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Kapitel 2
ОглавлениеEine Woche war seit dem Treffen mit Christian vergangen und er hatte sich rar gemacht - soll heißen, es herrschte absolute Funkstille. Zuerst schien Julia darüber hocherfreut, aber letztendlich war ihr Ego angekratzt. Wenn nicht einmal ein Mann dieser Altersklasse etwas von ihr wissen wollte, wer dann?
Den ersten Advent hatte sie gemeinsam mit ihrer Schwester bei den Eltern verbracht. Beatrice schmollte noch immer, was Julia erneut Minuspunkte bei ihrer Mutter einbrachte. Der Vater stand wie immer auf dem Schlauch und schien nichts zu bemerken. Freudlos hatte Julia die trockenen Lebkuchen hinuntergewürgt und selbst das warme Licht der Kerzen konnte sie nicht in eine weihnachtliche Stimmung versetzen.
Inzwischen saß sie wieder vor dem Laptop und ärgerte sich über das aktive Leben ihrer Kommilitonen. Küsschen hier und Küsschen da, strahlende Gesichter und Glühweintassen, die mit roten Wangen in die Kamera gehalten wurden, um die Ausflüge auf die Weihnachtsmärkte zu dokumentieren.
Natürlich wollte auch ihre Clique zum Kölner Weihnachtsmarkt und keiner ahnte, wie sehr Julia davor graute. Sie wäre nämlich der einzige Single an Bord und verspürte keine Lust, den händchenhaltenden Pärchen hinterherzutraben. Schon jetzt bastelte sie an einer Ausrede, obwohl sie als Initiatorin die Reise angezettelt hatte. Zumindest damals, als ihre Welt mit Florian noch in Ordnung gewesen war.
Der Laptop gab ein leises Geräusch von sich. Jemand hatte ihr eine Nachricht zukommen lassen und voller Neugier drückte sie auf den Button.
Christian.
In gewohnt unterkühltem Ton lud er sie spontan zu einem Dinner ein, um sie zu bekochen. Es schmeichelte ihr, nicht im Abseits gelandet zu sein, und nur sein distanzierter Umgangston ließ sie zögern. Sollte sie oder sollte sie nicht? Sie musste sich sehr einsam fühlen, wenn sie tatsächlich darüber nachdachte.
Letzten Endes siegte ihre Neugier, denn sie wollte unbedingt wissen, wie und wo er wohnte. Ob es in seinen eigenen vier Wänden stylish ebenso unterkühlt einherging? Die Vorstellung passte einfach nicht zu ihm, dass er farbige Wände und eine heimelige Atmosphäre bevorzugte. Obwohl, bei ihr sah es auch nicht besser aus. Einen bunt zusammengewürfelten Mix von Billigmöbeln hatte sie in das enge Apartment gequetscht und jeder Raumausstatter würde wahrscheinlich die Hände über dem Kopf zusammengeschlagen. Aber als Studentin war sie immer knapp bei Kasse, auch wenn sie nebenher Grafiken designte und sich damit ihren Lebensunterhalt verdiente.
Nach einigem Zögern sagte sie zu. Erneut stand sie vor dem Schrank und überlegte, mit welch nichtssagendem Outfit sie ihn von sich überzeugen konnte. Alles in allem war sie eher der praktisch veranlagte Typ – Jeans, Shirt, Turnschuhe und fertig. Und genauso bekleidet machte sie sich kurze Zeit später auf den Weg.
Julia quälte sich durch den zäh fließenden Verkehr der Vorweihnachtszeit und hatte nach einigem Suchen auch die Adresse gefunden. Er wohnte direkt in der Innenstadt, in einem Haus mit nur sechs Mietparteien. Leider gestaltete sich die Parkplatzsuche sehr schwierig und sie würde garantiert zu spät kommen. Als sie endlich eine winzige Lücke gefunden hatte, brauchte sie mindestens zehn Anläufe, um ihren Kleinwagen hinein zu manövrieren.
Im Eiltempo jagte sie die Stufen hinauf und drückte auf die Klingel. Bereits im Treppenhaus hatte sie ein appetitlicher Duft empfangen und ihr Magen begann zu rumoren. Voller Vorfreude wartete sie darauf, dass Christian die Tür öffnete, doch er ließ sich nicht blicken. Hatte sie sich vielleicht doch in der Hausnummer geirrt? Sie wollte gerade wieder gehen, als die Tür schwungvoll aufgerissen wurde.
