Читать книгу Skandalöse Erlösung - Amanda Mariel, Christina McKnight - Страница 6
KAPITEL 1
ОглавлениеLondon 1843
Lord Henry Shillington durchschritt das Musikzimmer des Landsitzes von Lord und Lady Morse, darauf erpicht seine Schwester auszumachen. Die Wucht von jemandem, der in ihn stieß, ließ ihn zurückstolpern. Er wirbelte herum, rotbraune Locken erregten seine Aufmerksamkeit, als er seine Hände ausstreckte, um sie zu stabilisieren. »Verzeihen Sie.« Er bot eine leichte Verbeugung, aber er löste seinen Griff nicht.
Die Dame sah ihn aus zusammengekniffenen, wilden grünen Augen in der Farbe von Smaragden an. »Sie sollten darauf achten, wo Sie hintreten. Wenn Sie bitte Ihre Hand von mir nehmen würden.«
Henry begegnete ihrem eisigen Blick. Sie verströmte den süßen Duft von Champagner. Er hing in der Luft um sie herum und füllte seine Sinne, so als ob sie ihn als Parfum benutzt hatte. »Gütiger Gott, Sie sind betrunken.«
Ihre Ohrringe tanzten und funkelten, während sie sich nahe zu ihm lehnte, das Feuer in ihren Augen wurde dabei intensiver. »Mein Zustand geht Sie nichts an.« Sie riss sich von seiner Hand los und machte einen Schritt zurück. Ihr blaues, juwelenfarbenes Abendkleid rauschte bei dieser plötzlichen Bewegung.
Er griff nach ihrem Arm, stoppte sie. Sein Puls hämmerte in seinen Adern. »Sie können in Ihrer Verfassung nicht hier bleiben. Sie werden für sich und unsere Gastgeber einen Skandal verursachen.«
»Was geht Sie das an?«, griff sie ihn an.
Er musste sie daran hindern eine Szene zu machen. »Erlaubt mir Sie nach draußen zu begleiten. Wir können durch den Garten spazieren.« Ein Teil von ihm machte sich Gedanken wegen ihrer Gastgeber, Lord und Lady Wexil waren teure Freunde, aber, wenn er ehrlich war, musste er zugeben, dass er mehr über diese Schönheit erfahren wollte. Etwas an ihr nahm ihn gefangen. Vielleicht ihre außergewöhnlichen Augen oder das Leid, das er in ihnen sah.
Ein langsames Lächeln breitete sich über ihre vollen Lippen aus. »Wie Sie wünschen.«
Sie schwankte und klammerte sich an seinen Arm, während er sie durch die Verandatüren und an die Landluft führte. Was brachte eine Dame dazu so früh am Abend betrunken zu sein? Die Sonne musste dem Schein des Mondes erst noch weichen. Und wer war sie? Sicherlich waren sie sich zuvor noch nie begegnet.
Er wandte sie in Richtung eines Pfads, der mit Blumen und grünem Blattwerk gesäumt war. Einzelheiten dazu, wer sie war und warum sie mit dem Alkohol zu nachsichtig gewesen war, taten sich nicht kund. Etwas bereitete ihr offensichtlich Kummer und er beabsichtigte zu helfen, wenn er konnte. Er studierte das Profil ihres grazilen Gesichts.
»Könnten wir uns setzen … wie ist Ihr Name?« Ihr beschwingtes Lachen schwebte durch die Lücke.
Er hatte niemals ein lieblicheres Geräusch gehört. »Lord Shillington. Und Ihr Name?« Er hielt vor einer gusseisernen Bank. Er konnte nicht wegsehen, als sie sich in einem Flattern von Röcken auf den Sitz niederließ. Sie war ein Mysterium, das er aufzuklären wünschte.
»Setzen Sie sich zu mir, Lord Shillington.« Sie tätschelte die Bank neben sich.
Henry positionierte sich neben ihr, aber nicht zu nahe. Mit einer Dame ohne Begleitung einer Anstandsdame hier draußen zu sein war skandalös genug. Es war nicht sein Wunsch ihr zu schaden—oder sich selbst. Angesichts ihres Zustands hatte er keine andere Wahl, als sie von dem Treffen zu entfernen. Allerdings hatte er auch die Verantwortung die Schicklichkeit seines eigenen Verhaltens zu kontrollieren.
