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Kapitel 2

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Irgendetwas haben wohl auch die anderen gespürt. Gref oder Graf oder wie auch immer dieser kleine Mistkerl heißt, macht mir Platz, die anderen scheinen zu warten. Ich nicke Stella zu, sie weiß, dass ich bald mit ihr reden werde, aber nicht hier, nicht heute, nicht jetzt. Stella hat schon umso vieles mehr als ich gesehen, aber ich spüre in ihrem Blick, dass auch sie sich vor diesem Bild nicht schützen kann. Oder will.

»Malowsky«, sage ich. Er blickt mich an, öffnet den Mund, schließt ihn wieder. »Ich bin dabei«, teile ich ihm mit. »Ich melde mich.« Er nickt, sieht mir hinterher, als ich an ihm vorbeigehe.

Caro steht neben dem Rolls, als ich den Hinterhof verlasse, öffnet mir mit einem verschmitzten, vielsagenden Lächeln die Tür, ihre Zunge gleitet über die halb offenen Lippen. Doch ihr Lächeln schwindet, während sie in meinem Gesicht liest. Sie vergisst ihre Rolle.

»So schlimm?«, fragt sie leise. Ich nicke. Sie langt vor mir in den Wagen, will nach etwas greifen. Meine Hand schnellt vor, packt ihr Handgelenk, ich lasse sie los und halte ihr die offene Handfläche hin. Langsam legt sie mir einen Gummi in die Hand, benutzt, gefüllt, verknotet, noch warm. Sie sucht meinen Blick, ist unsicher. Ich werfe einen Blick hinüber zu dem jungen Polizisten, der das Absperrband befestigt hat und jetzt verzweifelt in jede Richtung schaut, nur nicht in unsere.

Ich lege den Gummi wieder neben die Bar, dort, wo sie ihn ursprünglich abgelegt hat, und steige ein.

»Nach Hause, Caro.«

Sie schließt wortlos die Tür, geht um den Wagen herum, setzt sich hinter das Lenkrad. Langsam fährt sie rückwärts, sie wendet den Kopf, doch sie blickt nicht nur nach hinten, sie sucht immer noch mich.

Ich beuge mich vor, schiebe die Trennscheibe zur Seite. »Halte kurz an«, sage ich ihr, als wir dem Blickfeld der Polizei entronnen sind.

Sie hält an, sitzt ganz ruhig, ganz still, wartet.

Ich greife durch die Öffnung, nehme ihr die Chauffeursmütze ab, löse ihr Haar so, dass es sich wie schwarzes Metall über ihre Schultern ergießt. Es ist ein Signal, das Spiel ist vorbei, sie ist wieder meine Freundin, Vertraute, meine Liebe, meine Partnerin und meine Frau.

Ich halte inne, bin still, sie auch.

»Ich habe gemerkt, dass er dich bewundert hat, mehr als Malowsky dich verachtete, deshalb gab ich dich ihm.« Ich schlucke. »Wenn er sah, was ich sah«, fahre ich leise fort, »so hast du ihm nun einen anderen Eindruck gewährt, ein anderes Bild, ein Bild des Lebens und der Freude. Dafür wird er dir ewig dankbar sein.«

Ich streiche ihr über die Wange, greife ihr unters Kinn, drehe ihren Kopf mit leichtem Druck zu mir, die Haltung ist unbequem, aber sie sieht mich offen an.

»Wurde er dir gerecht? Schenkte er dir Freude?«

Sie lächelt leicht, bewegt ihr Gesicht so, dass sie einen leichten Kuss auf meine Handfläche setzt.

»Er verstand es nicht. Ich habe ihn vollständig überrumpelt. Aber ja, ich glaube, in diesem kurzen Moment hat er mich geliebt. Er schenkte mir Freude.« Ihre Stimme ist voll, klar, weich wie Honig. Ihre Stimme kann mich träumen lassen, manchmal verbiete ich ihr das Sprechen nur, damit ich mich darauf freuen kann, sie wieder zu hören, wenn ich es dann erlaube.

»Wenn du sagst, dass ich helfen konnte, ihn das vergessen zu lassen, was ich in deinem Blick sehe, dann bin ich froh für ihn«, sagt sie leise.

Ich antworte nichts, sehe sie nur an.

Das Spiel ist vorbei, sie kann sein, wie sie ist, also hebt sie fragend eine Augenbraue.

Ich versuche zu lächeln, ob es mir gelingt, weiß ich nicht, aber ich versuche es. Ich rieche ihr Haar, zusammen mit der Winterluft, sehe, dass sie in der Eile ihren Lippenstift nicht korrigieren konnte, er ist leicht verschmiert. Sehe in ihren Augen die Tiefe ihrer Seele.

»Ich versuche das Gleiche«, antworte ich ihr leise. »Ich will in dich eintauchen und vergessen. Aber das geht nicht. Das darf ich nicht.« Ich nehme ihre Hand, um sie zu küssen. »Fahr uns nach Hause.«

Es wäre vielleicht besser gewesen, in der Stadt zu bleiben, Krüger auf dem Präsidium aufzusuchen, Dinge abzustimmen, aber im Moment bin ich dazu nicht imstande. Caro fährt, schwimmt elegant und souverän im Verkehr mit, der am Anfang – es ist schließlich Morgen, und der Berufsverkehr quillt in die Stadt – einfach nur fürchterlich ist. Der alte Rolls ist seit drei Wochen fertig, seit zwei Wochen spielen wir dieses Spiel. Der Rolls ist nicht mehr wirklich so alt, vieles an ihm wurde an die heutigen Bedürfnisse des Straßenverkehrs angepasst. Dennoch ist er, nach heutigen Maßstäben, nicht sicher. Mit ein Grund, warum Caro so fährt. Ein überraschender Effekt ist, dass diese alte majestätische Dame ihren Weg fordert. Die Leute machen Platz, als ob sie einer Königin den Weg räumen, es ist etwas anderes, als sich hektisch durch den Verkehr zu drängeln.

Heute kann ich die Muße gebrauchen. Ich atme tief durch, rieche Leder, Wachs, eine Rose und Carolines unverwechselbaren Duft, werde erinnert an das Parfüm, das ich roch.

Man sagt, dass der Geruchssinn derjenige Sinn ist, der am direktesten mit Erinnerungen verknüpft ist. Vor meinem geistigen Auge sehe ich eine junge Frau, ganz in Lack gehüllt, an einer der Stangen, die rund um die Tanzfläche des Dominions stehen, leuchtende graue Augen folgen fasziniert der Showeinlage auf der Bühne, weiße scharfe Zähne beißen in ihre Unterlippe, sie zieht die Luft hart ein, als sich auf der Bühne die maskierte Frau, festgezurrt auf den offenen Sprungfedern eines alten Bettes, rückwärts aufbäumt, während die Gerte in der Hand des Meisters die Stelle zwischen ihren offenen Schenkeln küsst.

Ich stehe neben ihr, unterhalte mich mit Friedrich, einem meiner treuesten Gäste, als ein zufälliges Spiel von Luftströmen mir dieses Parfüm in die Nase weht. Ich werfe ihr einen Blick zu, mir erscheint sie zu jung für den Club, aber heutzutage ist dies schwer zu erkennen. Ihr Busen bebt, als sie atmet, schnell, fast hyperventilierend; freizügig in dem Mieder aus Lack, bietet er einen reizenden Hintergrund für den altmodisch wirkenden schwarzen Modeschmuck, der sich verführerisch in das Tal zwischen ihrem Busen ergießt.

Ich fühle ihre Erregung, eine kleine Venus mit schlanken Fesseln, schmaler Taille und großen Augen. Eine Alice im Wunderland.

Eine Stimme in meinen Gedanken sagt, du kannst sie nehmen, aber ich winke innerlich ab. Ich habe, was ich brauche und so lange gesucht habe, sie reizt mich nur durch ihre Jugend, die scheinbare Unschuld und das Fieber in ihren Augen.

Ich wende mich wieder der maskierten Frau auf dem Metallbett zu, ihre Augen suchen und halten mich, als sie sich mit einem unterdrückten Stöhnen aufbäumt. Sie trägt eine Opernmaske, eigentlich überflüssig, aber ein Element der Show, es gibt ihr etwas Mysteriöses, Unbekanntes, und diese dunklen Augen gehören Caro ...

»Caroline«, sage ich, ihr voller Name, da ich das Spiel vorhin beendet habe. »Wann war das, als George dich im Dominion vorführte?«

Seitdem wir uns gefunden haben, bin ich in solchen Dingen faul geworden. Zwar bin auch ich imstande, mein Gedächtnis nach jenem Tag zu durchforsten, Caro jedoch hat, wie viele Frauen, für diese Belange einen besonderen Kopf.

»Zwölfter November.« Sie sucht meine Augen im Rückspiegel. »Meine Füße tun immer noch weh, wenn ich daran denke.« Ja, richtig, die Bastonade.

Ein anderes Bild drängt sich vor meine Augen, sie auf dem Boden, die Füße gespreizt an die Pfosten des Bettes gekettet, ihr Kopf nach hinten gerissen, das Gesicht verklärt von dem Schmerz, den sie spürt, als dieser eine Schlag die Haut anreißt.

Ich schiebe das Bild zur Seite, ihr Gesicht ähnelt zu sehr einem anderen, die gleichen geweiteten Augen.

Ich vertraue Caro mit allem, das ich bin, habe und liebe, aber ich habe dieses eine Geheimnis vor ihr: Ich bin kein echter Sadist. Mich erregt es, ihre Erregung spüren zu können, aber ich muss jedes Mal darüber hinwegkommen, dass es Schmerz und Erniedrigung sind, die sie dorthin bringen.

Wenn ich sie leiden sehe und nicht ich es bin, der ihren Schmerz kontrolliert, dann leide ich. Sie wird es aber nie erfahren.

Der Mörder fühlte sein Opfer nicht. Das ist es, was ich von dem Tatort mitnehme ... ein Mangel an Gefühl für Alice. Mein Name für sie, in der Nacht, in der ich sie das erste Mal sah, am 12. November.

»Warum fragst du?« Carolines Blick teilt sich zwischen dem Rückspiegel und der Straße vor uns. Der Rolls schwankt, als ein Idiot mit deutlich über zweihundert Sachen an uns vorbeischießt. In alten Zeiten war die Höchstgeschwindigkeit des Rolls gerade mal neunzig, mit dem neuen Motor wäre es möglich, hundertsechzig zu fahren, aber die Nadel steht auf hundert. Exakt hundert.

Hinter uns schwenkt ein Lastwagen aus, den Blinker hatte er bereits gesetzt, bevor der Idiot ihn überholte. Nun kriecht der Laster an uns heran, ist neben uns. Das Dröhnen seines Motors ist fern, der Rolls abgekapselt von der Umwelt, eine Kunst, welche die Erbauer dieses Wagens schon damals beherrschten.

