Читать книгу Fire&Ice 11 - Matthew Fox - Allie Kinsley - Страница 6
3 Eskalation
ОглавлениеZOEY
Nachdem sie das Abendessen und die ersten Tanzrunden hinter sich gebracht hatte, benötigte sie dringend eine Pause.
Ihre Nerven lagen blank. Nicht nur, dass John sie dauernd ermahnte, irgendetwas nicht zu tun oder besser zu machen, sie fühlte sich unter Mats dauerhaft prüfenden Blick wie unter einem Mikroskop.
Sie hatte keine Ahnung, was er wollte oder was er damit bezweckte, aber es machte sie verrückt. Vor allem, weil seine Kränkung ihr noch immer allzu präsent war. Woher kam dieses plötzliche Interesse?
Als John in das Gespräch mit einem von Ryans Geschäftspartnern verwickelt war, entschuldigte sie sich unter seinem strafenden Blick.
Schnell huschte sie zu der Tür hinaus, die in den Außenbereich führte.
Aus ihrer Clutch fischte sie eine ihrer Notfallzigaretten und zündete sie an. Sie hoffte, den Geruch später mit Parfüm und einem Kaugummi überdecken zu können, sonst würde John wieder außer sich sein.
Tief zog sie den beruhigenden Rauch in ihre Lungen und atmete dann genüsslich aus.
Die kühle Nachtluft half ihr ebenfalls, ihr überhitztes Gemüt und die vom ungewohnten Alkohol lockere Zunge zu beruhigen.
Sie nahm die Stola ab und legte sie sich über den Arm, um mehr von der kalten Luft auf ihrer Haut zu spüren.
Immer wieder kamen Menschen durch die Tür, wollten nur ein wenig frische Luft schnappen oder ebenfalls eine Zigarette rauchen.
Zoey ging ein paar Schritte vom Eingang weg, um nicht mitten im Rauch zu stehen.
"Dachte ich es mir doch!" Johns Stimme klang gereizt. Sehr gereizt. Zoey drehte sich zu ihm um.
Über seine Schulter hinweg erspähte sie Mat, der an der Wand neben der Eingangstür lehnte.
Warum verfolgte er sie? Oder wollte er auch nur frische Luft schnappen?
Etwas traf schmerzhaft ihre Hand und riss sie zurück aus ihren Gedanken.
"Aua", sagte sie leise und schüttelte die Hand, in der sie ihre Zigarette gehalten hatte, bis John sie ihr aus der Hand geschlagen hatte.
"Du weißt ganz genau, wie sehr ich es hasse, wenn du nach diesem Zeug stinkst!", knurrte er. Er trat dicht vor sie, mit ihren niedrigen Absätzen konnte sie ihm genau ins Gesicht sehen.
Er schäumte vor Wut, die sich den ganzen Tag über in ihm angesammelt hatte.
"Und dann lässt du mich mitten in so einem wichtigen Gespräch alleine, nur um dich hier draußen, halb nackt wie eine Nutte zu präsentieren und dieses ekelhafte Zeug zu rauchen!"
Wäre da nicht der Alkohol gewesen, der ihr zuflüsterte, dass es völlig in Ordnung sei, ihm auch einmal Kontra zu geben, hätte sie seine Tirade wie immer einfach stillschweigend hingenommen.
Aber sie war selbst wütend und hatte für einen Tag einfach genug von seiner Missbilligung geschluckt.
"Es war dein Gespräch, John. Nicht meines. Entschuldige bitte, dass ich eine Pause vom höflichen Lächeln gebraucht habe."
"Stell dich nicht so an! Es kann doch nicht so schwer für dich sein, dich ein paar Stunden zusammenzureißen."
Die Wut ließ ihr Herz rasen. "Lass es, John. Es reicht für heute!", warnte sie ihn.
Aber er ließ nicht locker, zählte alle ihre vermeintlichen Verfehlungen auf und endete mit: "Und wie viel willst du noch trinken? Meinst du nicht, es reicht langsam?"
