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Prolog

Sie nannten ihn den Schlangenweg. Hansen dachte an einen schmalen Pfad, undurchdringliches Dickicht links und rechts, züngelnde Kreaturen. Doch die Realität sah anders aus. Der Weg war bloß eine Zufahrt, die sich bis zu einem großen, eisernen Tor schlängelte, das den Eintritt in eine abgeschlossene Welt markierte.

Er saß auf der Rückbank und schaute in das Halbdunkel der Stadt. Die beiden Uniformierten gingen freundlich und respektvoll mit ihm um. Die Handschellen hatten sie ihm mit Bedauern angelegt. Es täte ihnen leid, aber als ehemaliger Kollege kenne er ja die Vorschriften. Sein Versprechen, ohne Handschellen keinen Ärger zu machen, nützte nichts.

Das Tor öffnete sich. Sie fuhren in eine Gasse, flankiert von vier Meter hohen Mauern.

Der Streifenwagen hielt vor einer Tür aus Metall. Die Polizisten stiegen aus. Hansen musste warten. Sie hatten ihm die Prozedur erklärt. Die motorgetriebene Tür schwang auf, sie gingen hinein, legten ihre Dienstwaffen in ein Schließfach und kehrten zurück, um ihn zu holen. So sollte verhindert werden, dass eine verhaftete Person in der Schleuse an eine Waffe gelangen könnte. Man wusste nie, wie die Leute reagierten, die hier angeliefert wurden.

Sie führten ihn in die Schleuse, die höchstens acht Quadratmeter maß. Links neben dem Eingang sah er die grau lackierten Schließfächer, an der Seitenwand eine Holzbank. Gegenüber befand sich eine verglaste Kabine, in der zwei Justizvollzugsbeamte standen. Sah aus wie ein Kommandostand. Dickes Glas, schusssicher. Die zweite Tür der Schleuse war ebenfalls aus dickem Glas mit metallenem Rahmen und natürlich war sie geschlossen.

An der Scheibe klebte ein von Hand beschriebener Zettel:

NIX ANFASSEN!

AUTOMATIK

Sonderregelungen für Ex-Kommissare gab es nicht. Die Aufnahmeprozedur in der UHA – die Abkürzung für Untersuchungshaftanstalt – wurde für ihn nicht geändert.

Es wurde geprüft, ob er der war, der er sein sollte. Harald Hansen, geboren 1948, wohnhaft in Hamburg …

Er fühlte sich seltsam unbeteiligt. Ein Beamter fragte ihn, ob die Daten korrekt seien. Es war sein dritter Versuch, eine Antwort zu bekommen.

Hansen antwortete mit ›ja‹, obwohl er nicht zugehört hatte. Ein zweiter Beamter, auf dessen Uniform der Name Bremer stand, ein kräftiger Kerl mit tätowierten Unterarmen, den Hansen ohne Uniform für einen Insassen gehalten hätte, führte ihn durch die aufschwingende zweite Tür der Schleuse. Hansen fragte nach dem ›Nix anfassen‹-Schild.

»Die Türen sind mit einer Automatik ausgestattet«, erklärte der Beamte geduldig. »Ist eine Tür offen, bleibt die andere zu. Die Dinger öffnen sich nicht besonders schnell. Passt zu diesem Haus. Hier hat man Zeit. Aber manche Zeitgenossen sind ungeduldig und drücken gegen die Türen, während sie sich öffnen. Das mag die Steuerung der Automatik nicht und streikt dann. Deshalb der Hinweis.«

Er brachte ihn in einen Warteraum, eine bis unter die Decke weiß gekachelte Zelle, mit einem gemauerten Podest und einer Holzauflage als Sitzbank, sonst nichts.

Einige Minuten später musste er sich einer gründlichen Leibesvisitation unterziehen. Es folgte ein kurzes Gespräch, in dem ihm der weitere Ablauf erklärt wurde. Um 2:30 Uhr führte ihn ein Beamter in einen Gang nahe der Eingangsschleuse. Hier befanden sich mehrere Zellen, die der vorübergehenden Unterbringung dienten. Dunkelgrün lackierte Holztüren mit Metallriegeln und kleinen Klappen in Kopfhöhe, die aus der Gründerzeit zu stammen schienen. Der Beamte öffnete eine Tür und Hansen betrat die karge Kammer, in der er die restlichen Nachtstunden verbringen sollte.

Metallisches Klacken des Riegels, rasselnder Schlüsselbund.

Geräusche, die ihn von nun an täglich begleiten sollten und kategorisch wirkten.

Hamburg - Deine Morde. Jeder Mord braucht einen Täter

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