»Ich erinnere mich, sie an jenem Abend im Dominion gesehen zu haben. Sie stand am Rand der Tanzfläche, und sie hätte gern mit dir getauscht.«

»Sie?« Caroline sucht meinen Blick. »Das Opfer?«

Ich nicke. »Das war vor der Bastonade, richtig?«

Sie lächelt leicht. »Ich glaube, danach wollte niemand mehr mit mir tauschen. George ist ja sonst ganz okay, ich mag ihn auch, aber wenn es um seine Spezialität geht, ist er ein Bastard.« Sie wirft mir einen Blick zu. »Und du auch. Ich musste den Rest des Abends stehen.«

Es ist Small Talk. Sie weiß, dass mich das, was ich sah, erschütterte, sie weiß auch, dass Alice, oder wie immer sie auch hieß, wahrscheinlich gern getauscht hätte, um diesem Schicksal zu entrinnen.

Wir biegen von der Hauptstraße ab, hier ist nicht mehr geräumt, der Rolls-Royce schaukelt, als wir den Asphalt verlassen. Eine weite Spur zieht sich vor uns die Allee entlang, eine Spur im Schnee, die wir vor wenigen Stunden, vor einer Ewigkeit, selbst gezogen haben. Es war Nacht vorhin, nun bricht ein grauer klarer Tag an.

In der Ferne sehe ich eine Krähe kreisen, sie erscheint mir sehr groß, vielleicht ist es ein Rabe, es soll hier welche geben.

Ich rolle das Fenster herunter, nehme den Gummi von der Bar und werfe ihn hinaus. Caro folgt seinem Flug mit den Augen.

»Marcus?«

»Ja?«

Schweigen. Ich warte. Sie wird sagen, was sie sagen will.

»Ich hasse den Geschmack von Gummi«, sagt sie leise. Ich nicke, ich weiß es. Sie sagt nichts weiter, es ist genug. Caro ist meine Sklavin, es ist mein Recht, sie jedem zu geben, und für mich hat es einen besonderen Reiz, wenn ich weiß, dass sie sich einem Wildfremden hingibt, nur weil ich es will. Dabei gibt sie sich aber nicht dem anderen, sondern indirekt mir. Es ist Hingabe an mich.

Heutzutage kann man aber auf Gummis nicht verzichten. Nun, das ist auch nicht ihre Bitte.

Für einen Moment bin ich abgelenkt, dann sehe ich wieder das Gesicht von Alice, ihr Gesicht vom Rand der Tanzfläche, das andere Gesicht dränge ich zur Seite. Ich habe Caro gehört, aber es ist nicht der richtige Zeitpunkt, darauf einzugehen.

Sie blickt wieder nach vorn, fährt konzentriert. Es ist nicht so, dass Caro nicht mitfühlt, eher das Gegenteil, es ist sogar denkbar, dass sie darum gebeten hat, um mich abzulenken, ich traue es ihr zu.

Ich schaue auf die altmodische Uhr, über der Bar, unter der Blumenvase. Sie muss aufgezogen werden, ist mechanisch, und dennoch weiß ich, dass sie auf die Sekunde stimmt, denn es ist Caros Aufgabe, dafür zu sorgen. Wie auch für die einzelne rote Rose in der Vase am unteren Rand der Trennscheibe. Wir haben kein Gewächshaus, es ist ihr Geheimnis, woher diese Rose stammt, aber seit zwei Wochen, seitdem wir den Rolls nutzen, befindet sich dort jeden Morgen eine frische Rose.

Ich bemerke selbst, dass ich mich gedanklich noch mit Kleinigkeiten befasse, mich ablenke, nur weil ich nicht an das denken will, was ich an diesem Kreuz sah. Ich schrecke noch immer vor dem Bild zurück. Es wird Zeit, dass sich das ändert.

Inzwischen ist es kurz vor neun, mitten in der Nacht für die meisten Leute, die abends das Dominion bevölkern. Ich strecke die Hand aus, öffne ein Fach aus poliertem Holz, nehme das Funktelefon heraus.

Es ist neu, ein anderes als das, was ich gestern noch benutzt habe. Im Rückspiegel sehe ich Caros Augen, sie lächelt amüsiert.

Sie ist fasziniert von diesen Dingern, mag all die kleinen Spielereien und ist eine Virtuosin im Schreiben von SMS. Sie ist achtzehn Jahre jünger als ich, und dies ist einer der wenigen Punkte, an denen ich merke, dass uns eine Generation trennt.

Ich suche das Rufnummernverzeichnis, rolle schließlich den Balken auf »Klaus B. priv. Home« und drücke die Taste mit dem grünen Hörer. Es läutet endlos, ich werde daran erinnert, wie gestern Nacht unser Telefon uns penetrant in die Welt zurückriss, die wir zu vergessen suchten. Die Verbindung wird unterbrochen, offensichtlich hat Klaus einen guten Schlaf.

Zwischen den alten Linden taucht das Chateau auf, malerisch mit Schnee verziert, selbst jetzt, acht Jahre später, kann ich kaum glauben, dass dies alles mir gehört, dass dies mein Heim ist.

Es verdient den Namen »Chateau« nicht wirklich, es ist ein imposantes Gebäude, das im späten 19. Jahrhundert im Stil des Spätbarocks errichtet wurde, eine Kopie, aber ungleich tauglicher als ein Original. Drei Stockwerke, achtzehn Zimmer, davon vier Salons im Erdgeschoss, im linken Seitenflügel ein Ballsaal, rechts die Stallungen, nun eine Garage für unsere Fahrzeuge. Der Hof ist unter dem Schnee mit Kopfstein gepflastert. Der Haupteingang befindet sich die Treppe hoch, im ersten Stock. Vor ihm, in der Mitte der runden Auffahrt, ein verschneites Blumenbeet sowie ein leicht kitschiger Amor, mit Schnee und Eiskristallen drapiert; er gehört zu dem Brunnen in der Mitte.

Ich finde ihn kitschig, aber Caro mag ihn. Ich sage mir immer wieder, wie wichtig Konsequenz ist und dass ich ihr schon gesagt habe, dass ich ihn entfernen lassen wolle, das war vor drei Jahren, aber ich befürchte, diese Entscheidung ist nicht die meine.

Die Geschichte des Chateaus ist genauso obskur wie verrucht. Erbaut wurde es als eine diskrete Spielwiese des Adels, nicht unähnlich den Lustschlösschen früherer Epochen, aber dies war 1899. Zwar diente das Haus hauptsächlich dem einen lusterfüllenden Zweck, aber schließlich gehörte es sich, es mit Stil, Würde und Anstand zu tun. Also fügte man auch noch die Basis für andere Genüsse hinzu, eine große Bibliothek, in der die Herren mit der Bildung des Geistes prahlen konnten, eine für damalige Verhältnisse moderne und großzügige Küche, damit das Kulinarische nicht zu kurz kam, und natürlich waren seit jeher Pferde für den gepflegten Morgenausritt ein Muss. Zur körperlichen Ertüchtigung ein Gymnasium und, hinter dem Haus, ein Schwimmbassin in der Art eines türkischen Bades, das mit einem Jugendstil-Gewächshaus überdacht wurde, sodass man es auch im Winter nutzen konnte.

Der Erste Weltkrieg und der Fall Habsburgs bescherten diesem Lustgewinn ein jähes Ende. In den letzten Kriegsjahren und für Jahre danach wurde das Anwesen als Hospital genutzt. Einer der Salons im Erdgeschoss wurde weiß gekachelt, die französischen Türen herausgerissen und durch eckige, geradezu abstoßend hässliche Stahlrahmenfenster ersetzt – mehr Licht für den Arzt bei seinem blutigen Handwerk.

Zwei Jahre, bis 1926, stand es leer und fand sodann weitere Verwendung als Klinik, diesmal nicht für Kriegsopfer, sondern für die geschundenen Geister. Sieben Jahre lang war es das Landruhheim, eine psychiatrische Klinik für Frauen, bis ein Skandal ungeheuerlichen Ausmaßes den Direktor in den Selbstmord trieb und es übereilt geschlossen wurde. Im Spätsommer 1938 wurde das Anwesen von den Nazis entdeckt, von der Partei erworben und wieder seinem ursprünglichen Zweck zugeführt. In den Zimmern im dritten Stock warteten arische Mädchen auf die Offiziere, um sie mit ihren Schößen zu belohnen. Keine Gummis für die Damen, schließlich war arischer Nachwuchs aus gezielter Paarung erwünscht.

1945 wurden die Besitzer ausgetauscht; es waren nun die Amerikaner, die hier militärisch organisierte Entspannung fanden, vielleicht waren es dieselben Frauen. 1947 verplapperte sich ein amerikanischer Posten gegenüber einem Journalisten, hastig wurde eine Decke über die Sache gebreitet, und eines Tages waren die Amerikaner einfach nicht mehr da.

Das Haus stand leer bis Mitte der Fünfziger, ein Ausflugsrestaurant versuchte sich hier, später wieder einmal eine Klinik, diesmal gezielt auf die Falten und das unerwünschte Gewebe von Frauen spezialisiert, die ein Vermögen zahlen sollten, um den Ort verjüngt und schlank zu verlassen.

Mit seiner Vorgeschichte war es jedoch wohl kaum verwunderlich, dass das Anwesen nur in einer Funktion wirklichen Erfolg haben würde. Ende der Sechzigerjahre kaufte eine sorgsam durch Mittelsmänner abgeschirmte Person das Anwesen und verwandelte es in ein Edelbordell, ein Unterfangen, das weitaus erfolgreicher war als alle früheren Unternehmen. Bis 1998 blieb es dabei. Dann verstarb der geheimnisvolle Besitzer.

Es stellte sich heraus, dass er mein Großonkel war, ein Mann, den ich in meiner Kindheit nur einmal gesehen habe, ein streng wirkender Herr in korrektem dunklen Anzug, mit Augen, die einen zu durchbohren schienen.

Diese Augen sind das, woran ich mich erinnern kann, und seine Worte zu mir und meiner Mutter. »Ein gescheiter Kerl. Gut gemacht.«

Welch Lob für eine Nichte, die Witwe eines Polizisten, der im Dienst umkam und die nun bei acht Familien putzte, damit wir etwas zu essen hatten ... Meine Mutter hasste ihn, aber warum, erfuhr ich nie. Heute kann ich es mir denken.

Sie starb vor ihm, und natürlich dachte er selbst nicht im Traum daran, mir etwas zu vererben. Ein Hundeheim sollte stolzer Besitzer des Chateaus werden, wie es im Volksmund hieß. Einhundertsiebenundsiebzig Millionen Schilling, sechs Morgen Land, das Chateau, weitere Häuser in der Stadt, unzählige andere Dinge ... sollte noch mal jemand sagen, lasterhaftes Leben lohne sich nicht! Onkel Wilhelm wurde achtundneunzig Jahre alt und starb im Schoße einer Minderjährigen. Nein, seien wir ehrlich, er starb in ihrem Hintern.

Nichts von alledem wusste ich damals, ich versuchte, bei der Polizei etwas Sinnvolles zu tun, war darauf fixiert, das Böse zu bekämpfen und nebenbei Karriere zu machen.

