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EINS „Miami, mein Schrei nach Ewigkeit“

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(Zehn Tage später)


In einem hypermodernen bläulich schimmernden Glaskomplex mitten in Miami begleitet mich Sandy, eine blutjunge Afroamerikanerin, zu Mr Ainach. Angeblich der Notar der Superlative. Mein Outfit entsprechend. Cremefarbener Pantsuit, für eine Jeans war ich heute nicht mutig genug, dafür blieb ich aber bei meiner ungebändigten Lockenpracht. Highheels passend im Ton und mit Glitzer.

Sandy kündigt mich durch die eine der beiden Türen im überdimensionalen Oval, in das wir aus dem Fahrstuhl schreiten, an. „Mrs Miller, bitte!“, so hält Sandy mir die Türe auf.

Elegant betrete ich einen Glaspalast. Alles aus Glas, wie im Spiegelkabinett, meine Jungs hätten die hellste Freude hier. Sandy führt mich noch zu einem freien Stuhl, aus Kunststoff, dennoch in Glasoptik. „Willkommen, Mrs Miller!“, begrüßt mich ein grauhaariger magerer Herr. Brav nehme ich seine Hand: „Freut mich! Mr Ainach!“

„Mrs Miller, schön, dass Sie kommen konnten. Ich darf Ihnen noch die Runde vorstellen. Mr Leo Falk.“ Jetzt erkenne ich erst Leo, er ist auch hier? Handshake und Kopfnicken, mehr Luft lässt uns Mr Ainach nicht.

„Mr Kennert Reeve“, Kennert kenne ich doch auch, ist hier eine Jahresfeier des Wiedersehens?

„Und Mr Robert Kern“, ich zucke zusammen, der ist doch tot? Der Mann mit dem Namen ist vor meinen Augen tot umgefallen? Dennoch bewahre ich Contenance und schüttle mit dem lebendigen Totgeglaubten Hände.

Robert ist jung, er sieht seinem Vater kaum ähnlich, es steckt viel mehr Kim in ihm. Mich beschäftigt meine Vergangenheit. Doch nicht, weil mir Mr Ainach erklärt, welches Imperium mir soeben übertragen wird und was ich für Rechte und Pflichten habe, sondern wer war der Mann, der in Budapest vor meinen Augen sein Leben lassen musste? Den Kim Baron vor meinen Augen erschoss. Diese Kim Baron, die mir hier ein Imperium überschreibt?

Kennert bekommt auch eine Unternehmung von Kim überschrieben, was genau? Keine Ahnung! Mr Ainach hält sich kurz, es kann nicht viel sein, bewerte ich schnell wieder ohne Gefühl für Zahlen, wie früher.

Leo ist übergangen worden? Er bekommt nichts? Mr Ainach hat ihn ausgelassen.

Robert, der junge Fremde erhält Immobilien in einem Wertbereich fern meiner Vorstellungskraft und ich kann mir nach der Platincard von seinem Vater Ron und der Zeit mit ihm viel vorstellen. Ron Kern, er hat Geld ohne Ende, aber Kim scheint das toppen zu können. Moment, und ich? Jetzt wird das Leben auf einmal wieder interessant – auch ohne Ron. Und John?

Hastig schlage ich meine Beine übereinander und versuche so, diesen Gedankentwist in weite Ferne zu kicken.

„Damit wäre meine Tätigkeit als Notar vorerst erledigt. Selbstverständlich stehe ich aber für Auskünfte jederzeit auch weiterhin für Sie zur Verfügung.“

So reicht Mr Ainach zunächst mir seine Hand zum Abschied. Nach der obligaten Verabschiedungsrunde übergibt mir nicht Sandy jene Unterlagen, die nun als Meine mit mir mitkommen, nein, Leo hat sie und führt mich damit in einen anderen Raum.

„Angie, du bist jetzt nicht mehr eine nette Gespielin in der Wirtschaftswelt dieses Ron, du bist nicht nur ein rotes Tuch für seine Leidenschaft, du bist das Feuer, das ihm nun richtig gefährlich werden kann. Es besteht die Möglichkeit, das alles hinter dir zu lassen.

Vor einem Jahr wolltest du diesen Vorschlag einer völlig neuen Identität nicht annehmen, also versuche ich es noch einmal, lass alles hinter dir und lebe mit dem Vermögen in Frieden. Hörst du?“ Unschuldig sein Blick, engelsrein meine Zukunft und das Donnern zweier Wörter.

„Leo, nein, ich habe Prinzipien. Ich werde zu Ende bringen, was ich angefangen habe und mich nicht verkriechen. Ich werde auslöffeln, was ich mir eingebrockt habe. Ich werde, nein, ich muss meinen Kindern beweisen, dass sich das lohnt, sonst verliere ich mein Gesicht, nicht als Frau, nicht als Mensch, mehr als Mutter. Das muss ich. Du kannst da nicht mitreden!“, so entreiße ich Leo meine Unterlagen und verlasse das Gebäude.

