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4. Kapitel

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Den Weg, den der Hauptmann nun vor sich hatte, sagte ihm genauso wenig zu. Am Haus des Seifensieders vorbei, hoch über die Biegung, an der Schmiede vorbei zu dem Weg, der hinauf zur schwarzen Festung führte. Diese Sache mußte er unbedingt seinem Herrn melden.

Herr Takomuro würde nicht sonderlich erfreut sein.

Der Hauptmann ging an den Eingangswachen der Festung vorbei, die auf sein kurzes Nicken nicht weiter reagierten. Auch sie konnten sehen, welches Bündel ihre Kameraden da aus dem Wald bargen. Der Fackelschein war weithin sichtbar.

Hauptmann Asano durchschritt den ersten Festungshof, nur um dann am Haupthaus halt zu machen. An dieser Stelle mußte selbst er sich der Leibwache gegenüber ausweisen. Doch man kannte ihn, auch wenn es ungewöhnlich war, daß er um eine solche Uhrzeit zu seinem Herrn wollte.

Nachdem man den Hauptmann durch die kleine Sicherheitsschleuse in den inneren Burghof geführt hatte, führte eine Zofe ihn zum Speisesaal dieses Bereiches. Hier lebte der Kriegsherr Takomuro. Zusammen mit seiner Tochter und einer Handvoll Zofen, die ihnen zu Diensten waren. Einige der Zofen waren Frauen aus dem unter der Festung liegenden Dorf. Einfache Landfrauen, die so den Unterhalt ihrer Familien ein wenig erhöhten.

Hauptmann Asano ließ sich zum Speisesaal führen, dessen Türen ohne ein weiteres Signal geöffnet wurden. Es dauerte einen Moment, bis er realisierte, daß sein Herr ihn wirklich während des Essens sehen wollte. Also betrat er den kleinen Speiseraum.

Der Kriegsherr lebte nicht sonderlich luxuriös. Die Zeiten waren schwer, der Bürgerkrieg hielt immer noch an. Auch wenn es sich ein wenig abzukühlen begann. Doch dies war ein Umstand, auf den man sich nicht unbedingt verlassen konnte. Mißgünstige Nachbarn gab es genug.

Der Hauptmann aß nicht allein. Er liebte Gesellschaft bei tisch. Da war seine fast erwachsene Tochter, die einen gelben Kimono trug. Unter diesem Kimono trug sie rote Unterkleidung. Eine seltene Farbmischung. Neben ihr saß ihre beste Freundin und Zofe Hara. Jene trug einen schwarzen Kimono mit dunkelblauer Unterkleidung.

Diese beiden Mädchen sahen so harmlos aus, wenn man sie sich näher ansah, dabei hatte Hauptmann Asano in den letzten Wochen durchaus beobachten können, wie gut Hara und Fumiko mit Schwert und Schild umgehen konnten. Während Hara ein Gefühl für das Lanzenschwert hatte, griff Fumiko Takomoru lieber mit einem Katana an und sicherte ihre Defensive mit einem Wakizashi.

Doch der Hauptmann war aus anderem Grund hier, als sich die Waffenkenntnisse zwei seiner Schülerinnen ins Gedächtnis zu rufen. Sein Herr mußte wissen, was vorgefallen war.

Hauptmann Asano verbeugte sich höflich, während er aus den Augenwinkeln beobachtete, wie zwei flinke Hände ein weiteres Gedeck auf den Tisch legten. Es war ein seltenes Privileg mit seinem Herrn speisen zu dürfen.

Der Kriegsherr war ein mittelalter, vom Leben gezeichneter Mann. In seinem schwarzen, durch das Mon seines Hauses kenntlich gemachten, Kimono strahlte er so etwas wie eine amtliche Würde aus. Dieses Lehen hier war nichts besonderes und wenn Hauptmann Asano seinen Herrn nicht so gut kennen würde, wären sie wohl beide schon längst von hier verschwunden. Aber es war ein Lehen mit einem guten Namen und einer Geschichte, die es selten gab. Die wenigsten schwarzen Festungen hatten die dunkle Jahre überlebt.