Oh doch. Und wie es reichte. "Du hast recht. Es reicht. Ich gehe zurück aufs Zimmer."
Sie wollte sich an ihm vorbeischieben, aber er hielt sie am Handgelenk fest.
"Das wirst du nicht tun!", knurrte er. "Du wirst dich jetzt verdammt nochmal zusammenreißen!"
Sie riss ihren Arm los und funkelte ihn wütend an.
"Lass es!", warnte er sie, aber Zoeys Grenze an Erträglichem war bereits weit überschritten.
"Leck mich!", fauchte sie.
Seine Ohrfeige kam schneller, als sie reagieren konnte. Sie brannte scharf auf ihrer Haut und ließ sie einige Schritte zurückstolpern, dann knickte ihr Fuß schmerzhaft um und sie fiel auf den Boden.
MATTHEW
Er hatte sich mit Sandro und Taylor unterhalten, die ebenfalls zum Rauchen nach draußen gekommen waren und hatte nebenbei die Auseinandersetzung zwischen Zoey und John belauscht. Oder eher dem Ton gelauscht, denn die Worte verstand er nicht.
Als John sie so hart am Handgelenk gepackt hatte, war Mat in ihre Richtung gegangen. Zu langsam, die Ohrfeige hatte er nicht mehr verhindern können.
Abgrundtiefer Hass und Verachtung gegenüber diesem widerlichen Typen brandete in ihm auf. Er konnte die Wut, die in ihm brodelte, kaum beherrschen.
John riss er zu sich herum und schlug ihm mit voller Kraft die Faust auf die Schläfe, sodass dieser taumelnd zu Boden ging.
Er wollte weiter auf ihn einschlagen und ihm zeigen, wie es war, der Schwächere zu sein. Hilflos und gebrochen, aber er versuchte, sich zu beruhigen.
Aber er durfte sich nicht so gehen lassen, der Wut nicht die Kontrolle überlassen.
Er sah sich nach Zoey um. Sie versuchte gerade, auf die Beine zu kommen. Also eilte er schnell zu ihr, packte sie um die Taille und stellte sie vor sich auf die Füße. Dann hielt er sie an den Hüften fest.
Sie sah furchtbar mitgenommen aus. Ein paar der Strähnen hatten sich aus ihrer Frisur gelöst und sie zitterte am ganzen Körper.
"Alles in Ordnung?", fragte er sanft und streichelte vorsichtig über die gerötete Wange.
Sie sah über seine Schulter, da blickte auch Mat sich um. John hatte sich wieder aufgerappelt und wischte sich über den Anzug. Sandro hatte sich drohend mit finsterer Miene vor ihm aufgebaut und Taylor redete schnell auf ihn ein.
Als Mat wieder zurück zu ihr sah, bemerkte er die Tränen in ihren Augen.
Sie lächelte. Das gleiche ekelhafte Lächeln wie den ganzen Abend lang.
"Klar. Alles in Ordnung."
Als er sie nur mit zusammengezogenen Augenbrauen ansah, sagte sie: "Mein Kleid hat einen Fleck."
"Das Kleid ist mir egal", knurrte er. Er hatte genug von dieser Scharade.
"Es ist von Versace", sagte sie mit einer hochgezogenen Augenbraue, die er ihr zu jedem anderen Zeitpunkt vielleicht abgekauft hätte.
"Du möchtest bestimmt ins Badezimmer", sagte er so ruhig wie möglich, obwohl er sie am liebsten geschüttelt hätte, weil sie einfach dicht machte und tat, als wäre nichts gewesen.
Wieder dieses Lächeln. "Nein, danke. Ich bleibe noch ein wenig hier."
"Zoey!", sagte er warnend. Aber sie lächelte nur weiter liebreizend.
Es trieb ihn in den Wahnsinn. Diese Maske saß so perfekt, dass er kaum dahintersehen konnte.
Er musste sie von John wegbringen. Vielleicht würde sie dann endlich loslassen.
Schnell packte er sie am Ellenbogen und zog sie mit sich, doch schon beim ersten Schritt keuchte sie laut auf.
