Читать книгу Erwachen - Andreas Nass - Страница 6
1. Kapitel
ОглавлениеEin flüchtiger Blick aus dem Fenster in Richtung des Gartens vor meinem Trakt im Scharlachroten Tempel zeigte, dass der Koloss noch immer in den Himmel hinauf ragte – offenbar war es der Tempelmagierin Yana nicht möglich gewesen, die metallene Konstruktion zu bewegen. Irgendwann würde er umkippen und mich unter seiner empor gereckten Faust begraben, dachte ich misstrauisch.
Alle Bewohner des Prinzessinnenflügels waren in das Anwesen von Luzius gezogen, da die magische Aura des Kolosses vorhandene Schutzzauber nutzlos und die Anwendung von Magie unmöglich machte. Dies hatte ein heimtückischer Angriff von Skelettmagiern gezeigt, die zum Glück vergeblich meine Seele in einen Seelenstein bannen wollten. Leider fügten sie mir dadurch ernsthafte Verletzungen zu, die zum Verlust des ungeborenen Sohnes meines Beschützers Torvac führte. Der hünenhafte Minotaurus hatte tagelang gewütet, ich hatte den Tempel verlassen. Auch wenn der Angriff nun über ein Jahr her war brannte der Verlust nach wie vor in meinem Herzen.
Jetzt war ich zurückgekehrt und hatte neues Quartier bezogen. Ein Asyl auf Zeit, wo drängende Aufgaben auf mich und meine Liebsten warteten. Der deliziöse Geschmack meines Gastgebers machte den Aufenthalt angenehm.
Zudem war das Anwesen meines dämonischen Bruders seinem Ego entsprechend riesig. Er hatte seine Zeit im Tempel gut genutzt und weiter an Einfluss und Macht gewonnen.
Mein Weg führte zu Yana, die in ihrem neuen Studierzimmer saß. Ich setzte mich auf den Schoß meiner Geliebten und zog sie in einen Kuss. »Das habe ich so vermisst«, ich strich eine schwarze Haarsträhne aus ihrem Gesicht.
»Vorsicht, du verschmierst die Tinte«, warnte sie bevor sich unsere Lippen erneut berührten.
»Woran arbeitest du denn gerade?« Neugierig sah ich auf die Notizen, deren Symbole für mich völlig unverständlich waren.
»Mich beschäftigt nach wie vor der Koloss. Er lässt sich nicht bewegen.«
»Wir haben doch den Kristall. Wo ist das Problem?«
»Wir können ihn nicht abschalten ohne den Kontrollkristall. Und die einzige Person, die ihn kontrollieren konnte, existiert nicht mehr. Der Kristall war auf Landru allein abgestimmt, weißt du? Daher brauchen wir einen neuen.« Der Hexenmeister war ein freiwilliger Untoter in Diensten des Gottes Xorin. Er war es, der zu meiner Beschwörung aus dem Abyss auf die Welt der Verlorenen Reiche beitrug. Ja, den Koloss hatte ich sogar mit einer Abenteurergruppe für ihn in den Narbenlanden aufgespürt. Zum Dank hatte er eine Armee aus magischen Konstruktionen gegen den Scharlachroten Tempel angeführt.
»Und diese Kristalle sind selten, ich weiß. Wenn wir nur einen Anhaltspunkt hätten. Woher der Kristall kam, habe ich nicht herausfinden können.«
»Das hast du wohl vergessen«, neckte sie.
»Hm, lass mich überlegen. Es ist immerhin vier Jahre her, bei meinem Aufenthalt in der Labyrinthstadt. Der Kristall steckte im Darm vom Pferd eines Boten. Und wenn ich mich recht entsinne, hatte das Hufeisen eine Prägung aus Ustan – es wurde dort beschlagen.«
»Also wird Ustan unser Ausgangspunkt für die Suche nach einem neuen Kristall sein.«
»Gibt es denn Neuigkeiten aus Ustan? Ich meine, haben sich die Untoten unter der Kontrolle von Nefflon schon gerührt? Ich möchte ungern erneut Bekanntschaft mit unseren Feinden machen.«
»Hey, offiziell sind wir noch verbündet, mein Schatz.«
»Auf derlei Verbündete kann ich verzichten. Verfaultes Fleisch, wenn überhaupt noch etwas an den Knochen hängt«, träumerisch strich mein Finger ihre Kinnpartie entlang, »ich bevorzuge warme Haut.« Ich zwinkerte ihr zu. »Was hat sich denn sonst während meiner Abwesenheit so ereignet? Hier im Tempel zum Beispiel.«
»Och, im Grunde hat sich nicht viel getan. Alles blieb ruhig.« Yana lachte. »Wenn du mehr über die gesellschaftlichen Geschehnisse erfahren möchtest, bin ich die falsche Person, die du fragen solltest. Ich bin nicht so sehr in die politischen Angelegenheiten eingebunden, was mir auch ganz recht ist, und war mit den Studien beschäftigt.«
»Wie lange brauchst du denn noch für deine Studien?«
»Zunächst muss ein neuer Kristall gefunden werden. Wenn alles gut läuft, werden wir in Ustan fündig, was aber mehrere Wochen dauern kann. Dann muss ich diesen Kristall auf seine Tauglichkeit prüfen, ihn für die Zauber vorbereiten und anschließend auf eine Person justieren. Danach müssen wir nur noch lernen, wie der Koloss mittels des Kristalls kontrolliert wird. Alles in allem – ein Jahr noch.«
»Ich finde, du solltest ausgeruht an die Arbeit gehen«, ich stand auf, legte meine Hände auf ihre Schultern und massierte sie. »Du bist ja ganz verspannt.«
Sie schloss ihre Augen und seufzte.
»Kommst du mit ins Bad? Nach der langen Reise brauche ich eine Erfrischung.«
»Lange Reise?«, witzelte sie. »Ja, ja, so eine Teleportation ist wirklich anstrengend.«
»Du sagst es«, seufzte ich und streckte die Hand nach ihr aus. »Kommst du mit?«
Yana atmete tief ein, schob ihre Schreibutensilien beiseite und ließ sich von mir zu den Bädern führen. Ich fand mich durch meine früheren Besuche bei Luzius gut zurecht, musste mich an einigen Stellen jedoch neu orientieren. Ein Hang zur Ordnung war meinem Bruder ebenso fremd wie mir. Als Dämonen waren wir beide Geschöpfe des Chaos. Ich empfand die verschlungenen Gänge mit ihren Alkoven, Treppenläufen, Säulen und Balkonen als belebend. Keine Ecke glich der nächsten und die zahlreichen Fenster ermöglichten den Blick auf die nicht überdachten Gärten, deren Farbenpracht unterschiedlicher Frühlingsblumen im Sonnenlicht erstrahlte.