Nur war das Testament rechtlich nicht gültig, irgendetwas war vergessen oder übersehen worden, ich weiß es nicht mehr, vielleicht fehlte das Datum, vielleicht sogar die Unterschrift.

Ich persönlich denke, dass der Anwalt meines Onkels, einst ein Jugendfreund meiner Mutter, dem alten Lüstling und Geizkragen einen letzten Streich spielte, denn er bot sich schnurstracks an, mich zu vertreten. Zwei Monate später war ich Besitzer dieses Anwesens und anderer schöner Dinge, darunter eines Dutzends Grazien, überraschenderweise als Inventar aufgeführt.

Mit achtundneunzig war es für Onkel Wilhelm nicht immer einfach gewesen, seinen Spaß zu haben, der alte Lustmolch musste motiviert werden, das Außergewöhnliche reizte ihn – und die Jugend. Dass er als alter Päderast starb, kümmerte ihn wahrscheinlich wenig, angeblich starb er mit einem Lächeln ... Aber die Tatsache, dass der Schoß, nein, der Hintern zu einem dreizehnjährigen Mädchen gehörte, war schon Skandal genug; dass es sich um die zwei Monate zuvor weggelaufene Tochter eines lokalen Politikers handelte, gab das Öl ins Feuer, aber dass das Anwesen, immer noch an zwei Tagen die Woche für handverlesene Gäste geöffnet, nun jemandem gehörte, der als Polizist ehemals sogar bei der Sitte gewesen war und so gleichsam auch Tugendwächter hätte sein sollen, gab den letzten Zündstoff.

Ich schloss das Anwesen in dem Moment, als alles unterzeichnet war, aber dies war eine ganze Weile nach dem Skandal. Erbschaften ziehen sich länger hin als Skandale, und bis zu der letzten Unterschrift führte der Verwalter des Anwesens dieses nach den Wünschen meines Onkels fort.

Malowsky war es, der den Stein ins Rollen brachte. Wir waren nicht länger Freunde, nur wusste ich es noch nicht. Es war nicht direkt Neid, es war die Bitterkeit in ihm, dass mir all dies in den Schoß fiel und er, Jahre vorher, zusehen musste, wie seine Frau starb, weil er das Geld für die notwendige Operation in den Vereinigten Staaten nicht auftreiben konnte. Er verpfändete und verkaufte alles, was er hatte, und mehr, doch es reichte nicht für diese eine spezielle Klinik, es musste also eine andere sein, und sie starb dort während der OP.

In seiner Bitterkeit konnte ihm keiner helfen, unsere Freundschaft gefror, war vorbei, bevor ich es merkte. Ich vertraute ihm, er nutzte es aus, um mich von der Karriereleiter zu stoßen, aber hauptsächlich, um seiner Bitterkeit gerecht zu werden.

Niemand konnte mir etwas vorwerfen. Rechtlich gesehen war ich noch nicht in der Lage, auf das Management des Chateaus einzuwirken, und dieses wollte so lange wie möglich das exklusive Gehalt beziehen, das ihm vertraglich zustand. Teilweise wurden exorbitante Summen für die »dienstleistenden Personen« bezahlt, all das vertraglich geregelt. Ich hätte für eine vorzeitige Schließung und den entsprechenden Verdienstausfall ein Vermögen zahlen müssen. Es gab keine rechtliche Handhabe gegen mich, aber das war auch nicht notwendig. Schließlich wurde mir ja nur »nahegelegt«, meinen Hut zu nehmen.

Eine Weile blieb das Chateau geschlossen. Dann sah ich die Bücher ein, realisierte die Zahlen und öffnete es wieder.

Das Management musste gehen, einige mir durch ihre polizeilichen Akten sehr wohl bekannten Personen wurden aus der Gästeliste gestrichen, die Damen ausbezahlt.

Die Sitte ging der ganzen Angelegenheit nach. Ich war an der Untersuchung nicht beteiligt, man vermutete einen Interessenkonflikt. Dennoch, für mich vollständig unverständlich, entging den Kollegen die Tatsache, dass auf dem Chateau nach wie vor zwei minderjährige Mädchen lebten.

Ich korrigierte dies auf meine Weise. Jetzt sind sie nicht mehr minderjährig und arbeiten immer noch für mich ... Jacqueline, eine kleine, süße, ruhige Frau mit leuchtenden Augen und schnellen graziösen Bewegungen, zaubert in der Küche kulinarische Sensationen, Amber, eine verspielte Katze in Menschengestalt, verwaltet meine EDV und hält die Technik auf neuestem Stand. Ich finanzierte ihnen das Studium und eine Zukunft, ein Versuch, das auszugleichen, was mein Onkel ihnen an Kindheit nahm.

Zu meiner Überraschung bestanden beide darauf, ins Chateau zurückzukehren. Sie brachten mich mit ihren Verführungskünsten an den Rand des Wahnsinns, während mich dieser unbestimmte Gedanke verfolgte, dass es nicht erlaubt sei. Ich vergaß dabei, dass auch sie irgendwann volljährig geworden waren. Eines Tages steckten sie ihre hübschen Köpfe mit Caro zusammen und arbeiteten einen Schlachtplan aus ... und ich unterlag mit Genuss.

Ab und zu, eigentlich selten und nur bei besonderen Gelegenheiten, sind Jacqueline und Amber auch mal in den öffentlichen Räumen zu finden. Dann packt es sie, und sie mischen sich aus einer Laune heraus unter die anderen Mädchen, wobei Caro diskret über Amber wacht. Amber ist blond, zierlich, klein ... mein Onkel fand sie mit elf. Als ich von ihr erfuhr, war sie beinahe sechzehn. Jetzt ist sie vierundzwanzig und hat ihr Leben ansonsten fest im Griff. Aber sie ist die einzige mir bekannte Person, die wirklich keine Grenzen zu haben scheint. Sie weiß es selbst, deshalb gibt sie sich so selten, aber wenn sie es tut, passt Caro auf sie auf.

Doch all das lag damals noch in der Zukunft. Der alte Verwalter, der um diese Dinge wusste und sie übersah, wurde entlassen, und mir fehlte ein neues Management.

Es gab viele Bewerber um den Posten, ich wollte die Arbeit nicht selbst tun, sah mich aber fast dazu genötigt, da ich keinen der Kandidaten mochte. Dann klopfte es eines Tages an der Tür zu meinem Büro, sie kam herein und teilte mir mit, dass sie meine neue Managerin sei.

Zweiundzwanzig Jahre alt, ein Summa-cum-laude-Jura-Abschluss mit Schwerpunkt Wirtschaftsrecht, aus bester, alteingesessener Wiener Familie.

Ich fragte sie, warum ausgerechnet sie dies tun wolle. Mit ihren Qualifikationen, mit ihrem Charisma, das den Raum flutete, hatte sie überall Chancen, wieso also hier?

Die Antwort war genauso einfach wie überraschend. In diesem Haus hatte ihre Urgroßmutter ihren Urgroßvater kennen- und lieben gelernt; von daher war sie schon immer an dem Anwesen interessiert und fühlte sich ihm verbunden. Zum anderen, so erklärte sie mir, sei ihr die Szene nicht fremd, sie sei zwar in der eigenen Neigung eher devot und submissiv, aber sehr wohl imstande, auch zu dominieren.

Das Chateau bediente diese besondere Klientel, wie ich bald herausgefunden hatte. In den vorangegangenen Monaten hatte ich fast alles gesehen, was ich vorher für undenkbar gehalten hatte. Meine Arbeit bei der Sitte tat ein Zusätzliches, um meine Bildung in diesem Bereich abzurunden, und ich wusste also, was sie meinte, aber ich konnte den Bezug zu mir bis dahin nie erkennen.

Doch als sie mich dann ansah und mir sagte, ich könne sie in jeder Beziehung testen, sie sei in jeder Kapazität extrem belastbar, und als sie mit dieser flinken Zunge ihre Lippen befeuchtete, wurden mir die Knie weich und die Hose eng. Zum ersten Mal explodierten in meiner Fantasie die Bilder, die ich zuvor nur bei anderen gesehen hatte, und diesmal waren sie und ich die Akteure.

Also führte ich sie wortlos in eines der speziellen Zimmer, und sie folgte mir mit einem Glanz in den Augen, der sich verstärkte, als sie das spezielle Bett sah, ein Monstrum, das allerdings den Vorteil besaß, fast jede Form annehmen zu können und in jeder Konfiguration das Opfer hilflos und offen fixierte.

Ich befahl ihr, sich auszuziehen, sah so zum ersten Mal diesen exquisiten Körper, Alabaster, gekrönt von dem Haar, so schwarz wie das Gefieder eines Raben.

Ich verfiel in einen Rausch an Farben und Eindrücken, befahl ihr, dieses und jenes Gerät auszuprobieren, und als sie auf dem Bettgestell lag, unbequem verspannt, weit offen, ergriff ich zum ersten Male in meinem Leben den Rohrstock.

Sie fieberte mir entgegen, es war, als ob sich alles an ihr mir entgegenreckte, darum bat, ja, sich geradezu sehnte, den heißen Kuss zu spüren. Jedes Mal, wenn der Stock sie brennend liebkoste, hob sich ihr Schoß, spannten ihre Fesseln sich mit einem harten Schlag, die Sehnen und Muskeln unter ihrer Haut spielten und fühlten sich an wie Bänder aus Stahl, als ich die Hände über sie gleiten ließ.

Wieder und wieder geschah es, hob sich ihr Schoß in die Luft, dann traf der Stock ihre Beine, überzog die weiße durchscheinende Haut mit einem geröteten Muster. Ich war in einem Wahn, verloren, aber ich verlor sie nicht. Ich konnte mit ihr fühlen, in ihr, jeden einzelnen Schlag, ging mit ihr auf diese wahnwitzige Reise, aber ich verlor nicht das Ruder aus der Hand, zu deutlich konnte ich sie sehen, riechen und lesen.

Ihre Schönheit ist die eines Kunstwerks, eine Schöpfung, wie es nur ein einziger Meister erschaffen kann. Ihre blasse durchscheinende Haut, das schwarze Haar, diese ausdrucksvollen Augen ließen sie zerbrechlich wirken, was sie nicht ist. Ihr Aussehen, das selbstsichere Auftreten und ihr geschulter Verstand, all dies schreckte Männer ab, nahm ihnen den Mut, sich ihr zu nähern. Selbst als sie ihre Neigung entdeckte und sich freiwillig dem Schmerz ergab, waren ihre Schönheit und scheinbare Zerbrechlichkeit oft ein Hindernis für sie und ihre Partner.

Aber ich selbst konnte in jenem Augenblick nicht denken, nur fühlen, und ich fühlte, wie sie um etwas bat, was ich zuerst nicht bemerkte, ein wortloses Flehen. Ich spürte die Wellen ihrer Erregung, dass sie ihrem Orgasmus entgegenfieberte, dann landete der Stock zentral zwischen ihren Beinen, von oben hineingeschlagen, genau und exakt zwischen ihren Lippen, exakt auf diesen einen empfindlichen Punkt, den sie mir entgegenreckte ... Sie schrie, die Ketten strafften sich mit einem harten Schlag, ihr ganzer Körper bäumte sich auf, unnatürlich, die Gesetze der Schwerkraft Lügen strafend, für zwei, drei, vier, fünf Sekunden ... bis sie in Zuckungen und Nachbeben niedersank.