Finster starrte er sie an.
"Ich brauche noch einen Moment", sagte sie daraufhin.
Wenn es überhaupt möglich war, wurde er in diesem Moment noch wütender. Das konnte doch alles nicht wahr sein.
Ohne lange zu überlegen, legte er einen Arm um ihre Mitte und den anderen unter ihre Knie und hob sie hoch.
Sie keuchte erschrocken auf und schlang reflexartig die Arme um seinen Hals.
"Mat, lass mich runter. Wie sieht das denn aus!"
"Es ist mir scheiß egal, wie das aussieht, verdammt nochmal!", fluchte er und ging mit großen Schritten durch die Eingangstür. "Welches ist dein Zimmer?"
"Wir werden nicht so durch die Empfangshalle gehen!", widersprach sie vehement.
Sie wand sich in seinen Armen, aber er konnte sie mühelos festhalten. Sie wog nichts, fühlte sich dafür aber verdammt gut in seinen Armen an.
Er spürte ihre Rippen unter seiner Hand. Würde er sie nur wenige Zentimeter höher schieben, könnte er ihre Brust berühren.
"Wir brauchen ein Badezimmer!", erklärte er die Diskussion für beendet.
Sie hörte auf, sich zu wehren, und gestand sich ihre Niederlage wohl ein.
"Da vorne geht eine Treppe zu den Waschräumen im Kellergeschoss runter", sagte sie seufzend.
Gerade als er die ersten Stufen genommen hatte, hörte er Johns aufgebrachte Stimme vom Eingang.
Zoey verspannte sich sofort wieder in seinen Armen.
Die Wut auf diesen Mann trieb ihn dazu an, schneller zu gehen und sie von ihm fortzubringen. Er wollte sie vor ihm beschützen und aus seiner Reichweite bringen.
Eine Frau wie sie hatte bei so einem Typen nichts verloren.
Er zerstörte sie systematisch und Mat konnte es nicht mitansehen. Allein für dieses falsche Lächeln wollte er den Bastard umbringen.
In den Gästewaschräumen angekommen setzte er sie auf dem großen Waschtisch aus Marmor ab. Dann griff er nach einem der kleinen, blauen Handtücher und machte es mit kaltem Wasser nass.
Er spürte ihren fragenden Blick, hatte aber selbst keine Antwort auf die Frage, die darin stand.
Warum ging ihm das alles so nahe?
Natürlich hätte er jeder Frau geholfen, aber er hätte auch einfach eine ihrer Freundinnen holen können, anstatt sich selbst so hineinzusteigern.
Vorsichtig legte er ihr das kühle, nasse Handtuch auf die Wange.
Sie saß stocksteif auf dem Waschtisch und ließ keinerlei Emotionen erkennen. Das ließ die Wut auf diesen Wichser von neuem in ihm aufkochen.
"Warum tust du dir das an? Warum lässt du dich so von ihm schikanieren?"
Er krallte sich rechts und links von ihr am Waschtisch fest, als sie erneut lächelte. "Lasse ich mich doch nicht. Hast du doch gesehen."
Da brannten seine Sicherungen durch, er packte sie an den Schultern und schüttelte sie heftig.
"Könntest du bitte für einen Moment aufhören, so zu tun, als hättest du alles im Griff!", schrie er.
Schmerz trat in diese wunderschönen, blauen Augen.
Ein Schmerz, der tief aus ihrer Seele kam. Ihre immer noch gestrafften Schultern fielen nach unten und ihre Stimme klang sehr verletzlich, als sie sagte: "Lass es, bitte."
In diesem Moment sah sie so viel jünger und zerbrechlicher aus, als er sie jemals gesehen hatte. Er reichte ihr das nasse Handtuch und sie hielt es sich an die Wange.
"Er ist ein schlechter Mensch. Du solltest nichts mit ihm zu tun haben."
"Du kennst ihn nicht", antwortete sie, aber zumindest war ihre Stimme nicht mehr so leblos.