„Guten Abend Julia, hast du einmal auf die Uhr geschaut? Du bist eine halbe Stunde zu spät! Das Soufflé ist inzwischen hinüber.“
Erschrocken zuckte sie zusammen, sein barscher Ton verunsicherte sie.
„Du hättest doch sagen können, dass ich erst einen Parkplatz suchen muss. Außerdem bin ich sofort losgefahren“, versuchte sie sich zu verteidigen.
„Was soll’s, komm rein.“
Schulterzuckend folgte sie ihm ins Innere. Sie hatte alles erwartet, nur nicht das. Es lag außerhalb ihrer Vorstellungskraft, dass er auf Retro stand und prompt bemerkte er ihren verwunderten Blick.
„Ich habe die Wohnung von meiner verstorbenen Mutter übernommen. Meist miete ich mir ein Zimmer in der Nähe meines Arbeitsplatzes.“
„Du arbeitest gar nicht hier in der Stadt?“
„Nein, in einem Schlosshotel etwas außerhalb.“
„Oh, wie nobel.“
„Ja, das Haus hat vier Sterne.“
… die deiner Bude fehlen, vollendete sie in Gedanken diesen Satz. Warum warf er die altbackenen Möbel aus den Achtzigern nicht einfach raus? Was war Christian überhaupt für ein Typ? Hatte er schon immer bei Mutti gewohnt?
„Entschuldige bitte meine Neugier, aber ist deine Mutter hier verstorben?“
„Nein, in einem Pflegeheim. Warum?“
Konnte er sich das nicht denken?
„Das ist doch recht ungewöhnlich. Außerdem, all die Erinnerungen, tut das nicht manchmal weh?“
„Können wir vielleicht das Thema wechseln?“ Eine steile Falte bildete sich auf seiner Stirn.
„Selbstverständlich, ich wollte dir nicht zu nahe treten.“
„Gut, dann setz dich bitte an den Tisch.“
Wie ein braves Lamm nahm sie folgsam Platz. Die dunklen schweren Möbel wirkten bedrückend, von der hässlichen Blümchentapete ganz zu schweigen. Nur Christian, der war total in seinem Element und was er auf den Teller zauberte, sah einfach köstlich aus. Als Koch war er ein unangefochtener Meister. Das Fleisch war zart und auf den Punkt gegart, die Klöße fluffig, das Gemüse knackig und der angeblich misslungene Nachtisch zerschmolz auf ihrer Zunge.
„Das war wirklich lecker“, lobte sie ihn, als sie das Besteck zur Seite legte und sich die Mundwinkel mit einer Serviette abtupfte. Doch von ihm kam keine Reaktion. Was hatte sie denn nun schon wieder falsch gemacht?
„Jetzt weiß ich natürlich, warum du Chefkoch geworden bist. Ich habe selten so gut gegessen“, versuchte sie nachzulegen und tatsächlich ließ er sich zu einem schmallippigen Lächeln hinreißen.
„Talent und Übung sind alles. Ich habe jahrelang einen Partyservice geführt und weiß, wovon ich spreche.“
„Warum arbeitest du dann im Schloss? Was ist passiert?“
Diese Frage hätte sie lieber bleiben lassen, sein Gesicht verzog sich zu einer Grimasse.
„Jede Menge Ärger mit den Angestellten, die kamen und gingen, wie es ihnen passte. Wenn man sich auf seine Leute nicht verlassen kann, dann hat das alles keinen Zweck.“
„War es denn nicht möglich, zuverlässiges Personal zu finden?“
„Nein. Wer will schon am Wochenende rund um die Uhr arbeiten?“
„Stimmt, das ist ein Argument.“
„Sogar meine Ehe ist an den Arbeitszeiten gescheitert.“
„Schade, das tut mir wirklich leid für dich.“
Mit einem Mal regte sich so etwas wie Mitgefühl in ihrer Brust. Wozu sollte er sich ein heimeliges Heim schaffen, wenn sich keine Zeit für die Liebe fand?