Eine kühle Brise brachte ihre eleganten Röcke durcheinander und zog seine Aufmerksamkeit auf ihren Körper. Hitze wallte durch ihn, als er sie betrachtete. Sie war groß und schlank, doch sie besaß an all den richtigen Stellen Kurven. Er zeigte ein höfliches Lächeln. »Ihr Name, my Lady?«
Sie blickte ihn durch verschleierte Wimpern an. »Lady Claudia Akford.«
Sein Herz setzte einen Schlag aus, während es ihm die Kehle zuschnürte. Die berüchtigte Lady Claudia Akford. Genau die, welche seinen Freunden Lord und Lady Luvington Ärger bereitet hatte? Er sollte keinesfalls in ihrer Nähe sein, am allerwenigsten versuchen ihr zu helfen. Diese skandalöse Frau hat ihre eigenen Schwierigkeiten verursacht. Er sollte sie einfach diesen überlassen.
Er schoss von der Bank hoch. »Ich werde kein Teil Ihrer Ränke sein. Lord und Lady Luvington sind meine Freunde, aber ich vermute das wussten Sie bereits.«
Sie stand auf und ergriff seinen Arm. Ein niedergeschlagener Ausdruck verdunkelte ihre lieblichen Gesichtszüge. »Tatsächlich wusste ich nichts dergleichen, noch schmiede ich Ränke. Geht, wenn Sie das müssen, aber Sie müssen auch wissen, dass Sie bei meinen Beweggründen falsch liegen.«
Er riss seinen Mantelärmel los und ging davon.
Ein leises Schniefen ließ ihn erstarren. Dreh dich nicht um. Nach einem weiteren Schritt zerriss ein kleiner Weinanfall die Luft. Er blickte über seine Schulter, nicht in der Lage sich selbst aufzuhalten. Verdammter Mist. Lady Akford saß auf der Bank, ihr Kopf hing tief, ihre Schultern bebten. Mit einem tiefen Atemzug bewegte er sich zurück an ihre Seite.
Zumindest bestand das Risiko sie zu kompromittieren nicht länger. Für eine Witwe war es vollkommen in Ordnung ohne Begleitung einer Anstandsdame zu sein. Wie dem auch sei, er war ein zu großer Gentleman, als dass er sie in einem solch heiklen Zustand alleine lassen würde. Er würde zusehen, dass sie nüchtern wurde, oder allerwenigstens sicher in ihre Kammer kam, bevor er sich von ihr abwendete. Sicherlich könnte keine Schwierigkeit daraus hervorgehen, ihr dieses eine Mal behilflich zu sein.
Sie hob ihren Kopf. »Ich bin nicht die herzlose Metze, die sie aus mir machen.«
Er hielt ihr sein seidenes Taschentuch hin, traute sich selbst nicht zu sprechen.
Sie schüttelte ihren Kopf und er steckte das seidene Viereck zurück in seine Tasche.
»Ich weiß, was die vornehme Welt über mich sagt, aber die verstehen das alle falsch.«
Irgendwie bezweifelte er, dass sie das taten. Lady Sarah Luvington würde sich niemals eine Geschichte ausdenken, um das Ansehen einer anderen Person zu beschmutzen. Sie hatte ihm alles über Lady Akford erzählt, nachdem die Femme Fatale in Lord Luvingtons Stadthaus gebummelt ist und Schwierigkeiten angezettelt hat. Sie hatte sich auf Luvington geworfen. Dann, als sie entdeckte, dass er geheiratet hatte, ging das Kindchen so weit ihn anzuflehen sie als Mätresse zu unterhalten. Die vornehme Welt hatte kein Wissen von diesem speziellen Vorfall, aber er hatte Berichte aus erster Hand. In Anbetracht dessen konnte er nur annehmen, dass ihre vorherigen Skandale mit Lord Luvington und Lord Akford zutreffend sind. Er würde zusehen, dass sie nüchtern wird, dann mit ihr fertig sein.
»Glaubten Sie mir, Lord Shillington?« Ihr Blick verschränkte sich mit seinem.
Der Schmerz in ihrem Gesichtsausdruck trieb ihn dazu ihre behandschuhte Hand zu tätscheln. Er konnte ihr diesen Schnitt nicht direkt geben, ungeachtet was er glaubte. »Erzählen Sie mir, warum sind Sie bereits zu dieser frühen Stunde derart betrunken? Betrauern Sie noch weiterhin Ihren verstorbenen Ehegatten?«
Sie schüttelte ihren Kopf. Ein Hickser entfloh ihr. »Manche Männer sind Monster. Lord Akford war ein solcher Mann. Feiern denn die Menschen nicht, wenn Monster erlegt worden sind?«
Henry schluckte einen Klumpen in seinem Hals herunter. »Sie … feiern?« Ihre Worte beunruhigten und verwirrten ihn zur selben Zeit. Eventuell war die Dame verrückt.
Sie lachte bitter und schwang ihren Fächer. »Nein, aber ich betrauere auch nicht seinen Verlust. Im Gegenteil, ich war erfreut ihn gehen gesehen zu haben. Ich habe nie für Akford geschwärmt. Er hat mich mit einer List zur Heirat gebracht, mich dann jahrelang schlecht behandelt. Möge seine Seele für die Ewigkeit in der Hölle schmoren.«
»Ich …« Henry hatte noch nie gehört, dass eine Dame sich so drastisch ausdrückte. Es fehlten ihm die Worte.