Schon in Ustan hatte ich die von Luzius geführten Quellen der Entspannung genossen. Seine Bäder im Tempel der Scharlachroten Königin übertrafen sein einstiges Anwesen allerdings bei Weitem. Helle Marmorsäulen wanden sich hinauf zu einer Kuppeldecke, an der sich der Glanz der Wasseroberfläche spiegelte. Kalt brennende Fackeln erleuchteten mit arkaner Kraft die gewärmten Becken und verliehen diesem Ort eine mystische Atmosphäre.
An Personal hatte der Hausherr auch nicht gespart und ich kannte einige der Bediensteten bereits aus seiner Therme in Ustan. Freudig begrüßte ich sie nacheinander mit Namen und Küssen. Jetzt war es Yana, die mich in Richtung eines Schwimmbeckens zog und sich mit mir in das warme Wasser stürzte. Wir planschten und lachten, bekamen fruchtige Getränke serviert und schwebten aneinander geschmiegt am Beckenrand.
»Ich hatte ein Gespräch mit Mutter über die Hellen Reiche«, Yana fuhr nachdenklich mit ihrem Zeigefinger über den Rand ihres Glases. Im Kristall spiegelten sich meine violett leuchtenden Augen. Die Wölbung des Gefäßes verzerrte mein anmutiges Antlitz, dehnte den Kussmund und die schmale Nase zu einem Clownsgesicht. Wenigstens der dunkle Teint meiner makellosen Haut umrahmt von der rabenschwarzen Haarmähne blieb erhalten.
»Was wollte sie denn wissen?«
Neugierig glitt ich dichter an sie heran, hakte eins meiner langen Beine bei ihr ein und umklammerte mit dem anderen ihre schlanke Taille. Wie schwarze Seide umspielte ihr Haar die bronzenen Schultern mit den deutlich abgesetzten Schlüsselbeinen. Yana teilte mit mir die hohen Wangenknochen. Ihre hohe Stirn und das spitz zulaufende Kinn wirkten jedoch intelligenter, weniger verträumt als mein ovales Gesicht. Markant wirkten ihre gerade, sanft angehobene Nase mit der breiten Spitze und die große dunkelbraune Iris. Ich wartete auf eine Antwort von ihren sanft geschwungenen Lippen.
»Nichts Bestimmtes. Sie hatte einige Fragen bezüglich der Adelshäuser und verschiedener Orte in den Reichen des Westens. Ich konnte aber keinen besonderen Zusammenhang erkennen. Na ja, dafür ist sie immerhin die Scharlachrote Königin, nicht wahr?«
Meine blitzenden Augen waren Erklärung genug. Mit der Hand an ihrem Rücken zog ich sie näher heran, spürte den Druck ihrer festen, handlichen Brust gegen die üppige Rundung meines Busens und kostete Wein von ihren Lippen.
»Sind alle Bewohner aus meinem Trakt hier bei Luzius eingezogen?« Yana nickte.
»Dein Trakt ist nicht mehr sicher. Luzius beherbergt nun alle deine Gäste. Nach dem Überfall auf dich gab es weitere Eindringlinge von außen, und jetzt ist alles versiegelt und mit Fallen gespickt.«
»Ich bin froh, dich wohlbehalten wiederzusehen. Du hast mir gefehlt, Liebes.« Zu meinen gehauchten Worten tanzten meine Finger über ihren Körper, glitten unter das Wasser und begannen ihr lustvolles Spiel zwischen den Schenkeln meiner Geliebten. Genüsslich kraulte ich ihre gestutzten Locken. Yana seufzte, lehnte sich gegen den Beckenrand und ließ sich im Wasser verwöhnten.
Mein Daumen kreiste rhythmisch über ihren Kitzler und meine Finger drangen fordernd in ihre Scheide ein, suchten und fanden ihren G-Punkt. Mit gekonnten Bewegungen stimulierte ich ihr erotisches Zentrum. An ihren tiefen Atemzügen erkannte ich den nahenden Orgasmus. Wie zwei Inseln ragten ihre Brüste aus dem Wasser. Auf ihnen thronten die aufgerichteten Brustwarzen, deren dunkle Hautfärbung mich an Schokolade erinnerte. Ich konnte der Versuchung nicht widerstehen und leckte über die Warzenhöfe, biss verspielt in ihr weiches Gewebe und saugte abwechselnd an einer der Brustwarzen, auch dann noch, als sich ihr Körper vom Orgasmus geschüttelt aufbäumte.
»Oh, wow«, pustete die Magierin befriedigt, »es geht doch nichts über einen Sukkubus als Freundin.« Wir grinsten uns an.
Yana wusste, wie sehr mich das Spiel der Verführung erregte. Jetzt waren es ihre Finger, die mich verwöhnten. Auch nach Monaten der Trennung war unsere Sehnsucht und Liebe unverändert vertraut. Wir teilten die Körperlichkeit des Verlangens miteinander und liebkosten uns gegenseitig, bis wir unseren von Wonne durchtränkten Körpern Erholung gönnten.
»Ich war vier Monate lang auf Burg Mairéad«, sagte Yana in die entstandene Ruhe hinein.
»Hast du Adjuna getroffen?«
»Ja, Adjuna weilt auf Burg Mairéad. Ich war wegen ihr dort. Sie wird eine mächtige Magierin werden.«
»Sie schien ebenso fleißig wie du, was die Studien der Magie angeht.«
»Oh, wir sind nicht viel zum Arbeiten gekommen«, schmunzelte Yana, »sie ist ausgesprochen neugierig und erfindungsreich. Und sie schreckt auch vor gefährlichen Experimenten nicht zurück. Ein magischer Fehlschlag kann tödlich sein, daher meiden nahezu alle Magier heikle Versuche. Aber sie hat Erfolg und entdeckt Neuerungen in der Magie, die bislang unerforscht waren.«
»Bei den magisch versierten Gegnern, die ich erwarte, können uns diese Forschungen den dringend benötigten Vorteil verschaffen. Sie sollte ihr Wissen mit unseren Getreuen teilen.«
»Willst du, dass sie Mairéad verlässt?«
»Ich will sie bei der Schwesternschaft der Nacht haben. Dort kann sie ihre Studien fortsetzen und sie wird eine gute Ergänzung zu den Meisterinnen sein. Sie werden viel voneinander lernen können.«
»Dann willst du Burg Mairéad aufgeben?«
Ich überlegte kurz. »Hältst du Mairéad für wehrfähig? Ich glaube kaum, dass Burg Mairéad einem Ansturm von wem auch immer standhalten kann. Das Anwesen der Schwesternschaft ist besser geschützt, könnte aber meines Erachtens weitere Unterstützung gebrauchen, insbesondere magische Unterstützung. Und die sehe ich in Adjuna.«
»Dann werde ich ihr eine Nachricht zukommen lassen.«
»Ja, das wirst du«, säuselte ich und küsste ihren Hals, ihre Brust, ihren Bauch, …
»Das habe ich so vermisst«, seufzte sie.
