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Kapitel 4 oder der 4. Tag im Adventskalender

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Zwar war es heute früh frisch gewesen, das Wetter zeigte einem doch, dass es inzwischen eindeutig Herbst geworden war, doch als Isolda den Frühstückssaal direkt hinter Leonhard verliess, verirrten sich doch die ersten Sonnenstrahlen durch die Fenster ins Schloss hinein.

Da hielt sie natürlich nichts mehr und sie lief die Treppe hinunter und hinaus in den Schlosshof.

Ja, ihre Nasenspitze wurde von der Sonne gekitzelt. Aktuell noch nicht, doch im Laufe des Tages sollte die Sonne hoffentlich noch ausreichend Kraft bekommen, damit es angenehm warm werden würde.

Die Prinzessin grinste und freute sich, denn dann würde sie den Tag noch einmal draussen im Wald geniessen können, so wie sie es so gerne tat. Sie malte sich schon aus, wie sie an ihrem kleinen See sitzen würde, wie die Sonne durch die Baumwipfel fallen und den See zum Glitzern bringen würde.

Ja, das war ein Plan, beschloss sie, und lief zurück ins Schloss, sich umzuziehen.

Nur einige Minuten später war sie wieder im Schlosshof und spazierte quer über den Hof in Richtung Stall zu ihrem Pferd.

Das stand brav wie immer im Stall und freute sich wiehernd, als es die Prinzessin sah, bekam seine Streicheleinheiten am Kopf und natürlich auch eine Möhre und einen Apfel, welche in der Schale zum Füttern bereit standen und nicht schön genug oder schon zu alt und leicht schrumpelig waren, um in der Küche des Schlosses verwendet zu werden.

Sie war gerade dabei, den Sattel aufzulegen, als drei Ritter ihre Pferde an ihr vorbei nach draussen führten und dabei höflich grüssten.

Sie schaute genauer, doch ihr Bruder war nicht unter ihnen, sie waren alle samt viel zu alt für den Prinzen.

So folgte sie den Rittern, als auch sie ihr Pferd aus dem Stall führte, die nur einen Moment vor ihr zum offen stehenden Tor hinaus ritten, grüsste die Torwachen freundlich mit einem Winken und Lächeln auf den Lippen zurück, als diese artig grüssten, wie es sich gehörte und bekam auch ein Lächeln von dem jüngeren der beiden Wachen zurück, was er nicht ganz verkneifen konnte.

Als sie aus dem Tor hinaus war musste sie leicht kichern und ganz sacht den Kopf schütteln. Klar war sie die Prinzessin und wollte auch auf keinem Fall dem Burschen den Kopf verdrehen, doch dass es die Vorschriften ihnen nicht zuliessen, auch zurück zu lächeln, wenn sie das wollten, das fand sie schon schade. Daran war doch nichts Verwerfliches.

Ein paar Minuten noch folgte sie gemütlich der Strasse, die vom Schloss zur Stadt führte, sah die Ritter auf ihren Pferden eilig in einer leichten Staubwolke vor sich kleiner werden und bog dann von der Strasse ab in einen kleineren Feldweg in Richtung Wald.

Es dauerte nicht lange, dann war sie auch schon unter dem Blätterdach der Bäume verschwunden. Überall ringsum war alles noch glänzend und feucht vom Morgentau und die Sonne blinzelte durch das bunter werdende Blätterdach, brach sich hier und da in den Wassertropfen und liess den ganzen Wald zauberhaft funkeln.

Isolda stieg ab, nahm ihr Pferd am Zügel und führte es gemütlich neben sich her, achtete mehr auf das schöne Schauspiel des Glitzerns als wohin ihr Weg sie führte.

Das machte sie öfter, dass sie einfach so ohne Ziel durch den Wald unterwegs war und dabei immer wieder neues entdeckte, was ihr definitiv entgangen wäre, wenn sie immer nur den bekannten Wegen gefolgt wäre.

Verirren konnte sie sich dabei nicht, denn spätestens nach fünf bis zehn Minuten geradeaus gehen war sie bisher immer wieder an eine bekannte Stelle gekommen.

Plötzlich hielt sie jedoch inne, als sie vor sich im Wald, noch ein gutes Stück entfernt etwas huschen sah.

Im ersten Moment dachte sie von der Grösse her an ein Reh, doch das Knacken, dass sie hörte passte nicht zu einem Tier, viel zu langsam waren die Schritte und zu oft knackte es.

Da ihre Neugier geweckt war, lief sie mit ihrem Pferd am Zügel einmal in die Richtung und kaum, dass sie drei Bäume passiert hatte sah sie es wieder, ganz klar die Gestalt eines Kindes.