Kriegsherr Takomoru sah zu seinem Hauptmann hinüber, der langsam an dem niedrigen Tisch Platz nahm. Anhand seiner Augen konnte Hauptmann Asano bereits erkennen, daß sein Herr sicher war, daß es Nachrichten gab. Nachrichten, die ihm, als kriegsherr, nicht unbedingt zu Gefallen waren.

Asano verbeugte sich abermals.

»Herr, ich habe eine Meldung zu machen!«, begann Asano dann.

Kriegsherr Takomoru lächelte zurück und befahl: »Eßt erst einmal. Ihr seht aus, als wärt ihr dem Leibhaftigen begegnet.«

Asano nickte. Wenn er hier bei seinem Herrn aß, würde dies seiner Tochter nicht gefallen. Mariko kochte für ihr Leben gern, doch es war nicht seine Entscheidung gewesen, seinen Herrn beim Abendmahl zu stören.

Während des Essens wurde nicht viel gesprochen.

Als man schließlich damit fertig war, und die Diener die Gedecke und den Tisch abräumten und die beiden Damen Takomoru sich für den heutigen Abend verabschiedeten, schaute ein noch unglücklicher hereinsehender Hauptmann auf seinen Herrn.

»Herr, am frühen Abend waren Angehörige des benachbarten Dorfes eures Lehens bei uns. Sie beschwerten sich darüber, daß eine ihrer Frauen vom Wasserholen von unserem Brunnen nicht zurückgekommen war. Obwohl die Dämmerung einsetzte, ging ich mit einigen Wachen los, um nach dem Rechten zu sehen.«

Kriegsherr Takomoru warf seinem Hauptmann einen skeptischen Blick zu.

»Was ist denn geschehen, Hauptmann?«

Asano schluckte schwer.

»Herr, wir haben die Überreste jener Frau auf dem Weg zum Brunnen gefunden. Derzeit wird sie unten im Dorf aufgebahrt. Ich werde ihren Leichnam bis zum Morgen versteckt halten können, doch sähe ich es lieber, wenn ihr mit hinunter kämt, um sie euch anzuschauen.«

Der Kriegsherr sah seinen Hauptmann noch fester in die Augen.

»Wegen eines Wolfangriffs wollt ihr mich hinunter ins Dorf locken?«

Hauptmann Asano schluckte.

»Herr, wenn ich sicher wäre, daß es ein Wolfsangriff war, stimmte ich euch zu. Doch die Wunden sind derart schrecklich, daß ihr sie euch selbst ansehen solltet. Irgendetwas stimmt da nicht. Kein wildes Tier wäre in der Lage einem Menschen fast alle inneren Organe herauszureißen und zu fressen.«

Kriegsherr Takomoru sah zu seinem vertrauten Hauptmann. Sie hatten schon sehr lange Zeit sehr viele Schlachten geschlagen. Für den Kriegsherrn stand außer Frage, daß sein Hauptmann ihn niemals anlügen würde. Doch es kam hin und wieder vor, daß unvorsichtige Personen Opfer der vielen Wölfe in den Wäldern wurden. Aber der Bambuswald von Takomoru bot Wölfen nicht genug Nahrung.

»Es wird ein durchziehendes Rudel gewesen sein. Bahrt die Leiche bis morgen auf, dann schickt ihr sie mit einem Trupp hinüber ins benachbarte Dorf. Eure Leute sollten dann auch sofort die fälligen Steuern eintreiben, damit es uns hier in der Festung an nichts fehlt.«

Hauptmann Asano nickte.

Ihm gefiel der Gedanke zwar nicht, doch er tat, was er würde tun müssen.

Als sein Kriegsherr ihn zu gehen anschickte, stand er wortlos auf.

Nach dem Passieren der Sicherheitsschleuse und des durchschreiten des äußeren Hofes fühlte er sich noch schlechter. Heute Nacht würde er keinen Dienst bei der Wache tun. Es würde schon schwer genug werden, die einzelnen Soldaten wieder zu beruhigen, und den Horror des halbaufgefressenen Kadavers wieder zu vergessen.

Sein Blick traf den fernen Rand des Bambuswald, und der Bambuswald sah in ihn zurück.

Das Monster im Schatten

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