Ihrem Körper nahe zu sein, ihn verwöhnen zu können, füllte mich mit neuer Kraft. Auch ich seufzte. Verträumt bettete ich meinen Kopf auf ihrer Schulter, versank in die Liebkosungen und bewunderte die feinen Härchen ihrer Haut, während sie sich unter meiner Berührung aufrichteten. Yana unterbrach meine Erquickung und berichtete: »Du hast letzte Woche etwas verpasst.«
»So?«, fragte ich, ohne meinen Kopf anzuheben. »Was denn?«
»Luzius und Torvac hatten einen kleinen Wettstreit.«
»Lass mich raten: es ging um Frauen, nicht wahr?«
»Ja«, lachte sie, »und zwar ging es darum, wer von ihnen die meisten Frauen befriedigen konnte.«
»Und?«
»Torvac hat gewonnen.«
»Und jetzt grämt Luzius sich.« Ironie schwang in meiner Stimme mit.
»Ich denke schon.«
Ich lachte herzhaft und Yana fiel in mein Lachen ein. Dem blonden Adonis konnte ein kleiner Dämpfer nicht schaden. Ja, ich war mir sogar sicher, er suchte bereits nach einer neuen Herausforderung, geht diese mit noch mehr Ehrgeiz an und poliert damit sein angekratztes Ego. Zwinkernd wischte ich Tränen aus den Augenwinkeln.
Dann wurde die Magierin wieder ernst und sah mir direkt in die Augen.
»Hast du alle Komponenten?«
»Nein, wobei ich mir keine Sorgen mache um die Beschaffung von Nymphenhaar und einer frischen Portion Minotaurensperma. Der Chaostrank erfordert wahrlich mythische Zutaten. Bis auf eine Komponente steht alles bereit. Aber das Blut des Erzvampirs fehlt noch, auch wenn ein geeigneter Lieferant hier im Scharlachroten Tempel wohnt. Weißt du, wo genau sich unsere Halbschwester Ballana aufhält? Mutter war diesbezüglich nicht sehr aussagefreudig.«
»Die Domäne der Vampire erstreckt sich auf den Bereich unterhalb der Stadt. Wo die privaten Gemächer unserer Halbschwester sind, weiß ich nicht.«
»Bevor ich sie aufsuche, möchte ich so viel wie möglich an psionischen Energien aufnehmen. Bist du im Vollbesitz deiner geistigen Kräfte?«
»Leider nein. Beim Studium des Kristalls musste ich einige Kraft einsetzen. Und das waren nicht alle Aufgaben, für die ich auf die geistigen Kraftquellen zurückgreifen musste und auch weiter greifen muss.«
»Dann werde ich Jiulie fragen.«
»Ja, das musst du wohl.« Ihre Anmerkung war nicht böse gemeint, hatte aber die feine Note der Eifersucht, daher wechselte ich das Thema.
»Leihst du mir ein Gefäß mit einem Stopfen?«
»Wofür brauchst du denn ein verschließbares Gefäß?«
»Für das Vampirblut. Ich möchte ungern Ballana beim Ritual dabei haben.«
»Tut mir leid, da musst du Saphira fragen. Nur sie kann dir sagen, was für ein Gefäß du brauchst. Und ich bitte dich: nimm dir die Zeit, dir vor deinem Besuch bei Ballana ein genaues Bild über die Vampirgruft zu machen. Leider stecke ich selbst in arkanen Studien und kann dir dabei nicht behilflich sein. Du wirst deine eigenen Kräfte bemühen müssen.«
»Aber erst morgen früh, wenn ich ausgeruht bin.«
»Arme Crish, du bist ja so erschöpft«, bemitleidete mich Yana spöttisch und streichelte dabei übertrieben über meinen Kopf. Ich suhlte mich in ihrem falschen Trost. Dann mussten wir beide lachen.
»Nein, Yana, ernsthaft: Wenn ich mich in die Fänge der Blutsaugerin begebe, möchte ich auf alles vorbereitet sein. Bei meiner ersten Begegnung mit Ballana konnte keiner von uns die Oberhand gewinnen. Und ich habe seitdem viel dazugelernt. Doch ihre Brutalität und Blutrünstigkeit darf ich nicht unterschätzen. Daher brauche ich deine Hilfe. Kannst du mir eine neue Bauchkette mit Fähigkeitsverstärkern anfertigen?«
»Ja, Liebling, aber das wird einige Tage brauchen.«
»Die Zeit werde ich mir wohl nehmen müssen. Allzu erpicht bin ich nicht auf die Begegnung.« Mit einem Finger fuhr ich ihr Schlüsselbein entlang. »Sag mal, Schatz, was hast du Ballana in Ustan gegeben, um mich von ihr freizukaufen? Du warst damals nicht sehr ausführlich – und jetzt, wo mein Besuch unvermeidlich ist, könnte diese Information überlebenswichtig werden.«
»Ich besaß das Blut eines mächtigen Vampirs. Das habe ich gegen deine Freiheit eingetauscht.«
»Oh je«, hörte ich die jammervolle Stimme des kleinen Teufelchens, »wäre ich doch auch befreit worden aus dieser Knechtschaft der Einfältigkeit.« Imphraziel erschien am Beckenrand sitzend, seine Füße planschten im Wasser. »Ihr beiden vergnügt euch hier, aber keiner kümmert sich um mich.«
»Hab dich nicht so«, sagte Yana und drückte ihn an sich. Mit einem Ellenbogen stützte sie sich auf den Rand, die freie Hand kraulte seinen Kopf zwischen den spitzen Ohren, ganz so, wie sie ihren Kater verwöhnte. Imphraziel genoss sichtlich die Fürsorge. Seine pfleilförmige Schwanzspitze wedelte hin und her und die kleinen, fledermausartigen Schwingen streckten sich wie bei einem frisch entpuppten Schmetterling.
»Du hast dich ja ständig unsichtbar gemacht«, warf ich dem ungebetenen Gast vor, »also wundere dich nicht, wenn du nicht in unsere kleine Tändelei einbezogen wurdest. Aber das können wir ja ändern, nicht wahr, Yana?« Ich zwinkerte meiner Geliebten zu, was ein Lächeln des Verstehens auf ihre Lippen zauberte. Ich schwamm auf die andere Seite, räkelte mich dort und schöpfte dabei aus dem Becken eine Hand voll Wasser, das sich über meine Brüste ergoss. Glitzernde Tropfen sammelten sich oberhalb meiner Brustwarzen, bevor sie zurück in das Bassin flossen. Yana bildete mein verlockendes Spiegelbild. Unschlüssig sah Imphraziel zwischen uns hin und her. Seine kleinen Knopfaugen nahmen die Größe von Kirschen an.
