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Die Vorfahren

In einer Ahnenbibliothek in den Vereinigten Staaten sucht M nach seinen Vorfahren. Diese stammen aus dem französischen Raum. Einige Vorfahren des Mannhaften siedeln nach Ostpreußen, dem heutigen Kaliningrader Gebiet. Die Ahnen lassen sich drei Generationen zurückverfolgen. Ihre Berufe waren Stellmacher-, Schmiedemeister sowie Gast- und Landwirt.

In Ostpreußen besitzt ein Gast- und Landwirt ein 40 Morgen großes Anwesen mit einer Wirtschaft. Hier befindet sich das einzige Telefon der Ortschaft! Statt Wasser aus der Leitung gibt es auf dem Hof einen Brunnen. Das Leben in Ostpreußen ist Anfang des 20. Jahrhunderts im Vergleich zu unseren heutigen Verhältnissen sehr hart und für viele kaum vorstellbar. Der Gast- und Landwirt hat vier Kinder, drei Söhne sowie eine Tochter, und lebt nacheinander mit fünf Frauen zusammen. Das erste Kind ist ein Junge und wird in diesem Buch als Herrscher bezeichnet. Mit 17 Jahren siedelt dieser nach Berlin. Hier arbeitet er für eine Firma im Ölgeschäft. Bei einer Messe in Köln lernt der Herrscher den Handelsvertreter Gott ist Gütig kennen. Dieser lebt auch in Berlin. Zwischen beiden entsteht eine dicke Freundschaft, die über den Krieg hinaus andauert. Der zweite Sohn verliert sein Leben auf dem Vormarsch in Russland. Die Siegende ist das dritte Kind und der Adler, das vierte. Dieser besucht das Gymnasium. Alle Mütter sterben entweder kurz nachdem sie ihre Kinder geboren haben oder trennen sich vom Mächtigen, wenn ihnen dessen Lebensweise nicht mehr passt.

„Keine 70 Jahre später spricht man bei einer derartigen Konstellation auch von einer Patchwork-Familie.“

1944, der 2. Weltkrieg ist im vollen Gange, befindet sich die Rote Armee bereits im Vormarsch Richtung Ostpreußen. Der Adler und seine inzwischen hochschwangere Schwester, die Siegende, fliehen zu Fuß mit einem Handwagen vom Hof. Ihr Ziel ist ihre Verwandtschaft nahe Berlin. Der Mächtige verstirbt noch in Ostpreußen. Die Siegende bringt während der Flucht im Oktober ein Kind zur Welt. Die Geburt findet bei einer Ordensschwester statt, die auch zur Familie gehört. Adler, Siegende, mit Kleinkind und Ordensschwester treffen in Schlesien aufeinander. Die Flucht geht Richtung Karlsbad. Der Adler und die Ordensschwester werden ins Erzgebirge evakuiert. Der Adler übernachtet oft im Straßengraben. Sie helfen anderen, andere helfen ihnen. Ordensschwester und Adler laufen zu Fuß Richtung Berlin. Endlich treffen sich alle bei der Verwandtschaft nahe Berlin wieder. 1945 verhilft der Herrscher seiner Schwester mit dem Kleinkind zur Übersiedlung nach Berlin. Der Adler fühlt sich entwurzelt. Ihm fehlt das Zuhause, die Heimat, er weiß nicht weiter. Ein Zurück ins alte Leben gibt es nicht. Mutter und Vater sind tot. Ostpreußen ist bereits in russischer Hand. Wie soll es weitergehen. Alles, woran er je geglaubt hat, ist zusammengebrochen. In Berlin dürfen nur Leute wohnen, die dort auch arbeiten. Auch der Adler muss überleben und etwas zu essen bekommen. Schließlich fällt zu seinem Glück von anderen die Entscheidung: „Werde Bäcker“. Der Adler erhält eine Ausbildungsstelle im Bäckerhandwerk und darf nun in Berlin wohnen. Um Anschluss zu finden, beginnt er mit Boxen im Verein. Mit 20 Jahren schließt er seine Berufsausbildung zum Konditor ab und sammelt Erfahrungen in Baden-Baden, der Schweiz und schließlich in Berliner Hotels. Siegende, mit Kind sowie der Herrscher besuchen oft zusammen Gott ist Gütig und dessen Frau, die Heilige. Dort treffen sie auf die Schutzgöttin, die bezaubernde Nichte. Die Schutzgöttin wird als sehr hübsch beschrieben. Die Siegende beschwört den Adler, beim nächsten Besuch mitzukommen.

Die mütterlichen Ahnen lassen sich sieben Generationen zurückverfolgen. Die Aufzeichnungen reichen bis ins Jahr 1776. Alle Ahnen übten verschiedene Berufe aus. So ist die Rede von einem Lustgärtner sowie Maler-, Tischler-, Schneider-, Kürschner-, Schuhmacher- und Bäckermeister. Weitere Berufe sind Küster, Schmied, Sekretärin, Handarbeitslehrerin und Schneiderinnen.

