Читать книгу Ich rauche gern….und hör jetzt auf! Die erfolgreichsten Strategien Nichtraucher zu werden. Die neueste Forschung - Wissen das wirklich funktioniert. Aufhören und trotzdem schlank bleiben. - Андреас Иопп - Страница 61
Оглавление4. D ie Biochemie des Glücks
Genuss messen, geht das?
„Also mein Genuss und die Lust zu rauchen, sind doch nicht irgendwie messbar. Ich rauche einfach gerne!“ Das glaube ich Ihnen und habe es selbst 20 Jahre „gerne“ getan und diesen „Genuss“ wie Sie ganz real erlebt. Aber hat es Sie nie erstaunt, dass manche Zigaretten gut „schmecken“, man diese besonders genießt und andere belanglos sind? Und was genießen Sie da genau? Rauchen Sie „freiwillig gerne“ oder wird dieses „Gerne“ vom Suchthirn gesteuert? Das „Gerne“ und die Befriedigung/der Genuss lassen sich tatsächlich genau messen. In folgendem Experiment nahmen Raucher an 4 Tagen an 6-stündigen Rauchtests teil, bei denen sie bewerten sollten, wie gerne sie rauchen und wie befriedigend die letzte Zigarette nach 6 Stunden war.[20]
So mechanisch rauchen wir „gerne“
Je niedriger der Nikotinspiegel ist, desto höher bewerten Raucher, wie „gerne“ sie rauchen, also wie groß der Genuss und die erreichte Befriedigung war. Nach einer längeren Pause versuchten die Testraucher, mit mehr und tieferen Zügen noch mehr Nikotin aus einer Zigarette herauszuholen. Das ist auch der Grund, warum es wenig bringt, den Zigarettenkonsum zum Beispiel um 2-3 Stück pro Tag zu vermindern. Sie werden versuchen, mehr aus den übrig gebliebenen Zigaretten herauszuholen und inhalieren die Schadstoffe, wie bei Light-Zigaretten, dann noch tiefer in die Lunge.
Die Testraucher zeigen es ganz deutlich: Zigaretten werden am meisten „genossen“, je größer das Nikotindefizit wird. Der empfundene Genuss ist eine direkte Folge des abfallenden Nikotinspiegels. Sie werden zur Marionette des Nikotins. Das hat wenig zu tun mit dem selbst gewählten Genuss und Lebensstil, der uns in der Zigarettenwerbung vorgeführt wird.
Wenn Sie gerne Austern essen, ist es ein Genuss, es zu tun. Sie würden auch nie Austern nach 60 Minuten besser bewerten, weil Ihr Austernblutspiegel gerade sinkt. Im Gegenteil! Jede Stunde Austern essen, das würde zur Qual. Wir reden bei Nikotin-Rauchen also weder über Gewohnheit noch über selbst bestimmten Genuss, sondern ganz banal und ganz mechanisch über Nikotinspiegel, Abbauzeiten, Entzugsgefühle, Anzahl/Tiefe der Nikotinzüge und Befriedigung durch den Wegfall von Entzugsunruhe. Natürlich empfindet man es als angenehm und befriedigend, sich aus einem zu tiefen Nikotinspiegel wieder herauszurauchen. Da sich der Nikotinspiegel nach 30 Minuten halbiert hat, kommen viele Raucher auf 12-20 Zigaretten pro Tag.
Rauchen nach Zahlen - das Rauchmuster
In der genannten Studie hatten 71% der Rauchtester nach 6 Stunden den starken Wunsch, eine zu rauchen, 49% nach 3 Stunden und nur 28% nach 30 Minuten.[21] Das ist nichts Überraschendes für einen Raucher: Je länger man wartet, je mehr will man rauchen. Warum dann die Prozentangaben? Um es kompliziert zu machen? Nein. „Ich habe Lust zu rauchen“ hört sich an wie ein herrliches, freies Gefühl. Tatsächlich zeigt aber die offenbar kleinkarierte „Lust nach %-Zahlen“, dass darin kaum Abenteuer & Freiheit steckt, sondern vielmehr automatisierter Zwang. Drei Stunden! Das ist für viele die Grenze, sich ohne Zigarette noch wohl zu fühlen. Das kennen Sie bestimmt auch: Da sitzt man im Restaurant mit Freunden und gönnt sich ein mehrgängiges Menü. Doch schon vor dem Dessert steht man vor der Tür und qualmt. Ganz „freiwillig“ und „gerne“ natürlich. Auch das leckerste Schokoladentörtchen wird zur Qual, wenn man nicht vor Ende des Menüs vor die Tür kann und endlich „genießen“ darf. So wird ein wunderbares Essen nur dadurch miserabel, dass wir nicht rauchen dürfen, unzufrieden werden und unter Druck geraten. Es entsteht eine der vielen Mini-Stress-Situationen, wie sie Raucher immer wieder über den Tag verteilt erleben. Wenn man dann endlich kann, qualmt man „gerne“ die „Genuss-Zigarette“.