Unvermittelt bespritzten wir den Imp und er musste prusten. »Pah«, spie er, als er wieder zu Atem kam, und wischte das Wasser von seinen Augen. »Anstelle der Gesellschaft in den Gärten der Basiliké Thelema beizuwohnen, muss ich mich mit zwei launischen Zicken abgeben.«
Yana und ich sahen uns verstehend an, packten seine kleinen Krallenfüße und zogen ihn unter Wasser. Vereinzelt wirbelten Luftblasen das Wasser auf, dann gab es keine Lebenszeichen mehr. Ein Strudel bildete sich und ich war sicher, Imphraziel hatte sich fort teleportiert.
»Wir haben beide noch viel vor, Yana. Ich kümmere mich um die Beschaffung der Zutaten für den Chaostrank. Sag mal, Schatz, was wird unternommen, um an den Kristall für den Koloss zu gelangen?«
»Laana und Talos werden nach Ustan gehen.«
»Gut. Und ich begebe mich zum Erynatempel, sobald der Trank gebraut ist.«
Mein grübelnder Gesichtsausdruck ließ Yana fragen: »Was denkst du gerade, Liebes?«
»Ich habe noch nie einen Tempel geleitet.«
»Der wäre auch schnell pleite«, erwiderte sie sarkastisch.
»Ich habe es nicht so mit diesen Dingen. Die Belanglosigkeiten der Tempelführung überlasse ich da lieber denen, die sich damit auskennen.«
»Belanglosigkeiten der Tempelführung?«, tönte die Stimme unseres Gastgebers vom Eingang her. »Dafür bin ich dir also gut genug.« Seine feststellenden Worte waren eine Anklage. Ich sah entschuldigend zu ihm hin.
Mein Bruder lehnte lässig im Türrahmen. Zu seinem hellen Gehrock trug er eine offene Weste und ermöglichte so einen großzügigen Blick auf den durchtrainierten Oberkörper. Seine blonden Haare waren zu vielen Zöpfen geflochten und nach hinten gesteckt worden. Zahlreiche Armreifen klimperten, als er sich von seiner Stütze löste und in unsere Richtung stolzierte. Abwechselnd musterten uns seine intensiv blau leuchtenden Augen.
»Danke für das Asyl.« Mit meinem Lächeln überspielte ich seine kritische Anmerkung.
»Dein Reiseziel steht kurz bevor.«
Luzius reichte Yana die Hand, die sie sanft in die seine gab. Überraschend ruckartig zog er sie aus dem Wasser und gab ihr einen Klaps auf den Po. »Lass uns allein.« Schmollend zog sie ab.
Ich wandte mich ihm zu. Auch die Dienerinnen hatten das Bad verlassen. Wir waren allein.
»Um genau zu sein, es handelt sich um eine Palastrevolution.«
»Um sicherzugehen, Luzius, von welchem Palast redest du?«
»Um diesen hier.« Mit einer lässigen Handbewegung umspannte er den Ort. Er ging zu einem gekachelten Bord und schüttete sich Wein aus der dort stehenden Karaffe in ein Kristallglas.
»Ich habe herausgefunden …«, er machte einen Schritt zur Seite, schnellte mit einer Hand vor und schnappte sich Imphraziel hinter einem Vorhang.
»Was für eine Revolution?« Empört zappelte der Imp mit seinen kurzen Beinen. »Ich habe alles gehört! Ups.«
»Keine Revolution«, beschwichtigte mein Bruder, »ich wollte nur herausfinden, wo du bist.«
Imphraziel verschränkte die Arme und schmollte. Luzius packte dessen Schwanz und hob ihn daran hoch. Er trug ihn zur Tür, warf ihn hinaus und verschloss geräuschvoll den Eingang.
Dem verräterischen Nachhall einer Teleportation folgte das Knistern einer magischen Falle. Unter der Decke hing eine bläulich schimmernde Kugel, die Imphraziel eingeschlossen hatte.
»Welcher Teil von ›Raus‹ war zu schwierig für dein kleines Gehirn?«, fragte Luzius sarkastisch.
»Kann er Lippen lesen, Luzius?«
»Bestimmt«, antwortete mein Bruder und senkte die Kugel. Mühelos rollte er sie hinaus auf den Balkon und über die Balustrade hinab in den Garten. Kurz darauf hörte ich das freudige Kläffen der Wachhunde. Sie hatten nun ein neues Spielzeug.
»Ich will dir ein paar Dinge zeigen.« Luzius glitt angezogen wie er war in das Wasser. Erst dort zog er Weste und Gehrock aus. Ich lehnte mich entspannt an den Beckenrand.
In einer weit ausholenden Geste glitt seine Hand über die Wasseroberfläche, woraufhin sich der ganze Raum verdunkelte und sich meine Augen auf die Dunkelsicht umstellten.
»Versuche dich nicht allzu viel zu bewegen, Crish, sonst ist das Bild verschwommen.«
Er zeichnete mit seinen Fingern ein kompliziertes Muster über die schwarz wirkende Wasserfläche. Kurz darauf entstand das Abbild einer Stadt. »Das ist eine Stadt in den lichten Reichen«, erklärte Luzius und hob seine Hände an, was den Blickwinkel veränderte. Ich konnte nun wie ein Vogel auf Gebäude und Straßenzüge hinabsehen. »Das sind die Bürger in der Stadt«, sagte er und zahlreiche grüne Punkte entstanden. »Das sind die Himmlischen unter ihnen.« Einige der Punkte nahmen eine blaue Tönung an. »Das sind die Dämonen in der Stadt.« Einige grüne Punkte färbten sich rot. »Und das hier sind die Halbscheusale und Abgründige in der Stadt.« Bis auf einige wenige grüne Punkte färbten sich die verbliebenen violett. »Diese Stadt haben wir vor sechzig Jahren infiltriert.«
»Ich bin beeindruckt, Luzius. Das ist eine große Leistung in sechzig Jahren, ohne dass es die Himmlischen herausfanden.«
»Die für uns günstige Bevölkerungsentwicklung hängt zusammen mit Pilgern – und einem tragischen Zwischenfall.« Er schmunzelte. »Wir fanden heraus, dass die Nachfahren der Stadt nahezu alle von einer Schwesternschaft stammten, den sogenannten ›Töchtern der Sonne‹. Wir haben weiterhin herausgefunden, wohin sie gingen und sich niederließen. Es gab eine blutige Schlacht, bei der alle Angreifer den Tod fanden. Aber auch nahezu alle Anhängerinnen der Schwesternschaft konnten getötet werden. Bis auf einige wenige Ausnahmen war die ganze Stadt nun ohne Frauen, ein Umstand, den wir zu Nutzen wussten. Wir waren es, die dafür sorgten, dass zumeist junge Frauen aus der Umgebung sich dort niedergelassen haben.«
»Handverlesen, versteht sich.«
Luzius antwortete nicht, anstelle dessen fuhr er mit einer Hand durch das Bildnis und die Sicht wechselte. Ich erkannte die Gärten des Scharlachroten Tempels. Dutzende Frauen gingen der Gartenarbeit nach, dabei wurden sie offenbar von anderen angeleitet. Ansehnliche Bäuerinnen für ausgehungerte Städter.
