Читать книгу Das Elfenbeintor der Träume - Amanda Kelly - Страница 3

Оглавление

Einführung

„Der Traum ist der Seele ureigenes Wirkungsfeld.“

(Die Autorin, 2009)

“Im schönen Meer mit hohem Wellengang zog ein Walfisch seine Bahnen, auf und ab. Am Strand lag eine Frau und machte ihre Gymnastik. Die Dämmerung setzte ein. Ein großer, weißer Tiger tauchte auf. Der Tiger stolzierte am Strand entlang. Die Frau hob gerade ein Bein in die Luft. Der Tiger biss in ihren Fuß. Die Frau verhielt sich ganz ruhig, trotz dem Schmerz. Der Tiger ging vorbei und verschwand. Ich stand vor einem großen Fenster auf einem Mauervorsprung von einem großen Haus an der Straße vor dem Strand. Ich beobachtete all das erstaunt und ängstlich zugleich.”

Wenn Sie sich fragen, wie man diesen Traum deuten soll, dann sind Sie hier genau richtig. Diesen schönen, jedoch beängstigenden Traum, kann man natürlich nur deuten, wenn man die Vorgeschichte der Person kennt, die den Traum hatte. Es ging um eine Frau, die am Meer mit Strand Urlaub gemacht hat. Sie wohnte auf dem Festland in einem Hotel. Ihr Zimmer hatte einen Balkon (Fenster am Haus). Sie traute sich nicht, hinüber auf die Insel zu fahren, auf der ihr Freund lebte, weil es in letzter Zeit so viele Mißverständnisse (hoher Wellengang) zwischen den beiden gegeben hatte. Zufällig lernte sie während des Urlaubs einen sehr netten, etwas jüngeren Mann kennen, der gutaussehend und stolz zugleich war (der Tiger). Er verliebte sich in die Frau. Tatsächlich konnte die Frau nach langer Einsamkeit wieder erotische Gefühle für einen anderen Mann entwickeln (Biss der Raubkatze). Sie war sich nur nicht sicher, ob das Gefühl stark genug war, damit sie ihren Freund (der Walfisch), den sie immer noch sehr liebte (das tiefe Meer), endlich vergessen konnte. Wieder zurück vom Urlaub, merkte sie nach mehreren Wochen, dass die Affäre mit dem jungen Mann nur ein Strohfeuer war. Die Gefühle für ihren Freund auf der Insel hinter dem Meer waren einfach noch zu stark (der Wal im Meer erschien der Frau als sehr schön und mächtig im Traum). Dann verhielt sich die Frau ruhig, indem sie den jungen Mann nicht weiter angerufen hat (verhielt sich ruhig nach dem Biss). Deshalb gab der junge Mann auf und verschwand aus ihrem Leben (der Tiger war verschwunden). Es tat der Frau jedoch schon leid (der Schmerz), dass es nicht funktioniert hatte.

*

Was bedeutet das, ein Elfenbeintor? Wenn wir uns Elfenbein vorstellen, dieses wertvolle Material, welches für Klaviertasten und Schnitzereien verwendet und aus dem Stoßzahn des Elefanten gewonnen wird, weiß jeder, wie schön und haltbar es ist. Ein Tor, eine Schwelle, ein Durchgang zwischen zwei Bereichen aus diesem Rohstoff kann ja nur bedeuten, dass dieses Tor eine sehr hohe Qualität aufweist. Man kann es sich sehr edel und glänzend ausmalen, aber es ist auch hart und undurchlässig. Es ist gerade so, als würde dieses Tor zu einem Großen Königreich führen. Natürlich kann es geöffnet werden oder, falls nötig, geschlossen bleiben.

Bleiben wir bei dem Vergleich mit dem Königreich und stellen uns ein solches vor, können wir nachvollziehen, dass am Tor nicht nur königliche Wachen stehen, sondern auch ein Schutzring vor und hinter den Mauern existiert. Mithilfe dieser bildlichen Vorstellung kann man Dr. Sigmund Freud (1856 - 1939) vielleicht besser verstehen, wenn er die verschiedenen Bereiche des Bewußtseins beschreibt: das Unterbewußtsein, die Schwelle zum Vorbewußten mit seinem Wächter, das Bewußtsein. Es ist nicht möglich Träume zu verstehen, ohne die genaue Kenntnis darüber, wie das Unterbewußtsein auf das Bewußtsein einwirkt und umgekehrt. Das passt wieder zu der Vorstellung von einem Königreich: der König hat eine starke Wirkung auf sein Volk, aber das Volk auch manchmal auf den König.