»Sie müssen nichts sagen. Lassen Sie mich einfach ausreden.« Sie straffte ihre Schultern und richte ihren Körper zu seinem aus.
Gott, ihre Wangen waren viel zu blass. Er atmete tief ein und stählte sich für ihre Geschichte.
»Lord Akford wusste, dass ich beabsichtigte Julian, der Marquess of Luvington, zu heiraten und hat mich vorsätzlich ruiniert. Er hat Julian und mich ausspioniert, dann, als Julian einen Antrag gemacht hatte, war Akford Zeuge davon gewesen, wie wir uns einen Kuss teilten. Wir hätten geheiratet, wenn nicht Akfords Betrügerei gewesen wäre. Er hat überall den Klatsch darüber verbreitet, was er gesehen hatte, ging dann zu meinem Vater und traf Vorkehrungen für unsere eigene Hochzeit. Ich hatte wenig andere Wahl, als es zu akzeptieren. Vater drohte mich zu enteignen, wenn ich ablehnte, und ganz London hat mich bereits als eine gefallene Frau gesehen.« Sie schlang ihre Arme um ihre Mitte. »Ich werde die Details nicht teilen, sie sind zu schmerzhaft, aber Lord Akford war ein Unmensch. Wir hatten nichts füreinander übrig.«
Henry streichelte mit der Rückseite seiner Hand über ihre warme Wange. »Sie müssen nicht fortfahren. Ich habe genug gehört.« Sprach sie die Wahrheit? Er konnte die Vorstellung, dass sie eine solche Geschichte erfand, nicht glauben. Wenn Lady Akford ehrlich war, hatte sie durch die Hölle gehen müssen. Er war es ihr schuldig ihr zu helfen, wenn auch aus keinem anderen Grund, als dass sie eine Lady war und er ein Gentleman. Aber was konnte er tun?
Sie stand auf, drehte sich weg von ihm. »Ich benötige eine weitere Flöte mit Champagner. Schließen Sie sich mir doch an.«
»Das ist das Letzte, was Sie benötigen. Lassen Sie uns über etwas Angenehmeres sprechen«, forderte er sie heraus. Möglicherweise würde die frische Luft sie ausnüchtern, wenn er sie für eine Weile hier halten könnte.
»Wie Sie wünschen.« Sie ließ sich auf undamenhafte Weise wieder hinplumpsen. »Soll ich Ihnen erzählen, wie mich die Erinnerungen an Julian durch die Jahre unter Lord Akfords Hand geistig gesund gehalten haben? Oder würden Sie gerne hören wollen, wie mich Julian beiseitegeschoben hat, als ich zu ihm zurückgekommen bin?«
Eine Miene der Demütigung durchzog ihren Gesichtsausdruck, als die letzten Worte, die sie äußerte, ihre Lippen verlassen haben. Sie muss erkannt haben, dass sie zu viel gesagt hatte. Henry schloss seine Augen und atmete aus. Sie wäre nicht die erste Person, die er getroffen hatte, deren Schmerz sie zur Flasche trieb, oder die Dinge sagte, wenn sie alkoholisiert war, die sie niemals unter normalen Umständen gesagt hätte. Ihr Gewahrsein ihres Fehlers erweichte ihn irgendwie.
»Lord Luvington hat Lady Sarah geheiratet. Sie sind verliebt und erwarten ein Baby. Er könnte sie schlecht zur Seite werfen«, versuchte er mit ihr vernünftig zu reden.
Lady Akford atmete verärgert aus. »Aber ich verdiene es?«
»Sie haben falsch ausgelegt, was ich sagte. Haben Sie meinen Worten gelauscht? Er hat eine andere geheiratet, bevor sie zurückgekommen sind.« Henry rieb eine Hand über seinen Kiefer. Die Dame frustrierte ihn unglaublich.
»Ja, ich bin nicht begriffsstutzig. Ich habe schließlich angefangen seine Wahl zu akzeptieren, aber das tut nichts dazu mein Herzeleid zu lindern.« Sie lehnte sich heran, hielt Zentimeter vor seinem Gesicht inne. »Möglicherweise können Sie meinen Schmerz lindern.«
Er begegnete ihrem Blick einmal mehr. »Ich fürchte, ich kann nicht folgen.«
Sie führte ihre Lippen auf seine. Sein Blut kribbelte vor Verlangen, als sie näher rutschte, um ihre Hand auf seinen Schenkel zu legen. Als sie ihre Zunge über seine Unterlippe gleiten ließ, schlängelte sich Bedürfnis in ihm. Er teilte seine Lippen, als sie ihren Kopf schief legte, ihm besseren Zugang gewährte. Sie bewegte ihre Hand unverfroren seinen Schekel hinauf.
