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Du vermisst sie, oder?

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Schüler und Schülerinnen sind nur Menschen. Wir Lehrkräfte natürlich auch. Wir alle sind keine Maschinen. Wir alle machen Fehler. Wir alle haben Wünsche und Gefühle.

Wir Lehrkräfte wünschen uns, dass die Schülerinnen und Schüler uns verstehen. Dass sie das Wissen, was wir vermitteln möchten, auch verstehen. Wir Lehrkräfte haben keinen Spaß daran, schlechte Noten zu verteilen. Es wäre aber auch unfair, gute Noten zu geben, wenn die Arbeit gar nicht gut war. Dies wäre gegenüber den guten Schülern und Schülerinnen unfair.

Die Schülerinnen und Schüler wünschen sich natürlich gute Noten - wenn sie schon zur Schule müssen. Einige Schüler und Schülerinnen wünschen sich, dass es die Schule nicht geben würde. Doch wie sollten die Schülerinnen und Schüler dann das Lesen, Schreiben und Rechnen lernen? Verträge müssen gelesen werden. Sie müssen unterschrieben werden. Wer die positiven und negativen Auswirkungen nicht zusammenrechnet, ist wohl verloren.

Manchmal wünschen sich die Schüler und Schülerinnen auch ganz einfache Dinge. Marc zum Beispiel. Er saß heute noch auf seinen Platz. Es hatte schon längst geklingelt. Während die anderen Schülerinnen und Schüler fluchtartig den Raum verließen, blieb Marc sitzen. Er war in Gedanken versunken. Ich musste ihn dreimal ansprechen, erst dann antwortete Marc.

Ich wollte natürlich wissen, warum er so in Gedanken versunken war. Ging es ihm gut? War alles in Ordnung? Marc antwortete mit Ja und Nein. Ihm ging es eigentlich gut. Nur Paula nicht. Sie war zu Hause. Seitdem sie im Sportunterricht einen Unfall hatte, sitzt sie zu Hause. Wie es ihr geht, wusste Marc nicht.

„Du vermisst Sie, oder“ fragte ich. Marc bejahte es. Ich fragte Marc, ob Paula es wusste. Marc verneinte. „Sie weiß nicht einmal, dass Du sie magst, oder“ fragte ich. Marc wusste es nicht. Gesagt hatte er es Paula nicht. Er traute sich nicht. Er traute sich auch nicht, zu Paula zu gehen und sich nach ihrem Befinden zu erkundigen. Wenn Freunde von Paula zu Paula gingen, war Marc nicht dabei. Er traute sich nicht. Was würden die anderen Schüler und Schülerinnen denken, wenn Marc mit zu Paula ging? Was würde Paula denken?

„Ist das wichtig, was sie denken“ fragte ich. „Geh doch einfach das nächste Mal mit. Dann erfährst du, wie es Paula geht. Wissen ist doch besser als nichts zu wissen!“

Marc gab mir Recht. Er packte schnell seine Sachen ein. Mit Glück konnte er noch Paulas Freunde erreichen. Er könnte sich ihnen anschließen. Dann würde Marc heute noch erfahren, wie es Paula ging. Vielleicht würde Marc dann auch erfahren, wann Paula wieder in die Schule kommt.

Ob Marc an diesem Tag noch bei Paula war, weiß ich nicht. Ich vergaß Marc auch in der nächsten Stunde zu fragen. Zeit hatte er nicht. Er packte genauso schnell wie die anderen Schülerinnen und Schüler seine Sachen ein und verließ den Klassenraum. Da er so schnell war, konnte ich wohl davon ausgehen, dass er an diesem Tag bei Paula war. Ich weiß es aber nicht. Ich weiß aber, dass Paula zwei Wochen später wieder in die Schule kam. Anfangs kam sie noch mit Krücken in die Schule. Eine Woche später kam sie ohne Krücken an der Seite von Marc in die Schule. Hand in Hand gingen sie nicht. Das musste aber nichts bedeuten. Auf unserer Schule gab es viele Schüler und Schülerinnen, die ein Paar waren und nicht händchenhaltend durchs Schulgebäude gingen.

Titus Schulgeschichten III

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