Wer das wohl war, fragte sie sich. Ungewöhnlich war es nicht, jemanden im Wald zu treffen, das geschah schon ab und an. Und die meisten, denen sie hier über den Weg laufen könnte, kannte sie inzwischen ja auch.

Dann hatte das Kind auch sie entdeckt und sich erschrocken umgedreht. Es war ein Mädchen und ihr Schreck liess auch schon nach, als sie die Prinzessin erkannte und blieb stehen.

Als Isolda noch drei Schritt entfernt war, machte das Mädchen, das wohl um die acht Jahre alt sein dürfte, einen artigen Knicks und sprach schüchtern: »Hallo Frau Prinzessin.«

»Hallo meine Liebe«; antwortete Isolda mit warmer Stimme und dann meinte sie das Kind auch zu erkennen.

»Du bist doch Nora, die Tochter von einem unserer Stallburschen, habe ich recht?«

Die kleine strahlte auf einmal bis über beide Ohren und rief schon aufgeregter, aber immer noch schüchtern: »Ja, das bin ich.«

»Bist du denn alleine hier im Wald?«, wollte Isolda weiter wissen.

Nora nickte eifrig: »Ja, Papa ist im Stall bei der Arbeit und Mama hat mir erlaubt, heute in den Wald zu gehen, weil sie im Schloss der Näherin hilft.«

»Das ist schön«, stellte Isolda mit einem Lächeln fest. »Wohin führt dich der Weg dann hier im Wald?«

»Zum Pilze sammeln«, plapperte die kleine nun fast ohne Scheu los. »Guckt, Frau Prinzessin, ein paar habe ich schon gefunden«, und hielt ihr dabei ihr Körbchen entgegen.

Darin konnte Isolda eine Hand voll Pilze sehen.

»Oh, soll das euer Abendessen werden«, wollte die Prinzessin neugierig wissen.

»Ja, die mag ich Mama und Papa zum Abendessen mitbringen«, antwortete das kleine Mädchen und war nun ganz verlegen.

»Das klingt toll«, meinte nun Isolda und die Kleine freute sich sofort.

»Wie schaut es aus, magst du mich ein wenig begleiten, Nora? Ich kenne noch ein paar Plätze, an denen es einige Pilze gibt, Champignons, Stockschwämmchen, Pfifferlinge, Steinpilze.«

»Wenn ich das darf«, bekam sie nun wieder etwas schüchtern zurück.

»Ja natürlich, warum denn nicht.« Isolda lachte und reichte ihr ihre freie Hand.

Fast traute sich das Mädchen nicht, doch dann griff sie mutig doch nach der Hand der Prinzessin und strahlte bis über beide Ohren. Und auch Isolda bereitete es gerade richtig Freude, wie sich die kleine Nora darüber freute, von der Prinzessin an die Hand genommen zu werden und mit ihr zusammen durch den Wald gehen und Pilze sammeln zu dürfen.

»Weisst du denn, welche Pilze du einsammeln darfst?«

»Ja, das weiss ich: Stockschwämmchen und Champignons«, sprach sie nun unbekümmert, nachdem sie zusammen durch den Wald liefen. »Die hat mir mein Papa schon gezeigt und auch erklärt, worauf ich achten muss, damit ich keine giftigen davon finde.«

»Das ist sehr gut. Und hältst du dich auch immer daran und schaust genau.«

»Ja natürlich mache ich das, Prinzessin. Man darf doch keine giftigen Pilze essen«, empörte sich das Mädchen nun sogar ein bisschen.

Isolda musste schmunzeln, zu süss fand sie die Reaktion der Kleinen an ihrer Hand.

»Da hast du absolut recht, Nora«, bestätigte sie sie daher sofort.

Da erreichten sie auch schon eine der Stellen, die Isolda in Erinnerung hatte, sie liess die Hand der kleinen Nora los und band die Zügel ihres Pferdes an einen Baum.

Nora stand noch schüchtern neben ihr und schaute abwechselnd zu den Pilzen, die ein paar Schritt weiter wuchsen und zur Prinzessin.

»Na los«, meinte Isolda gleich, »dann verrate mir doch einmal, was wir hier für Pilze haben.«

Nora schaute die Prinzessin mit grossen Augen an, nickte schnell und lief zu den Pilzen hinüber.

»Champignons«, hörte Isolda sie ausrufen, als sie mit ihr vor den Pilzen in die Knie ging.

Nora pflückte einen der Pilze, betrachtete ihn ausgiebig und rief dann: »Die kann man essen.«

Sie reichte Isolda den Pilz, die auch noch einmal genau hin sah und da die Kleine recht hatte, nickte sie.

So griff Nora nach ihrem Korb und suchte sich die schönen Exemplare der Champignons aus.