Wohlwissend, meiner Vergangenheit kann ich so nicht entkommen, ich muss mich ihr ein letztes Mal stellen.

Erschlagen von der Hitze suche ich nach einem Café. Endlich werde ich fündig und kühle meinen Körper mit einem Eiskaffee, meine Gedanken friere ich ein und realisiere im schillernden Frost beim Lesen der Unterlagen, ich habe gut gespielt.

Sonja bekommt eine Mördernachricht von mir, gespickt mit Informationen, die klirrende Klarheit bringen sollen. Wer war der Mann, den Kim vor mir richtete?

Welche Zusammenhänge zwischen dem Dreieck Ron Kern, Kim Baron und Pretty Palfoux wir übersehen haben, ich nicht gesehen habe.

Mein Glas vor mir leer, meine Tasche voll mit Papier, so tragen mich Highheels den Katzensprung über brütenden Beton zurück in die Lobby meines Domizils in Miami. Tausend Leute – geladen zu einem dieser Kongresse hier – machen den Aufzügen ihr Leben schwer.

Mein Entschluss einfach und doch nicht leicht, ich nehme die Treppe. Der sechste Stock sollte zu schaffen sein.

Stufe für Stufe haste ich in meine Zukunft. Als ich meine Zimmertüre erreiche spielen meine Augen einen letzten Twist mit meinen Gedanken, am Ende des Flurs, die bekannte Silhouette eines Drummers?

Verflogen – dieser ungewollte Traum, denn ein anderer steht vor mir. Weiße Orchideen am Sideboard mit einer Karte. Meine Vergangenheit, sie ist meine Zukunft?

Eine Karte mit dem Text:


Mein Liebling,

ich wünsche dir hier einen netten Aufenthalt, ich bin dir nahe. Näher, als du ahnst.

Ron


Ich stehe unter Beobachtung, mein Verstand ist alarmiert.

Doch warum?

Ich habe nichts zu verbergen. Nichts, was Ron nicht bereits wüsste. Dennoch wähle ich die Nummer von Leo. „Angie, ich lass das gleich prüfen. Mach niemandem die Türe auf, ich bin gleich bei dir!“ So beendet Leo das Gespräch, in dem ich nur den Text der Karte ablas.

Hunger macht sich breit, ich stöbere also in der Menükarte. Klopfen unterbricht mich und dann das Öffnen der Türe meinen Willen. Ich verharre immer noch auf der Couch als Leo eintritt.

„Wie geht das?“, klar mein Mundwerk, ein Hallo wäre nur Smalltalk. Leo selbst verschafft sich hier Zutritt. „Angie, du solltest mich ernster nehmen!“, Leo mit einem Vorwurf und auch keinem Hallo.

„Ron wird mir nichts tun, er will mir nur Angst machen“, naiv und dennoch meine Meinung. „Kim, hatte da mehr Respekt vor ihm und sie hat bitter bezahlt, findest du nicht?“, ein Blick und keine tausend Worte, beinahe wie vorhin in der Lobby.

Synapsen in meinem Kopf öffnen sich und schließen, nicht für tausende Wartende, eben nur für die Handvoll Wörter von Leo.

„Was meinst du genau?“, fordert eines der aktiven Neuronen in mir. „Du wolltest doch zuerst nicht zuhören“, lächelt Leo. „Tu mir einen Gefallen und verwende das Verb hören in meiner Gegenwart besser nicht“, entgegne ich rein grammatikalisch.

Verdutzt der Blick, dennoch hält Leo sich an meinen Wunsch: „Kim, starb keines natürlichen Todes. Genauer genommen, weiß man nicht, woran sie starb. Aber von dem, was man von ihr hat, muss man davon ausgehen, dass sie nicht lebt.“

Die Übertragung in meinen Sinneszellen ruft Erregung hervor: „Was hat man gefunden und wer ist dieser Man?“

„Organe und genug um Kim zu identifizieren, nichts für einen schwachen Magen. Und mehr zu wissen ist ebenso ungesund, glaub mir“, ohne besagtem Verb kommt Leo auf den Punkt.

Immer noch sitze ich auf der Couch und halte eine Menükarte. „Leo, ich habe Hunger, komm‘, wir gehen eine Kleinigkeit essen!“

(Kurz darauf beim Essen)

„Angie, bitte denke an deine Kinder, wenn du schon nicht an dich denken willst, überlege dir doch, ob es nicht besser ist, deine Identität zu ändern?“, stochert Leo in einem Salat mir gegenüber. „Wer garantiert mir, dass mich Ron nicht auch so findet? Wer weiß, wo Ron ist? Wer weiß, wen Ron aller hinter oder unter sich hat?“, murmle ich Fragen und beruhige meinen Hunger mit Gegrilltem Spieß und Pommes.

Wahnsinn?

Übernehme ich da viel von Ron, ein Gedanke twistet nach Kuba, als ein Makler starb und Ron hungrig wurde, und ist in der nächsten Sekunde wieder zurück.

