Читать книгу Titus Schulgeschichten III - Andreas Dietrich - Страница 6
Paula, Du musst Dich besonders anstrengen!
ОглавлениеDen Schülern und Schülerinnen Wissen vermitteln reicht nicht. Die Schülerinnen und Schüler müssen es auch verstehen. Ein einfaches „Ich habe verstanden“ reicht nicht. Wahrscheinlich die ganze Klasse würde das sagen, wenn ich danach frage. Doch nur die Hälfte von ihnen hätte es wirklich verstanden.
Es muss also eine Lernkontrolle geben. Es muss einen Test geben. Es kann ein unangekündigter Test sein. Es kann aber auch die angekündigte Klassenarbeit sein. Eine Klassenarbeit hat meist eine Länge von vierzig bis fünfundachtzig Minuten. Ein unangekündigter Test kann kürzer sein. Zehn Minuten sind möglich, aber eher unwahrscheinlich. Zwanzig Minuten sind schon wahrscheinlicher.
Zwanzig Minuten hatte ich auch für meinen unangekündigten Test veranschlagt. Im Deutschunterricht kamen in den letzten Tagen die rhetorischen Mittel dran. Heute sollte die Klasse zeigen, ob sie die rhetorischen Mittel kannte.
Die Unterrichtsstunde begann pünktlich. Nach einem gegenseitigen guten Morgen forderte ich die Schüler und Schülerinnen auf, Hefter beiseite zu packen. Jetzt wurde ein Test geschrieben.
Die Schüler und Schülerinnen waren nicht begeistert. Paula hingegen schien es erwartet zu haben. Kein Wunder. Diesen Test gab es in jeder Klasse. Wer Bekannte aus einer höheren Jahrgangsstufe hatte, wusste es. Paula wusste es auch. Sie drehte eine Extrarunde. Aus diesem Grund musste sich Paula auch folgende Sätze anhören: „Paula, Du musst Dich besonders anstrengen. Du weißt ja, was auf dem Spiel steht.“
Paula wusste es. Ich wusste auch, dass Paula am Nachmittag oft lernte. Ihr fiel das Abitur nicht so leicht. Die anderen Schülerinnen und Schüler hatten es oft leichter. „Einmal gehört, nie wieder vergessen“ war aber selten. Die anderen Schüler und Schülerinnen mussten auch noch einmal den Stoff durchlesen. Das reichte den meisten Schülerinnen und Schülern aber. Paula musste sich den Stoff schon mehrmals durchlesen. Dann schrieb sie den Stoff auf. Nach mehrmaligem Lesen hatte Paula den Stoff verinnerlicht.
Zurück zum Test: Nachdem die Schüler und Schülerinnen die Hefte und Hefter beiseite gelegt hatten, verteilte ich den Test. Der Test bestand aus ein paar Fragen. Manchmal wurde das rhetorische Mittel genannt und die Schülerinnen und Schüler mussten es erklären. Ein passendes Beispiel durfte natürlich nicht fehlen. Ich stellte aber auch andersherum die Frage. Ich gab die Definition für das rhetorische Mittel vor und die Schüler und Schülerinnen mussten das korrekte rhetorische Mittel benennen. Es gab natürlich auch Fragen, da gab ich das Beispiel und die Schülerinnen und Schüler mussten das passende rhetorische Mittel erkennen.
Frage Eins lautete zum Beispiel: „Erkläre, was ein Paradoxon ist.“ Die Antwort hätte dann lauten müssen, dass ein Paradoxon ein Scheinwiderspruch war. Ein Beispiel im Buch dafür war „Vor lauter Individualismus tragen sie Uniform“.
Die fünfte Frage lautete: „Nenne das korrekte rhetorische Mittel für folgende Definition: Wiederholung eines charakteristischen semantischen Merkmals des Bezugswortes.“ Natürlich war der Pleonasmus gesucht. Ein Beispiel dafür war der nasse Regen. Trockenen Regen habe ich bisher noch nicht gesehen.
Die fünfzehnte und letzte Frage lautete: „Veni, vidi, vici! Welches rhetorische Mittel ist hier zu erkennen. Gebe auch die Definition an.“ Natürlich war veni, vidi, vici eine Klimax, also eine dreigliedrige Steigerung: Er kam, sah und siegte.
Ich gab den Schüler und Schülerinnen zwanzig Minuten Zeit. Das sollte genug sein. Paula war schon nach fünfzehn Minuten fertig und begann Däumchen zu drehen. Den Unterricht konnte Paula nicht verlassen. In zirka fünf Minuten sollte der normale Unterricht weitergehen.
Nach zwanzig Minuten sammelte ich alle Zettel ein. Die Auswertung sollte dann in der nächsten Stunde sein. Paula sollte alles richtig haben. Das konnte ich schon zu diesem Zeitpunkt sagen. Es gab auch Schülerinnen und Schüler, die es nicht geschafft haben. Davon kann ich aber eventuell ein anderes Mal erzählen.