"Ich muss ihn nicht kennen, es reicht, wenn ich sehe, was er aus dir macht."
Er griff nach ihrem Kleid und zog es bis zu ihren Knien nach oben. Sofort sah er den bereits deutlich geschwollenen Knöchel.
Zoey schlug seine Hand beiseite.
"Was soll das? Ich will dir helfen!", sagte er barsch und zum ersten Mal an diesem Abend sah er ehrliche Wut in ihren Augen aufblitzen.
"Warum? Willst du einen Fick zur Belohnung? Tut mir leid, ich bin vergeben", fauchte sie und zog das Kleid über ihre nackten Beine.
"Dass du überhaupt noch von einer Beziehung sprechen kannst, nachdem was gerade passiert ist!", schrie er und deutete auf die Tür, durch die sie gekommen waren.
"Es geht dich nichts an!"
Er kochte vor Wut und war kurz davor, sie erneut zu schütteln. "Tut es sehr wohl!"
"Nur falls du es vergessen hast, du willst keine Frau, die mit einem deiner Freunde geschlafen hat. Ich habe Shane gefickt, erinnerst du dich?"
"Ja, leider", knurrte er und versuchte, sich wieder unter Kontrolle zu bekommen.
Dass sie sich so genau an ihr Gespräch erinnerte, zeigte ihm, dass es sich ihr genauso ins Gedächtnis gebrannt hatte wie ihm.
Dass Zoey ihn genauso wenig vergessen konnte wie er sie. Was das Ganze nicht unbedingt leichter machte.
Er atmete tief aus, stützte sich wieder rechts und links von ihren Oberschenkeln auf der Waschtischplatte ab und sah ihr fest in die Augen.
Sie war so unglaublich schwer zu lesen. Ihre Emotionen tauchten nur für den Bruchteil einer Sekunde auf, ehe sie alles wieder hinter sicheren Mauern verbarrikadierte.
"Bitte Zoey. Lass mich dir einfach nur helfen. Ohne Hintergedanken, ohne nachträgliche Forderungen, ohne Gegenleistung."
"Warum?" Die Vorsicht in ihrem Blick versetzte ihm einen Stich ins Herz.
"Weil ich es brauche", gestand er.
Auch er ließ sie in seinen Augen lesen. Die Sorge um sie und der Kummer, den ihre Art schon den ganzen Abend in ihm verursachte.
Sie nickte vorsichtig und raffte dann ihr Kleid, bis ihr Knöchel zum Vorschein kam.
"Verdammt", murmelte er, als er sah, wie sehr der Knöchel geschwollen war.
Vorsichtig löste er den Riemen des Schuhs und zog ihn ihr aus. "Das sieht nicht gut aus, Honey", murmelte er gedankenverloren und bemerkte den Kosenamen erst, als ihr Bein sich in seinem Griff anspannte.
Er heftete seinen Blick einen Moment länger als nötig auf das Bein, um sich zu sammeln, dann hob er den Fuß an, stellte ihn ins Waschbecken und drehte das kalte Wasser auf.
"Kühl das einen Moment, okay? Ich hole Dave."
Sie nickte, sah ihn aber nicht an. Ein sichereres Zeichen, dass sie nicht in der Lage dazu war, ihre Maske aufrecht zu halten.
Er war mehr als nur neugierig, was in ihr vorging, aber er wollte sie nicht zu sehr in die Ecke drängen. Er hatte das Gefühl, ihr sowieso schon stärker zugesetzt zu haben, als er es hätte tun dürfen.
ZOEY
Sie war mehr als nur froh, ein paar Minuten für sich allein zu haben. Die letzte halbe Stunde hatte ihre Gefühlswelt so sehr durcheinandergeschüttelt, dass sie das Gefühl hatte, jeden Moment in eintausend Teile zu zerspringen.
Mat weckte Gefühle in ihr, die sie nicht zulassen durfte. Er verabscheute sie für das, was sie getan hatte. Er hatte es ihr mehr als deutlich gesagt.