Es gibt einen Punkt, ab dem ich ihr nicht mehr folgen kann, sie frei davonfliegt, nur ein dünner Faden uns verbindet. So war es auch damals, sie war nicht mehr von dieser Welt. Aber ich sah ihr Gesicht ... und der Rohrstock hob sich erneut ... Diesmal traf er dort mit Absicht, wohin meine ungeübte Hand zuvor aus Versehen gezielt hatte.

Als ich sie später in den Armen hielt und ihr über das Haar strich, während sie zitterte und in mich zu kriechen versuchte, wusste ich bereits, dass sie die einzige Frau für mich war.

Zwei Wochen später heirateten wir.

Hatte ich zuvor ein paar ungenaue Vorstellungen über meine zukünftige Frau gehabt, so hätte ich mir jedoch nie träumen lassen können, wie die Erfüllung meines Lebens tatsächlich sein würde. Es gab einen Preis, den sie zahlen musste. Ihr Vater, ein stocksteifer Bankier, wandte sich von ihr ab, enterbte sie und verbot ihr das Haus. Ich kam damit nicht zurande, aber Caro sagte in einem bitteren Ton, dass es nicht anders zu erwarten gewesen wäre. Mit ihrem Vater hätte sie nie reden können.

So heil, wie ich dachte, war ihre Welt auch nicht gewesen. Ihre Mutter starb, als sie klein war, ein Autounfall, ich erfuhr erst später, dass sie wohl volltrunken am Steuer gesessen haben muss, mit ihrem Liebhaber an ihrer Seite. Ganz klassisch, der Gärtner – ein Skandal, der erfolgreich vertuscht wurde. Nur durfte in dem Haus nicht mehr über ihre Mutter gesprochen werden.

»Es gab nie jemanden, mit dem ich reden konnte«, vertraute sie mir einmal an. »Keinen außer Uomi.«

Ihre Urgroßmutter, Frau Winter, musste eine formidable Frau sein. Ich hoffte, sie auch einmal kennenzulernen. Sie telefonieren fast jeden Tag. Nur zu Hause ist Caro schon lange nicht mehr gewesen.

An all dies denke ich, als das Chateau zwischen den Linden auftaucht. Vielleicht weiß Caro meine Gedanken zu lesen, denn im Rückspiegel sehe ich einen ganz bestimmten Blick, und sie befeuchtet ihre Lippen mit flinker Zunge.

Ich bemerke nicht, dass sie einen Knopf drückt. Das Tor der Garage hebt sich scheinbar von allein, gemächlich gleitet der Rolls an seinen Platz, das fast unmerkliche Surren des Motors erstirbt.

Für einen Moment begegnen sich unsere Blicke im Rückspiegel, dann steigt sie aus, öffnet mir die Tür. Ich stehe vor ihr, rechts neben dem Rolls parkt ihr knallroter Mini, mit dem sie wie eine gesengte Sau zu fahren pflegt. Ich greife sie an den Armen, drehe sie herum, reiße ihr die engen Hosen hinunter bis zu den Knien, werfe sie auf die Motorhaube des Mini, eigentlich etwas zu tief für meine Knie, aber egal.

Sie stöhnt auf, als ich ihr mit einer Hand brutal die Arme nach hinten reiße, meine andere Hand ihr nicht minder rücksichtslos einen harten Klaps auf die Möse gibt. Ich drücke sie nieder, ihr Gesicht gegen die Scheibe ihres geliebten roten Flitzers, und dringe mit einem langen tiefen Stoß bis zum Anschlag in sie ein.

Ein tiefer Seufzer entrinnt ihr, als wir so verharren, ich fühle sie um mich, sie war schon recht feucht, aber jetzt spüre ich, wie ihre Wärme um mich pulsiert ... Ich bewege mich nicht, ich drücke sie nur an ihren Wagen, halte sie in diesem schmerzenden Griff, die Arme brutaler hinter ihrem Rücken hochgedrückt, als ich es je bei einem Verhafteten getan habe ... und genieße sie um mich herum, ihre Wärme, sie, ihre Augen, die ich in der Reflexion der Windschutzscheibe sehen kann, ihr Zittern und Beben, als auch sie versucht, still zu sein. Sie weiß, was ich will, aber sie will sich bewegen.

Diese bezaubernde Kreatur in meinen Armen zu halten, nicht willenlos, aber ergeben in allem, was ich von ihr verlange, das Bewusstsein, dass sie mein ist, mein und nur mein ... dies treibt mich, still wie wir sind, meinem Höhepunkt entgegen. Aber noch habe ich Zeit. Ich wechsle den Griff, streiche über ihre Flanken, sie zittert um mich herum, die Sehnen treten unter der Haut hervor, als leiste sie Schwerstarbeit.

»Wow«, höre ich eine Stimme. Ich sehe nicht hin, ich kenne diese Stimme, sie gehört Amber. »War das ein Rekordversuch? Von null auf Anschlag in einer Sekunde?«

»Amber ...«, presst Caro zwischen Lippen und Glas hervor. »Du störst.«

»Wirklich?« Die Stimme kommt näher, bis Ambers Spiegelbild in der Scheibe auftaucht. Sie hat diesen Gesichtsausdruck, den sie immer hat, wenn sie etwas ausheckt.

»Mögt ihr mich nicht? Es ist Ewigkeiten her, dass ich mal so richtig gevögelt wurde.«

»Geh morgen Abend ins Dominion«, presse ich hervor. »Oder warte bis Freitag. Dann stecke ich dich eigenhändig in den Pranger und hänge ein Schild auf: ›Benutzung freigegeben‹.«

Caro und ich kämpfen immer noch, auch ich will mich bewegen, sie stoßen, mit Wucht tiefer in sie eindringen, sie durchbohren. Mein linkes Knie zittert ... Caro merkt es, und im Spiegel der Windschutzscheibe sehe ich das feine Lächeln; sie denkt, sie gewinnt.

»Das machst du eh nicht«, sagt Amber und leckt sich über die Lippen, beugt sich nieder und haucht auf die Stelle, die Caro und mich verbindet.

»Hast du noch nie gemacht. Mit niemandem. Auch mit ihr nicht.« Sie schiebt die Unterlippe schmollend vor, dann lächelt sie und klemmt ihren blonden Kopf zwischen meinen Bauch und Caros Rücken, küsst Caro entlang der Wirbelsäule. Ihr Haar kitzelt.

»Wenn ...« Caros Stimme ist leise, gepresst, sie braucht nun auch ihre ganze Konzentration, »wenn du mir das ... aaaah ... zerstörst ... dann mache ich es noch heute Abend im Dominion. Und du kannst einen drauf lassen, dass ich es tun werde ... und du wirst es bereuen.«

Diese Drohung ist ernst gemeint. Selbst Amber ist normalerweise vorsichtig mit Caro, wenn sie mit dieser Stimme spricht.

Amber zieht den Kopf zurück und schaut uns an, wirkt nachdenklich. Der Arm, mit dem ich mich am oberen Rahmen des Mini abstütze, beginnt zu zittern, beinahe hätte dieses Zittern eine kreisende Bewegung eingeleitet. Aber auch Caro hat sich bewegt, ein wenig, es zählt noch nicht, es wäre unfair. Doch ihre eigenen Gedanken törnen sie an.

Ich schließe die Augen, versuche Amber zu ignorieren, ein Fehler.

Plötzlich werde ich zur Seite gestoßen. Ich stütze mich mit dem rechten Arm ab, sie stößt von der Seite, ich kann mich nicht halten und rutsche seitwärts weg. Mein Glied wird abrupt aus der feuchten warmen Heimat gerissen, die kühle Winterluft, die durch die offene Garagentür hereindrängt, ein Schock. Ich reiße die Augen auf, versuche mein Gleichgewicht zu behalten, schaffe es nicht, weil eine blonde Amazone sich auf mich stürzt, mich erneut angreift wie ein Footballspieler. Ich rutsche an dem Mini ab, lande rücklings auf dem Boden. Ich sehe Ambers glänzende Augen, diesen verrucht-schelmischen Gesichtsausdruck, dann umfangen ihre Lippen mein Glied, ruckartig stößt sie vor, wie ein Albatros, der einen Fisch schluckt, ich merke, wie ich anstoße und die Schwelle ihres Rachens überschreite. Hinter ihr taucht Caro auf, ihr Gesichtsausdruck furchterregend, aber Amber hat mit ihren vollen roten Lippen meine Wurzel erreicht und beißt zu. Hart.

Ich komme.

Caro zieht an Ambers Haaren, ich sehe, wie lange blonde Strähnen in Caros Hand verbleiben, aber Caro sieht auch meine Reaktion, als sie weiter am Haar zerrt und sich Ambers scharfe Zähne in mich verbeißen.

Ich bin verloren, die kleine Hexe hat mich überrumpelt, sie saugt, ich habe das Gefühl, dass sie mir alles aus den Lenden holen will, einschließlich des Rückenmarks. Ihr Rachen schluckt, massiert mich weiter ... selbst Caro kann das nicht auf diese Art ... Ich sehe Ambers Augen, dahinter die von Caro, weiß, dass ich Caro freie Hand lassen werde ... und komme direkt noch mal.

Caro zieht sich die Hose hoch und richtet ihre Uniform, verschränkt die Arme vor der Brust, bis ich fertig bin, trotz Ambers Zähnen in ihr erschlaffe und sie widerwillig das freigibt, was von meiner Männlichkeit übrig ist.

Dann greift Caro zu, schnell und zielsicher wie eine Klapperschlange schießt ihre linke Hand vor, in die dichte Mähne Ambers, reißt sie hoch und zurück, eine schallende Ohrfeige folgt, brandmarkt Ambers linke Wange; ein Tritt in die Kniekehle zwingt unsere EDV-Spezialistin in die Knie. Ich greife wortlos in meine Brusttasche und reiche Caro acht lange Kabelbinder. Sekunden später liegt Amber da, auf dem Bauch und Busen, Arme und Beine über dem Rücken zu einem Bogen gespannt.

Von Reue nichts zu sehen, sie grinst keck, und ihre Zungenspitze zeigt uns weißen Schaum, bevor sie schluckt.

Caro sieht mich an, ich nicke.

Selbst wenn ich es anders gewollt hätte, es ginge nicht. In dieser kuriosen Welt, in der wir leben, ist eine Drohung ein Versprechen; wird es nicht wahr gemacht, verlieren alle.

»Du hast es so gewollt, Amber«, sagt Caro; sie atmet immer noch schwer, aber nicht, weil sie sich zu sehr angestrengt hätte. »Ich werde mein Möglichstes tun, damit du es nicht genießt.«

»Versuche es«, kommt es von Amber zurück, ihre Augen glänzen. Caro öffnet den Kofferraum des Rolls, nimmt einen öligen Lappen heraus und stopft ihn Amber in den Mund.