„Egal ob an Sonn- oder Feiertagen, immer stehst du in der Küche, meist bis spät in die Nacht hinein. Urlaube fallen aus, wenn sich Kollegen krankschreiben lassen, denn Köche sind Mangelware. Du kannst dir sicher denken, wie sich das auf eine Beziehung auswirkt.“
Darüber hatte sie sich noch nie den Kopf zerbrochen, schließlich wurde sie eher selten von Köchen zum Abendessen eingeladen. Der heutige Abend war quasi ihr Debüt.
„Bist du schon länger allein?“, hakte sie nach.
„Nein, so würde ich das nicht sagen. Meine letzte Bekanntschaft war Innenarchitektin, aber wir hatten einfach keine Zeit füreinander.“
„Das ist sehr bedauerlich.“
„Falls du nichts dagegen hast, räume ich jetzt den Tisch ab.“
Er beendete abrupt das Gespräch, stand auf und brachte das Geschirr in die Küche. Julia half ihm und er beobachtete mit Argusaugen, wie ungeschickt sie sich dabei anstellte. Nicht, dass ihr die Übung fehlte, aber sein kontrollierender Blick setzte ihr zu. Wie schon erwähnt, auch ihre Mutter konnte eine Tyrannin in der Küche sein und dieses Verhalten machte Julia stets nervös.
Anschließend entkorkte Christian eine Flasche Wein und stellte zwei Gläser auf den Couchtisch. Julia setzte sich neben ihn, hielt aber einen Sicherheitsabstand von mindestens zwanzig Zentimetern ein. Es machte sie doch verlegen, auf diese Weise seine Nähe zu spüren. Ob er wohl mehr wollte? Und kam das für sie überhaupt infrage?
Christian berichtete, wo er schon überall gearbeitet hatte, selbst bis nach Sylt hatte es ihn verschlagen.
„Du hast ziemlich häufig deine Stelle gewechselt“, stelle sie nüchtern fest und diese Frage schien ihm nicht zu behagen.
„Man muss schließlich auch Erfahrungen sammeln, um sich weiterzuentwickeln.“
So konnte man das auch sehen. Dabei war er es doch gewesen, der seine Crew stets auf Vordermann brachte, oder irrte sie sich da? Immerhin gab sich Christian Mühe, den Abend auf romantische Art und Weise ausklingen zu lassen, auch wenn er nicht gerade der klassische Romeo war.
Julia war inzwischen beim dritten Glas Wein angelangt und als sie auf die Uhr schaute, stellte sie erschrocken fest, dass der letzte Bus bereits abgefahren war. Geld für ein Taxi hatte sie nicht übrig und es würde ein langer Marsch durch die Nacht werden.
„Wir haben uns ganz schön verquatscht“, stellte Christian fest. „Ich will dich natürlich nicht in die kalte Nacht hinausschicken und wenn du möchtest, kannst du hier schlafen. Selbstverständlich in getrennten Betten.“
„Ich weiß nicht so recht …“, zierte sie sich. Der Gedanke, dass seine Mutter vielleicht in einem dieser Betten genächtigt hatte, verursachte ihr Unbehagen.
„Komm, ich zeig dir deine Schlafstätte.“
Er öffnete die Tür zu seinem Schlafzimmer und sie riskierte einen Blick. Der Raum war modern eingerichtet und verfügte tatsächlich über zwei getrennte Betten.
„In Ordnung, ich nehme dein Angebot an“, willigte sie ein.
Insgeheim ärgerte sie sich darüber, dass sie diesem süßen und aromatischen Wein nicht hatte widerstehen können. Aber nun war es sowieso zu spät. Christian lief zum Schrank und reichte ihr ein großes Handtuch.
„Falls du duschen möchtest. Geh du zuerst ins Bad, ich räume noch auf.“
Sie huschte ins Badezimmer und betrachtete ihr gerötetes Gesicht im Spiegel. Ja, sie hatte ihre Lektion gelernt - nie wieder Alkohol in verfänglichen Situationen! Es war sicher von Vorteil, in solchen Situationen einen kühlen Kopf zu bewahren.
Nach der Dusche fror sie wie ein junger Hund und die Müdigkeit machte sich bemerkbar. Sie trat auf den Flur und hörte Christian in der Küche hantieren. Welche der Türen führte noch einmal zum Schlafzimmer? Rechts oder links? Leise drückte sie die Klinke herunter und schlüpfte in den Raum. Blind wie ein Maulwurf tastete sie nach dem Lichtschalter und schrie erschrocken auf.
