Читать книгу War das schon alles? - Andrea Tuma - Страница 6

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Einleitung

»Was vor uns liegt und was hinter uns liegt, sind

Kleinigkeiten zu dem, was in uns liegt.

Und wenn wir das, was in uns liegt, nach außen

in die Welt tragen, geschehen Wunder.«

Henry David Thoreau

Ein Leben als Selbstversorger auf dem Land. Ein Jahr lang um die Welt reisen, ohne zu wissen, in welches Land es einen als Nächstes führt. Bilder malen und sie in einer eigenen kleinen Galerie ausstellen. Selbst geschriebene Liebesromane veröffentlichen. Welche Träume haben Sie? Ähnliche oder ganz andere? Womöglich glauben Sie auch, keine Träume (mehr) zu haben. Sind Sie sich da wirklich sicher?

Jeder Mensch hat Träume. Sie begleiten uns auf unserem Weg, laufen meist eher im Hintergrund mit, machen sich gelegentlich als spontane Idee bemerkbar – und dienen oft auch als kurze Flucht aus dem Alltag. Selbst dann, wenn es doch eigentlich gar keinen Grund gibt zu fliehen. Im Beruf läuft alles gut, die Partnerschaft ist stabil, die Familie gesund. Nichts Wesentliches fehlt. Und dennoch ist da diese Vorstellung von einem anderen Leben. Ist da der Gedanke, diese Fantasien vielleicht eines Tages wahr werden zu lassen. Irgendwann genügt es nicht mehr, seine Pflichten zu erfüllen, materiell abgesichert zu sein und sich mit dem zufriedenzugeben, was wir haben. Da muss es doch noch mehr geben. Unabhängig davon, wie schön das gegenwärtige Leben sein mag, taucht früher oder später die Frage auf: War das schon alles?

Bei mir kam dieser Punkt mit Anfang dreißig. Ich hatte eine gut bezahlte Position im Projektmanagement, war glücklich verheiratet, hatte eine schöne Wohnung und war gesund. Trotzdem fühlte ich mich oft leer und erschöpft. Wirkliche Freude erlebte ich meist nur, wenn ich im Urlaub war. Ein paar Tage oder Wochen Auszeit. Die Rückkehr ins Büro kostete mich danach jedes Mal Überwindung. Also machte ich mich auf den Weg, um diese Frage für mich zu beantworten.

Nachdem ich begonnen hatte, Menschen im Rahmen von Seminaren, Aufstellungen und Coachings bei ihren Veränderungsprozessen zu begleiten, kamen immer wieder Klientinnen und Klienten mit genau derselben Frage zu mir: War das schon alles?

Wie Maria, eine Frau mit zwei bezaubernden Kindern, einem liebevollen Mann, einem Job, der ihr Spaß machte und viel Möglichkeit zur freien Zeiteinteilung bot. Und dennoch verspürte sie immer wieder die Sehnsucht, ins Ausland zu gehen. Oder Susanne, bei der ein Tumor in der Gebärmutter diagnostiziert wurde. Letztlich stellte er sich als gutartig heraus, doch durch ihn rückte die Vorstellung, mit Singen und Musizieren den eigenen Lebensunterhalt zu verdienen, auf einmal wieder in den Vordergrund. Oder Johannes, der nach jahrelanger harter Arbeit und unzähligen Überstunden in eine internationale Managementposition befördert wurde, inklusive Verdoppelung des bisherigen Gehalts und Firmenauto, wodurch er die Prioritäten im Leben aus einem neuen Blickwinkel betrachtete. Schließlich Daniela, die eine harmonische Partnerschaft führte, in der der eine den anderen fast ohne Worte verstand, es keinen Streit gab, gemeinsame Interessen verbanden, und trotzdem stieg gelegentlich der Gedanke in ihr auf, wie es denn wäre, alleine zu leben.

Finden Sie sich in der einen oder anderen Situation wieder? Vielleicht ja. Vielleicht können Sie diese Beispiele aber auch überhaupt nicht nachvollziehen, weil es bei Ihnen ganz anders ist. Doch die Frage selbst scheint auch in Ihnen zu sein. Warum sonst hätten Sie zu diesem Buch gegriffen?

