Читать книгу eLehrmittel im Unterricht - Werner Hartmann, Alois Hundertpfund - Страница 5

1 Einleitung

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Die Digitalisierung der Welt schreitet voran. In allen Lebensbereichen verlieren analoge Technologien an Bedeutung und im Gegenzug bricht sich die Vermessung der Welt in Einsen und Nullen rasant Bahn: Beispiele hierfür sind etwa Radio und Fernsehen, die Presse, die Telefonie, der Zahlungsverkehr, die Steuererklärung, Patientendossiers, der Detailhandel – und nicht zuletzt die Bildung.

Die Hardware, die das digitale Kommunizieren ermöglicht, wird immer günstiger. In Klassen der Sekundarstufe II verfügen heute nahezu alle Lernenden über ein Smartphone mit Internetzugang. Gleichzeitig sinkt der Anschaffungspreis für Laptops und Tablets. Diese Entwicklungen prägen das Konsum-, Medien- und Marktverhalten der Jugendlichen. Ihre privaten Geräte möchten viele Lernende auch im Unterricht nutzen. Das vorhandene Potenzial kann und muss genutzt werden. Das Herumschleppen von mehreren schweren Schulbüchern wird vielen Leuten schon bald (einigen Menschen schon heute) antiquiert vorkommen. Und in gewissen Bereichen der Sekundarstufe II wird man in naher Zukunft nicht mehr auf eine wartungs- und kostenintensive Infrastruktur der Schulen zurückgreifen müssen; es wird reichen, Wireless für die persönlichen Geräte der Lernenden bereitzustellen.

Dieser Trend nimmt Lehrpersonen, Schulleitungen, Bildungsinstitutionen sowie Ausbildnerinnen und Ausbildner in die Pflicht. Die Gegenwart ins Schulzimmer zu holen bedeutet, die Lernenden auf die Zukunft vorzubereiten. Dabei stehen die genannten Akteure vor grossen Herausforderungen. Sie gilt es zu stemmen, damit die sich eröffnenden Chancen ergriffen werden können. Der vorliegende Leitfaden soll hier im Sinne einer didaktischen Hausapotheke Hilfestellung leisten und ganz konkrete Unterstützung anbieten, gleichzeitig aber den Fokus auf grössere Zusammenhänge öffnen.

Die Entwicklung hin zu Bits und Bytes wirkt sich auch auf Verlage aus, die Unterrichtslehrmittel bereitstellen. Der Absatz von klassischen Lehrmitteln sinkt oder wird sinken, die Nachfrage nach digitalen Medien steigt. Hier sind diejenigen Verlage gefragt, die Lehrmittel auch digital bereitstellen können. Sie müssen mit sachlich geprüften und aktuellen Inhalten aufwarten, eine didaktisch aufbereitete, auf die Zielgruppe zugeschnittene Struktur anbieten und in einem attraktiven grafischen Design auftreten – egal ob in Papierform oder auf dem Rechner.

Diese Parallelwelten (analog und digital) verschlingen Ressourcen. Zurzeit lassen sich keine verlässlichen Angaben machen, in welche Richtung die Entwicklung geht. Deshalb sind Lehrpersonen, Schulen und Verlage gefordert, sich in diesen Parallelwelten zu bewegen. Nur wer über eigene Erfahrungen mit eLehrmitteln verfügt, kann sich ein profundes Urteil bilden, ob die digitale Route für die eigene Klasse besser geeignet ist als der herkömmliche analoge Weg.

Der vorliegende Leitfaden dient einerseits dazu, den Umgang mit eLehrmitteln zu üben. Dabei macht sich eine Lehrperson mindestens ein halbes Jahr vor dem Unterrichtsstart selber fit, um später mit eLehrmitteln in der Klasse erfolgreich zu starten (Phase eins). In der zweiten Phase kann der Leitfaden dafür benutzt werden, mit der Klasse zusammen den Einstieg in die Welt der eLehrmittel zu vollziehen. Schritt für Schritt lassen sich die Erfahrungen aus dem Leitfaden auf die eigenen Klassen übertragen, adaptieren und weiterentwickeln. Jede Lehrperson muss im Rahmen ihrer didaktischen und methodischen Freiheiten den eigenen Weg finden, mit Neuerungen im Unterricht umzugehen. Hier ist die ganzheitliche Analyse der Zielgruppe (unterschiedliche Klassen) nicht zu unterschätzen. Und dabei wird es Verlierer geben. Lernende, die mit der Technik und der Funktionalität der digitalen Unterrichtsmaterialien überfordert sind und auch Lehrpersonen, die das Gefühl haben, mit ihrem Unterrichtsverständnis dem Neuen nicht gewachsen zu sein. Und es werden Hürden auftauchen: finanzielle Erfordernisse einer leistungsfähigen Infrastruktur, arbeitsökonomische Probleme des (zumindest anfänglichen) Mehraufwandes von Lehrpersonen, Regelverstösse von Lernenden im Umgang mit den elektronischen Geräten während des Unterrichts, Kritik an der Durchdigitalisierung unserer Schulen.