»Die ganz kleinen mag Mama nicht, denn mit denen hat sie mehr Arbeit als dass man was davon zu essen hat, sagt sie immer. Und die kaputten und schrumpeligen mag ich nicht, die schauen nicht schön aus«, erklärte sie beim Einsammeln.

Isolda musste ganz leise kichern, denn die Aussagen kannte sie aus der Küche des Schlosses, wenn der Koch mit den Gehilfen wieder mal schimpfte, was sie ihm denn an Pilzen anschleppten und dass das doch eines Königs nicht würdig sei, einen schiefen krummen schrumpeligen Pilz mit halb abgebrochenen Hut auf dem Teller zu haben.

Die Gehilfen störte es aber nicht mehr, denn sie wussten ja, dass diese dann auf den Tellern der Bediensteten in der Küche landen würden und trotzdem schmeckten.

Der kleine Korb von Nora war etwa zu einem Drittel gefüllt, als sie aufstand und sagte: »Hier sind keine schönen Champignons mehr.«

»Wollen wir dann weiter gehen?«, fragte Isolda, die sich auch erhob.

Nora nickte. Dann griff sie aber doch noch einmal zu den Pilzen am Boden, pflückte zwei recht kleine Champignons, rieb mit den Fingern die Erde herunter und schon verschwanden sie direkt in ihrem Mund.

»Och, naschst du etwa hier mitten im Wald?«, rief die Prinzessin laut, aber nicht böse aus, wie man es eben mit kleinen Kindern machte.

Nora kicherte und mit viel nicken sprach sie nur ein: »Ja.«

»Ja du machst Sachen.« Und dabei musste Isolda nun auch lachen.

»Na dann los«, sprach sie, band ihr Pferd wieder los und sie machten sich auf den weiteren Weg.

Nur ein kleines Stück weiter rief das Mädchen: »Da sind wieder welche« und eilte direkt drauf los.

Isolda folgte ihr, band ihr Pferd wieder an einen Baum und ging neben Nora in die Hocke, die bereits einen Pilz in der Hand hielt und inspizierte.

»Und?«, fragte die Prinzessin.

»Ein Stockschwämmchen?«, sprach die Kleine, aber war sich wohl nicht sicher.

»Und was hat dir dein Papa beigebracht, wenn du dir nicht sicher bist?«

»Dann darf ich die Pilze nicht essen«, sprach Nora und reichte der Prinzessin den Pilz.

Isolda schaute ihn genau an, war sich aber nun auch nicht sicher, ob es ein Stockschwämmchen war oder ein anderer Pilz. Von der Haube her sah er so aus, vom Stiel aber nicht.

»Dann sollten wir die hier auch besser stehen lassen, denn ich bin mir auch nicht sicher«, antwortet sie dem Mädchen.

»Schade«, sprach diese traurig, »denn sie schauen doch so schön aus.«

»Aber sicher ist sicher«, antwortete die Prinzessin, »und ich bin mir sicher, dass wir nachher noch ein paar richtige Stockschwämmchen für dich finden werden.«

Nun war die Laune der kleinen Nora wieder gerettet und sie hüpfte schon los, während Isolda ihr Pferd holte.

Eine Stelle kannte sie, nicht weit weg von hier, wo sie die Tage schon einige Stockschwämmchen gesehen hatte.

Und genau dahin wollte sie mit dem Mädchen gehen.

Als sie ankamen, war Nora erneut nicht zu halten und kniete sich sofort wieder vor die Pilze. Hier waren deutlich mehr, als an den beiden anderen Plätzen zuvor. Allerdings waren Rehe wohl die Nacht oder in der Früh durchgelaufen und hatten etliche der Pilze niedergetrampelt.

»Schade«, rief Nora, als Isolda bei ihr ankam und in die Hocke ging, »soooo viele sind kaputt. Die anderen eben sahen viel schöner aus.«

Isolda musste ihr recht geben, besser haben die anderen schon ausgesehen. Sie pflückte einen der Pilze, betrachtete ihn kurz und war sich hier eindeutig sicher, essbare Stockschwämmchen vor sich zu haben.

»Dafür kann man die auf jeden Fall essen«, versuchte sie das Mädchen aufzuheitern.

»Wirklich?«, fragte sie und schaute die Prinzessin gross an.

»Ja, ganz sicher.«

Da strahlte das Mädchen und begann umher zu schauen und die schönsten Pilze einzusammeln.

Und wenn einer zu klein war, dann verschwand er ab und an auch wieder direkt in den Mund.

Als der Korb fast voll war, rief Nora: »Fertig! Ich finde hier keine schönen Pilze mehr.«

»Und jetzt?«, fragte Isolda.

»Jetzt sollte ich wieder nach Hause gehen und Mama die Pilze bringen.«

»Dann mach das, kleine Nora. Und grüsse sie schön von mir.«

Isolda lächelte.