Unabhängig davon, ob wir uns die Frage bewusst stellen oder ob sie nur in unserem Inneren wirkt – ab dem Zeitpunkt ihres Erscheinens bekommen Bilder und Ideen, die bisher als reine Träumerei abgetan wurden, eine neue Bedeutung. Das ist gut so. Sie weisen auf tiefe Sehnsüchte und innere Bedürfnisse hin. Und zwar auf jene, die wir (noch) nicht leben. Sie zeigen das Potenzial auf, das noch ungenutzt in uns schlummert. Sie sind Hinweise auf innere Anteile, deren Existenz wir entweder noch nicht kennen oder mit viel Disziplin versuchen zu unterdrücken. Diese Visionen von einem anderen Leben sind keine illusorischen Wunschvorstellungen ohne Anspruch auf Verwirklichung. Sie sind Botschaften unserer Seele. In ihnen finden wir Hinweise, in welche Richtung es in unserem Leben gehen kann. Sie bringen uns auf den Weg.

In diesem Buch geht es nicht ums Träumen, Wünschen oder Hoffen. Stattdessen möchte ich Sie ermutigen, ein erfüllendes Leben zu führen. Ein Leben, das Sie subjektiv als sinnvoll empfinden, in dem Sie Freude an den Dingen haben, die Sie tun, und an dessen Ende Sie aus vollem Herzen sagen können: Ich habe gelebt.

Spricht man mit Menschen auf dem Sterbebett, so bedauern sie in der Rückschau nicht, keine Karriere gemacht oder zu wenig Geld besessen zu haben. Sie bedauern vielmehr, sich für ihre eigenen Interessen nicht genügend Zeit genommen, den Menschen, die sie lieben, dies nicht oft genug gesagt, ihre Chancen nicht genutzt, zu wenig gewagt und sich zu oft für den sicheren Weg entschieden zu haben. Sie haben die Frage War das schon alles? ignoriert oder verdrängt.

Genau das soll dieses Buch verhindern. Anstatt die Frage als bedeutungslos abzutun, lade ich Sie ein, ihr Raum zu geben. Ich habe das vor einigen Jahren gewagt, so schwer es mir anfangs fiel. Ich habe die Sehnsucht nach mehr Selbstständigkeit nicht mehr ignoriert, sondern bin ihr gefolgt. Beruflich, und später auch in meinem Privatleben. Ich erkannte, dass mein Bedürfnis nach Freiheit und Unabhängigkeit größer war, als ich es mir eingestehen wollte. Und ich erkannte, wie mein ständiges Streben nach Sicherheit und Absicherung verhinderte, mich auf das Leben voll und ganz einzulassen.

Der perfekte Zeitpunkt, etwas zu ändern, wird nie kommen. Es wird immer eine ganze Reihe von Ablenkungen geben, die Sie daran hindern, sich mit sich selbst zu beschäftigen. Sie werden nie lange suchen müssen, um einen Grund zu finden, jetzt doch nicht mit der Reise zu beginnen. Die Entscheidung liegt bei Ihnen. Ich möchte Ihnen zeigen, dass jeder von uns nicht nur das Recht auf ein erfüllendes Leben hat, sondern wir uns selbst gegenüber verpflichtet sind, jenem Weg zu folgen, der unserer individuellen Bestimmung entspricht. Doch muss ich Sie warnen. Ich verspreche Ihnen nicht die schnelle Lösung. Stattdessen möchte ich Sie ermutigen, einen nachhaltigen Richtungswechsel in Ihrem Leben vorzunehmen. Sofern Sie das möchten.

Dieses Buch beginnt nicht mit dem ersten Schritt, auch wenn das Lesen dieser Zeilen vielleicht Ihr erster Schritt in Richtung Veränderung ist. Bevor Sie entscheiden können, ob Sie bereit sind aufzubrechen, ist es notwendig, dass Sie in sich hineinfühlen, erkennen, was gerade in Ihnen ist – und ob der Zeitpunkt, sich auf Reise zu begeben, schon gekommen ist. Auch ein Blick in die Vergangenheit ist dafür hilfreich. Er hilft zu verstehen, warum wir sind, wie wir sind. Und es ist gut zu wissen, woher wir kommen, bevor wir dorthin gehen, wo wir hinwollen.