Wo entstehen die Träume, wo ist die Traumfabrik? Was am Tage geschieht, das so genannte Tagesgeschehen, nehmen Sie mit in den Schlaf. Ein fruchtbarer Austausch zwischen Bewußtsein und Unterbewußtsein kann jetzt stattfinden, weil das Ego nun nicht mehr darauf einwirken kann. Der Schlaf, darüber sind sich eigentlich alle einig, stellt eine gewisse Ohnmacht dar, die wir mit dem freien Willen nicht steuern können. Schlaf geschieht mit uns. Das Unterbewußtsein, in dem Fall das Königreich mit dem Herrscher befiehlt es uns. Sie können noch eine Weile rebellieren, wie sich das unterdrückte Volk einem Befehl des Königs auch in irgendeiner Weise widersetzen kann, indem Sie eine Tasse Kaffee trinken oder ähnliches. Irgendwann jedoch kommt der Zeitpunkt, da wird man vom Schlaf übermannt. So als hätte der König seine Truppen ausgesandt, um uns mit Gewalt zur Ruhe zu bringen.

Die Gedanken über das Tagesgeschehen können nun ungehindert mit dem Unterbewußtsein kommunizieren. Ein lebhafter Austausch findet statt. Als gäbe es einen Marktplatz des Lebens, werden nun Studien durchgeführt, Vergleiche angestellt, Reklame aufgehängt. Erklärungen werden ausgesprochen, eine rege Diskussion über Vor- und Nachteile findet statt. Wem dient das alles überhaupt? Uns, unserem Ego. Wir sind alles, worum es dabei geht. Sie dürfen nicht vergessen, dass das Unterbewußtsein nur das Beste für Sie wünscht und genau weiß, was Sie verkraften können und wie viele Erkenntnisse es Ihnen übermitteln kann, damit Sie sich um sie kümmern, wenn Sie wach sind.

Wenn Sie sich nicht an schöne Träume erinnern können, weil Sie sie nie beachtet haben und sie deshalb gleich wieder vergessen, bildet das Unterbewußtsein heftigere Szenen aus, damit Sie sich an den Traum erinnern. Viele Traumsequenzen erscheinen nur deshalb, weil das Unterbewußtsein genau weiß, was Sie wirklich aufwühlt. Es will Sie auf etwas aufmerksam machen, was für Ihre Entwicklung von höchster Bedeutung ist. Die Reitergarde des Königs würde auch nicht zulassen, dass die königliche Kutsche, die den Lebensweg darstellen soll, über einen Stein stolpert, auf dem Weg in einen umgefallenen Baum rast, in einen Tod bringenden Hinterhalt gerät oder auf einen tiefen Morast zusteuert. Die innewohnende Traumkraft möchte, dass Sie sich weiter entwickeln. Sie hört nicht auf zu versuchen, Ihnen ein altes Trauma zu präsentieren, bis Sie reagieren. Sie will Ihnen zeigen, welcher der richtige Weg ist und wo Sie sich total verrannt haben. Mithilfe der Traumkraft können Sie die wahren Gesichter in Ihrem persönlichen Umfeld erkennen und lernen, Ihre eigenen Empfindungen in den Beziehungen zu analysieren.