Einen Augenblick träume ich, sinniere. Weit weg, meine Kinder und ich glücklich in Frieden. Doch die Vernunft erklärt mir, das hier ist kein Märchen. Es begann als ein Märchen, mag sein, doch das war Schein.

„Erzähl mir, was ich nicht von Ron weiß!“, klar meine Frage, berechtigt? „Ron, du kennst ihn besser als ich? Was soll ich dir erzählen?“

„Leo, Fakten. Ich will alles wissen. Wer ist Robert Kern? Wer war der Mann, der in Budapest als Sohn von Ron starb?“, versuche ich mein Glück.

„Du hast davon gehört? Der Mann war Rons Sohn, er hieß Mike. Ron hatte zwei Söhne. Robert, der Mann von heute ist der Sohn mit Kim gewesen. Mike war der Sohn mit einer Osteuropäerin, kaum jemand wusste davon. Ron versuchte ihn im Geheimen zu halten. Doch Mike war Kim immer ein Dorn im Auge.“

Neu definiert sich so mein Glück.

Beinahe unanständig wage ich mehr: „Eine Osteuropäerin, aber sie hat nichts mit Sergej zu tun? Oder doch?“

Leo schmunzelt: „Clever. Die Dame war im Mittelpunkt. Vor vielen Jahren, Ron und Sergej am Beginn ihrer Laufbahn, ein Buhlen um ihre Gunst. Ja, Ron hat damals zugeschlagen.“

Gier, sie wird Begierde und endet doch nur in Gier, wieder so ein Twisten in mir.

Männliche Tiefen, manchmal für Journalisten und Frauen unergründlich und doch so seicht.

Sonja, sie konnte diese Informationen nicht bekommen. Ich war schlecht informiert. Kein Plan hätte das Schicksal besänftigen können. Damit wird mir auch Nataschas Tod erklärt. Sergej, er ist gar nicht so ehrlich, wie er mir unlängst schien.

Meine Idee eines Dreieckes, ich muss die Geometrie nochmals überdenken.

Immer wieder taucht diese dritte Unbekannte, die Aaron in Mathe so abgöttisch liebt, im Leben auf und macht den bekannten Strich durch seine Rechnung. Nur hier eben durch meine. Und sie hat immer weibliche Vornamen. Apropos. „Wie heißt die Dame?“

Leo wankt auf seinem Stuhl oder ist es sein Stuhl? „Das weiß keiner so richtig, außer dieser Sergej, natürlich. Die Netzwerke sind erst entstanden. Ron weiß, wie man sie manipuliert.“

„Ehrlich? Leo, Ron kennt Manipulationen und er kann manipulieren. Nur er kennt keine Grenzen. Netzwerken kann er bestimmt nicht. Er müsste sich an Regeln halten. Nein, mal sehen, ob ich da nicht den Richtigen kenne, der mir Namen nennt.“ Mein Hunger ist gestillt, in jeder Dimension.

„Sehen wir uns abends? Als neue Inhaberin werde ich auf der Party von Pretty Palfoux heute nicht fehlen?“, will ich von Leo noch wissen, bevor ich ihn verlasse.

„Selbstverständlich werde ich kurz erscheinen. Ich werde aber nicht lange bleiben, mein Frühflug geht morgen zurück und meine Frau…“

Ich unterbreche den Redefluss: „Schön, wenn du und deine Frau es noch einmal versucht! Ich erwarte nichts!“ Und weg bin ich.

Mein Weg er führt mich auf die Einkaufsmeile. Wirr, ein Hin und Her, nicht die Leute und Autos, es sind neue Ideen. Eigentlich wäre es ein Leichtes, hier zuzuschlagen. Nette Highheels lächeln aus den Auslagen. Der Haken: Mit den Unterlagen von Mr Ainach kann ich nicht bezahlen und der formelle Kram dauert eben.

Also regiert Zurückhaltung meine Begierde.

Shit, ein weißes Kleid mit weißen Heels in einer der Auslagen, ich revidiere, Begierde regiert meine Zurückhaltung.

So stürme ich den Laden. Gediegen?

Gigantisch!

Das Service typisch amerikanisch, ja, das können sie. Im Saal einer Umkleide wende und winde ich mich. Glitzern bezaubert, hoffentlich nicht nur mich? Eigentlich ein klassischer Schnitt, kurz, nicht zu eng. Auch nicht zu weit.

Die dünnen Träger, eine Kette kleiner leuchtender Steinchen. Der Saum gehalten von einem goldenen Faden – that’s it. Dazu Heels im selben Ton, mit Steinchen an den Seiten und einem goldenen Heel – ein Hit!

Wie schafft Frau das mitzunehmen ohne Bezahlen?

Also?

Ich halte Wort.

An der Kassa nehme ich kein Portemonnaie, nein, ich hole mein Handy raus und rufe Leo an. Er regelt das, ich nehme ihn ernster.

Überrascht und wieder glücklich verlasse ich wenig später die Boutique mit Kleid und Heels. Wow, ich revidiere nochmals, ich regiere meine Begierde und Zurückhaltung.


Regent der Begierde

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