Und John? Sie hatte keine Ahnung, wie sie mit ihm umgehen sollte. Was sie jetzt tun sollte und vor allem, wie sie ihm gegenübertreten sollte.
Natürlich war das, was er getan hatte, unverzeihlich. Ob sie ihn nun provoziert hatte oder nicht. Auf der anderen Seite hatte sie keine Ahnung, wie sie sich gegen ihn durchsetzen sollte, wenn sie ihm das nächste Mal begegnete … von ihrer Mutter ganz zu schweigen. Die würde die Schuld zu einhundert Prozent bei Zoey suchen.
Sie schrak auf, als die Tür des Waschraums sich erneut öffnete. Einen kurzen Moment lang hatte sie Angst, dass es John sein könnte und sie sich jetzt schon mit ihm auseinandersetzen müsste.
Ihr Blick fand Mats und sie bemerkte sofort, dass ihre Maske nicht an Ort und Stelle saß, als sein Blick fürsorglicher wurde.
"Hey … ich hab Dave dabei …", begann er, doch Zoey unterbrach ihn sofort.
"Die anderen …"
"Haben nichts mitbekommen. Keine Sorge." Das Lächeln, das er ihr schenkte, war so verständnisvoll und sanft, dass sie den Blick abwenden musste.
Es dauerte nur wenige Sekunden, dann hatte sie sich wieder im Griff. Sie lächelte Dave strahlend an.
"Hi, danke dir, aber ich glaube, es ist nicht so schlimm", grüßte sie ihn.
Er lächelte nachsichtig und antwortete zwinkernd: "Lass das mal den Onkel Doktor entscheiden."
Zoey lachte auf, schaltete das Wasser aus und trocknete ihren Fuß ab.
Als er ihren Fuß in der Hand hatte und untersuchte, war aller Schalk aus seinem Blick verschwunden.
Er begutachtete ihn und bewegte ihn dann in alle Richtungen.
"Tut das weh?"
Ja! Verdammt! "Nicht so schlimm."
"Und das?"
Verdammte Scheiße, ja! "Geht schon."
"Und so?"
Willst du mich quälen, du Arsch? "Lässt sich aushalten."
Mat knurrte.
Zoey traute sich nicht ihn anzusehen. Er konnte viel zu leicht in ihr lesen. Dabei wollte sie doch einfach nur in ihr Bett und allein sein.
"Wie ist es damit?"
Sie biss die Zähne zusammen, um nicht laut aufzuschreien. "Okay", presste sie hervor, doch selbst in ihren Ohren klang das unglaubwürdig.
"Das reicht!", schnauzte Mat. "Alle Richtungen haben ihr verdammt weh getan. Egal was sie sagt."
Zoey wich sowohl seinem als auch Daves Blick aus.
"Okay … ich denke, das Außenband ist ab. Für eine einhundertprozentige Diagnose machen wir eine MRT."
Mat nickte. "Kannst du für morgen einen Termin organisieren?"
"Ich versuche es. Ich rufe dich an, sobald ich etwas weiß. Währenddessen sollte der Fuß hochgelagert und gekühlt werden, damit er nicht noch mehr anschwillt."
"Danke, Dave. Ich kümmere mich darum."
Dave nickte und wandte sich dann an Zoey. "Brauchst du ein Schmerzmittel?"
Sie schüttelte sofort den Kopf. Schmerzmittel und ihr meist eher leerer Magen vertrugen sich nicht sonderlich gut.
"Nein danke. Kannst du mir meinen Schuh geben?"
Beide Männer sahen sie an, als wäre sie geisteskrank. "Ich muss mich noch bedanken und John Bescheid geben." Auch wenn allein der Gedanke, ihm jetzt unter die Augen zu treten, ihr den Magen umdrehte.
"Du darfst jetzt auf keinen Fall laufen und schon gar nicht in diesen Schuhen! Wenn das Band nur angerissen ist, könntest du es ganz abreißen und ich habe keine Schiene oder Stützverbände hier, um es zu stabilisieren", protestierte Dave sofort, während Mat sie nur wütend anstarrte.
