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Damit das Tabu kein Thema mehr ist

Ein Vorwort von

Katrin Müller-Hohenstein

Kennst du einen? Na, kennst du einen? Diese Frage ist mir oft gestellt worden. Und die Antwort lautete immer: Nein! Nein, ich kenne keinen homosexuellen Fußballer. Ich kenne viele, aber ich kenne keinen homosexuellen.

Das ist aber nur die halbe Wahrheit. Richtig muss es heißen: Ich kenne keinen, von dem ich weiß, dass er homosexuell ist. Weil ich keinen kenne, der es mir persönlich erzählt hätte. Das ist der kleine, jedoch entscheidende Unterschied. Aber wahrscheinlich kenne ich einen – und Sie auch!

Wenn man eine Fußballmannschaft als Abbild der durchschnittlichen männlichen Bevölkerungsstruktur hernimmt, so kann man davon ausgehen, dass es im deutschen Profifußball homosexuelle Spieler gibt. Genauso wie es dunkelhaarige, blonde, große, kleine, selbstbewusste und auch eher schüchterne gibt – aber diese Attribute werden nur in ganz seltenen Fällen diskutiert.

Beim Thema Homosexualität ist das anders! Es ist tabu – und gerade deshalb wird hinter vorgehaltener Hand orakelt. Was ich in den letzten Jahren an abenteuerlichen Spekulationen über mögliche sexuelle Neigungen prominenter Fußballspieler gehört habe, ist in der Tat bemerkenswert. Da kennt also einer einen, bei dem ist er sich ganz sicher, weil der wurde in einschlägigen Etablissements mehrfach gesehen, der Nächste widerspricht dem vehement und bringt gleichzeitig drei neue Namen aufs Papier. Ein bisschen ist das wie Flüsterpost – am Ende steht der totale Unfug.

Was aber würde passieren, wenn sich die betroffenen Fußballer, die ihre Homosexualität bislang verschleiern, die sich regelrecht verstecken, die sich eine unwürdige Scheinwelt aufrechterhalten – was also würde passieren, wenn sich diese Fußballer offensiv outen würden? Ich mag es mir nicht vorstellen. Der mediale Bohei wäre erst der Anfang. Und es wäre vermutlich auch naiv zu glauben, dass sich dadurch mit einem Mal all die stereotypen Männlichkeitsbilder auflösen würden, die tief im gesellschaftlichen Bewusstsein verwurzelt sind, dass dadurch mit einem Mal verstaubte Weltbilder aufbrechen. Leben und leben lassen, das sagen die Menschen in Bayern gern. Schön wär’s!

Nein, ich würde keinem Fußballprofi raten, sich zu outen. Ich kann schon deshalb mit »Outing« nichts anfangen, weil es suggeriert, dass hier ein Mensch etwas »beichten« muss, was nicht normal ist. Normalität? Normalität ist relativ. Stellen Sie sich vor, eine komplette Mannschaft wäre schwul – und keinen interessiert’s. Stellen Sie sich vor, diese Mannschaft holt im Jahr 2014 den Weltpokal. Mit aller Selbstverständlichkeit. Okay, ich phantasiere…

Zugegeben, es wird noch lange dauern, bis das Thema Homosexualität im Fußball zu eben dem geworden ist, was es sein sollte: nämlich keines mehr!

Auf dem Weg dorthin sei Ihnen dieses Buch empfohlen.

Katrin Müller-Hohenstein


Ihre journalistische Karriere begann Katrin Müller-Hohenstein bei einem lokalen Radiosender. Seit 2006 moderiert die renommierte Journalistin die Sportsendung »Das aktuelle Sportstudio« im ZDF. 2008 wurde ihr der Bayerische Sportpreis in der Kategorie »Herausragende Präsentation des Sports« verliehen. Die Fußball-Weltmeisterschaft 2010 in Südafrika begleitete sie als Studio-Moderatorin für das ZDF im Expertengespräch mit Ex-Nationaltorhüter Oliver Kahn. In ihrer journalistischen Arbeit setzte sie sich im Herbst 2010 in einer Sendung des »Aktuellen Sportstudios« mit Tabuthemen auseinander – dabei wurde auch die Frage nach Homosexualität im deutschen Fußball erörtert.

Das Schweigen der Männer

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