»Das ist die Fortsetzung unseres Projektes.«
»Wesentlich subtiler als das Vorgehen der Untoten, wie deren Okkupation von Banduan, von der ich mich selbst überzeugen konnte.« Ich deutete mit einem Finger kreisend auf die Szenerie in den Gärten. »Wer sucht die Frauen aus?«
»Mutter.« Eine kurze Pause folgte. »Es ist ihre Strategie. Eine gute Strategie. Ich habe sie selbst angewandt, in Ustan, um das Adelshaus derer von Abendstern zu übernehmen. Yana und ihre Cousine dürften als einzige lebend aus dieser Übernahme entkommen sein.« Mit einem Kopfschütteln wischte er eine Überlegung zur Seite. Er kniff seine Lippen zusammen, bevor er fortfuhr. »Jedenfalls brauchen wir uns keine Sorgen um etwaige Ausweichstädte zu machen, die wir kontrollieren können.«
Das Bildnis wechselte und ich sah an die einhundert kleine Minotauren. Sie umringten Torvac wie Motten das Licht. Er gab ihnen Unterricht.
»Ein stolzer Vater«, ein Kloß bildete sich in meinem Hals. Die Erinnerung an den Verlust seines Sprosses schmerzte tief in mir, doch ich hielt meine aufkommenden Tränen zurück. Intuitiv streifte meine Hand den straffen Bauch, wo unser Kind hätte heranwachsen sollen. Irgendwann, dachte ich, irgendwann …
»Die Labyrinthstadt wird bald uns gehören«, unterbrach Luzius meine Wunschträume. »Torvac wird bald von hier fortgehen und den König der Labyrinthstadt herausfordern.«
»So kehrt der einstige Leutnant zurück um zu herrschen. Den Traum, über sein Volk zu herrschen, hatte er bereits, als ich ihn zum ersten Mal traf. Für ihn wird er bald in Erfüllung gehen.« Ich unterdrückte ein Schluchzen und verbarg so gut ich ging meine Gefühle vor meinem Bruder. Ich wollte sein Mitleid nicht. Ich wollte Torvac einen Sohn schenken.
»Ich zweifle nicht an seinem Erfolg, Crish, doch er wird nichts sein im Vergleich zu dem Erfolg, den wir seit kurzem für uns verzeichnen durften. Einem Erfolg, den wir allein unserer Mutter zu verdanken haben.«
»Was hat sie denn geschafft?«
Luzius musste sich anstrengen, um ein neues Bild zu schaffen. Adern traten an seinen Schläfen hervor, und bei seinen Gesten wirkte er äußerst konzentriert. Zunächst verschwommen, dann mit zunehmender Klarheit konnte ich den Blick in ein Gemach werfen, das ich nicht kannte. Zunächst war ich irritiert, was mir mein Bruder zu zeigen versuchte, dann blickte ich in das Gesicht unserer Mutter, ihre Antlitz von Lust verzerrt, der Mund im Stöhnen geöffnet. Geräusche wurden bei der angewandten Hellsicht nicht übertragen, aber auch ohne Akustik ergriff mich ein Gefühl erotischer Spannung.
Das Blickfeld erweiterte sich und ein Glatzkopf erschien, der nur so vor Muskeln und Ketten strotzte. Ein Freier, der sich allem Anschein nach verausgabte. Ich erkannte ihn sofort und schmunzelte breit. Mutter erfuhr grenzenlose Lust und der Mann gab sich redlich Mühe – aber sie verdrehte den Kopf und ihr hämisches Grinsen blickte uns direkt an. Das Abbild verschwand abrupt.
»Gibt es Neuigkeiten, ob Akb’ah seine Tochter Moi’ra ausgelöst hat, Luzius?«
»Ja, allerdings. Sie befindet sich nicht länger in der Obhut des Paschas, hat den Mönchskaiser für die Zeitdauer seines Aufenthaltes im Scharlachroten Tempel aber auch nicht aufgesucht.«
»Und der Gemahl von Fahatmanephtis? Hat sich unsere Mutter entschlossen, bezüglich Tua’thal etwas zu unternehmen?«
»Nein«, sagte Luzius lakonisch, »den brauchen wir nicht mehr.«
»Aber was ist mit den Orks? Wie wollen wir ihre Unterstützung sichern, wenn nicht durch einen uns gefälligen Anführer?«
»Während deiner Abwesenheit blieb das Orkreich von Zwischenfällen nicht verschont. Der Tod des Orkkönigs hat für einigen Aufruhr unter seinem Volk gesorgt. Die Untoten, tja. Welch ein hinterhältiges Attentat. Wer hätte das gedacht?« Luzius schüttelte in gespielter Anteilnahme den Kopf. »Zudem haben wir unsere Zugriffsmöglichkeiten auf den Sklavenmarkt ausgeweitet. Bereits vor vielen Zehntagen sind wir in Verhandlungen mit dem Pascha getreten, und er gehört nun zur Familie – könnte man sagen. Er arbeitet jetzt für uns.«
»Puh, so viel ist geschehen. Mir wird schon ganz schwindelig.«
»Es ist an der Zeit, den Chaostrank zu brauen, Crish. Wie weit bist du mit der Besorgung der Zutaten?«
»Mir fehlt noch das Blut von Ballana.«
»Es sollte nicht schwierig sein, die Komponente zu bekommen. Ihr Verstand kennt nur drei Dinge: Blut, Gewalt und Fleischeslust.«
»Ersteres will ich, letzteres gebe ich.«
»Ich sage ja, es wird nicht schwierig. Sie zu kontrollieren wird schwer. Sie ist absolut ichsüchtig. Und ihre Macht nahezu grenzenlos. Es gibt nur einen anderen, mir bekannten Vampir, der ihr ebenbürtig ist.«
»Und wer sollte das sein? Ich habe mich mit den Blutsaugern bislang nicht beschäftigt und habe das auch in Zukunft nicht vor. Wie ist der Name des Vampirs?«
»Khaas, der dunkle Vogel. Niemand weiß, wo er sich derzeitig aufhält. Er war einst der Leutnant von Laird. Als sie sich zerstritten, verlor Laird seine linke Hand und sein linkes Auge. Durch Khaas selbst, so wird es überliefert. Und nun verbirgt sich Khaas erfolgreich vor dem Gott der Geheimnisse und Verstecke. Ein weiterer Affront.« Luzius lachte schal. »Jedoch, all das, was ich dir gerade erzählt habe, beruht auf Gerüchten – ich selbst glaube nicht daran.«
»Stellt Khaas denn eine Bedrohung für uns dar? Ich meine, versucht er, Ballana zu vernichten?«
»Nein, es ist eher so, dass Ballana eine persönliche Fehde gegen ihn führt.«
»Oh, das entspricht natürlich eher ihrem narzisstischen Charakter. Ich frage mich, auf welches Machtmittel sie überhaupt reagiert.«
»Ballana unterwirft sich nicht der Gewalt und auch nicht dem Blut. Das einzige, um sie ein wenig zu kontrollieren, ist Fleischeslust.«
»Das gibt mir Hoffnung, ihr gefällig zu sein. Wenn sie sich nach Lustbefriedigung durch mein Fleisch verzehrt, hält sie das vielleicht davon ab, nach meinem Blut zu dürsten. Und mir ein wenig von ihrem Blut zu geben.«
»Wenn du zu gut bist, wird sie dich nicht gehen lassen. Das bedeutet langwierige Verhandlungen. Und einen horrenden Preis für deine Freiheit. Andererseits, wenn du ihr nicht gefällst …«
Ich kniff meine Lippen zusammen und nickte nachdenklich. Wenn ich mich je von den Gedanken an meine blutdürstige Halbschwester befreien wollte, musste ich handeln. »So«, sagte ich bekräftigend und richtete mich im Becken auf, »wie du schon richtig anmerktest, ist es an der Zeit, den Chaostrank zu brauen. Ich werde mich dann mal auf den Weg machen.«
Ohne ein weiteres Wort hob ich mich mit den Händen aus dem Becken, setzte mich auf den Rand ab und schwang meine langen Beine aus dem Wasser. Ich verließ das Bad in Richtung meiner privaten Gemächer.