"Ich kann nicht einfach so verschwinden und ich werde mich ganz bestimmt nicht durch diesen Festraum tragen lassen und die ganze Stimmung versauen!"
"Du kannst einfach so verschwinden. Ich sage allen Bescheid … auch John."
Den letzten Teil des Satzes fügte Dave sehr, sehr widerwillig hinzu. Also hatte er bereits von den Geschehnissen gehört.
Sie hoffte nur, dass es nicht die Runde gemacht hatte. Sie wollte den anderen die Party nicht verderben.
"Ich trage dich die Hintertreppe hoch, dann musst du nicht durch die Menge."
Dave reichte ihm ihren Schuh und Mat steckte sich ihren kostbaren Louboutin einfach in die Tasche seines Jacketts.
"Danke, Dave", sagte sie mit einem Lächeln und wollte von dem Waschtisch rutschen, doch Mat fing sie noch in der Luft auf und hob sie auf seine Arme.
"Kein Problem", gab Dave zurück und öffnete ihnen die Tür.
Sie schlang die Arme fest um Mats Hals.
Es fühlte sich verdammt gut an, so eng an ihn geschmiegt zu sein. Sein Körper war hart und heiß. Er duftete unbeschreiblich gut, herrlich maskulin herb und irgendwie kalt, nach Schnee.
Er stieg die Treppen bis in den ersten Stock, als würde sie nichts wiegen, und ging dann zum Aufzug.
"Du kannst mich auch absetzen. Ich renn schon nicht weg."
Er zog eine Augenbraue nach oben. "Warum bin ich mir bei dir da nicht so sicher?"
Er drücke die Taste für den fünften Stock.
"Das ist der falsche. Ich muss in den Dritten", sagte sie und versuchte, an den Knopf zu kommen.
Mat ging einen Schritt vom Schaltpult weg. "Du glaubst doch nicht im Ernst, dass ich dich zu diesem Verrückten aufs Zimmer lasse!"
Innerlich lächelte sie und freute sich über seine Fürsorge, äußerlich ließ sie sich nichts anmerken.
"Wir haben eine Juniorsuite. Ich kann auf dem Sofa übernachten." Auch wenn John das niemals zulassen würde, aber das musste Mat nicht wissen.
Er schnaubte. "Kommt nicht infrage. Du kannst mein Zimmer haben. Ich habe es nicht weit nach Hause."
Sie wollte sich ihre Erleichterung nicht anmerken lassen, konnte sich das "Danke" aber nicht verkneifen.
Sie hatte einfach nicht die Kraft, sich jetzt mit John zu befassen. Ihr Sprunggelenk tat ihr weh, ebenso wie der Nacken und ihr Hintern. Von dem Durcheinander in ihrem Herzen ganz zu schweigen.
Seine Arme spannten sich sofort fester um sie. Dass sie sich bei dem Mann, der sie so verabscheute, so geborgen und beschützt fühlte, verwirrte sie nur noch mehr.
Er trug sie aus dem Aufzug zu seinem Zimmer.
"In meiner Jackettasche ist die Schlüsselkarte, könntest du aufsperren?", bat er.
Auch wenn es sich komisch anfühlte, in seiner Tasche zu wühlen und dann das Zimmer für sie aufzusperren, als wären sie ein verliebtes Pärchen in der Hochzeitsnacht, tat sie es ohne Widerworte.
Er trug sie über die Schwelle und stieß die Tür mit dem Fuß zu. Dann ging er zum Bett und legte sie vorsichtig darauf ab. Aus seinem Koffer holte er ein großes, weißes Shirt und legte es neben ihr ab.
Dann ging er vor ihr auf die Knie und zog ihr den zweiten Schuh aus.
Sie legte ihm eine Hand auf die Schulter und er sah ihr direkt in die Augen.
"Ich danke dir … für alles", sagte sie leise und spürte sofort, wie ihr die Tränen in die Augen stiegen.