Ich richte mich auf, will mich ordnen, dann kniet Caro vor mir, prüft mit ihren Lippen, ob alles sauber ist, schüttelt ob der roten Spuren an meinem Glied leicht den Kopf und packt alles wieder ordentlich ein.

Wir gehen, Amber bleibt dort liegen. Allerdings schließen wir das Garagentor, und als wir rausgehen, drehe ich das Thermostat in der Garage um ein paar Grad hoch. Caro sieht es, sagt aber nichts.

Heute ist Montag. Das Chateau hat nur am Freitag und Samstag auf, den Rest der Zeit ist es lediglich für uns und Freunde zugänglich. »Uns« beinhaltet auch Jacqueline, die wie Amber hier aufgewachsen ist und immer noch hier wohnt. Sie finden wir in der Küche, als wir von der Garage aus das Chateau betreten. Sie trägt ein langes schwarzes Kleid mit einem weiß abgesetzten rechteckigen Ausschnitt, der mir ihren Busen schön gerahmt präsentiert. Sie ist eine knappe Handbreit kleiner als Caro, ebenfalls schlank, wenn auch nicht so schlank wie Caroline oder Amber, die man nur als zierlich beschreiben kann. Jacqueline trägt ihr Haar kürzer als Caroline oder Amber, schulterlang, das ist die Mindestlänge, die ich von ihr verlange. Ihr Haar ist frisch gewaschen, eine kastanienbraune Mähne, die mich einlädt, hineinzugreifen und sie zu einem Kuss zu mir heranzuziehen. Ihre braunen Augen funkeln amüsiert, es ist ganz selten, dass Jacqueline schlechte Laune hat. Meist ist sie ruhig, sie findet nicht oft Anlass, etwas zu sagen, aber sie ist aufmerksam und beobachtet gern.

»Das sieht gut aus«, meint Caroline und beugt sich über den Topf. »Mhmmm.«

Jacqueline rümpft die Nase. »Es ist nur ein Schmorbraten«, sagt sie. Sie mustert uns, meine staubige Hose, die geröteten Gesichter. Caros Haar ist offen, also weiß auch Jacqueline, dass Caro im Moment keine Sklavin ist.

»Was ist denn mit euch passiert?«

Ich ziehe mir einen Stuhl heran und setze mich. Wortlos drückt mir Jacqueline eine Tasse Kaffee in die Hand.

»Wir wurden von Amber überfallen, und sie hat Marcus oral vergewaltigt«, antwortet Caro mit einem leicht boshaften Lächeln.

Jacqueline blinzelt ... scheinbar versagt ihre Vorstellungskraft.

Amber ist knapp eins fünfzig groß und wiegt 42 perfekt verteilte Kilo. Ich selbst bin 2,02 Meter groß und wiege 130 Kilo, zehn davon an Stellen, wo sie nicht sein sollten.

»Sie hat ihm fast den Schwanz abgekaut«, sagt Caroline, der Unterton in ihrer Stimme gefällt mir nicht.

Ich überlege, ob ich ihr die Anweisung gebe, sich einen Zopf zu flechten, sie wieder zu Caro zu machen. Aber im Moment bin ich froh, einfach hier zu sitzen. Meine Knie zittern immer noch.

Es ist Monate her, dass ich und Amber das letzte Mal das Vergnügen hatten, ich hatte vergessen, wie sie sein kann. Manchmal, über Monate hinweg, passiert nichts, dann explodiert sie.

Jedes Mal weiß ich nicht, was ich tun soll. Amber selbst sagt, es wäre in Ordnung, dass sie zwar eine spezielle Kindheit gehabt hätte, aber immer noch eine bessere, als wenn mein Onkel sie nicht gefunden hätte. Ich habe da meine Zweifel. Im Safe meines Onkels fand ich Bilder von ihr mit ihm, ich verbrannte sie, aber ...

»... hat Marcus mir die Erlaubnis gegeben, sie zu strafen.«

Bei den drei Hennen in meinem Haus gibt es eine gewisse Hackordnung. Diese wurde nicht von mir etabliert, die haben sie selbst untereinander ausgemacht. Alle drei sehen in mir aus unterschiedlichen Gründen ihren Herrn. Was ich für Jacqueline und Amber tat, war nur ein Versuch der Wiedergutmachung, nichts, was sie mir lebenslang auf diese Art zurückzahlen müssten oder sollten, aber ich stoße da auf taube Ohren. Es gefällt ihnen so, wie es ist, und beide haben Liebschaften auch außerhalb des Chateaus. Caro ist den beiden gegenüber dominant, Jacqueline ist Amber gegenüber devot und sub zu Amber.

Amber ist ... Amber.

Manchmal braucht sie den Kick, lässt sich selbst versteigern. Es geht ihr gar nicht ums Geld, oft genug spendet sie es anonym an ein Hilfswerk. Sie kickt der Gedanke, dass jemand für sein Geld eine Gegenleistung haben will, jemand bereit ist, so viel zu bezahlen für etwas, das sie auch freiwillig und umsonst geben würde. Dann geht eine Stunde mit ihr für mehr, als sich Malowsky vorstellen kann. Selbst wenn Caro sich versteigern lässt, erreicht sie nicht Ambers Handelswert. Jacqueline ist sehr selten in den offenen Räumen zu finden, sie ist eher ruhig und zurückgezogen. Meistens ist es Amber, die sie, sauber verpackt und verschnürt, in den offenen Räumen vorführt. Als ich Amber, nachdem sie ihr Studium beendet hatte und bei mir als EDV-Spezialistin anfing, das erste Mal in den offenen Räumen vorfand, traf mich fast der Schlag.

Amber kennt, wie gesagt, scheinbar keine Grenzen bei sich; von Jacqueline weiß ich sehr wohl, wo die ihren sind. Aber wenn Amber bei Jacqueline die aktive Rolle übernimmt, geht sie so weit über diese Grenzen, dass ich schon ein- oder zweimal mit den beiden geredet habe. Jacqueline aber sagt immer, es wäre schon in Ordnung so.

Wie gesagt, es ist Teil von Carolines Aufgabe, Amber an der Kette zu halten. In ganz seltenen Fällen gebe ich Caro den Befehl, Jacqueline oder Amber zu dienen. Bei Jacqueline kann es passieren, dass Caro dann den Mülleimer für die Küchenabfälle hochhalten muss; einmal fand sich Caro auch als Hauptgang in einem Menu vor. Gebe ich Caro allerdings Amber, bin ich mittlerweile sehr vorsichtig geworden. Amber ist schräg. Bis jetzt hat Caro alles mitgemacht, was Amber einfiel, aber die Drohung, sie Amber zu geben, ist überraschend wirksam; selbst Caro kann nicht abschätzen, was Amber einfällt.

Ich folge der Unterhaltung am Küchentisch nur mit einem Ohr und versuche weiterhin, Klaus zu erreichen, aber der Sack pennt noch immer den Schlaf der Ungerechten.

Dann bekomme ich das Thema mit. Jacqueline putzt Gemüse, und Caro sitzt da, die Chauffeursmütze auf ihrem Oberschenkel, trinkt Kaffee. Es herrscht ein gemütlicher Plauderton.

»... und diesmal bekommt sie ihr Fett ab«, sagt Caro gerade und nimmt einen Schluck. »Ich werde eine Rundmail an unsere Kunden rausschicken. Eine Versteigerung. Eine Versteigerung einer Idee. Jeder darf eine Idee einreichen, was mit ihr geschehen soll. Und bieten, um seine Idee durchgesetzt zu sehen. Die höchsten drei Gebote werden durchgeführt, der Gewinner hat die Erlaubnis, es zu tun. Heute Abend.«

»Wird sie wissen, was geschehen soll?«, fragt Jacqueline, doch Caro zuckt die Schultern.

»Montag ist das Dominion geschlossen«, sage ich blödsinnigerweise.

»Ja«, sagt Caro. »Das, was ich vorhabe, könnten wir auch nicht tun, wenn wir offen haben. Einlass nur auf Einladung, Clubmitglieder, strenge Kontrollen.«

»Hm«, sage ich. »Die drei höchstgebotenen Ideen sollen an Amber durchgeführt werden? Alle an dem Abend?«

»Die Durchführung darf pro Segment nicht mehr als eine Stunde betragen«, schlägt Jacqueline vor, und ihre Augen glänzen. Offensichtlich ist auch sie imstande, gemein zu sein.

»In welchen Grenzen?«, frage ich.

Wir alle kennen Amber, wenn es um sie geht, ist das eine heiße Frage. Der Begriff SSC – safe, sane, consensual – ist auf Amber nicht anwendbar. Und unsere Gäste wissen das. Dadurch, und weil Amber sich so selten zur Verfügung stellt, ist sie heiß begehrt.

»Keine Spuren, die länger halten als zwei Wochen«, sagt Jacqueline vorsichtig. Caro schüttelt den Kopf. Ich sehe sie überrascht an.

Sie lächelt, zeigt ihre weißen, ebenmäßigen Zähne, ein bösartiges Lächeln. »Diesmal habe ich nichts gegen Blut«, sagt sie. »Keine Verletzungen, die länger dauern als zwei Wochen.«

Jacqueline zieht den Atem scharf ein, schaut Caro mit großen Augen an.

Blut ist im Dominion und auf dem Chateau tabu. Aber wenn Gäste mit Amber ein Zimmer nehmen, passiert es schon ab und zu. Es gab da noch andere, manchmal spielen auch Gäste so hart, dass es bluten kann, aber Blut ist von mir nicht erwünscht, das weiß auch Caro, zu leicht kann das jemanden schocken.

Mich zum Beispiel.

Ich bin imstande, Blutstropfen auf Caros Haut zu erzeugen, aber sie weiß nicht, wie schwer mir das fällt, welche anfängliche Überwindung und Konzentration das erfordert.

»Nein«, sage ich.

»Du hast mir die Erlaubnis gegeben, sie zu strafen«, sagt Caro. Ihr Blick ist zum ersten Mal seit sehr langer Zeit stur. Ich erkenne plötzlich, wie verärgert sie tatsächlich ist. Ich fange ihren Blick ein, sehe sie für Sekunden nur an.

»Caro ...«, sage ich dann in einem bestimmten Tonfall. Sie sieht weg, holt tief Luft.

»In Ordnung, eine Woche«, stimmt sie widerwillig zu. »Aber ich greife ihre eigene Idee auf. Bis zur Ideenversteigerung ist sie nutzbar. Für jeden.«

»Amber wollte das schon lange«, sagt Jacqueline. »Aber dazu fehlte ihr tatsächlich bisher der Mut.« Wir sehen sie überrascht an. Amber und mangelnder Mut? Aber dann lächelt Jacqueline.

»Es wird Zeit, dass die kleine Hexe das kriegt, was sie verdient. Sie will es ja nicht anders.«

Caro nickt nur.

