen noch lange keine schlechte Mutter. Es ist wissenschaftlich bestätigt, dass der Embryo in diesen ersten Tagen entweder lebensfähig und robust ist oder eben nicht. Das befruchtete Ei kann natürlich durch starken Konsum von hochprozentigen Alkoholika soweit geschädigt werden, dass es abgeht. Bei einem „normalen“ Alkoholkonsum in den ersten 14 Tagen wird jedoch die weitere Entwicklung nicht negativ beeinträchtigt, da es zwischen Mutter und Ei noch keine Nahrungsverbindung gibt. Im weiteren Verlauf der Schwangerschaft sieht das natürlich – durch die Nabelschnurverbindung und die Plazenta – ganz anders aus. Dies wurde auch in der TV-Kampagne „Mein Kind will keinen Alkohol!“ vermittelt. Laut deren Initiatoren gibt jede fünfte Frau an, während der Schwangerschaft Alkohol zu trinken.

Es handelt sich hierbei um eine sehr sinnvolle Bewusstseinsbildung, um das Ungeborene frühzeitig zu schützen. Ich habe nach Bekanntwerden meiner Schwangerschaft keinen Tropfen Alkohol getrunken, da ich durch mein Studium in diesem Punkt gut informiert war. Wissenschaftlich ist bewiesen, dass der Konsum von Alkohol während der Schwangerschaft zu angeborenen, irreparablen körperlichen und geistigen Schädigungen führen kann. Folge kann das FAS (Fetale Alkohol Syndrom) sein. Es beinhaltet Beeinträchtigungen wie Intelligenzminderung, Verhaltens-, Lern- und Schlafstörungen. Das große Problem an Alkohol bei schwangeren Frauen ist, dass dieser ungefiltert direkt durch die Plazenta in den Blut- und Nahrungskreislauf des Kindes aufgenommen wird. Das Ungeborene bekommt so – über die Nabelschnur – denselben Alkoholspiegel wie die Mutter. Aber nicht nur Alkohol schädigt das ungeborene Kind, sondern auch der Konsum anderer Genussmittel wie beispielsweise Zigaretten oder übermäßig Kaffee.

Es ist in etlichen Studien bewiesen, dass Rauchen während der Schwangerschaft das Risiko von Wachstumsstörungen und/oder einer Störung der Gehirnentwicklung des Kindes erhöht. Durch das Nikotin wird die Sauerstoff- und Nährstoffzufuhr eingedämmt. Das Ungeborene bekommt also in der Gebärmutter zu wenig Luft und Nahrung. Die Babys von Raucherinnen sind bei der Geburt daher meistens von Größe und Gewicht unter der Norm. Weiters ist durch diesen Mangel und die Vergiftung während der Schwangerschaft die Gehirnentwicklung beeinträchtigt. Auch hier werden, analog zum Alkohol, die konsumierten Schadstoffe direkt durch die Plazenta zum Fötus transportiert.

Rauchen hat nicht nur Auswirkungen auf das ungeborene Kind. In diversen Studien konnte festgestellt werden, dass rauchende Paare schwerer ein Baby zeugen können. Auch steigt das Allergierisiko bei Kleinkindern und es treten vermehrt Erkrankungen der Atemwege auf. Neugeborene von rauchenden Eltern sind weiters öfter vom plötzlichen Kindstod betroffen.

Leider kommt es auch vor, dass Babys bereits im Bauch zu Drogenabhängigen werden und in den ersten Tagen nach der Geburt einen Entzug durchmachen müssen. Zu diesen Fällen gibt es noch wenig Fachliteratur und die Statistiken sind nicht präzise und aussagekräftig. Man kann aber sagen, dass illegale Suchtmittel sich ähnlich auf die Entwicklung des Fötus auswirken wie Alkohol oder Rauchen. Auch eine höhere Fehlgeburten- und Missbildungsrate ist anzunehmen. Die Kinder sind meist körperlich und geistig im Wachstum verlangsamt.

Da ich weder Drogen, Alkohol noch Zigaretten während der Schwangerschaft konsumiert habe, ging ich von einer normalen Entwicklung des befruchteten Eis aus. Doch dass es sich bei allen Statistiken nur um Wahrscheinlichkeiten handelt und man nicht vor Abweichungen der Norm geschützt ist, musste ich während der kommenden zehn Schwangerschaftsmonate selbst bitter erfahren. Nur weil man sich an alle Vorgaben hält, heißt das noch lange nicht, dass man vor Schwierigkeiten und Komplikationen gefeit ist.

Mutter werden – Mutter sein

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