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1. Kapitel
ОглавлениеMuromachi-Periode
Bunmei-Ära
Christliches Jahr 1472
Takayama, Präfektur Toyama
Dorf Takomoru
Stolz und schwarz thronte auf einem kleinen Hügel die gemauerte Festung des Kriegsherren über dem kriegsgeschundenen Dorf. Sonderlich groß war das Dorf nun wirklich nicht mehr. Die vergangenen Kriegsjahre hatten fürchterlich in ganz Japan gewüte, und weitreichende Verwüstungen angerichtet. Es standen nicht mehr viele Häuser in dem kleinen Dorf, welches vorher schon nicht eben reich gewesen war. Neben vielleicht einem halben Dutzend Bauernhütten stand im Dorfzentrum noch eine uralte Schmiede, deren Feuer auch nicht mehr so brannte, wie man eigentlich meinen konnte. Vom Dorfzentrum führte ein dreckiger, lehmiger, Feldweg hinauf zu der schwarzen Festung. Dieser Weg war nicht einmal besonders gesichert, sondern wirkte genauso verwahrlost, wie der Rest.
Durch das Dorf selbst führte die Straße von Osaka in Richtung Aishi. Und auch diese Straße machte nicht eben einen wohl gepflegten Eindruck, sondern wirkte eher so, daß sie auch ein Opfer der letzten kämpferischen Auseinandersetzung geworden. Auch sie war lehmig und dreckig und zeugte wenig davon, daß es überhaupt noch Menschen in Takomoru gab.
In der Straße oberhalb der Schmiede besaß der Hauptmann der Wache sein eigenes Zuhause. Auch ein Gebäude, welches einmal bessere Zeiten gesehen hatte. Doch diese guten Zeiten waren für Takomoru schon lange Vergangenheit. Das kleine Dorf hatte eine ruhmreiche Zeit erlebt, doch jedoch schon einige Jahrhunderte zurück lag. Damals war das Dorf ein Zentrum der Seifensiederei gewesen.
Folgte man der Straße von der Schmiede nach Osten hin, kam man an die eine Hälfte der Bauernhäuser, die vor einer verfallenen Palisade standen. Ging man dann diesem Weg hinunter kam man an das südliche Wachhaus, in dem immer zwei Soldaten des Kriegsherren ihren Dienst versahen. Auf der anderen Seite des Wachhauses ging die südliche Straße nach Osaka ab. Osaka, welches jetzt bereits eine Großstadt war, in der es alle Annehmlichkeiten des Kaiserreiches zu genießen gab. Doch davon konnten die Soldaten des Kriegsherren Takomoru nur träumen. Hinter der Palisade erstreckten sich in Richtung Osaka die fruchtbaren Felder des Dorfes. Hier wuchs dank eines kleinen Baches so gut wie alles. In dem kleinen Dorf gab es zwar eine winzige Taverne, doch da man nirgendwo Reisschnaps besorgen konnte, nutzen Durchreisende jene nur, um dort zu speisen und zu nächtigen.
Auf der westlichen Seite des kleinen Dorfes ging eine weitere Straße ab. Jene führte in Richtung Aishi, doch bevor man das größere Provinzdorf erreichen konnte, kam zuerst noch ein weiteres Dorf, welches mit zum Lehen des Kriegsherren gehörte. Auch hier lebten nur einfache Bauern. Das Lehen von Kriegsherr Takomoru war nicht reich zu nennen. Es versorgte seine Bewohner und auch seinen Lehensherrn. Doch dies war mehr schlecht als recht.
Im Süden erstreckte sich auch der Abschluß eines Bergrückens direkt neben dem großen Bambuswald, der parallel zur Straße nach Osaka wild vor sich hin wuchs. Am Rande des Berges hatte man einst einen kleinen Brunnen oben bei der Quelle des Baches gegraben, so daß man zumindest die Burg und das Dorf davor immer mit frischem Wasser versorgen konnte.
Die Zeiten waren schlecht. Die Kriege der kleineren Kriegsherren gegeneinander hielt nun schon seit einigen Jahren an, und ein Ende war nicht abzusehen. Selbst der einfache Bauer mußte bei der Verschärfung der Gesetze jederzeit damit rechnen, daß es ihm an den Kragen ging. Entsprechend war auch die Moral der Menschen. Die Wenigsten hatten Hoffnung, daß nun wirklich im geeinten Kaiserreich wieder eine goldene Ära anfing, wie sie einst Nobunaga versprochen hatte, als er das Reich vor zwei Jahrhunderten einte. Der Bürgerkrieg forderte immer noch Opfer.
Takomoru war einmal ein wunderschönes kleines Dorf, welches das Privileg besessen hatte, hinter einer schützenden Palisade zu liegen. Doch die letzten Kämpfe hatten weder etwas von der Palisade, noch vom Dorf sonderlich viel übrig gelassen. Wer während der Kämpfe nicht getötet worden war, besaß ein außergewöhnliches Glück. Der Feind hatte sogar den Hauptweg hoch zur schwarzen Festung belagert. Hätte der Shogun mit seinen eigenen Gruppen nicht in die Belagerung eingegriffen, würde weder von diesem Dorf, noch von der darüber thronenden Festung noch ein Stein auf dem anderen stehen.
Die meisten Häuser des Dorfes hatten den letzten Angriff gerade noch so überstanden. Sehr viele Häuser und Hütten waren ausgebrannt, oder standen baufälligf herum. Manche der einfachen Bauernhütten konnte sogar ein etwas heftigerer Wind einfach umwerfen. Das Dorf machte nicht eben den Eindruck als würde es den nächsten kriegerischen Konflikt noch überstehen. Es sah sogar eher so aus, als wäre das Dorf zum endgültigen Untergang verurteilt.
Doch auch wenn seine Einwohner nicht viel Hoffnung hatten, besaßen sie noch Nahrung und Kleidung und den Schutz ihres Kriegsherren. Festliche Gewänder suchte man in diesem Dorf vergebens, einfache Kleidung herrschte vor. Auch wenn der Kriegsherr noch genug Truppen hatte, um den Kern seines Lehens zu halten, stand außer Frage, daß eine letzte Verteidigung kaum noch mehr möglich war. Es sei denn, der Kriegsherr bekam Hilfe von außerhalb. Doch dies war nicht sehr wahrscheinlich. Takomoru lag nicht an einer der kriegswichtigen Straßen. Also würde der Shogun hier auch keine zusätzlichen Truppen stationieren, um diesen Teil seiner Grenzen zu halten.
Das Dorf war im dauernden Verfall begriffen. Es gab zwar außer dem Schmied noch einige andere Handwerker im Ort. Doch am wichtigsten waren die Schmiede und der Tofumacher. Alle anderen waren selbst für die Dörfler mehr oder weniger entbehrlich. Dies soll jetzt nicht abgedroschen klingen, doch man brauchte nicht sehr viel Phantasie, um sich klarzumachen, daß Takomoru dem Untergang geweiht war. Denn untergehen würde es früher oder später, ein Überleben war noch nicht einmal gesichert, selbst wenn von einem Tag zum anderen das goldene Zeitalter hereinbrechen würde.
So ist in jenen Tagen die Situation im Dorf als unsere Geschichte ihren Anfang nimmt. Und wie jede gute Geschichte beginnt sie in Frieden und Eintracht.