Dort scheuchte ich meine beiden persönlichen Sklavinnen aus dem Himmelbett. Ich gab ihnen Anweisungen, ließ mich kleiden und frisieren. Nach der Anprobe verschiedener Frühlingskleider entschied ich mich für eins aus leichtem Stoff und mit sonnigen Farben. Im Standspiegel überprüfte ich mein Aussehen, korrigierte die Nachlässigkeiten meiner Kammerzofen und tadelte sie dafür. Malia und Elyabel sahen beschämt zu Boden. Die beiden hübsch anzusehenden, jungen Frauen erhielten je einen Klaps auf den Po, dann ging ich und suchte Saphira im Bezirk der Magier auf.
Als die Hohepriesterin der Keylani mich in ihr Gemach eintreten sah, lächelte sie mir entgegen.
»Sei mir gegrüßt«, hofierte sie und ich umarmte und drückte sie herzlich.
»Mehrere Zehntage sind vergangen, und erneut führen mich Fragen über die Zutaten des Chaostrankes zur dir«, erklärte ich noch in Gedanken an die Worte meines Bruders. »Du erwähntest, dass die Ingredienzien möglichst frisch sein sollten, daher habe ich mich gefragt, ob du ein Gefäß zur Aufbewahrung von Vampirblut hast? Etwas mit einem Stopfen, oder so …«
Nachdem ich meine Frage gestellt hatte, beruhigte sich mein Gemüt und mir fiel auf, dass ich die lebensältere Frau seit meines Eintretens noch keines Blickes gewürdigt hatte. Dabei sah ich gerne in ihre grünen Augen oder kraulte in ihren dunkelroten Locken. Aufrichtig gestand ich ihr: »Du siehst gut aus.«
Erneut lächelte sie und löste sich dann aus der Umarmung. Sie trat vor eine mit silbernen und goldenen Runen überzogene Türe und murmelte in Verbindung mit kompliziert wirkenden Gesten ein kurzes, magisch anmutendes Wort. Erst jetzt öffnete sie den Zugang und ich erhaschte einen Blick auf die verschiedenen Reagenzien für den Chaostrank. Saphira hatte den Raum kaum betreten, da kehrte sie auch schon zurück und hielt ein vorbereitetes Behältnis in der Hand. Lautlos schloss sich hinter ihr die Tür.
»Ich konnte hier im Scharlachroten Tempel viel über Alchemie lernen«, berichtete die Magiebegabte bedeutsam. »Fahatmanephtis hat mich viel gelehrt, besonders über die Alchemie des Abyss.«
»Bei ihrem Anblick fällt es mir immer schwer daran zu denken, wie groß ihr Wissen und ihre Wissbegierde ist.« Für mich stellte ihre unermessliche Brutalität alle anderen Fähigkeiten in den Schatten. Aber in Verbindung mit der Art, wie die Hohepriesterin von dem Dämon erzählte, verschwieg ich meine Gedanken und ergänzte: »Für eine Nagkhalyi wirklich ungewöhnlich.«
»Fürwahr. Und wir machen große Fortschritte, Crish. Bald wird die Zeit der Vereinigung gekommen sein.« Saphira sprach damit auf die Kopulation der Göttin Keylani durch meinen Patron Arkhmandeo an.
»Gibt es schon etwas Neues?«
»Nein, aber es soll bald sein.«
»Eine Vereinigung, die nicht ohne Folgen für das göttliche Gefüge bleiben wird.« Insgeheim dachte ich dabei natürlich an meinen eigenen Aufstieg.
»Die Vereinigung soll ja Folgen haben. Sehr lebendige Folgen sogar.« Saphira zwinkerte und reichte mir dann die Ampulle. Ich nahm das Gefäß entgegen und wunderte mich über dessen Schlichtheit. Ich hatte aufwendige Intarsien erwartet. Als ich das Fläschchen in meinen Ausschnitt schob, ermahnte mich die Hohepriesterin impulsiv: »Im Gespräch mit Ballana darfst du ihr gegenüber kein Wort von der Macht des Trankes verlieren. Du solltest dafür sorgen, dass Ballana erst gar nicht auf die Idee kommt, den Chaostrank für sich zu nutzen. Blut, ihr Blut, ist ihre Verbindung. Blut ist ihre Macht.«
»Was ist das Besondere an dem Trank? Ich meine, was kann schon passieren, außer einige Verwirrung anzustiften unter jenen, die seine Dämpfe einatmen?«
»Vergiss nicht: es ist nach wie vor ein Trank. Ein Trank, den niemand trinken darf! Niemand! Hast du mich verstanden?«
Ihre heftige Reaktion verwirrte mich, daher fragte ich unschuldig: »Was würde denn geschehen, wenn jemand den Trank zu sich nimmt?«
»Der Trank verfügt über einen bösen Willen. Einen sehr mächtigen bösen Willen, der den Willen des Trinkers brechen wird.«
»So wie eine intelligente Waffe, die ihren eigenen Willen hat und ihr Träger einen beständigen Willenskampf mit ihr austrägt? Als Wogar noch nicht mit der Seele des Scharlachroten Schwertes verbunden war, besaß er eine solche Waffe, die sogar mit mir telepathischen Kontakt aufnehmen konnte. Ich empfand sie eher als lästig.«
»Im Falle des Chaostrankes wird der Trinker seinerseits zum Gefäß, und zwar für das, was der Trank ist. Ich möchte kein Wesen erschaffen mit den gemeinsamen Kräften seiner Inhalte. Beziehungsweise: wir haben diesen Verstand erschaffen – ich möchte ihm kein Gefäß geben.«
»Ach so, jetzt habe ich dich verstanden. Wer auch immer den Chaostrank zu sich nimmt, dessen Existenz erlischt und ist fortan der Trank selbst. Mit Kräften, die aus den Essenzen seiner Zutaten bestehen. Beim Abbys, nicht schlecht.« Ich gab einen Pfiff der Bewunderung von mir.
