Читать книгу Und ich war nie in der Schule - Andre Stern - Страница 19

Autos

Оглавление

Ich kann nicht genau sagen, was erstmals mein Interesse an Autos auslöste. Wahrscheinlich ein Gesamtkatalog von Renault, den ich ausführlich studierte, als ich noch sehr klein war.

Ich weiß noch, dass ich in unserer Wohnung im ersten Stock bei Einbruch der Dunkelheit auf den Heizkörper kletterte und von diesem Aussichtspunkt stundenlang durch das Fenster die Autos beobachtete, die durch die Rue de Grenelle fuhren. Ich sah sie mit eingeschalteten Frontscheinwerfern herannahen, betrachtete beim Vorbeifahren die Karosserien von oben und studierte ihr Heck und die Rückleuchten, deren Form und Anordnung mich besonders interessierten, während sie sich wieder entfernten.

Ich schätzte besonders die Autos, bei denen es für jede Farbe und Funktion eigene »Kästchen« gab: orangefarbene für die Blinker, rote für die Standlichter, andere rote für die Bremsleuchten und weiße für den Rückwärtsgang. Ich mochte die Modelle nicht, bei denen sich Standlicht und Bremslicht ein und dasselbe »Kästchen« teilten. Die gelungene geometrische Gestaltung der Rückleuchten des Peugeot 504 gefiel mir besonders gut.


Mit was für ungewöhnlichen Dingen man sich als Kind mit ganzer Hingabe beschäftigen kann! Niemand mischte sich ein, kommentierte, was ich tat, oder störte mich in meinen Beobachtungen – und niemand überredete mich, sie für eine »konstruktivere« Beschäftigung aufzugeben.

Einsam und konzentriert ging ich auf meinem Heizkörper sitzend meinen Beobachtungen nach, und bald schon konnte ich alle Fahrzeuge erkennen; nicht nur die verschiedenen Marken und Modelle, sondern auch die Gemeinsamkeiten verschiedener Modelle innerhalb einer Marke. Ich lernte zwischen einem Kombi und einem Coupé, einer Limousine und einem Cabriolet zu unterscheiden, und mein Lieblingsspiel bestand darin, die Autos anhand des Geräusches oder der Scheinwerferform zu identifizieren. Oft gelang es mir, mit einem kurzen Blick die Ausführung eines Modells – Standard, Luxus, Sport – an charakteristischen Details zu erkennen: die doppelten runden Schweinwerfer mancher sportlichen Autos, die weißen vorderen Blinklichter der Standardausführung des Simca, die teils runden, teils eckigen Scheinwerfer der verschiedenen Versionen des Citroën 2CV.

Mein Lieblingsauto wurde eben dieser 2CV: die Ente. Ich konnte ihr Motorengeräusch nachahmen, mir waren alle Ausführungen vertraut. Ich zeichnete sie mit geschlossenen Augen und hatte meine helle Freude an den federnden Stoßdämpfern der Modellautos, die mir Papa schenkte.

Ich sammelte und zerpflückte alle Autokataloge, derer ich habhaft werden konnte. Um die Autohändler dazu zu bewegen, einem Kind einen ihrer kostbaren Kataloge zu überlassen, hatte ich so meine Strategien entwickelt.

Wenn Papa Auto fuhr, begann ich ihn dabei zu beobachten: das Ballett, das seine Füße auf den Pedalen veranstalteten, seine Handgriffe am Lenkrad und der Schaltung. Ich verinnerlichte das Zusammenspiel von Ursachen und Wirkungen, die Vorgänge beim Beschleunigen, die Motorengeräusche, das Bremsen, das Wechseln der Gänge, das Setzen des Blinkers, die Anzeige des Tachometers.

Aus Papier bastelte ich mir ein Lenkrad und ein Armaturenbrett, mit denselben Anzeigen ausgestattet wie Papas Auto. Das Ganze befestigte ich an der Rückenlehne des Vordersitzes, sodass ich auf dem Rücksitz alle seine Bewegungen imitieren konnte, wenn wir gemeinsam im Auto unterwegs waren.

Mein Großvater begann mir Fahrstunden zu geben. Wir übten mit seinem geduldigen, nachsichtigen, alten Citroën Ami6, als ich ungefähr sechs Jahre alt war.

Und ich war nie in der Schule

Подняться наверх