Ich lehne mich zurück, trinke weiter meinen Kaffee, als die beiden immer mehr ins Detail gehen, und höre zu, versuche, nicht daran zu denken, wie Alice darauf wartet, dass ich mich endlich um sie kümmere.

Später sitze ich in meinem Büro und schaue aus dem Fenster über die Winterlandschaft, es ist ein beruhigender Anblick, wenn die Kälte draußen ist und man es selbst behaglich hat.

Ich drehe mich in meinem Lederstuhl. Dieses Büro ist nett eingerichtet, eine Bücherwand zur Linken, eine kleine Sitzgruppe, Media-Zentrum, Telekommunikationsanlage. Drücke ich einen versteckten Knopf am Tisch, fährt die polierte Holzoberfläche zurück, und ein Flachbildmonitor erscheint vor mir, die Tastatur fährt aus. Die Verbindung mit der großen weiten Welt ist hergestellt. All das zeigt wenig von mir, es ist die Arbeit eines Innenarchitekten.

Meine Kaffeetasse ist leer. Klaus habe ich immer noch nicht erreicht. Caroline ist mit ihrer Racheaktion beschäftigt. Amber! Ich stehe auf und gehe die Treppe hinunter, an der Küche vorbei, wo die beiden immer noch überlegen, wie man mit Amber umgehen sollte, und öffne die Garagentür.

Auf dem Computerbildschirm hätte ich mir auch die Bilder und Perspektiven der verschiedenen Überwachungskameras ansehen können, aber ich will Amber sehen, spüren, dass es ihr gut geht. In der Garage hängt eine Uhr, es ist kurz nach zehn, sie liegt nun schon eine Stunde so da.

Ich knie mich neben sie, sie sieht hoch zu mir und lächelt, dieses Lächeln, das sagt: »Niemand wird mich besiegen!«

Ich fühle ihre Hände und Füße, sie sind kühl, nicht anders zu erwarten, denn es ist frisch hier, doch nicht kalt. Die Kabelbinder schneiden zwar in ihr Fleisch, aber sie sind nicht zugezogen. Caro weiß, wie man so etwas macht, dennoch gefallen mir die Druckspuren nicht.

Aber ich sage nichts.

»Und?«, will sie wissen, »hat sie schon entschieden, wie meine Strafe ausfallen soll?« Ich suche in ihren Augen nach irgendetwas, aber Amber gibt nicht alles preis. Irgendwo da tief unten drin ist ein Kern, umschlossen von hartem Kristall, ihr ureigenstes Geheimnis, das sie nie freiwillig offenbaren wird.

»Ich denke, es liegt bei Caro, es dir zu sagen«, antworte ich ihr. Meine Hand gleitet an ihren Beinen entlang; dies ist eine der Annehmlichkeiten des Hauses, ich darf bestimmen, dass nur Röcke getragen werden. Zu meiner Überraschung hat Amber einen Slip an.

Ich weiß nicht, warum mich das überrascht. Es ist Winter, und seit fünf Monaten war ich nicht mehr mit ihr zusammen, daran hat sie mich ja heute deutlich erinnert. Das letzte Mal, dass ich ihr eine spezifische Anweisung gab, ist noch länger her, vielleicht zwei Jahre?

Caro ist groß, gute eins siebenundsiebzig und athletisch. Amber ist eine Miniaturpackung reines Dynamit, eine Katze auf Raubzug. Ihr Hintern ist nicht weniger fest und elastisch als Caros, nicht, dass ich vergleichen will, sie sind beide anders und auf unterschiedliche Art attraktiv.

Was tue ich hier eigentlich?, denke ich und gleite mit den Fingern unter ihren Slip, fühle zuerst die kalte Feuchtigkeit ihrer früheren Erregung, dann die Hitze, die sie entwickelt, als sie leise aufstöhnt und sich auf dem Boden windet, die Beine spreizt. Im Rahmen unseres Arrangements haben alle drei mehr oder weniger darauf bestanden, dass sie meine Sklavinnen sind. Aber dies ist nur Teil einer komplexen Struktur. Caro ist diejenige, die mir am meisten dient, die anderen stehen zwar theoretisch auch ständig zur Verfügung, führen aber im Rahmen des Erlaubten ein eigenes Leben.

Ich vögele sie nun mit zwei Fingern, langsam und gleichmäßig, meine Hand wird feuchter, ein Geruch von Amber steigt auf, dringt in meine Nüstern. Ich verteile ihre Feuchtigkeit an dem anderen versteckten Eingang, ihr Atem ändert sich, als ich gegen den Muskel drücke und sie nachgibt. Ich vögele sie weiterhin mit gleichmäßigen Bewegungen, zwei Finger an jedem Ort.

Irgendwann verkrampft sie sich um meine Finger, zuckt und bebt für einen langen Moment, dann atmet sie aus, wird weich.

Ich benutze ihren Rock, um meine Finger zu reinigen.

»Danke, Herr Marcus«, sagt sie leise. Es ist ewig her, dass ich das gehört habe. Zumindest von einer meiner drei Hübschen. Ich nicke, hebe den öligen Lappen auf, der vor ihrem Gesicht auf dem Boden liegt, und schiebe ihn wieder in ihren Mund, gebe ihr einen kleinen Klaps auf den Hinterkopf. Sie nickt leicht, denn sie weiß, dass Caro nicht erfreut gewesen wäre, hätte sie den Lappen nicht im Mund, wenn sie wiederkommt.

Ich bin in einer seltsamen Stimmung, als ich mich wieder nach oben bewege. Sie lag eine Stunde dort, unbeaufsichtigt. Nun, es gab nicht wirklich viele Gefahren, außer einem Krampf, aber theoretisch ist alles möglich. Auch, dass sie an dem Lappen erstickt, vielleicht einen Hustenanfall bekommt und ihn einatmet ...

Ich schiebe den Gedanken zur Seite, aber als ich in meinem Büro angekommen bin, drücke ich den bewussten Knopf, und der Bildschirm schwebt nach oben, lautlos. Amber hat gute Arbeit geleistet. Sie leisten alle verdammt gute Arbeit.

Ich stelle eine der Sicherheitskameras in der Garage auf Amber ein, ich glaube es nicht, sie scheint zu schlafen, ihr Brustkorb hebt sich regelmäßig, ihr Gesicht macht einen fast verträumten Eindruck, ein Lächeln spielt um ihre Lippen. Eine Katze, die ihre Milch bekommen hat.

Ich muss lachen.

Es ist wahrscheinlich wirklich müßig, sich um Amber Gedanken zu machen.

Das Telefon spielt eine Fanfare, ich lege einen Finger auf die Leitungstaste. »Wolf.«

»Marcus, ich bin es. Du wolltest mich sprechen?« Klaus.

»Ja, richtig.« Ich schwenke in meinem Sessel herum, sehe aus dem Fenster. Die Sonne steht hinter dem Haus, es wirft einen Schatten auf den Schnee, ein Kontrast zwischen hell und dunkel.

»Klaus, ich möchte, dass du dir die Eingangsbücher vom Dominion vornimmst. Ich suche einen bestimmten Tag. Streiche die Männer komplett, streiche alle Frauen, die du kennst. Dann versuche herauszufinden, ob eine der Übrigen eine junge Frau war, fast zu jung für den Club, etwa eins sechzig groß, schulterlange, feine blonde Haare, graue Augen. Sie trug einen Lackrock und ein Lackmieder, Sechs-Zentimeter-Pumps. Eine Kette um die Hüften.«

»Wow«, ist die Antwort, »jetzt gleich? Ich bin noch nicht einmal richtig wach!«

»Es ist halb elf, Klaus. Ich will die Liste mit den ungeklärten Namen auf meinem Tisch haben, per E-Mail. Du wirst die anderen raustrommeln, Tanja, Robert und Jürgen, und sie ebenfalls zu der Frau befragen. Ich will den Namen wissen, ob sie jemand kennt, ob sie mit jemandem, den wir kennen, gespielt hat. Alles klar?«

»Gut, ja, natürlich. Wie sah sie noch einmal aus?«

Ich seufze.

»Ich schicke euch allen eine E-Mail mit der Beschreibung. Klaus, das hier ist wichtig.«

Er gähnt.

»Was ist so wichtig an der Kleinen? Wenn du Frischfleisch haben willst, dann kann ich dir ein paar Namen nennen.«

Ich sehe auf das Telefon. Ich glaube, ich werde für meine Mitarbeiter Bildtelefone installieren lassen. Ein Blick in mein Gesicht, und Klaus hätte sofort gewusst, wie ernst die Angelegenheit ist! Ich kann Alice vor mir sehen, und dass er sie als Frischfleisch bezeichnet, macht mich wütend.

»Klaus, wir sprachen schon ausführlich darüber. Ich will nicht, dass jemand in den Club gelangt, der noch minderjährig ist. Das habe ich dir mehrfach gesagt, dafür haben wir ja die Eingangskontrolle! Sollte es sich herausstellen, dass sie noch keine achtzehn war, dann hast du ein Problem.«

»Warum, was ist mit ihr? Ist sie wichtig?«

Ich versuche mir klarzumachen, dass es von seiner Seite eine vollständig normale Reaktion ist. Es gelingt mir nicht.

»Setz dich aufrecht hin, Klaus, und hör mir ganz genau zu. Sonst kann es sein, dass du deinen Porsche verlierst und zu Fuß die Mädels abschleppen musst, die dir jetzt noch in den Schoß fallen. Punkt eins: keine Minderjährigen in unserem Club. Zwei: Das Mädchen ist tot. Ermordet. Drei: Sie war in unserem Club. Vier: Sie war wahrscheinlich nicht volljährig. Fünf: siehe eins. Sechs: Wenn du denkst, ich weiß nicht, dass du manchmal deine Position für eine Muschi verwendest, dann irrst du dich.«

Ich glaube, ich bin sauer. Na denn, dann kann ich ihm ja auch die volle Breitseite geben.

»Sieben: Ich überprüfe alle Warenabrechnungen, und ich sehe es, wenn eine Flasche Cola verschwindet, geschweige denn kistenweise Alkohol. Acht: Zum heutigen Stand hast du dir zweitausenddreihundert Euro aus der Kasse geliehen. Neun: Wenn du so weitermachst, denke ich, dass es sich für mich lohnen würde, mich doch wieder etwas mehr um den Club zu kümmern. Dass ich vielleicht sogar einen neuen Manager einsetzen könnte. Und wenn wir schon dabei sind, Herr Beckmann, dann halten wir mal fest, dass ich Ihnen das ›Du‹ nicht angeboten habe. Wenn ich Sie jetzt frage, ob Sie das verstanden haben, ob Sie ganz genau wissen, was ich von Ihnen erwarte, dann sagen Sie: ›Jawohl, Herr Wolf.‹ Haben Sie mich verstanden? Wissen Sie, was ich von Ihnen erwarte?«

»Jawohl, Herr Wolf«, kommt die gepresste Antwort.

»Sind Sie ganz sicher?«

»Jawohl, Herr Wolf.«

Ich lasse ein paar Sekunden verstreichen, höre seinen Atem auf der anderen Seite.