So funktioniert die Sucht
Bei 20 Zigaretten am Tag fluten Sie Ihr Nervensystem mit 200 kleinen Nikotindosierungen. Nach wenigen Sekunden dockt das Nikotin an vielen Andockstellen im Körper an. Stresshormon wird ausgeschüttet. Ihr Herzschlag und Blutdruck steigen an. Nach 7 Sekunden ist das Nikotin an den Andockstellen im Gehirn. Diese Andockstellen befinden sich im Belohnungszentrum des Gehirns und sind für körpereigene Stoffe vorgesehen, welche die Ausschüttung von Glücksbotenstoffen stimulieren. Nikotin missbraucht diese Andockstellen. Wegen der häufigen Überflutung mit Nikotin-Molekülen stumpfen die Andockstellen schnell ab und werden immer weniger sensibel für die körpereigenen Stoffe. Gleichzeitig steigt durch das Nikotin die Anzahl der Andockstellen. Abhängige Raucher haben doppelt so viele wie Nichtraucher. Beides bedeutet leider, dass Sie nun immer mehr Nikotin für denselben Effekt brauchen, um die Ausschüttung von Glücksbotenstoffen zu stimulieren. Das nennt man Gewöhnung. Ein Effekt, den Sie bei allen Drogen finden. Deswegen steigt auch die Zigarettenzahl mit den Raucherjahren an, um eine ähnlich befriedigende Wirkung zu erreichen und sich halbwegs normal zu fühlen. Die internen Marketing-Papiere der Zigarettenindustrie kalkulieren in freudiger Erwartung diesen zusätzlichen Absatz durch Drogengewöhnung pro Raucher gleich mit ein.[22] Die täglich gerauchten Zigaretten steigen während 10-15 Raucherjahren um durchschnittlich 30% an. Stellen Sie sich darauf ein: Über die Jahre werden Sie immer mehr Geld ausgeben, um diesen Gewöhnungseffekt der Andockstellen auszugleichen.
Rauchen… um sich besser zu fühlen
Wie bei allen Drogen, bei denen sich der Botenstoffwechsel im Gehirn nachhaltig verändert, nehmen durch die vermehrten Andockstellen leider auch Stimmungsschwankungen und Stressanfälligkeit mehr und mehr zu. Rauchen Sie mal nicht und bleiben deshalb die Andockstellen im Belohnungszentrum des Gehirns unbesetzt, dann verschlechtert sich Ihre Stimmung, Sie werden nervöser, gereizter und unkonzentrierter. Raucher haben viel zu viele Andockstellen, um selbst ausreichende Mengen des körpereigenen Stoffs (Acetylcholin) zu produzieren, um damit dann alle Andockstellen zu besetzen und so an die Glückbotenstoffe zu kommen. So müssen Sie immer weiter Nikotin rauchen, um sich normal zu fühlen. Rauchen ist also kein Vorteil, wie es viele Raucher darstellen. Im Gegenteil: Nikotin verursacht erst die strukturellen Veränderungen im Belohnungszentrum des Gehirns. Nikotin löst eine konstante Mangelsituation aus, die Sie dann mit Nikotin ausgleichen. Sie rauchen „gerne“, damit ein ungutes Gefühl, eine Leere, ein leichtes unbefriedigtes Gefühl verschwindet. Der Raucher empfindet diese Entlastung als Belohnung und Genuss. Man fühlt sich besser. Die Lust auf die Zigarette ist umso größer, je mehr Ihr Nikotinspiegel fällt und je weniger die Andockstellen besetzt sind.
Veränderungen am Belohnungssystem
Zurück zu Ihnen: Die einzige Möglichkeit, Veränderung in Ihrem Belohnungszentrum wieder rückgängig zu machen, ist es, dem Gehirn für einige Wochen das Nikotin zu entziehen. Dann bildet sich die Anzahl der Andockstellen zurück, und diese werden auch wieder sensibel. Schon bald reichen dann Ihre eigenen Nervenbotenstoffe wieder aus, damit Sie die Zufriedenheit aus Ihren Botenstoffen wieder stärker spüren, stabilere Stimmung haben und weniger stressanfällig sind.