Und auch die kleine Nora strahlte: »Ja, das mache ich, Frau Prinzessin.«

Artig machte sie einen Knicks, wie sie es gelernt hatte und rief noch: »Und vielen Dank!«.

Dann drehte sie sich um und lief den Weg zurück, den sie gekommen waren, in Richtung Schloss.

Isolda schaute ihr nach, lächelte immer noch, denn dieser kleine gemeinsame Ausflug hatte ihr echt Freude bereitet.

Anschliessend stieg sie wieder auf ihr Pferd und ritt langsam in Richtung des Sees mitten im Wald, ihres eigentlichen Ziels.

Gegen frühen Nachmittag machte sich Isolda wieder auf den Heimweg. Als die Sonne nicht mehr direkt auf den See geschienen hatte, sondern hinter den Baumwipfeln weiter gewandert war, war es mit dem leichten Wind, der über den See gestrichen war nicht nur mit dem schönen Anblick der leuchtenden und blitzenden kleinen Wellen vorbei, sondern doch auch ein wenig kühl geworden, um nur herum zu sitzen.

Drum war die Prinzessin wieder auf ihr Pferd gestiegen und hatte sich langsam auf den Rückweg zum Schloss gemacht.

Als sie aus dem Wald heraus ritt und links und rechts von ihr die Felder begannen, die keinen Schatten mehr boten, da hatte die Sonne dann doch noch Kraft und wärmte gut. So konnte das ein entspannter Ritt zurück zum Schloss werden, dachte sie bei sich und freute sich schon, den restlichen Nachmittag in der Sonne im Garten verbringen zu können.

Auf den Feldern sah sie ein paar Bauern arbeiten, die, als sie sie erblickten, kurz inne hielten und sich auf die Entfernung verbeugten. Isolda winkte zum Gruss und auch von den Bauern winkten ein paar noch zurück, bevor sie sich wieder der Arbeit widmeten.

Das Schloss kam langsam in Sicht und dann bog sie auch wieder auf die Strasse, die zum Schloss führte.

In Richtung der Stadt sah sie schon ein wenig entfernt einen grossen Karren hinter einem Pferd über die Strasse fahren, mit einigen Fässern beladen. In Richtung Schloss waren ein paar Menschen direkt am Tor zu sehen, nur noch zu weit weg um mehr Einzelheiten zu erkennen.

Zwei der Menschen lösten sich nun vom Tor und kamen ihr entgegen gelaufen, anscheinend auch mit Körben beladen, als sie weiter in Richtung Schloss ritt.

Tatsächlich waren es zwei Bauern, der eine trug einen grossen Korb lässig über die Schulter, die andere, denn mit dem Kopftuch wird es wohl eine Frau sein, stellte Isolda fest, trug in jeder Hand einen kleinen Korb. So locker wie sie sie hielten, waren sie wohl auch auf dem Rückweg und hatten gerade frische Waren ins Schloss gebracht.

Natürlich dauerte es nicht lange, bis die Prinzessin von dem Bauernehepaar erkannt wurde, welche am Wegesrand stehen blieben und sich verbeugten, als Isolda nur noch gut eine Pferdelänge von ihnen entfernt war.

»Zum Grusse, Euer Hoheit«, hörte sie es aus beiden Mündern.

Und nachdem sie nichts drängte hielt sie ihr Pferd bei den beiden an. »Auch euch beide zum Grusse«, antwortete sie mit einem Lächeln.

Da blickten die beiden auf, der Bauer schaute sie eher schüchtern an und wusste nicht so recht wohin mit seinen Blicken, die Bäuerin war da offener und blickte sie aus warmen Augen an. Als sie das Lächeln der Prinzessin sah, wurde sie sogar ein wenig rot und lächelte zurück. Isolda schätzte, dass die beiden schon um die 50 Jahre alt sein mussten, ein stolzes Alter für die beiden.

»Darf man denn neugierig erfahren, was ihr ins Schloss geliefert habt, wenn ihr nun mit leeren Körben wieder auf dem Heimweg seid?«, wollte die Prinzessin wissen.

»Nur das frischeste Gemüse«, antwortete der Bauer, und Isolda spürte, wie aufgeregt er war. Es passierte ihm wohl das erste Mal, mitten auf der Strasse mit der Prinzessin zu sprechen, was ihm sichtlich nicht so ganz behagte.

Seine Frau stupste ihn mit dem Ellbogen in die Seite, er blickte kurz zu ihr, verzog ein wenig das Gesicht und senkte den Kopf leicht.

»Nun ja, Gemüse, frisch gestern von unseren Feldern geholt.