Wenn Sie sich entscheiden, den Weg zu beschreiten, begleitet Sie dieses Buch durch die Höhen und Tiefen, die darauf folgen können. Den eigenen Weg zu gehen, bedeutet nicht, von nun an ausschließlich auf Wolke sieben zu schweben. Sie werden auch Schmerz, Kummer oder Rückschläge erleben. Hindernisse müssen überwunden, Widerstände, innere wie äußere, abgebaut werden. Das klingt nach viel Arbeit. Und manchmal ist es das auch. Sie werden mit Fragen konfrontiert, deren Antworten sie erst einmal nicht kennen. Sie werden in die Tiefe gehen und Ihren wahren Wesenskern in all seinen Facetten kennenlernen. Nicht alles, was Sie dabei entdecken, wird Ihnen gefallen.

Mein Anliegen ist es nicht, Ihnen den besten und schnellsten Weg zu zeigen, wie Sie Ihre Ziele erreichen. Dazu gibt es schon mehr als genug Bücher. Vielmehr möchte ich Sie dabei unterstützen, wieder mehr in Kontakt mit Ihrem wahren Wesenskern, Ihrer Seele, zu kommen. Und ich möchte Sie mit Ihren inneren Ratgebern vertrauter machen. Ihre Ziele spielen dabei natürlich auch eine Rolle. Es macht allerdings viel mehr Freude, Ziele zu verfolgen, die wirklich aus dem Herzen kommen und Teil des eigenen Lebenswegs sind, als oberflächlichen Pseudozielen hinterherzujagen.

Der amerikanische Psychiater Milton H. Erickson pflegte zu sagen: »Der Mensch kennt die Lösung seines Problems, er weiß nur nicht, dass er sie kennt.« Tief in unserer Seele wissen wir, was gut für uns ist. Unsere Aufgabe ist es, einen Weg zu finden, uns dieses innere Wissen bewusst zu machen und danach zu handeln. Sie träumen vielleicht seit Jahren davon, am Meer zu leben, hätten gerne einen Hund oder würden sich gerne zu Hause eine kleine Praxis für Ihre selbstständige Tätigkeit einrichten. Warum unterschreiben Sie dann für weitere zehn Jahre den Mietvertrag für eine Wohnung mitten in der Stadt, in der Haustiere verboten sind oder jegliche gewerbliche Tätigkeit untersagt ist? Sie würden Ihren Bewegungsdrang gerne auch in Ihrem Beruf leben und fühlen sich sogar bereit, den Job zu wechseln. Warum suchen Sie dann wieder nach einer Stelle, bei der Sie den ganzen Tag im Büro sitzen müssen? Sie wünschen sich Kinder oder haben den Wunsch zu heiraten, Ihr Partner möchte aber keine Kinder oder ist strikt gegen das Heiraten. Sind Sie sicher, dass Sie in der für Sie richtigen Beziehung sind?

Hinter der Unzufriedenheit mit dem eigenen Leben und dem Gefühl innerer Leere steckt häufig weder mangelnde Klarheit noch Ahnungslosigkeit, was wir eigentlich wollen. Unsere inneren Impulse sind meist sehr eindeutig. Wir nehmen sie nur nicht genügend ernst und folgen nicht der Richtung, die sie uns weisen. Wir stehen uns selbst im Weg und merken es noch nicht einmal. Da ist diese innere Stimme, die uns in eine Richtung lenken will. Doch sie ist nicht allein. Es gibt mindestens eine weitere, die uns das Gegenteil erzählt. Die Macht Ihrer Gewohnheiten in Denken und Handeln wird Sie bei jedem Schritt herausfordern. Und weil das so ist, werden auch Zweifel, Angst und Unsicherheit zu Ihren Wegbegleitern gehören. So einfach und logisch es klingt, jenen Weg zu wählen, der uns glücklich macht, nicht immer ist es leicht, ihm zu folgen. Daher widmet sich dieses Buch auch Ihren inneren Stimmen, bringt Sie mit ihnen in Kontakt und hilft Ihnen, Ihre inneren Ratgeber besser voneinander unterscheiden zu können. Damit Sie herausfinden können, wohin Ihre innere Führung Sie wirklich bringen will.