»Gut. Frau Wolf wird das Dominion heute Abend für eine große Privatparty nutzen. Es wäre zu empfehlen, wenn der Laden tipptopp wäre.«

»Frau Wolf? Entschuldigen Sie, aber wer ... Ich wusste nicht ...«

Mein Gott. Ich schüttle fassungslos den Kopf.

»Caro. Caroline. Ab sofort für Sie Frau Wolf.«

»Ich dachte, das wäre deine ... Ihre ...«

»Hören Sie auf zu denken, oder üben Sie es, bis es klappt! Sie ist schon länger meine Frau, als Sie für mich arbeiten! Wenn ich Ihnen jetzt einen ›guten Tag‹ wünsche, sollten Sie in die Gänge kommen, damit es auch einer für Sie wird. Haben wir uns verstanden?«

»Jawohl, Herr Wolf.«

»Guten Tag, Herr Beckmann.«

Ich lege auf. Ich glaube das einfach nicht! Hat er denn nie mitbekommen, dass alle Gelder, die er für den Betrieb des Ladens erhält, von einer gewissen C. Wolf gegengezeichnet werden?

Ich wähle aus dem Kopf eine Nummer, die ich schon lange nicht mehr gebraucht habe.

»Krüger.« Prompt, nach dem ersten Klingelton.

»Guten Tag, Herr Kommissar«, sage ich.

»Marcus Wolf.« Er hat meine Stimme also auch nicht vergessen. »Ich hörte schon, dass Sie Ihre Freundschaft mit Malowsky erneuert haben, und Gref war auch schon da und hat sich beschwert. Sie müssen unhöflich zu ihm gewesen sein.«

»Gref? Na denn. Der kleine Mistkerl hat ein Drogenproblem. Aber sein Hauptproblem ist, dass er ein Arschloch ist.«

»Deutlich, Marcus. So kenne ich Sie gar nicht.« Er scheint amüsiert. Ich versuche, wieder herunterzukommen.

»Früher habe ich für Sie gearbeitet.«

»Ich dachte, Sie wollen dies wieder tun?«

»Ja. Ich habe das Opfer gesehen. Wie kann ich da Nein sagen? Sie haben auch verdammt noch mal recht. Es sieht wirklich so aus, als wäre es jemand aus der Szene gewesen. Für manche der Dinge, die er tat, braucht es ein wenig Übung.«

»Fällt Ihnen jemand ein?«

Ich schüttele den Kopf. Das kann er natürlich nicht sehen.

»Nein.« Ich lache bitter. »So einfach wird es nicht sein.«

»Das weiß ich auch.« Krüger ist ein Mann, den man respektieren muss, jemand, gegen den ich nie Schach spielen wollte, er ist ein Stratege, schiebt seine Figuren mit Bedacht an die richtigen Plätze, lehnt sich zurück, schaut zu, was passiert, schiebt wieder. Und er ist vollkommen fair. Immer. Er war auch mal mein Mentor, ich bin überrascht festzustellen, dass ich aus dieser Zeit mehr vermisse, als ich annahm.

»Wissen Sie, Marcus, was halten Sie davon, wieder aktiv im Polizeidienst zu sein? Sie sind damals etwas überstürzt gegangen.«

»Ich wurde gegangen. Suspendiert nennt man das.«

»Mhm«, kommt es von ihm. »Das sind alte Kamellen. Außerdem sind Sie bei der Untersuchung mit weißer Weste herausgekommen.«

Ich bin überrascht, das von ihm zu hören. »Was wollen Sie von mir?«

»Dass Sie wieder für mich arbeiten. Als Polizist. Aber Undercover. Sie sind ideal positioniert.« Er macht eine kurze Pause. »Das erleichtert einiges, und es gibt keinen Ärger, wenn ich Ihnen Informationen zukommen lasse.«

»Ich bin mir nicht sicher«, antworte ich. Es sind nur acht Jahre, aber es kommt mir ewig vor.

»Denken Sie darüber nach.«

»Sind Sie sicher, dass Sie mich wollen? Schließlich erinnere ich mich nur zu gut daran, wie eilig man es hatte, mich loszuwerden!«

Ich höre ihn lachen.

»Marcus, ich habe Ihnen immer gesagt, dass ich Sie für einen ausgezeichneten Polizisten halte. Wenn ich Sie verarschen würde, würden Sie es doch sofort herausfinden.«

Seine Stimme wird ernst.

»Überlegen Sie es sich.«

»Aber Krüger, ich betreibe das Chateau und das Dominion noch immer.«

»Sie tun gar nichts. Ihre Frau betreibt es. Und drei unterschiedliche Untersuchungen fanden nichts bei Ihnen, nix, nada, nothing.«

»Ihr habt mich noch mal überprüfen lassen?«

»Natürlich, Marcus, wir sind die Polizei, wir dürfen das.« Er lacht leise. »Sie werden sich Mittwochmorgen um sieben in meinem Büro einfinden. Bringen Sie Ihren Kugelschreiber mit, oder von mir aus auch Ihren MontBlanc. Sie können ja nachher wieder kündigen, wenn Sie wollen. Aber hören Sie sich erst einmal meinen Vorschlag an.«

Ich sitze da und denke nach. Will ich das überhaupt?

»Noch wach, Marcus?«

»Ja.«

»Sie haben meine E-Mail-Adresse?« Klar. KK at Kripo Wien.

»Wenn Sie etwas brauchen bis Mittwoch, fragen Sie mich per E-Mail. Rufen Sie Ihre mal bei Gelegenheit ab. Der Kryptoschlüssel ist ›Haustier‹.«

»Mache ich.«

»Bis Mittwoch, Marcus.«

Ich lege auf und drehe mich in meinem Sessel, eine Angewohnheit, die ich habe, wenn ich mir über etwas klar werden will, und merke, dass Amber nicht mehr im Bild ist.

Einen Sekundenbruchteil lang bin ich erschrocken, dann schalte ich die Kameras durch und sehe Amber, offensichtlich ungetrübt in ihrer Laune, mit Jacqueline und Caro am Küchentisch sitzen. Die drei haben die Köpfe zusammengesteckt und tuscheln.

Verstehe einer die Frauen.

So wie es aussieht, essen wir heute nicht in der Küche, sondern im Speisezimmer, ein Aufwand, den wir uns sonst nicht leisten. Als ich hereinkomme, steht Amber in einem kurzen Dienstmädchenkostüm aus unserem Fundus da, Caro hat sich umgezogen und ist ganz die Dame des Hauses. Jacqueline ist wie immer, nur, dass sie jetzt eine weiße Schürze trägt; das Band der Schürze betont ihre schmale Taille. Der Schmorbraten ist gut. Amber achtet peinlich genau darauf, dass weder Caro noch ich uns groß bewegen müssen; es hätte nicht viel gefehlt, und sie hätte mich gefüttert. Der Gedanke amüsiert mich, und ich merke, wie Caro und Amber Blicke austauschen, als wären sie beunruhigt. Bei Amber kann ich es verstehen, aber Caroline?

Ich ziehe mir einen Kaffee an der Kaffeemaschine in der Küche, ein Ding, das aussieht, als wäre es direkt von Raumschiff Enterprise hierher verschifft worden, zwanzig Knöpfe, ich brauche nur einen. Jacqueline schaut mich empört an, drängt mich fast zur Seite, als sie mir Milch und Zucker hinzugibt und die Tasse dann auf den Küchentisch stellt, blitzblank und aufgeräumt, dorthin, wo ich immer sitze.

Ich bin dickköpfig. Ich nehme den Kaffee mit hoch in mein Büro. Es ist halb zwei, jetzt sollten ein paar Leute wach sein. Ich habe zudem E-Mails erhalten. Zum einen eine Menge Megabytes an verschlüsselten Daten – verschlüsselt oder nicht, elektronische Akten sollten nicht per E-Mail laufen, Krüger weiß das so gut wie ich, es muss wirklich brennen, wenn er bereit ist, so weit zu gehen.

Ich zögere einen Moment, dann belasse ich es dabei, noch will ich die Akten nicht sehen. Ich kenne die Form, den Inhalt. Ich weiß, was ich nicht sehen werde, den entscheidenden Hinweis.

Er ist immer da. Immer. Man sieht ihn nur selten. Später. Im Moment wäre es mir zu viel.

Drei Spams wandern direkt in den Papierkorb, die nächste E-Mail ist von Klaus.

»Christina Schäfer. Tanja kennt sie. Vogelsbergstraße 112. Beckmann.«

Na also, geht doch. Ich bin ein wenig überrascht, dass es funktioniert hat, das Eingangsbuch ist zum Teil eine Farce, die Leute schreiben alles Mögliche hinein, aber unsere Stammgäste bleiben meist bei ihrem Nick, dem Spitznamen, oder aber es sind Neulinge, dann kann es passieren, dass sie eingeschüchtert sind und ihren echten Namen hineinschreiben. Ich überlege mir, ob es denkbar wäre, die Personalausweisnummern zu erfassen, schüttele den Kopf. Der Laden wäre sofort tot.

Ich rufe Klaus an, er ist beim ersten Klingeln dran.

»Dominion Club, Klaus Beckmann am Apparat.« Hui, was ein paar nette Worte doch an Wunder wirken können. Wahrscheinlich ist er stinksauer auf mich, darf und soll er auch ruhig sein.

»Wolf hier. Können auch Sie sich nun an sie erinnern?«

»Ja, jetzt schon.« Er schweigt, die Worte reichen mir aber.

»Sind Sie sich wirklich sicher, Beckmann?«

»Ja«, antwortet er nach einem kurzem Zögern. »Ich habe sie ja auch gesehen, sie stand neben Ihnen und beobachtete, was mit Caro geschah. Man konnte sehen, wie geil sie war.«

Beckmann, du Idiot!

»Also waren Sie mit ihr hinten?«

Das Dominion bietet dem interessierten Publikum ein Bistro, Bar und Restaurant und einige gut eingerichtete Spielzimmer.

Pause.

»Wenn Sie ehrlich sind, haben Sie eine Chance«, sage ich leise. »Noch ist nichts so verbockt, dass es nicht zu richten wäre. Hier geht es um Mord, Herr Beckmann.«

»Ja«, antwortet er leise.

»Wie alt ist sie?«

»Siebzehn.« Ich atme auf, wenn es stimmt, geht es vielleicht gerade so noch durch. Siebzehn Jahre bedeutet heutzutage, dass man ihr Alter nicht mehr sicher erkennen kann und sie kaum aufzuhalten sind, wenn sie sich irgendwo einschleichen wollen. Das gilt für Frauen. Die jungen Männer haben immer noch kaum eine Chance, als älter durchzukommen.

Also hat er mit ihr gespielt.

»Was haben Sie mit ihr gemacht, Herr Beckmann?«

Eine kleine Pause, dann: »Nichts Besonderes. Ein wenig Spanking, Paddle, Dildospiele, fixiert, Verkehr.« Er seufzt. »Die Kleine war echt heiß, war wild auf alles.«

Mhm. Vielleicht.