Isolda musste sich beherrschen, nicht zu sehr zu grinsen oder gar zu lachen, denn sie fand die beiden irgendwie drollig.

Die Bäuerin schien es wohl richtig zu deuten, denn sie plapperte auf einmal los: »Auch wenn der Küchenchef meinte, dass das ein oder andere doch wohl nur für den Stall und die Tiere taugen würde, aber das meint er ja immer, um den Preis zu drücken. Doch den alten Fuchs kenn ich nur zu gut, das braucht er mit mir nicht machen. Mit mir nicht.«

Und dabei stemmte sie die Arme mit den beiden leeren Körben in ihre Seiten und setzte einen zufriedenen Gesichtsausdruck auf.

Ihr Mann neben ihr erschrak bei ihren offenen Worten gehörig und wollte ihr mit einem »Aber Weib!« Einhalt gebieten.

Doch sie stellte die Körbe ab, um beide Hände frei zu haben um seine Hand abzuwehren und rief dabei: »Ach ist doch wahr, und darf daher auch gesagt werden. Nich?«

Nun musste Isolda doch lachen.

»Das ist schon recht so, was wahr ist darf auch ausgesprochen werden. Und es ist ja auch nichts Verwerfliches daran, das Gemüse zu prüfen und für beide Seiten fair zu verhandeln, denn leben müssen wir ja alle davon.«

Isolda nickte bei ihren Worten und die Bäuerin strahlte über das ganze Gesicht, als sie es hörte.

»Siehst du, unsere Prinzessin sagt das auch!« erklärte sie sofort ihrem Mann, der knallrot anlief und erst mal nach Luft schnappen musste. Das war wohl zu viel für ihn, dass er seine Frau nicht nur nicht im Griff hatte, wie er es wohl wollte, sondern sie, die Prinzessin, seiner Frau auch noch recht gab.

Um aber nun einen Streit zwischen den beiden zu vermeiden fragte sie lieber gleich hinterher: »Und was habt ihr denn heute ins Schloss gebracht?«

Die Bäuerin musste nun erst einmal Luft holen, denn mit der Frage schien sie wohl gerade völlig aus dem Konzept gebracht worden zu sein. Ihr Mann ebenfalls, denn er schaute erst einmal seine Frau an, die doch nicht weiter meckerte, dann die Prinzessin wieder kurz und erneut seine Frau, fast als hätte er die Frage gar nicht mitbekommen.

»Den grossen Korb voller Zuckerrüben, einen kleinen voller Möhren und im anderen waren fünf Kohlköpfe drinnen«, erklärte sie stolz.

»Alle Achtung«, sprach Isolda, »da habt ihr aber auch gut zu schleppen gehabt, schätze ich.«

»Das geht schon«, brummelte nun der Bauer und wieder musste Isolda schmunzeln, denn sein Tonfall verriet ganz klar, dass er hier in seiner Ehre gekränkt gewesen wäre, wenn er zugeben hätte müssen, dass er das nicht mehr tragen könnte.

»Das Alter macht sich bei uns zwar schon bemerkbar, aber noch geht alles, wenn auch manches ein wenig langsamer als früher.«

Die Bäuerin hatte im Gegensatz zu ihrem Mann keine Hemmungen einfach zu sagen, was Sache war und erntete dadurch auch wieder böse Blicke von ihrem Mann.

»Das klingt wunderbar«, sprach Isolda schnell weiter, bevor die beiden doch wieder zu streiten anfangen würden und lächelte selbst. »Vor allem klingt das nach einem leckeren Abendessen heute.«

Insgeheim war sie schon neugierig, was sie nachher alles im Stall zum Verfüttern wiederfinden würde, denn bei so grossen Körben fand sich sicher das ein oder andere versteckt, was eben nicht mehr für die Küche tauglich war. Doch so war das eben, da war sie auch dem Bauer und der Bäuerin vor ihr nicht böse.

»Ja, da wird in der königlichen Küche sicherlich das leckerste Mahl draus gezaubert werden, was man sich vorstellen kann«, plapperte die Bäuerin weiter.

»Jetzt ist aber gut, Weib!«, wurde sich doch sofort wieder von ihrem Gatten geschimpft, der versuchte sie zum Schweigen zu bringen. Sein Blick zuckte einmal kurz zur Prinzessin hoch und war dann gleich wieder gesenkt und auf seine Frau gerichtet. Schweiss stand ihm inzwischen auf der Stirn.

Es schien Isolda, dass ihm die ganze Situation mehr als unangenehm war.

Na dann wollte sie die beiden lieber wieder erlösen, dachte die Prinzessin bei sich.

»Dann wünsche ich euch noch einen guten Heimweg«, sprach sie und nickte beiden dabei zu.

