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Zur Begriffswahl »psychophysiologische Störungen«
ОглавлениеIn der Übersetzergruppe entschieden wir uns für den im Deutschen wenig gebräuchlichen Begriff der »psychophysiologischen Störungen«, der im ICD-10 nur in Bezug auf die psychophysiologische Insomnie gebraucht wird. Als Alternative stand der Begriff der »funktionellen Störung« zur Debatte, denn das Gros der im Praxisleitfaden abgebildeten Störungsbilder entspricht den in der S3-Leitlinie »Funktionelle Körperbeschwerden« (AWMF-Reg.Nr. 051-001) beschriebenen Krankheitsbildern, die kriteriengemäß als somatoforme Störungen (ICD-10) oder neuerdings als somatische Belastungsstörung und verwandte Störungen (Krankheitsangststörung; Konversionsstörung; Psychologische Faktoren, die eine körperliche Krankheit beeinflussen; DSM-5, ICD-11) verschlüsselt werden.
Psychophysiologische Störungen umfassen nach Schubiner und Abbass neben chronischen Schmerzbildern (z. B. Fibromyalgie, Migräne, Morbus Sudeck) auch andere Syndrome wie das chronische Erschöpfungssyndrom, chronische Nesselsucht, Tinnitus, depressive Störungen, Angststörungen, Zwangsstörungen, Essstörungen, Persönlichkeitsstörungen und Störungen im Zusammenhang mit psychotropen Substanzen. Das Spektrum ist also sehr breit und umfasst letztendlich alle Störungen, für deren Entstehung mehr oder weniger schwerwiegende Bindungstraumatisierungen und unverarbeitete Emotionen relevant sind. Die Zusammenfassung all dieser o. g. Störungen unter dem Dach der »psychophysiologischen Störung« erscheint auch insofern naheliegend, da zwischen den »funktionellen Störungen« und den im engeren Sinne »psychischen Störungen« eine sehr hohe »Komorbidität« besteht. Außerdem betont der Begriff der »psychophysiologischen Störungen« weit stärker als das Konzept der somatischen Belastungsstörung die direkten physiologischen Auswirkungen unverarbeiteter bzw. konflikthafter Gefühle auf den Körper. Die obengenannten Krankheitsbilder sind nicht nur die Folge dysfunktionaler Kognitionen (Abbass et al., 2018), sondern gehen auf direkte physiologische Effekte des überaktivierten Angst-Abwehrsystems zurück.