»Haben Sie sie dann noch einmal gesehen?«

»Nein. Aber Tanja. Sie zog letzten Mittwoch mit der Kleinen eine Nummer auf der Bühne ab. Tanja war Top.«

Was sonst. Sie spielt immer die aktive Rolle, den Top. Sie ist der Originalartikel; wo ich die Fälschung bin, ist sie ein eingefleischter Sadist.

»Gut. Wenn meine Frau den Laden heute Abend inspiziert, was wird sie vorfinden?«

»Alles tipptopp, Marcus, Chef ... Herr Wolf.«

»Herr Beckmann, haben Sie heute etwas gelernt?«, frage ich ihn. Ich habe keine Lust, mir einen neuen Manager zu holen, sie stehlen alle, meint Caro, und die letzte Gehaltserhöhung reflektierte das, sie war kleiner, als sie ohne seine langen Finger ausgefallen wäre.

»Ja, Herr Wolf.«

»Nenn mich Marcus. Wenn du noch einmal Scheiße baust, dann kannst du mich ›Ex-Arbeitgeber‹ nennen. Alles klar?«

»Ja, Marcus«, sagt er, in der Stimme klingt deutliche Erleichterung mit.

»Ist Tanja da?«

»Ja, ich verbinde.«

»Hi, Marcus.« Ich sehe sie vor meinen Augen, sie ist unsere Vorzeigedomse. Groß, blond, stattlich, sie schlug sogar einmal unseren Türsteher beim Armdrücken. Das lag allerdings an ihrem Stilettabsatz auf – oder besser in – seinem Fuß.

»Christina Schäfer«, sage ich als Begrüßung.

»Ja. Klaus hat es mir erzählt. Stecken wir in der Scheiße?«

»Vielleicht. Was weißt du über sie?«

»Nicht viel. Ich kenne ihre Adresse, weil ich mir ihren Personalausweis angesehen habe.«

»Mhm. Warum?«

»Ich wollte es wissen. Sie war ein echtes Naturtalent und ging voll mit. Sie gefiel mir. Ich dachte daran, sie als Act anzuheuern, wollte wissen, wie alt sie ist.«

»Und sie war minderjährig, und du hast den Act doch mit ihr gemacht.«

Sie seufzt.

»Ich war geil auf sie ... es gab ein Taschengeld unter der Hand. In neun Monaten ...«, sie lässt den Satz ausklingen.

Ja, dachte ich, verbittert. In neun Monaten ist sie keinen Tag älter als gestern Nacht.

Ich bedanke mich bei ihr und lege auf.

Schäfer, Vogelsbergstraße 112.

Ich bin ja am Computer auch nicht ganz hilflos, suche also mir selbst die Nummer der Familie Schäfer heraus. Rufe an, eine Frau meldet sich.

»Schäfer?« Die Stimme klingt ganz natürlich.

»Kann ich bitte Ihre Tochter sprechen?«, frage ich höflich, ohne meinen Namen zu nennen.

»Sie ist über den Jahreswechsel bei einer Freundin. Kann ich ihr etwas ausrichten?«

Sie weiß nichts. Ich zögere, dann sage ich: »Danke, nein«, und rufe Krüger an.

»Wolf.«

»Marcus! Haben Sie doch Sehnsucht nach uns? Schon zwei Anrufe in acht Jahren!« Er scheint guter Laune zu sein, das kann echt sein oder auch nicht, Krüger kann selbst gute Laune zeigen, wenn es um ihn herum warme dampfende Brocken regnet. Von der Sorte, die stinkt.

»Das letzte Opfer heißt Christina Schäfer. Vogelsbergstraße 112. Ihre Eltern denken, sie sei zum Jahreswechsel bei ihrer Freundin. Das ist jetzt Ihre Angelegenheit, Krüger. Seien Sie schneller als die verdammte Presse. Sie war siebzehn.«

Es ist still am anderen Ende der Leitung.

»Das ist verdammt gute und schnelle Arbeit, Marcus. Ich kümmere mich direkt darum. Sagen Sie, wie haben Sie das herausgefunden?«

Ich zögere, dann denke ich, dass es nichts ausmacht.

»Ich roch ihr Parfüm am Tatort. Erinnerte mich an das letzte Mal, als ich es roch. Sie war vor sechs Wochen bei mir im Club. Reiner Zufall. Wir führen ein Eingangsbuch. Jeder, der in den Club will, muss sich dort einschreiben. Sie verwendete ihren richtigen Namen. Wie ich sagte, Zufall.«

»Wir brauchen solche Zufälle, Marcus. Aber nicht zu viele davon. Sagen Sie mir die Wahrheit. Haben Sie das Mädchen jemals berührt?«

Einen Moment lang bin ich verärgert, ich habe gedacht, Krüger wäre fair, aber dann rege ich mich ab. Er muss das fragen.

»Nein.«

Aber zwei meiner Mitarbeiter haben sie gebumst.

Das sage ich ihm nicht.

»Mittwoch. Pünktlich«, sagt Krüger und legt auf.

Den Namen herauszufinden ist kein wesentlicher Ermittlungserfolg, früher oder später hätte man ihn gewusst. Drei Tage vor der Mordnacht war sie Tanjas Bottom. Drei Tage gilt es zu füllen. Offensichtlich war Christina ein rühriges Mädchen, fand Geschmack an der Szene. Ich weiß, wie schnell das gehen kann.

Ich nehme einen Schluck Kaffee, er ist kalt geworden in der Zwischenzeit. Ich habe Krüger nicht die Wahrheit gesagt, wenigstens nicht die ganze. Ich habe einen Interessenkonflikt. Genau das, was man mir vorwarf, als man mich suspendierte. Ich frage mich, was Krüger vorhat, das daran vorbeiführt.

Eine Idee kommt mir. Ich nehme meine Kaffeetasse und gehe hinunter in die Küche. Niemand zu sehen. Entweder gehe ich nun wieder hoch ins Büro und suche meine Damen per Kamera, oder ich bewege meine Beine. Ich mache mir einen frischen Kaffee und sehe mal nach, wo sie sind.

Treffer beim ersten Versuch. Sie sind im kleinen Salon, das ist der restaurierte Bereich des Chateaus; es ist nichts davon zu sehen, dass hier einmal Mauern herausgerissen wurden, um einen OP zu schaffen. Keine Kacheln mehr, die französischen Türen sind auch wieder da.

Amber hängt unter dem Kronleuchter, Füße nach oben, splitterfasernackt, Hände hinter ihrem Rücken, ein roter Ball-Gag in ihrem Mund, eine Augenbinde über dem Kopf.

Caro steht vor ihr, sie trägt immer noch das elegante Kleid vom Mittagessen. Sie hält eine Gerte in der Hand und scheint zu überlegen, wohin es gehen soll.

»Moment«, sage ich. Caro zuckt zusammen, ich habe sie erschreckt, so vertieft war sie, dass sie mich nicht kommen hörte. Es gehört sich ja auch nicht, jemanden beim Spiel zu stören. Aber das hier ist jetzt wichtig. Caro nickt nur, ihr Blick sagt mir, dass sie keine Idee hat, was ich wollen könnte, und sie tritt einen Schritt zurück.

Ich gehe zu Amber, nehme ihr den Gag und die Augenbinde ab, nutze die Gelegenheit, ihren Busen zu greifen und fest zu drücken, genieße das Gefühl, als sie sich aufbäumt.

Ich lasse es sein, es ist Caros Spiel, auch wenn ich mir mittlerweile vernachlässigt vorkomme. Warum? Ich könnte Caro den Befehl geben, die Haare zu flechten; und wenn ich dann will, dass sie hier hängt, hängt sie hier oder kümmert sich um meinen Kaffee. Ich bin ein wenig sauer auf Amber; dadurch, dass sie mich gemolken hat, bin ich jetzt nicht so richtig in Stimmung, ich bin ja auch nicht mehr 20.

»Die Sicherheitsbänder von den Überwachungskameras im Dominion. Wie lange werden sie aufbewahrt?«

Amber blinzelt, als ich sie so brutal aus dem Spiel hole, mustert mich überrascht.

»Es gibt schon lange keine Bänder mehr. Wir brennen alles komprimiert auf DVD«, sagt sie, kein bisschen desorientiert. »Die halten ewig und nehmen kaum Platz ein. Ein halbes Jahr. Warum, Herr Marcus?«

Kopfüber nackt vor mir hängend, mit den roten Spuren meiner Finger an ihrem Busen, schafft sie es, mir zu vermitteln, dass ich nicht aufgepasst habe.

Andererseits hebt nun Caro eine Augenbraue, als sie hört, wie Amber mich anredet. Es war mal die hier etablierte korrekte Anrede, aber das verlief sich mit der Zeit. Caro sagt »Ja, Herr« oder gebraucht meinen Namen. In der letzten Zeit hörte ich von Jacqueline oder Amber oft einfach nur meinen Vornamen; mich stört es nicht, aber ich habe wohl die Zügel etwas schleifen lassen. Aufpassen, Marcus, denke ich.

Ich beantworte Ambers Frage nicht.

»Gut«, sage ich und lege ihr den Knebel wieder an. Ich weiß, wo die Scheiben aufbewahrt werden, oder glaube es zu wissen. Ich wende mich an Caro.

»Wann willst du mit ihr in den Club?«

»Heute Abend, so um neun.«

Mhm. »Ich brauche den Rolls in zwanzig Minuten, Caro«, sage ich und betone die Kurzform ihres Namens. Sie trägt ein Kleid, also macht sie einen Knicks. »Ja, Herr.« Ich sehe ihren Blick zu Amber schweifen, sie hat wohl noch ein paar Dinge vor mit ihr. Amber lächelt, als ob sie ein Geheimnis hätte, wahrscheinlich nur um Caro zu reizen.

»Und lass sie nicht so lange hier hängen.«

Nicht, dass das ginge. Amber ist sportlich, aber lange kopfüber zu hängen bekommt niemandem. Ich stampfe davon, aus irgendwelchen Gründen gereizt.

Als ich die Tür hinter mir schließe, höre ich ein Klatschen und ein gedämpftes »Hmhmpf!« Zwanzig Minuten reichen Caro wohl noch aus, um Amber daran zu erinnern, wer hier wen toppt.

Meine miese Laune hält an, ich glaube, Caro merkt es. Der Kaffee in der Thermoskanne ist heiß, ich schenke mir ein, trinke einen Schluck, blicke aus den Wagenfenstern, betrachte die vorbeiziehende Landschaft, ohne sie wahrzunehmen.

Ich bin hundemüde, der Anruf kam in der Nacht, zum Schlafen sind wir beide nicht gekommen.

Ich sehe mir Caro im Rückspiegel an, ihr ist es nicht anzumerken. Natürlich trägt sie die Chauffeursuniform, aber ich habe einen gedeckten Geschäftsanzug gewählt. Sie hat es wahrgenommen, sagt jedoch nichts.

Warum bin ich so unzufrieden? Ich führe ein Leben, um das mich die meisten Menschen beneiden würden.

Ich lehne mich zurück in die Lederpolster und schließe die Augen.

Schatten

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