Artig verbeugten sich die beiden vor ihr und die Bäuerin war wieder schneller als ihr Mann: »Auch Eurer Hoheit wünschen wir einen angenehmen Tag.«

Und ehe ihr Mann etwas weiter sagen konnte, fügte sie noch hinzu, ganz leicht schelmisch und mit einem dicken Grinsen, aber eher gegen ihren Mann stichelnd als etwas anderes: »Und heute Abend einen gesegneten Appetit.«

Er schnappte erneut tief nach Luft und sein Gesicht glich einer Tomate, die gleich platzen würde.

Isolda schaffte es gerade noch sich zu beherrschen, nicht schallend los zu lachen, brauchte aber zwei drei Sekunden, bevor sie antworten konnte: »Vielen Dank und euch einen gleichen.«

Dann gab sie ihrem Pferd einen leichten Schenkeldruck und liess es loslaufen, bevor noch mehr gesagt werden würde und der arme Bauer sich noch mehr aufregen würde.

Keine fünf Schritte hatte ihr Pferd zurückgelegt, da hörte sie ihn auch gleich auf seine Frau losschimpfen: »Was fällt dir eigentlich ein, so mit der Prinzessin zu sprechen!« Dass sie das alles noch hören würde, darüber dachte er anscheinend gar nicht nach.

»Was willst du denn, du hast sie doch gerade selbst erlebt, dass man mit ihr wie mit jedem anderen Menschen sprechen kann«, bekam er keifend als Antwort zurück.

Sie konnte noch leise ein wütendes Schnauben hören, nachdem sie sich doch langsam von den beiden entfernte und dann nur noch, dass die beiden weiter miteinander stritten, aber ausser Wortfetzten nichts weiter, da sie nun beide durcheinander redeten.

Immer noch belustigt musste Isolda leicht den Kopf schütteln.

In das gleichmässige Klacken der Hufe ihres Pferdes auf der Strasse mischte sich ein dumpfes Geräusch, wie als wenn etwas umgefallen wäre. Doch erst als zwei Sekunden später ein spitzer Schrei hinter ihr ertönte drehte sie sich im Sattel um und sah die Bäuerin am Boden knien neben dem Bauern, der verkrümmt auf der Strasse lag.

Sofort riss sie die Zügel ihres Pferdes herum, presste ihm die Hacken in die Seite und schon galoppierte das brave Tier los, so dass sie praktisch auf der Stelle bei den beiden wieder angekommen war.

»Was ist passiert?«, rief sie, während sie vom Pferd sprang.

»Er ist einfach umgekippt«, schluchzte die Bäuerin und rüttelte am Körper ihres Mannes.

Der lag verkrampft am Boden und hatte die Augen weit aufgerissen.

Isolda beugte sich zu ihm hinunter und hörte nur ein ganz leises verkrampftes Röcheln.

»Wir brauchen sofort Hilfe!«, rief sie aus, sprang auf und war mit einem Satz wieder auf ihrem Pferd.

»Bliebt hier bei ihm, ich hole Hilfe aus dem Schloss!«

Die Antwort der Bäuerin wartete sie gar nicht mehr ab, und ihr Pferd schien die Aufregung gleich richtig zu verstehen, denn es galoppierte direkt los zum Schloss.

Direkt am Tor bremste sie den Ritt und die Wachen schauten sie irritiert an, warum die Prinzessin im vollen Galopp zurück kam.

»Schnell, wir brauchen Hilfe, der Bauer ist auf der Strasse vorne eben zusammengebrochen!«, rief sie aufgeregt.

Der deutlich ältere der beiden Wachen reagierte sofort und befahl seinem zweiten Mann direkt: »Laufe sofort los, die Heilerin her holen!«

Dann griff er nach der Glocke, die am Wachhäuschen aussen hing und schlug sie drei Mal, bevor er der Prinzessin antwortete: »Wir sind hier nur zu zweit, ich kann den Posten nicht verlassen, aber gleich kommen weitere Wachen, die zum Bauern eilen können.«

Kaum hatte er das ausgesprochen, da eilten auch schon drei, dann ein vierter und noch ein fünfter Wachmann im Laufschritt zum Tor.

»Dort vorne auf der Strasse ist ein Bauer zusammengebrochen, sofort zu ihm!«, befahl der Wachmann den neu ankommenden und sie rannten sofort weiter, aus dem Tor hinaus und in Richtung des Bauern.

»Dann hole ich die Heilerin«, rief Isolda und schon eilte sie mit ihrem Pferd quer über den Hof zum Bedienstetengebäude, in dem die Heilerin hier am Schloss ihre Kammer hatte. Sie hoffe nur, dass sie auch da war und nicht irgendwo anders im Schloss unterwegs.

Noch bevor sie die Eingangstür des Gebäudes erreichte, kam sie zusammen mit dem Wachmann auch schon heraus in den Hof.