Auf welche Art und Weise wirkt das Tagesgeschehen auf die Traumkraft ein? Was Sie im Wachzustand erleben, wird sozusagen mit dem Material verglichen, welches im Unterbewußtsein gespeichert ist. Gibt es zwischen dem aktuellen Geschehen und den Erlebnissen aus der Vergangenheit Diskrepanzen oder Übereinstimmungen, reagiert das Unterbewußtsein darauf. Das erscheint logisch. Das Unterbewußtsein möchte stets bestens darüber informiert sein, was sich in Ihrer Umwelt verändert, um Sie - und damit das Ego - auf die kommenden Veränderungen vorzubereiten. Ein schlagendes Beispiel: wenn plötzlich Krieg ausbricht, muss es Sie darauf vorbereiten, dass Sie in Gefahr sind und möglicherweise nicht mit allem versorgt werden können, was Sie gewohnt sind zu erhalten. Eigentlich ist ganz klar, warum das geschieht. Wenn nicht, würde man sonst vielleicht an der neuen Situation verzweifeln. Man wäre dann nicht gut genug gerüstet, um nach Lösungen zu suchen oder einfach zu flüchten. Hervorgerufen durch ein beindruckendes Erlebnis in der Gegenwart, forscht das Unterbewußtsein danach, ob Sie etwas Ähnliches bereits erlebt haben und wie Sie damals damit umgegangen sind. Auf diese Weise können Sie aus Ihrem Erfahrungsschatz schöpfen und schneller handeln. Ist die Situation völlig neu für Sie, kann Sie ein Albtraum heimsuchen. An einen Albtraum erinnern sich die meisten Menschen erstaunlich gut. Sie sprechen dann mit einem Freund über den Traum. Der Freund hat vielleicht etwas ähnliches schon erlebt und bietet einen guten Rat an. Dann hat die Traumkraft ihre Aufgabe erfüllt: Sie kümmern sich um das, was auf dem Plan steht.

Findet das Unterbewußtsein im Tagesgeschehen ein Erlebnis, dass Sie in ähnlicher Weise schon einmal durchlebt haben, tauchen im Traum Szenen aus vergangenen Zeiten auf. Sie wundern sich dann, warum Sie plötzlich von Ihrer Kindheit träumen. Im Wachleben haben Sie vielleicht gar nicht richtig wahrgenommen, dass das Erlebte eine Parallele zur Vergangenheit hat. Ein Beispiel: jemand ist drauf und dran, sich zu verlieben. Im Traum „erscheint diese Person zusammen mit einem Familienmitglied.“ Man erinnert sich dann wieder an eine Schwester, an einen Bruder, an den Vater oder an die Mutter und beschäftigt sich gedanklich mit ihnen. Der Traum will eindeutig darauf hinweisen, dass es eine Gemeinsamkeit zwischen dem Objekt der Begierde und einem Erlebnis aus der Vergangenheit des Träumers gibt.

Was hat nun dieses Tor, oder wie es Sigmund Freud bezeichnet hat, der Wächter, im Zusammenhang mit der Traumdeutung für eine Bedeutung? Wir haben gehört, dass das Unterbewußtsein wichtige Informationen in Form eines Traums an das Bewußtsein sendet. Eine Geschichte wird durch Bilder ausgedrückt, wie in einem Film, und an das Bewußtsein weitergeleitet. Jedoch, es befindet sich eine Art Zensur auf dem Weg dorthin. Diese Zensur arbeitet für uns und hält Szenen zurück, die zu grausam wären, um sie zu ertragen; für den Fall, dass wir noch nicht das nötige Wachstum erreicht haben, um damit umzugehen. Ein Beispiel: ein Mann wurde als Kind von seinen Eltern geschlagen und jetzt als Erwachsener beobachtet er solch eine Szene in einem Supermarkt oder irgendwo anders. Die Traumkraft erzählt ihm dann bei Nacht eine Geschichte über seine eigene Kindheit, darüber wie er sich gefühlt hat, als ihm das passiert ist. Wenn sich dieser Mann nie mit dem Problem beschäftigt hat, dass er als Kind geschlagen worden ist, könnte der Traum in Form eines Albtraums erscheinen, den aber der Wächter an der Schwelle zwischen Unterbewußtsein und Bewußtsein zurückhält, weil es für den Mann noch nicht an der Zeit ist, dieses Trauma aufzuarbeiten. Der Träumer hat die Grausamkeiten über all die Jahre erfolgreich verdrängt und will jetzt, wie in der Vergangenheit, nicht daran erinnert werden. Wahrscheinlich haben sich seine Eltern nie bei ihm dafür entschuldigt, was sie ihm angetan haben.

Im folgenden werden die verschiedenen Traumarten erläutert. Es ist möglich, dass während einer Nacht mehrere verschiedene Traumarten erscheinen.

Das Elfenbeintor der Träume

Подняться наверх