„Was ist denn los?“ Christian erschien in der Tür. „Durchsuchst du immer die Zimmer fremder Leute?“, fragte er schroff.
„Tut mir leid, ich habe die Türen verwechselt“, stammelte sie verlegen. „Das liegt wahrscheinlich am Wein.“
„Du hast dich in Mutters Zimmer verirrt, hier geht’s entlang.“ Er schob Julia ins Schlafzimmer. „Ich bin gleich bei dir.“
Seine Mutter schien wohl ein übertriebenes Faible für Puppen gehabt zu haben. Sie hockten in Reih und Glied auf sämtlichen Möbelstücken und glotzten Julia mit ihren ausdruckslosen Knopfaugen an - das reinste Gruselkabinett. Jede der Puppen steckte in einem bunten Kleidchen mit kitschigen Rüschen und das überwiegend blonde Haar war zu zwei Zöpfen geflochten. Natürlich hatte Julia im Kindesalter auch mit Barbies gespielt, aber von jeher einen großen Bogen um diese unheimlich wirkenden Geschöpfe aus Porzellan gemacht.
Nachdem sich ihr Herzschlag beruhigt hatte, setzte sie sich gähnend auf die Bettkante. Pullover und Slip hatte sie angelassen und nur die Jeans auf den Stuhl gelegt. Das Bettzeug roch stark nach Weichspüler und das machte es um einiges leichter, sich in die fremden Federn zu legen. Der Wein ließ sie schläfrig werden und mit geschlossenen Augen sank sie auf das Kissen.
Christian riss sie polternd aus ihren Träumen. Er war nicht unbedingt ein Leisetreter und nahm keinerlei Rücksicht. Nachdem er das Licht gelöscht hatte, setzte er sich zu ihr.
„Schlaf schön“, murmelte er und strich ihr zärtlich eine Strähne aus der Stirn. Dann näherte er sich ihr behutsam, streichelte ihre Wange und vergrößerte dabei den Radius. Inzwischen war er am Schlüsselbein angekommen. Sie mochte seine Berührungen und gestattete ihm, dass seine warme Hand tiefer glitt. Ihre Brustwarzen richteten sich auf und nur mit Mühe unterdrückte sie ein wohliges Stöhnen. Der Wein. Dieser verdammte Wein.
Nun gab es kein Halten mehr. Hastig zerrte sie ihren Pullover über Schultern und Kopf und hörte das Reißen einer Naht. Christian fummelte inzwischen ungeduldig an ihrem BH und löste die Ösen. Stürmisch fanden sich ihre Lippen und die Hände ertasteten Neuland.
Christian lag bereits auf ihr, als das Desaster passierte. Egal wie sehr er sich auch abmühte, es wollte einfach nicht klappen. Ungehalten stieß er sie weg und legte sich auf den Rücken. Sie ärgerte sich maßlos über seine übertriebene Reaktion, aber das Mitleid überwog.
„Das kann doch mal passieren“, warf sie tröstend ein.
„Ach, was weißt du denn schon …“, zischte er, sprang auf und verschwand im Bad.
Es musste ihn kränken, bei so einer jungen Frau versagt zu haben. Oder sah sie vielleicht doch zu kindlich aus, um einen reifen Mann wie ihn zu beglücken? Aber das war jetzt nicht mehr ihr Problem.
Frustriert zog sie sich die Jeans über, schnappte sich ihre Jacke und schlich aus der Wohnung. Nachdem sie die Haustür leise ins Schloss gezogen hatte, eilte sie die Stufen hinunter und bestellte sich ein Taxi. Christian schien sie nicht zu vermissen und so wartete sie frierend vor dem Haus. Nach zehn Minuten fuhr der Wagen endlich vor und sie stieg erleichtert ein. Hauptsache nur weg von hier. Männer und ihr verdammtes Ego, zum Teufel damit!
Am nächsten Morgen quälte sich Julia mit Kopfschmerzen und einem üblen Geschmack auf der Zunge aus dem Bett und verfluchte Christian samt der hohen Taxikosten. Anschließend trank sie zwei Tassen Kaffee, um die Augen überhaupt offen halten zu können.