»Schnell«, rief Isolda, »steigt bei mir auf.«

Die Heilerin schaute sie einen Wimpernschlag gross an, reichte ihr dann ein Bündel, das sie in Händen hielt und der Wachmann half ihr, hinter der Prinzessin aufs Pferd zu steigen.

Kaum war sie oben und konnte sich hinter der Prinzessin am Sattel festhalten, da gab sie ihrem Pferd auch schon weder mit den Schenkeln zu verstehen, dass es losreiten sollte.

Die Prinzessin mässigte jetzt zwar das Tempo, damit sie die Heilerin nicht unterwegs verlieren würde, aber dennoch waren sie um etliches schneller als wenn sie zu Fuss gelaufen wäre.

Nur einen kleinen Moment nach den Wachen kamen sie bei dem Bauern wieder an.

Isoldas Herz raste inzwischen auch vor Aufregung, sie rief den Wachen zu, der Heilerin vom Pferd zu helfen und stieg dann selbst auch wieder ab, das Bündel der Heilerin noch in Händen.

Die Heilerin sass schon neben dem Bauern am Boden, rüttelte ihn an der Schulter und sprach ihn an, bekam aber keine Reaktion.

Da sie nicht mehr alleine war, wurde die Bäuerin nun auch noch panisch und rüttelte ebenfalls am Arm ihres Mannes, rief seinen Namen und begann lautstark zu weinen.

Zwei der Wachmänner gingen zu ihr und versuchten ruhig auf sie einzureden, dass sie die Heilerin ihre Arbeit machen lassen und ihren Mann erst einmal loslassen solle. Sie brauchten sehr viel Überzeugungskraft, um die Bäuerin nach einigen Momenten doch dazu zu bewegen, halfen ihr auf die Beine und führten sie ein paar Schritte weiter, an beiden Armen gestützt.

Derweil hatte die Heilerin den leblosen Bauern auf den Rücken gedreht und das Hemd geöffnet. Sie hielt seinen Arm in ihren Händen und die Finger direkt auf das Handgelenk gepresst und hatte das Ohr direkt über seinem Mund.

Ihr Gesichtsausdruck verriet aber nichts Gutes und als Isolda in die offenen Augen des Bauern blickte, die sich nicht mehr bewegten und ihr leblos trüb erschienen, da ahnte sie, dass sie wohl zu spät waren.

»Sollen wir in die Stadt reiten, einen Arzt holen?«, fragte einer der Wachmänner die Heilerin vorsichtig.

Sie überlegte noch einen Moment, schüttelte aber dann den Kopf.

»Das wird wohl nicht mehr nötig sein, sein Herz hat aufgehört zu schlagen«, antwortete sie traurig.

Hinter sich hörten sie Hufschläge, von mehreren Pferden, wie Isolda gleich heraushörte.

Drei Ritter kamen angeritten und stiegen ebenfalls bei ihnen ab.

»Was ist passiert?«, wollte einer der Ritter sofort wissen und fügte nervös hinzu, als er die Prinzessin erkannte: »Ist Euch etwas passiert, Prinzessin?«

»Nein«, schüttelte sie den Kopf, »mir geht es gut«, und blickte dabei weiterhin auf den Bauern.

»Was ist mit ihm?«, fragte der Ritter weiter.

Die Heilerin antwortete ihm leise: »Sein Herz schlägt nicht mehr, aber er ist unverletzt, so dass ihn wahrscheinlich genau hier der Schlag getroffen hat.«

Und obwohl sie es recht leise gesagt hatte, hat es die Bäuerin anscheinend gehört, auch wenn sie ein paar Schritte entfernt stand und brach nun in Tränen aus.

Das zerriss auch Isolda fast das Herz, denn dem Tod und seinem Leid war sie in ihrem Leben noch nie so nahe begegnet wie jetzt gerade.

Der Ritter überblickte die Situation schnell: »Wenn Ihr wollt, Prinzessin, und gestattet, dann würden wir uns darum kümmern, dass die Bäuerin gut nach Hause kommt und dort betreut wird und der Verstorbene ebenfalls direkt in die Stadt gebracht wird, wie es sich gehört.

Isolda stand immer noch neben sich und nickte nur. Was sollte sie auch anderes tun. In der Situation gerade war sie hilflos und hatte keine Ahnung, was jetzt zu tun wäre. Von daher war sie heilfroh, dass die Ritter da waren und wussten, was getan werden musste.

Der Ritter stand auf und gab den anderen beiden auf, mit sechs Mann, einem Pferdekarren, Trage und Leichentuch wieder zu kommen. Dann ging er zur Bäuerin, die immer noch weinend vor ihrem toten Mann stand und legte ihr tröstend eine Hand auf die Schulter.

