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1. Interpretationen vom 19. Jahrhundert bis zur Weimarer Republik

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Beginn der Schiller-Forschung

Bereits Wilhelm von Humboldt, ein Zeitgenosse Schillers, versuchte in Über Schiller und den Gang seiner Geistesentwicklung (1830) dessen Werk umfassend zu interpretieren. Insofern stellt sich die Frage nach dem tatsächlichen Beginn der Schiller-Forschung. Helmut Koopmann ist der Ansicht, dass die ,ernsthafte‘ Schiller-Forschung erst relativ spät, Ende des 19. Jahrhunderts, ihren Anfang nahm. Als erste historisch-kritische Edition gelten Schillers sämtliche Schriften, herausgegeben zwischen 1867 und 1876 von Karl Goedeke. Was die Methode betrifft, so ging man positivistisch-biografisch vor und näherte sich dem untersuchten Objekt aus der Perspektive der Verehrung.

Vom Positivismus zur Hermeneutik

Gegen Ende des 19. Jahrhunderts wurde die positivistische Richtung immer mehr von der Hermeneutik abgelöst. Insbesondere Wilhelm Dilthey, der Schleiermachers Ansatz aufgriff, vertrat eine an dem Verstehen, dem Erlebnis und dem Leben orientierte Methode der Geisteswissenschaften. Dennoch beschäftigte man sich noch längere Zeit, eigentlich bis in die ersten Jahre des 20. Jahrhunderts, positivistisch mit Schillers Werk und Leben (Oellers 1976, XXXII). Diltheys einflussreiches Werk Das Erlebnis und die Dichtung (1905) demonstrierte die Methode des einfühlenden Verstehens nur mit Goethe, Novalis und Hölderlin (Albert 1998, 773f.). Zudem dauerte es dann noch etwa zwanzig Jahre, bis sich Diltheys methodischer Ansatz in der Literaturwissenschaft durchsetzte, auch in der Schiller-Forschung reüssierte der geistesgeschichtliche Ansatz nicht, bevor der Erste Weltkrieg begonnen hatte.

Schillerarchiv und -gesellschaft

Wichtig für die Analyse und Interpretation von Schillers Werk waren die entsprechenden Materialien und deren Sicherung. Diesbezüglich verzeichnete man einen Quantensprung, als im Jahr 1889 das 1885 eingerichtete Goethearchiv in Weimar zum Goethe- und Schillerarchiv ausgebaut wurde, sodass die Forschung nun gut auf zahlreiches Material, insbesondere Schillers ausgiebigen Schriftverkehr, zurückgreifen konnte. Darüber hinaus fand sich 1895 auf der Grundlage des „Marbacher Schillervereins“ der „Schwäbische Schillerverein“ zusammen, der 1948 zur „Deutschen Schillergesellschaft“ wurde und in dem man viel wichtiges Forschungsmaterial zentral archivierte. Hierzu wurde 1903 das Schillermuseum in Marbach errichtet. Dazu kamen die zwischen 1897 und 1942 veröffentlichten Rechenschaftsberichte des Vereins und vor allem die seit 1957 herausgegebenen Jahrbücher der „Deutschen Schillergesellschaft“ (Oellers 1976, XXXIIIf.). Für das Schillerjahr zum 100. Todestag wurde 1904 und 1905 eine neue kritische Ausgabe, die von Eduard von der Hellen verantwortete Säkularausgabe in 16 Bänden, veröffentlicht.

Ideengehalt und Verstehen

Zunehmend suchte man nach dem „Ideengehalt“ eines Stücks, zum Beispiel in Don Karlos, welches das Image des Idealisten Schiller besonders befördert hat, deshalb war man um 1900 sehr bemüht, etwa die „Idee der allgemeinen Menschenliebe und Menschenfreundschaft“ (Koopmann 1998, 828f.) darin zu eruieren. Vor dem Hintergrund des aufkommenden Neuidealismus’ forderte man sogenannte Schiller-Persönlichkeiten gegen den negativen Zeitgeist (Oellers 1976, XXXVIII). Fritz Strich eröffnete die Zeit der geistesgeschichtlichen Schiller-Forschung, dabei ging es um „Gehalte“ auf Kosten von Inhalten, man interessierte sich mehr für Formen als für Stoffe, das „zeitenthobene Dasein“ eines Werks schob sich vor die Produktion und Rezeption innerhalb eines historischen Kontextes. Wichtig wurden das , Verstehen‘, die Intuition und das Sicheinfühlen, das heute in den Kulturwissenschaften über die Neulektüre der Phänomenologie wiederentdeckt wird. Oellers geht in diesem Zusammenhang zu Recht davon aus, dass die Zuspitzung auf die Erlebnis-Kategorie in den 1920er und 1930er Jahren die Schiller-Forschung in eine Sackgasse führte, obwohl es ihr trotzdem in Einzelfällen gelungen ist, als geistesgeschichtliche Methode brauchbare Ergebnisse vorzulegen (Oellers 1976, XLIIf.).

Phänomenologie und Einfühlung

Die Grundlage der Geistesgeschichte waren vor allem die Phänomenologie und der Neukantianismus; für die Schiller-Forschung bedeutete dies eine Konzentration auf ethische, erkenntnistheoretische und ästhetische, letztlich also philosophische Fragen. Aufgrund der traditionellen geistesgeschichtlichen Perspektiven beschäftigte man sich gerne mit Untersuchungen wie der nach dem Verhältnis von Realismus zu Idealismus im Wallenstein. Die willkürliche Abkehr der Literaturwissenschaft von historischen Kontexten, die Verabsolutierung von Dichterpersönlichkeiten, denen man sich durch Einfühlung annäherte, die damit verbundene Hinwendung zum Mystischen und damit zum Unkritisierbaren entschärften nicht nur radikal die politische Kritik von Schiller im Dienst der Freiheit, sondern machte ihn im Zug einer allgemeinen Ästhetisierung der Politik den Nationalsozialisten dienstbar.

Einführung in das Werk Friedrich Schillers

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