Der gestrige Abend gehörte zweifelsohne zu den peinlichsten ihres Lebens. Zuerst, weil sie zugelassen hatte, dass er mit ihr schlafen wollte, und später, weil dieser Versuch so kläglich gescheitert war. Christian war schon ein komischer Kauz und vielleicht sollte sie die Geschichte einfach auf sich beruhen lassen. Weihnachten allein zu verbringen, war das denn wirklich so schlimm? Mit Sicherheit würde sie das Fest auch ohne Partner überleben.
Mit einem tiefen Seufzen schnappte sie sich ihre Tasche und die Autoschlüssel und machte sich auf den Weg in die Uni.
„Julia, du siehst gar nicht gut aus.“ Mit diesen Worten empfing Emily sie im Hörsaal.
„Nein, alles in Ordnung, es ist gestern nur sehr spät geworden.“
„Wo warst du denn? Und warum weiß ich nichts davon?“
Sollte sie ihrer Freundin reinen Wein einschenken? Apropos Wein, nur der bloße Gedanke daran verursachte Übelkeit.
„Ich habe zufällig jemanden kennengelernt.“
„Du willst mich auf den Arm nehmen?“ Emily musterte sie skeptisch.
„Nein, ganz und gar nicht. Er ist übrigens Koch.“
„Naja, ein bisschen mehr auf den Rippen könnte dir nicht schaden.“
„Vielen Dank Emily, dass ausgerechnet du mich daran erinnerst.“
Und mit diesem Satz war das Thema von gestern Nacht präsenter denn je. Die ausschlaggebenden Attribute einer Femme fatale fehlten ihr anscheinend gänzlich und beleidigt wandte sie sich ab.
„Entschuldige Julia, so war das nicht gemeint, du reagierst doch sonst eher gelassen auf meine Witzeleien. Nun erzähl schon, was ist wieder schief gelaufen?“
Emily hatte echt ein Händchen dafür, durch ein Minenfeld zu laufen. Schon wieder schief gelaufen, so als würde Julia nie etwas auf die Reihe bekommen. Nein, heute würde sie Emilys Neugier nicht stillen. Stattdessen versuchte sie den Worten des Professors zu folgen, aber ihre Gedanken drifteten ständig in eine andere Richtung.
Nachdem sie die letzte Vorlesung verlassen hatte, fuhr sie mit dem Bus in die Innenstadt und erlöste ihren Kleinwagen aus der winzigen Parklücke. Anschließend fuhr sie auf dem schnellsten Weg in ihr Apartment. Mit einer großen Portion Pommes, die sie sich vom Dönerstand gegenüber mitgebracht hatte, verkroch sie sich in ihrem Nest. So übermüdet wie sie war, brauchte sie sich gar nicht erst an den Schreibtisch zu setzen, um die neuen Entwürfe zu überarbeiten. Stattdessen legte sie sich ins Bett. Ihr Kopf hatte noch nicht das Kissen berührt, da meldete sich ihr Smartphone zu Wort.
„Hallo Julia, ist dein Samstag schon verplant?“
„Nein.“ Dieser Mann verwirrte sie total.
„Hättest du Lust, mich im Schlosshotel zu besuchen? Ich habe nur am Vormittag und am späten Abend Dienst. Zwischendurch würde ich mir Zeit für dich nehmen und wir können sogar kostenlos in einem der Zimmer übernachten. Na, was hältst du davon?“
Momentan hielt sie gar nichts davon, er hatte sie völlig überrumpelt.
„Bist du noch dran?“
„Ja. Ich werde es mir überlegen, einverstanden?“
Ihre Antwort schien ihm nicht ins Konzept zu passen.
„Gut, wie du meinst“, erwiderte er und beendete umgehend das Gespräch.
Christians Idee, ihn im Schloss zu besuchen, war im Nachhinein gar nicht so verkehrt. Aber dort eine Nacht mit ihm zu verbringen, nach diesem Fiasko? Niemals!
Sie stand auf, angelte das Smartphone vom Schreibtisch und schickte ihm eine Textnachricht. Dann schaltete sie das Gerät ab, damit er nicht nochmals auf den Gedanken kam, sich bei ihr zu melden.