Er zuckte weg. »Ich bin ein Gentleman, Lady Akford. Kein Spielzeug und gewiss kein Schwerenöter.« Fehler zu machen, wenn man leidet, war eine Sache, aber das… Er drehte sich um und spazierte davon, seine Wangen brannten, sein Herz hämmerte. Sie hatte mit ihm gespielt, wie mit einem verflixten Schachspiel!
Was hatte er sich dabei gedacht es sich selbst zu erlauben auch nur einen Moment in ihrer Gesellschaft zu verbringen? Er hätte beim Erwähnen ihres Namens gehen sollen. Sie würde nichts als Ärger bringen. Er würde es ihr nicht erlauben Ruin auf ihn zu legen. Noch würde er ihr erlauben ihn zu benutzen. Ganz egal, wie sehr sie ihn in Versuchung führte. Ganz egal, wie ihre Lippen schmeckten. Und ihr Kuss war himmlisch. Weich und süß. Sein Blut erhitzte sich, als er an die Empfindungen dachte, welche sie durch ihn hatte strömen lassen. Er schüttelte die Erinnerung weg. Die Dame war Tabu.
Er betrat das Raucherzimmer und holte ein Glas Portwein. Wie würde er sie meiden? Um Gottes willen, sie besuchten dieselbe Hausgesellschaft.
Nachdem er sein Glas geleert hatte, schenkte er sich weitere zweifingerbreit Portwein ein. Er konnte es ihr einfach nicht erlauben zu ihm zu dringen.
»Was lässt dich so benebelt sein, Shillington?« Lord Keery macht sich an ihn heran und füllte sein eigenes Glas wieder auf.
Henry wandte sich seiner alten Bekanntschaft zu. »Nichts. Mir geht es sehr gut.«
»Hat dieses Nichts vielleicht rotbraune Locken und funkelnde smaragdgrüne Augen?«, grinste Keery.
Henrys Gesicht erwärmte sich, ob es aufgrund von Keerys verschmitzter Beobachtung oder dem Portwein war, konnte er sich nicht sicher sein. »Wie hast du es erraten?«
»Ich habe dich mit ihr das Musikzimmer verlassen sehen. Lady Claudia Akford, wenn ich nicht falsch liege.« Keery nahm einen Schluck.
Henry hob sein Glas, als ob er einen Toast ausbringen wollte. »Ebendieselbe.«
»Was ich nicht begreifen kann, ist, warum du so durch den Wind wirkst. Was hat die Dame mit dir gemacht?« Keery gluckste, bevor er sein leeres Glas auf die Anrichte stellte.
Henry zog an seinem Halstuch in dem Versuch es zu lockern. Er hatte nicht den Wunsch zu wiederholen, was passiert war. Es würde ihm recht sein, wenn er niemals wieder von oder mit der Dame sprach. »Ich … ich war einfach überrumpelt. Ich hatte zuvor noch nicht die Bekanntschaft der Dame gemacht. Ich bin dankbar, dass Lord und Lady Luvington nicht zugegen sind.«
Keery wölbte spekulativ eine Braue. »Luvington hat seine Angelegenheiten mit der Dame geklärt und seine neue Frau hat alles vergeben. Ich kann mir nicht vorstellen, dass sie einen Groll gegen Lady Akford hegen würde. Es ist nicht so, dass Lady Akford von deren Heirat gewusst hatte, als sie in Luvingtons Stadthaus aufgetaucht war.«
Henry nahm einen weiteren Schluck. Wenn er mit seinen geklärten Angelegenheiten meinte, dass Luvington Lady Akford aus seinem Haus geworfen hatte, dann vermutete er ja. Dennoch, er konnte sich nicht vorstellen, dass Lady Luvington wünschte sich ein Dach mit Lady Akford zu teilen. Teufel, er wünschte nicht ein Dach mit der anrüchigen Dame zu teilen. »Gewiss. Gleichwohl bin ich froh, dass Lord und Lady Luvington nicht zugegen sind.«
Keery legte eine Hand auf Henrys Schulter. »Du sorgst dich zu viel. Lady Akford ist eine schöne Witwe. Genieße sie, wenn sich die Chance ergibt.« Er bewegte seine Hand zurück an seine Seite und schenkte ihm ein wissendes Zwinkern. »Das ist, was ich tun würde.«
Henry starrte Keery hinterher, die Worte des Schurken überschlugen sich in seinem Kopf. Genieße sie. Er stellte sein Glas auf die Anrichte. Wie man Zahnschmerzen genoss, vermutete er.