Die Schutzgöttin wird in Berlin geboren. Sie ist die erste Tochter des Entschlossenen, einem selbstständigen Malermeister und der von Gott Geliebten, einer Schneiderin. Die Schutzgöttin wird in der Kaiser-Wilhelm-Gedächtniskirche getauft und mit 14 Jahren dort konfirmiert. Sie besucht Grund- und Mittelschule und möchte Sekretärin werden. Dies wird ihr jedoch von der Heiligen ausgeredet. Sie schlägt vor: „Werde doch Lehrerin“. Ja, dies ist die richtige Entscheidung, jetzt möchte die Schutzgöttin Lehrerin werden. Alle angehenden Lehrerinnen werden 1942 ein halbes Jahr lang in den Lehrerbildungsanstalten in Sport, Englisch, Singen und anderen Fächern unterrichtet. Sie gehört zu den 25 Prozent, die die Aufnahmeprüfung bestehen. Kurz vor den Sommerferien werden die angehenden Lehrerinnen nach Österreich evakuiert. Es heißt auch, sie müssten gemeinschaftliches Zusammenleben erleben. Sie werden in verschiedene Burgen unterrichtet und leben dort. Das Examen muss in Deutschland erbracht werden, da sonst keine Berechtigung zum Lehren in Deutschland besteht. Zuvor absolvieren sie ihre Praktika in Österreich, indem jede eine halbe Stunde lang je Woche an einer Schule in der Ostmark unterrichtet. Im Oktober 1944 wird ihnen in Salzburg die Sportprüfung abgenommen. Alle fahren zurück nach Berlin. Hier erlebt die Schutzgöttin einen Bombenangriff auf die Bahn. Im selben Jahr wird die elterliche Wohnung ausgebombt. 1945 überlebt sie zusammen mit einigen Mitschülerinnen einen Bombenangriff auf ihre Schule in Berlin. Alle sind im Keller verschüttet. Mit 19 Jahren legt sie ihre Lehrerprüfung ab. Ihr Praktikum absolviert sie in Zossen. Alle Kinder kommen aus dem Krieg und wollen lernen. Ein anderes Mal wird die Schutzgöttin im Keller versteckt. Um nicht von den Russen entdeckt zu werden, trägt sie weiße Wäsche, ein weißes Kopftuch und steht hinter Betten, die an der Wand lehnen. Die Schutzgöttin hat immer wieder Glück und überlebt alle Angriffe, schläft mit anderen im Luftschutzkeller, wird schließlich von einer noch lebenden Tante am Nollendorfplatz aufgenommen und erst in einem Kellerverschlag, später auf einem Hängeboden versteckt. Im Anschluss erhält die Schutzgöttin ihre Einberufung zum Arbeitsdienst, dem Bund Deutscher Mädel. Sie kommt zu den Amerikanern in eine Kaserne. Hier werden Bücher sortiert. Dann erfährt sie, alle Bücher werden verbrannt! Sie soll sich ein schönes Buch mitbringen und lesen. Sie denkt auch oft, wie soll es weitergehen? Schließlich macht sich die Schutzgöttin zu Fuß auf den Weg zu ihrer Familie im Berliner Süden. Über den heutigen Tempelhofer Damm kommt sie zum Teltow-Kanal. Die Brücke wurde gesprengt und hängt in der Mitte herunter. An den Straßenbahnleitungen, die keinen Strom führen, halten sich die Leute fest, um die Brücke zu überqueren. Die Schutzgöttin und ihre Familie finden wieder zusammen. Die ersten Wochen nach dem Krieg sind sehr primitiv. Sie haben kein Wasser, nichts zu essen und keinen Strom. Nicht alle Studienkolleginnen überleben den Krieg. 1946 wird die Schutzgöttin im Bezirk Berlin-Mitte als Hilfslehrerin eingestellt und Anfang 1953 gekündigt, da sie als Westberlinerin nicht in Ostberlin beschäftigt werden darf.

Beim Besuch der Heiligen und Gott ist Gütig lernt sie den Adler kennen. Schutzgöttin und Adler verlieben sich ineinander und heiraten. Sie singt, spielt Klavier, Geige und Flöte. Schließlich erhält sie als Lehrerin in West-Berlin eine Anstellung. Sie unterrichtet Deutsch und Musik, gründet einen Schulchor und tritt mit diesem bei öffentlichen Veranstaltungen wie Schulmusikwochen oder Weihnachtssingen in der Kirche auf. Der Adler entscheidet sich für ein Pädagogikstudium zum Fachschullehrer, Bereich Konditor. Die Schutzgöttin ist zunächst Alleinverdienerin. M, der Mannhafte, ist der Sohn von Schutzgöttin und Adler.

Lebensbuch einer Alten Seele

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