Читать книгу Alltagsgeschichten aus dem Leben der Madonna - Andrea Pirringer - Страница 6
Im Haus von Nazareth
ОглавлениеDie schwerste aller häuslichen Tätigkeiten war für mich das tägliche Wasserholen. – Wir hatten damals natürlich noch kein Fließwasser im Haus und auch keinen Strom. – Mit meinen zwei Wassereimern und einem Holzstab in der Hand ging ich immer gleich früh am Morgen zum Brunnen, der glücklicherweise nicht allzu weit entfernt vom Haus lag.
Nach dem Wasserschöpfen hatten die beiden Eimer ca. 15 bis 20 Kilo Gewicht. Ich befestigte sie links und rechts an dem Stab und hievte sie mir auf die rechte Schulter. Da ich nur 1,54 Meter groß war, war das eine ganz schön schwere Last für mich und ich erfuhr so schon früh, was es heißt, Kreuz zu tragen.
An Regentagen entfiel diese aufwändige Prozedur, doch leider gab – und gibt es auch heute – in dieser Gegend nicht allzu viele Niederschläge, sodass der nasse Segen von oben nur zwei- oder dreimal im Monat zu erwarten war und in schlechten Jahren sogar ganz ausblieb.
Nachdem ich vom Wasserholen zurückgekommen war, ging ich gewöhnlich zuerst ins Haus, um meinen kleinen Sohn JESUS zu wecken, denn inzwischen war es schon hell geworden. Ich zog Ihm sein Nachthemd aus und legte es sorgfältig gefaltet neben Seine Matte. – Wir schliefen auf einfachen Bastmatten, Möbel hatten wir nicht. - Dann half ich Ihm beim Anziehen des Obergewandes.
Überhaupt spielte sich das Alltagsleben vorwiegend draußen ab, da es in unserem fensterlosen Haus ziemlich dunkel war. Der Vorteil ist natürlich, dass es drinnen immer schön kühl bleibt, vor allem, wenn es zum Mittagsschlaf geht.
Ich gab Ihm ein paar Früchte, die ich für Ihn vorbereitet hatte und Er nahm sie – mit noch leicht verschlafenem Blick – entgegen. „Ist Papa schon zurück?“ fragte Er. „Nein“, antwortete ich, „das wird wohl noch einige Tage dauern, bis er von seiner Reise nach Hause kommt.“ Mit traurigem Blick biss Er in eine Aprikose.