Dieser Leitfaden thematisiert, abgesehen von der intendierten Hilfestellung, auch solche Herausforderungen. Zunächst jedoch werden die technischen Möglichkeiten von eLehrmitteln ergründet und skizziert. Danach wollen wir mit einer umfassenden Analyse aufzeigen, was beim Einstieg in die Unterrichtsarbeit mit modernem Equipment und digitalen Medien zu bedenken und zu beachten ist. Erkenntnisse und Empfehlungen stehen als Fazit jeweils am Ende jeder Analyse und zeichnen sich durch einen besonders hohen Gebrauchswert aus. In einem weiteren Kapitel werden verschiedene Aspekte der Euphorie des selbstständigen, eigenverantwortlichen Lernens aufgezeigt, mit dem Schwerpunkt auf Binnendifferenzierung, dem Unterrichtskonzept AVIVA und einer Fallstudie. Probleme bei der Arbeit mit eLehrmitteln können bei Lehrpersonen und Lernenden, bei Hard- wie Software auftreten. Hierbei muss Unterstützung geleistet werden. Wie diese aussehen kann und wie sie sich umsetzen lässt, zeigen wir in einem eigenen Kapitel auf. Und schliesslich wird das Augenmerk auf Prüfungen im digitalen Schulzeitalter gerichtet. Veränderungen und Neuerungen nehmen auch in Zukunft nicht ab. Die damit verbundenen Herausforderungen sind nicht zu unterschätzen. Sie helfen aber mit, dass Lehrpersonen ihren Unterricht aktuell, attraktiv und zeitgemäss gestalten. Dabei wird alles anders. Und gleichzeitig bleibt alles gleich. Denn das solide didaktische Handwerk einer Lehrperson ist nach wie vor eine unabdingbare Voraussetzung für den Erfolg im Unterricht. Mit den eLehrmitteln erhalten Lehrpersonen ein zusätzliches Mittel, den Bildungsauftrag nach eigenen persönlichen Präferenzen gehaltvoll und variantenreich zu gestalten. Ins Scheinwerferlicht geraten hierbei insbesondere drei der zehn Handlungsfelder mit je spezifischen Kompetenzen, auf denen die Ausbildung angehender Lehrpersonen in der Berufsbildung an der Pädagogischen Hochschule Zürich (PHZH) aufbaut. Eine Lehrperson muss das Fach und seine Didaktik meistern können (und dabei unter anderem an die Erfahrungen der Lernenden in Betrieb und Alltag anknüpfen), und sie muss ein vielfältiges Methodenrepertoire zur Kompetenzförderung der Lernenden einsetzen: Unterrichtskonzepte müssen justiert, vielleicht sogar neu entwickelt werden. Ausserdem fördert die Lehrperson selbstgesteuertes Lernen, macht den Lernenden bewusst, dass sie für die Ausgestaltung ihrer Lernprozesse selber verantwortlich sind; die Ausbildenden müssen den Lernenden Gelegenheiten verschaffen, eigene Lerninstrumente und -strategien einzusetzen und eigene Lernentscheidungen zu treffen. Zu allen diesen Punkten werden Leserinnen und Leser nützliche Inputs erhalten.

Digitalisierung bedeutet immer auch Beschleunigung. Besondere Beachtung muss daher der Entschleunigung des Unterrichtsalltages gelten. Ein eLehrmittel erlaubt es Lernenden, sich intensiv auf eine Sache zu konzentrieren – im Wissen, die Erkenntnisse später mit seiner Lerngruppe teilen zu können. Nur in einer ruhigen Lernatmosphäre sticht dieser Trumpf. Damit dies gelingt, sind Lehrpersonen mehr denn je gehalten, einen abwechslungsreichen, gut rhythmisierten Unterricht zu kreieren. Aufmerksamkeit und Konzentration müssen mit den Lernenden ebenso trainiert werden wie Selbstregulation. Jedoch müssen nicht nur solche Selbstkompetenzen geschult werden, sondern auch soziale, fachliche und Methodenkompetenzen. Letztere werden im digitalen Zeitalter immer wichtiger. Das alles braucht Geduld. Auch Inseln frei von eLehrmitteln sind zu schaffen, damit weitere Sinne aktiviert werden. Dies bereichert den Unterricht.

Der schulische Lernerfolg ist mithin in einem nach wie vor grossen Masse von der Persönlichkeit der Lehrperson abhängig. Daran ändert der Einsatz von eLehrmitteln nichts, denn auch eLehrmittel werden von Lehrpersonen gesteuert und müssen passgenau in die eigenen Unterrichtssequenzen eingebaut werden. Alles wird anders, alles bleibt gleich.

Die Autoren danken Peter Egger, dem Verlagsleiter, und dessen Stellvertreter, Manuel Schär, für die Mitarbeit und das fundierte Lektorat, aber auch Caspar Noetzli, Andreas Sägesser und Yvonne Rajakumar (Arbeitsgruppe eLehrmittel der Pädagogischen Hochschule Zürich, PHZH) für ihre Mitarbeit hinter den Kulissen.

Autoren und Verlag

im Juli 2014

eLehrmittel im Unterricht

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