Er legte ihr eine Hand auf die Wange und streichelte zart mit dem Daumen unter ihrem Auge entlang.
"Honey … ich …"
Das Klingeln ihres Handys riss sie beide aus diesem Moment. Mat nahm seine Hand von ihrer Wange, als würde er sich erst jetzt daran erinnern, wer sie war, und schüttelte den Kopf.
Sie musste all ihre mögliche Selbstbeherrschung aufbringen, um über diese harte Zurückweisung nicht in Tränen auszubrechen.
Mit zitternden Händen griff sie nach ihrer Clutch und kramte ihr Handy hervor.
Wie benommen starrte sie auf das Display. John. Ein Mann mit vielen Fehlern, der aber auch all ihre Fehler kannte und sie dennoch wollte.
Es war das erste Mal, dass er ihr physisch weh getan hatte. Normalerweise erstreckten sich seine Attacken auf emotionaler Ebene.
Aber machte es das besser? Wollte sie sich für den Rest ihres Lebens behandeln lassen, als wäre sie nichts Besseres als der Dreck an seinen Schuhen?
Mat nahm ihr diese Entscheidung für den Moment ab. Er nahm ihr das Handy aus der Hand, drückte Johns Anruf weg und schaltete es aus.
"Ich muss …", begann sie, doch Mat unterbrach sie.
"Du musst jetzt gar nichts. Du bist ihm nichts schuldig. Nicht nach diesem Abend!"
Sie sah ihn lange an und wieder brannten ihre Augen. Diese emotionale Achterbahnfahrt machte sie fertig.
"Brauchst du Hilfe mit dem Kleid?", fragte er.
"Nein, danke. Der Reisverschluss ist an der Seite."
Mat nickte, dann stand er auf. "Dann lasse ich dich kurz allein, ich bin gleich zurück."
Auf ihr Nicken hin verschwand er im Badezimmer. Vorsichtig stand sie auf und wimmerte, als sie den falschen Fuß belastete.
Die Badezimmertür flog augenblicklich auf und Mat kam heraus. Seine Miene war wutverzerrt.
"Was machst du denn da? Dave hat dir gesagt, dass du nicht auftreten darfst!" In wenigen Schritten war er bei ihr und fasste sie um die Taille.
Sie schwieg, wie immer, wenn John wegen einem ihrer Fehler sauer war.
"Zoey?" Seine Stimme war weich und es dauerte einen Moment, bis sie sich daran erinnerte, dass es Mat war, nicht John, und sie ihm nicht gefallen musste. Er mochte sie sowieso nicht.
"Ich habe nicht nachgedacht", murmelte sie und versuchte, sich von ihm zu lösen.
"Lass das. Ich helfe dir", brummte er dicht an ihrem Ohr.
Sein Arm lag weiterhin stützend um ihre Taille, während seine zweite Hand den Reißverschluss ihres Kleides öffnete.
Es rutschte über ihre Brüste nach unten, dann änderte er rasch seinen Griff, bis es ganz zu Boden fiel.
Augenblicklich versteifte sie sich. Bei John konnte sie nie sagen, ob ihm gefiel, was er sah, wenn sie nur Unterwäsche trug.
Zoey liebte schöne Unterwäsche. Das schwarze Spitzen Ensemble von Victoria‘s Secret, das sie an diesem Abend trug, war eines ihrer liebsten.
Zusammen mit den halterlosen, schwarzen Strümpfen, die sie normalerweise dazu trug, fühlte sie sich die meiste Zeit über sehr sexy.
Zumindest so lange, bis sie Johns Blicken ausgesetzt war. Manchmal liebte John ihre Wäsche ebenso, manchmal bekam er diesen abschätzigen Blick, der ihr genau sagte, dass er sie für eine Schlampe hielt … wenn er es nicht sogar aussprach.
In den letzten Monaten war es immer letzteres, bis ihr Sexleben völlig eingefroren war.
Seitdem versuchte sie, es einfach zu vermeiden, dass er sie so sah. So konnte sie sich eine weitere Demütigung ersparen.