Lassen Sie uns gemeinsam aufbrechen und sehen, wohin die Reise führt. Ich kann Ihnen nicht sagen, was Sie am Ende erwartet. Was ich Ihnen aber versprechen kann, ist, dass Sie ankommen werden. Sie werden mit neuen Ideen, Erkenntnissen und Erfahrungen in Ihren Alltag zurückkehren, die mehr Freude und Erfüllung in Ihr Leben bringen. Ankommen bedeutet nicht, dass nach Ende der Reise alles erledigt ist. Sie werden bei sich selbst ankommen und beginnen, Ihr tägliches Leben nach all den Erlebnissen und Erfahrungen Ihrer Reise neu zu gestalten. Sie werden (längst notwendige) Veränderungen angehen, weil Sie anders sein werden. Sie werden mehr Sie selbst sein. Ihr Leben wird immer mehr so sein, wie es zu Ihnen passt.

Meldet sich nun eine Stimme in Ihnen, die sagt, dass Sie keine Zeit haben, auf die Reise zu gehen? Vermutlich haben Sie recht. Eine Reise wie diese kann Monate oder Jahre dauern. Genau genommen dauert sie ein ganzes Leben. Daher werden Sie den Großteil davon parallel zu Ihrem Alltag erleben. Das macht es nicht immer einfach. Aber letztlich geht es genau darum: Ihr tägliches Leben neu zu gestalten. Sie werden sich vielleicht nicht mehrere Monate oder Jahre Auszeit nehmen können. Doch Sie können sich so organisieren, dass Sie regelmäßig Zeit und Ruhe haben, um aus dem Alltag auszusteigen. Im Laufe der Reise werden Sie immer wieder aufgefordert werden, sich eine Pause von der Routine zu gönnen. Wenn auch nur für ein paar Minuten. In dieser Zeit werden Sie sich ganz sich selbst widmen, sich mit Ihren Fragen beschäftigen, einen ehrlichen Blick auf sich selbst werfen und manchmal einfach nur entspannen und zur Ruhe kommen. Sollte das einmal nicht möglich sein, brauchen Sie keine Angst zu haben, nicht voranzukommen. Viele Schritte der Reise finden völlig unbewusst im Inneren statt. Sie werden nie stillstehen. Einem bewussten Schritt folgen erst einmal mehrere unbewusste. Diese inneren Prozesse führen früher oder später zu einer Erkenntnis, einer Entscheidung oder dem nächsten Handlungsimpuls.

Ich habe mich vor einigen Jahren auf den Weg gemacht. Ich bin angekommen und nach einiger Zeit wieder aufgebrochen. Nach jeder Reise bin ich mit mehr Vertrauen in mich selbst und das Leben zurückgekehrt. Immer wieder bin ich erstaunt von der Richtung, in die mich meine innere Führung lenkt, und wie natürlich und folgerichtig so mancher »Zufall« ist. Ziele von einst haben ihre Bedeutung verloren, andere Bedürfnisse und Werte sind in den Mittelpunkt gerückt. Ein neues Lebensgefühl ist entstanden, durch das ich Zugang zu meiner inneren Kraft gefunden habe. Ich kenne die Licht- und Schattenseiten des Weges. Ich kenne die Momente der Verunsicherung und Verwirrung ebenso wie die Momente der Freude und Erfüllung. Manchmal ist es anstrengend. Und doch bin ich glücklich, mich für den Aufbruch entschieden zu haben. Mit all seinen Konsequenzen.

Dieses Buch ist keine theoretische Abhandlung, wie man am besten sein Leben lebt. Es ist das Ergebnis meiner persönlichen Erlebnisse und meiner Erfahrung in der Arbeit mit Menschen. Ich möchte Sie mit diesem Buch ein Stück Ihres Weges begleiten und Ihnen Mut machen, die notwendigen Schritte zu gehen. Vor allem möchte ich Ihnen aber auch zeigen, dass Sie nicht alleine sind. Sie sind nicht der einzige Mensch, der das durchmacht, was Sie gerade erleben. Vielen Menschen geht es so und ist es so gegangen. Sie sprechen nur nicht darüber. Und wenn, dann erst, wenn alles vorbei ist und im Nachhinein so einfach wirkt. Für Ihre Reise haben Sie bereits alles im Gepäck. Nun liegt es an Ihnen, zu entscheiden, ob Sie aufbrechen wollen. Wollen wir gemeinsam den ersten Schritt machen?

War das schon alles?

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