Читать книгу Kooperatives Lernen im Englischunterricht - Andreas Bonnet - Страница 24
2.5.2 Kurzresümee des Forschungsstands
ОглавлениеWohin man auch blickt werden positive Wirkungen von KL, insbesondere im Kontrast zu frontal-lehrerzentrierten Unterrichtsformen herausgestellt. Sie zeigen sich beim sozialen Lernen, bei emotionalen Kategorien wie Motivation oder Selbstkonzept, beim fachlichen Lernen in verschiedenen Domänen, und bei der Qualität der Interaktion. Es ist daher nicht das Ziel dieser Studie, Wirkungszusammenhänge neu zu bestimmen. Der Produktanteil der Untersuchung hat vielmehr die Aufgabe, die unterrichtlichen Wirkungen im Auge zu behalten und dafür aufmerksam zu sein, ob sie in einem erwartbaren Rahmen liegen oder diesen Rahmen deutlich nach unten oder oben verlassen.
Andererseits zeigen sich in der Literatur auch Bedingungen und Limitierungen für erfolgreiches KL. So werden auf Seiten der Schüler*innen Faktoren wie ihre jeweilige fachliche Leistungsfähigkeit, ihre Sozialkompetenzen oder auch ihre Ungewissheitstoleranz als mögliche Einflussfaktoren benannt. Andererseits weist die bisherige Forschung eindeutig daraufhin, dass die tatsächlich zustande kommende Interaktion entscheidend für die Wirkungen kooperativen Lernens ist. Diese Interaktion wird durch die in den kooperativen Materialien angelegte Zielstruktur sowie die darin zum Tragen kommenden Sozialformen stark beeinflusst. In der Literatur wird davon ausgegangen, dass soziale und inhaltliche Lernziele in einem engen Verhältnis zueinanderstehen. Zum einen legt die Literatur nahe, dass bestimmte Qualitäten der Interaktion nicht nur Ergebnis von KL sind, sondern auch eine Bedingung für die Erreichung der fachlichen Lernziele sein könnten. An anderer Stelle ist die Rede davon, dass beide sogar in einem Konkurrenzverhältnis stehen könnten (Pauli/Reusser 2000). Insofern ist das Unterrichtsmaterial von großer Bedeutung, denn es eröffnet bestimmte Möglichkeiten und verhindert andere. Die vorliegende Forschung verweist jedoch auch darauf, dass die in einer jeweiligen Klasse etablierte Lernkultur für die zustande kommende Kooperativität noch wichtiger ist als das Material selbst. Im Zweifelsfall werde das Material an die vorhandene Struktur assimiliert und nicht umgekehrt.
Dieser Gedanke lenkt den Blick auf die Tätigkeit der Lehrer*innen, die die Bedingungsfaktoren erfolgreichen KLs positiv beeinflussen sollen. Sie werden in der Literatur als entscheidende Akteure gesehen, die unterschiedliche Aufgaben haben. Zuallererst seien sie dafür zuständig, förderliche Rahmenbedingungen zu schaffen, die in jeder Art von Unterricht positiv wirken, wie z. B. emotionale Zugewandtheit oder Zielklarheit. Darüber hinaus wird aber auch betont, dass die Lehrer*innen entscheidend die Interaktion in der Klasse beeinflussen. Zum einen wirken sie als Modell unmittelbar. Zum anderen wird es für positiv erachtet, wenn sie auf der Basis intensiver Beobachtung mit zeitlich sehr begrenzten konstruktiven Impulsen die Gruppenarbeit positiv beeinflussen. Dazu sei, so die verbreitete Annahme, v. a. explizites Wissen über kooperative Methoden und grundlegende Prinzipien des KL erforderlich, das in trainingsartigen Fortbildungen erworben werden könne. Daran geäußerte Zweifel sind hingegen nur sehr schwach zu vernehmen. So wird vereinzelt darauf hingewiesen, dass KL mit bestimmten schulischen Prinzipien wie konkurrenzbasierter und auf sozialer Norm basierender Leistungsorientierung in Konflikt gerät und dass diese Konflikte von Lehrer*innen zu moderieren seien.
Strukturell weist die bisherige Forschung zu KL in hohem Maße folgende Eigenschaften auf. Sie hat sich, insbesondere bei den frühen psychologischen Untersuchungen aber auch später noch häufig (1) in Form von Laborstudien, (2) mit Studierenden, (3) über kurze Zeiträume vollzogen. Auch wenn in jüngerer Zeit mehr Studien in schulischem Kontext hinzugekommen sind, ist dennoch deren zeitlicher Rahmen meistens auf Interventionen von einigen Wochen, maximal von wenigen Monaten, begrenzt. Es erscheint uns daher wichtig, unsere Untersuchung (1) in der Schule und mit Schüler*innen und Lehrer*innen selbst durchzuführen, um die institutionell-organisationalen und auf Macht bezogenen Aspekte erfassen zu können, (2) über einen möglichst langen Zeitraum laufen zu lassen, um mittel- und langfristige Effekte im Blick zu haben und (3) den Absichten und Vorstellungen der schulischen Akteure selbst zu folgen und sie bei deren Umsetzung zu unterstützen. Daraus resultieren die folgenden Konkretisierungen der Fragen und des Designs dieser Studie.