»Komm nicht auf dumme Gedanken, Crish! Das ist nicht witzig. Sorge dafür, dass Ballana keine Ambitionen bezüglich des Trankes entwickelt. Oder eine andere Person. Viel zu gefährlich. Ich werde deshalb etwas vorbereiten, das du in den Trank geben kannst, so dass er sich auflöst.«
»Keine Sorge, Saphira. Ich werde schon keine Dummheiten machen.« Ihr Mienenspiel schien davon nicht überzeugt. »Wünsche mir Glück«, bat ich und verließ ihre Gemächer.
Ich lustwandelte zu den Quellen, ein ausgedehnter Teichbereich, bei dem unterschiedlich gestaltete Wasserflächen ineinander über gingen. Das Areal war eingebettet in einen noch viel größeren Garten mit Grünflächen, Blumenbeeten und Hainen. Statuen säumten die Wege, Bänke und Lauben baten zur Rast. Eine Armee hätte in dem Anwesen versteckt werden können, und doch suchte ich lediglich zwei Geschöpfe. Auf gut Glück durchstreifte ich das Gestrüpp längs der Ufer und lauschte.
Glockenhelles Lachen und dunkle, tiefe Seufzer drangen an mein Ohr. Für mich unverwechselbar das Spiel der beiden Wasserwesen – Nymphe und Sirene. Ich musste noch einige Schritte gehen, bevor ich die beiden blonden, blauäugigen Schönheiten in einer kleinen Laube ausmachen konnte, die zur Hälfte im Wasser stand. Laana und Jiulie lagen dort eng umschlungen, wobei Laana auf dem Rücken lag und Jiulie auf der Seite. Die Sirene flüsterte Liebkosungen in das Ohr der Nymphe, lachte hell und verwöhnte sie mit der Hand an Schoß und Hals.
Um zu ihnen zu gelangen, musste ich ins Wasser steigen. Ich zog meine Schuhe aus und tauchte gerade meinen Zeh in das kühle Nass, als ich grob von hinten gefasst wurde. Scharfe Eckzähne bohrten sich in meinen Nacken. Bevor ich reagieren konnte, packten kräftige Hände die meinen und ich fand mich an einen Baum gedrückt wieder, wo der Angreifer meine Hände fest gegen den Stamm hielt.
»Glaubst du, du kommst so leicht davon?«, knurrte Luzius in mein Ohr.
»Ein Versuch war es wert«, hauchte ich ergriffen von seiner Besitznahme. Mein Rücken kribbelte. Er hatte lange gebraucht, dachte ich bei mir, um mir nachzusetzen. Ich freute mich, dass er mir nachgekommen war und die Lockung geklappt hatte. Als Belohnung wurde ich von einem prickelnden Gefühl entlang meines Rückgrats eingenommen. Innerhalb von Sekunden wurde ich feucht.
»Du hast mich in dem Bad allein sitzen lassen!«, warf er mir vor. Brutal riss er die wehrlosen Stoffe von meinem Körper. Ich zitterte. Nicht angesichts meiner Blöße, sondern infolge meiner Erregung.
»Nun zeige ich dir, warum du mich immer begehren wirst, Schwesterchen.«
Wonnevoll biss ich in seine Hand. Er drückte mich fester gegen den Baum. Die Rinde scheuerte an meiner linken Wange. Ich spürte seinen warmen Körper an meinem Rücken. Dann seinen harten Schaft, der seinen Weg über meine Pospalte, hinab zwischen meine Beine und hinein in meine Vagina fand. Erwartungsvoll kam ich ihm mit dem Becken entgegen und sein Penis drang von hinten bis zur Wurzel in mich ein.
Vereint. Ein wundervolles Gefühl.
»Nimm mich«, bettelte ich, »ich brauche deinen Schwanz.«
Und Luzius nahm mich mit harten Stößen. Seine Wut auf mich gab ihm zusätzliche Kraft und raubte mir den Atem.
Um ihm zu gefallen setzte ich mein erotisches Können ein, drückte meinen Rücken durch und bot ihm im Rhythmus seines Eindringens Widerstand. Doch lange hielt ich die wuchtigen Stöße nicht aus.
Zudem zehrten die magischen Kräfte meines Liebhabers an mir, denen ich mich erfolgreich widersetzte, denn ich wollte die ekstatischen Empfindungen unserer Vereinigung ungeschönt genießen. Und er sollte in mir kein leichtes Opfer finden.
Angestachelt durch mein Aufbegehren trieb Luzius sein Geschlecht der vollen Länge nach über meine elastischen Wände. Die Eichel verweilte kurz zwischen meinen blutgefüllten Schamlippen, weitete sie, liebkoste sie, rieb sie. Dann drängte die dicke Spitze wieder in meinen sündigen Leib, nahm mich in Besitz, füllte mich aus. Schaudernd musste ich einfach mit dem Becken kreisen, sein Geschlecht umschließen, es festhalten so wie seine Hände meinen Körper fest umklammerten. Gefangen. Ausgeliefert. Und doch … geborgen.
»Fick mich fester, … oh jaaa!«
Unaufhaltsam spürte ich das Hinausdrängen meiner lustvollen Empfindungen, meiner seligen Begierde.
»Ich Komme. Ouhhhohhh.« Meine Hände krallten sich in den Stamm als sich der Orgasmus von meinem Schoß ausgehend im ganzen Körper ausbreitete. Die Welt um mich herum färbte sich Rot und meine Besinnung schwand dahin.
Nachdem sich der rote Schleier von meinen Augen löste und ich die Kontrolle über meinen Körper zurückerlangte, nutzte ich meine Scheidenmuskeln für eine Massage des in mir ruhenden Fleisches. Pochend füllte mich der sich härtende Schaft. Der blonde Adonis nahm seine stoßende Bewegung wieder auf. Seine Hoden wippten gegen meinen Kitzler, stimulierten ihn. Welch doppelter Genuss. Ich seufzte. Mein Bruder war einfach gut. So unverschämt gut! Seine Kunstfertigkeit war meiner nach wie vor weit überlegen. Hingebungsvoll schmiegte ich mich an ihn, suchte seine Nähe, bot ihm meinen Hals.