Mat räusperte sich. "Okay … ähm … wow …" Er setzte sie vorsichtig auf dem Bett ab. "Ich glaube, den Rest bekommst du im Sitzen hin."
Er ließ sie los und deute etwas unbeholfen hinter sich. "Ich warte dann nebenan."
Zoey nickte und Mat verschwand abermals im Bad.
Was zum Teufel sollte das? Mat brachte sie völlig durcheinander. Sie wusste nie, was er als nächstes tun würde.
Sie streifte sich den BH ab und legte ihn neben das Kingsize Bett. Dann zog sie sich sein Shirt über.
Es roch nach Mat … und doch anders. Es roch nach seinem Waschmittel, nach seinem Parfüm und doch nicht nach ihm selbst.
Dennoch liebte sie den Geruch schon jetzt und vergrub ihre Nase fest darin.
Dann legte sie sich ins Bett und deckte sich mit der dicken, warmen Decke zu.
Minuten später öffnete sich die Tür zum Badezimmer. "Bist du soweit?", fragte er.
"Ja."
Sie fühlte sich furchtbar einsam, verletzt und gebrochen. Dieser Abend, John und der widersprüchliche Mat hatten ihr alle Kraft ausgesaugt.
Er kam zu ihr und ging neben ihr in die Hocke. Das Mondlicht zauberte eine seltsame Kombination aus silbernem Licht und Schatten auf sein schönes Gesicht.
Wieder legte er seine warme Hand unglaublich zart auf ihre Wange. "Wenn es okay ist, bleibe ich noch, bis du eingeschlafen bist."
Erleichterung durchflutete sie und ihr Herz krampfte sich zusammen. Sie nickte.
Mats Daumen streichelte noch einmal über ihre Wange, dann stand er auf und holte sich einen Stuhl heran, mit dem er sich neben das Bett setzte.
Sie lauschte seinem ruhigen Atem, bis sie beinahe eingeschlafen war.
Kurz davor meinte sie ihn flüstern zu hören: "Schlaf gut … ich passe auf dich auf."
MATTHEW
Er wusste nicht, warum er das Bedürfnis hatte, hier zu bleiben und sie zu beschützen; und sei es nur vor ihr selbst. Er musste es einfach tun.
Mit vor der Brust verschränkten Armen saß er da und beobachtete den blonden Engel, der so verletzlich aussah im fahlen Mondlicht.
Mat wusste, dass er gehen sollte, dass er nicht länger bleiben sollte, jetzt wo sie eingeschlafen war. Und doch schaffte er es nicht aufzustehen, oder auch nur den Blick von ihr abzuwenden.
Das Handy in seiner Tasche vibrierte zum einhundertsten Mal. Er nahm es heraus und sah neben vielen verpassten Anrufen auch einige Nachrichten.
Dave: MRT morgen um 9AM
Taylor: John ist außer sich. Ist aber erstmal auf seinem Zimmer. Sandro passt auf, dass es so bleibt.
Alexa: Danke.
Jason: Brauchst du Hilfe?
Und zu guter Letzt dankte ihm leider auch Sky, was hieß, dass dieses Drama bis zu den Hochzeitspärchen durchgedrungen war.
Verdammt. Das war das letzte, was er gewollt hatte, und es war vor allem auch Zoeys größte Sorge. Er wollte nicht, dass sie sich deshalb Vorwürfe machen würde.
Wenn dann hatte John die Party gesprengt, nicht sie!
Sein Blick wanderte wieder zu Zoey und sein Entschluss stand fest. Er würde bleiben. Auf keinen Fall sollte sie sich allein mit John auseinandersetzen.
Jemand musste auf sie aufpassen, wenn sie anscheinend schon keinen Selbsterhaltungstrieb mehr hatte. Was zum Teufel war aus dem spitzzüngigen Weib geworden, das behauptet hatte, sein Schwanz könnte nicht mit Shanes mithalten?
Wo waren die funkelnden Augen und das ehrliche Lachen hin?
Er würde es herausfinden. Morgen.