Nikotin: Was ist das nur für eine langweilige Droge? Sie bekommen keinen wirklichen Rausch, sondern gleichen nur ein vom Nikotin verursachtes ungutes Gefühl aus, um sich anschließend normal zu fühlen. Und bezahlen auch noch dafür. Ein normales Gefühl, dass jeder Nichtraucher schon hat. Mit der Videoanimation am Ende des Kapitels verstehen Sie sofort, wie Nikotin die Veränderungen am Belohnungszentrum verursacht und sie vom Nikotin abhängig werden. Versäumen Sie dieses Video bitte nicht.
Raucher glauben weiter an Genuss & Vorteil
„Hm, na gut, also ich rauche, um diese Andockstellen zu besetzen und mich wieder normal zu fühlen. Aber für einen kurzen Moment fühle ich mich bestimmt besser als ein Nichtraucher.“ Genau. Das ist der zentrale Punkt! Viele Raucher verstehen instinktiv sofort, wie Nikotin das Belohnungszentrum verändert und wie man mit Nikotin die Entzugserscheinungen systematisch wegraucht. Trotzdem glauben sie felsenfest, ohne Nikotin auf etwas zu verzichten. Deswegen können sie nicht aufhören. Raucher glauben fest an die Vorteile, dass Rauchen in bestimmten Situationen beruhigt, den Stress lindert, konzentrierter macht und daran, dass man für kurze Zeit nicht nur das Normalniveau des Nichtrauchers erreicht, sondern darüber liegt. Dieser wichtigsten aller Fragen gehen wir später noch genau nach: Ob Rauchen ein Genussgewinn ist oder ein Nachteil für Ihr Lebensgefühl.
Kurzinfo für Schwangere: Nikotin in der Schwangerschaft
Die vermehrten Andockstellen findet man auch bei Kindern von Müttern, die in der Schwangerschaft geraucht haben. Das Ungeborene raucht immer mit. Es ist also kein Zufall, dass Säuglinge von rauchenden Müttern nach der Geburt häufiger unruhig und verhaltensauffällig sind als die Kinder nichtrauchender Mütter und nach der Geburt erst einmal Entzugserscheinungen haben.
Stellen Sie sich vor, wie sich die Gehirnzellen ihres Ungeborenen Tag für Tag aufbauen, entwickeln, teilen und vermehren. Das unglaubliche Wunder des entstehenden Lebens, der sich aufbauenden Zellen, kann durch Nikotin gestört werden. Nikotin kann zu den falschen Zeitpunkten der Entwicklung des Gehirns Nervenbotenstoffe stimulieren, welche die Zellvermehrung und das Wachstum hemmen. So kann man im Tierexperiment, wenn Nikotin zugeführt wird, nachweisen, wie bestimmte Hirnregionen weniger Nervenzellen haben.[23] Außerdem kommt es zu nachhaltigen Veränderungen an den Andockstellen im Belohnungszentrum des Gehirns, die Sie ja schon von Ihrer eigenen Nikotinsucht kennen, nur dass diese Veränderungen viel nachhaltiger sind, wenn sie während des Aufbaus des Gehirns passieren. Kinder von Müttern, die in der Schwangerschaft geraucht haben, sind später häufiger verhaltensauffällig, haben häufiger ADHS (Aufmerksamkeits- und Hyperaktivitätsstörung) und vermehrt Stimmungsschwankungen und Depressionen.[24] [25] [26] Viel zu wenige Schwangere wissen, wie stark das Rauchen in der Schwangerschaft die spätere Psyche und das Belohnungszentrum des Kindes prägt.
Fazit
Nikotin dockt an die Andockstellen im Belohnungsteil des Gehirns an. Durch das viele Nikotin stumpfen diese aber ab und die Anzahl der Andockstellen verdoppelt sich.
So können körpereigene Stoffe nicht mehr alle Andockstellen besetzen, um genügend Glücksbotenstoffe zu stimulieren.
Dadurch müssen Sie immer weiterrauchen, um sich normal und zufrieden zu fühlen.
Sie rauchen einen durch Nikotin verursachten Botenstoffmangel weg, der Unruhe und Unzufriedenheit schafft, empfinden dies aber als Genuss und Gewinn.
Je niedriger der Nikotinspiegel ist, desto mehr wird das Rauchen als subjektive „Verbesserung“ genossen.