Leise sprach er einige Worte zu ihr, die Isolda nicht verstand und die Bäuerin nickte nur ein paar mal.

Die Heilerin hatte dem Bauern in der Zwischenzeit die Augen geschlossen und seine Hände auf der Brust gefaltet. Friedlich sah er aus, stellte Isolda fest.

Es verging kaum Zeit, da waren auch schon die ersten vier Ritter zu Pferd wieder zurück und hatten sowohl eine Trage als auch ein grosses weisses Leinentuch dabei.

Die Trage wurde neben den Bauern auf die Strasse gestellt und das Tuch mit wenigen und wie es aussah gut geübten Handgriffen darauf ausgelegt, dass es mittig lag und beide Seiten so eingerollt waren, dass sie nicht auf dem Boden lagen.

Danach hoben sie zu dritt den leblosen Körper langsam und vorsichtig auf die Trage und schlugen ihn komplett in dem weissen Tuch ein, dass man nichts mehr von ihm sehen konnte.

Die Ritter verhielten sich dabei die ganze Zeit sehr ruhig, agierten mit Bedacht und sprachen kein Wort miteinander. Was Isolda angenehm fand, denn Hektik und Aufregung hatten sie hier gerade schon genug gehabt.

Bis der Wagen angerumpelt kam, dauerte es noch einen Moment, der zu einer kleinen Ewigkeit wurde, die die Prinzessin fast wie in Trance verbrachte.

Dann wurde die Trage von Rittern auf den hinten offenen Wagen gehoben und vorsichtig abgestellt. Die drei Körbe, die noch achtlos neben der Strasse lagen, sammelten sie ein, stellten sie ebenfalls mit auf den Wagen und halfen dann der Bäuerin, vorne direkt neben dem Kutscher Platz zu nehmen. Zu ihrer anderen Seite setzte sich ein zweiter Ritter, der gleich einen Arm um sie legte, damit sie ihnen auch nicht während der Fahrt umkippen konnte.

Auch jetzt sprachen die Ritter kaum, verständigten sich mit Blicken und ein jeder wusste, was zu tun war.

Der Ritter, der das Kommando gehabt hatte, blieb mit der Prinzessin, der Heilerin und den Schlosswachen zurück, als der kleine Tross, vier Ritter zu Pferd und der Wagen, sich langsam in Bewegung setzte.

Isolda schaute den Ritter nach einem Moment fragend an und er sprach sehr ruhig: »Wir sorgen dafür, dass die Bäuerin nicht alleine bleibt, bis jemand aus ihrer Familie oder von Verwandten da ist, um sie zu betreuen, damit ihr nichts geschieht.«

»Zählt auch das zu den Aufgaben der Ritter?«, fragte die Prinzessin, die sich langsam wieder gefangen hatte.

Der Ritter nickte.

Das hatte Isolda noch gar nicht gewusst.

»Wir sind da, um zu beschützen und zu helfen, auch in solchen Situationen, wo man die Bäuerin niemals alleine mit dem Verstorbenen auf der Strasse hätte zurücklassen können.«

Isolda nickte.

»Dann lasst uns ins Schloss zurückkehren«, sprach der Ritter.

Isolda stieg auf ihr Pferd und die bunt zusammengewürfelte Truppe machte sich auf den Weg zurück.

Jetzt kam ihr der Weg natürlich viel länger vor, wenn sie ihn nicht im Galopp zurücklegte, doch war diese Zeit nicht verkehrt, wieder Ruhe und Ordnung in ihre Gedanken zu bringen.

Dass sie fast daneben gestanden war, als den armen Bauern der Schlag getroffen hatte, das setzte ihr doch zu, gerade weil sie das Ereignis wie alle hier so völlig unerwartet getroffen hatte.

Die Bäuerin tat ihr leid, denn für sie musste nun eine Welt zusammengebrochen sein.

Am Tor angekommen trennten sich ihre Wege wieder, doch hielt Isolda die Heilerin noch einmal zurück.

»Wie kann denn so etwas einfach so passieren?«

»Warum, das weiss ich nicht«, antwortete diese mit einem traurigen Gesichtsausdruck. »Es passiert immer wieder einfach so, dass einen der Schlag trifft, ohne Vorwarnung.

Vor allem in dem Alter, in dem der Bauer schon war, ist das leider nichts Ungewöhnliches. Das hätte ihm genauso gut bei der Arbeit auf dem Feld oder nachts daheim im Bett ereilen können.«

Isolda nickte und die Heilerin machte einen Knicks, um sich zu verabschieden.

So nahm die Prinzessin die Zügel ihres Pferdes in die Hand um es in den Stall zu führen.

Schwarzes Herz

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