»Torvac vermochte vielleicht mengenmäßig mehr Frauen zu befriedigen, aber glaubst du, eine davon war befriedigter als eine von meinen?«
»Kaum«, hauchte ich völlig von ihm eingenommen.
In den Schläfen spürte ich das Pochen seines Herzens. Die Ohren wurden vom Rauschen der Baumkronen betäubt. Oder war dies die Musik meines erhitzten Blutes?
Sein unerwarteter Biss in mein rechtes Ohrläppchen entlockte mir einen spitzen Schrei. Als seine Zunge durch die Windungen meiner Ohrmuschel fuhr schmolz ich vor Wonne wie Butter in der Sommersonne dahin, seufzte, stöhnte, floss zwischen meinen Beinen aus.
»Du weißt genau, wie ich es brauche«, hauchte ich mit wollüstig zitternden Lippen.
An diesem Punkt, wo ich ihn am meisten begehrte, das Gefühl der Liebe mein Herz erdrückte, ließ er mich allein und ein lustvolles Brennen blieb in mir zurück, das noch nicht gestillt war.
Verflixt! Auch in seiner dämonischen Rache war mir Luzius über.
Ich sah mich um und blickte in die aufgewühlten Gesichter von Jiulie und Laana, die unser Treiben beobachtet hatten. Sie standen unweit der Uferböschung ein Dutzend Schritte von mir entfernt.
»Oh, hallo. War ich laut?«
»Na, Crish, wie ist es, ein Spielzeug zu sein?«, zwinkerte Laana neckisch.
»Das müsstest du doch am besten wissen«, grinste Jiulie und legte eine Hand auf den Bauch der Nymphe.
Neckisch lächelnd ging ich auf das Paar zu. Die Hitze meines Körpers sammelte sich in meiner violetten Iris, meine Blicke übertrugen das lodernde Feuer in mir und wanderten entlang der verführerischen Kurven ihrer Leiber. Bald trennte uns nur noch der Hauch unseres Atems. Unsere Lippen waren einander nahe. Ich lud sie ein zum Kuss, eine sinnlich süße Verführung unter lasziv gesenkten Augenlidern.
»Trau dich doch«, gluckste Jiulie und der zauberhafte Klang ihrer Stimme fuhr in alle meine Glieder.
Energisch ergriff ich Jiulies Kopf und zog sie in den Kuss. Meine andere Hand streichelte Laana, die sich an meine Seite schmiegte und ihren Kopf auf meine Schulter bettete. Jiulie nutzte beide Hände für Laana und spielte mit ihr, ergriff dann ihr Kinn und führte die Lippen der Nymphe an die meinen. Unser Abstand schmolz dahin, wir hielten uns eng umschlungen. Haut berührte Haut.
Jiulie zog uns langsam zum Ufer. Wir wateten in den Teich, bis wir bauchnabeltief im Wasser standen.
Dann tauchte die Sirene ab und hauchte ihren Atem zwischen unsere Leiber. Ich spürte ihre Zunge und ihre Küsse, die ich an Laana weitergab und zudem mit der Hand zwischen den Schenkeln verwöhnte. Sie gab sich mir hin, ihre Augen flatterten. Ich genoss derweil Jiulie. Ihre Hände streichelten meine Beine herauf und herunter. Sanft und gefühlvoll. Ihre Berührung war Poesie für meine Seele. Ich begehrte sie und griff unter Wasser in ihre langen Haare, spielte mit ihnen und zog Jiulie dann daran hoch. Sie wehrte sich, aber ich wollte kosten, was sie zuvor geleckt hatte. Aus ihrem Mund. Der Kuss beendete ihre Gegenwehr und unsere Zungen umschlangen einander wie zuvor unsere Körper.
Zügellos vom Geschmack des Partners verlangten wir beide nach mehr und griffen uns die Nymphe, zogen sie zu uns heran in den Kuss, einem Kuss zu dritt. Drei Zungenspitzen spielten vergnügt miteinander. Laana ergab sich willenlos unserer Gemeinschaft und Jiulie übernahm mit mir die Führung. Gemeinsam verwöhnten wir beide unser Spielzeug, das in der gespendeten Wonne ertrank. Ein letztes Aufbäumen des makellosen Körpers, dann versank er.
Nun widmete ich mich allein Jiulie und konzentrierte mich auf einen kurzen Psalm, der mir für einige Stunden das Atmen unter Wasser ermöglichte. Unheilige Worte glitten andächtig über meine Lippen, dann ergriff ich die Sirene und tauchte mit ihr unter Wasser.
Dort, im Reich der Wasserwesen, setzte ich meine Liebkosungen ungehindert fort und die sonst zur Schau gestellte Sicherheit meiner Liebhaberin schwand. Genau das war meine Absicht und ich kostete diesen Moment der Überlegenheit aus. Vom Wasser umgeben saugten sich meine Hände an ihrer Haut fest, schmeichelten ihren kleinen, festen Titten, zogen die Sirene tiefer zum Grund des Gewässers. Wir schwebten im glitzernden Schein gebrochener Sonnenstrahlen. Wellenförmige Muster streichelten unsere Haut. Mein Kopf tauchte zwischen ihre Schenkel, suchte die kostbare Muschel und öffnete die Schale mit spitzer Zunge. Köstlich schmeckte ich das rosig zarte Fleisch, rieb die dunkle Perle, saugte an dieser Leibesfrucht. Und ihr Wille brach. Begierig trank ich vom Quell ihrer geistigen Kräfte. Ungeniert nahm ich die psionische Energie auf und stärkte damit meinen Geist. Ihr Leib frohlockte im Taumel der Empfindungen. Und ich brachte meine Finger ins Spiel, glitt in die wasserumspülte Grotte, rieb mit kreisenden Bewegungen die nackte Haut.
Schaudernd, zuckend kam es Jiulie. Wieder. Und wieder. Und wieder.
Bei jedem Orgasmus überschwemmte mich eine Woge der Geisteskraft. Frenetisch schwelgte ich im Überfluss und saugte so viel ich konnte ein. Wie ein Baby, das Muttermilch aus der angebotenen Brust nuckelte. Delikat. Nährend. Mit der dritten Kraftwelle, die meine Gedanken flutete, war auch ich gesättigt. Zufrieden lehnte ich mich zurück und ließ mich vom Wasser treiben.
Wolken zogen gemächlich über den Himmel. Die Frühlingssonne kitzelte mit ihren Strahlen mein Gesicht. Die Abenddämmerung setzte ein. Arm in Arm mit Jiulie und Laana ruhte ich auf einer Sandbank.
Seichte Wellen schwappten über unsere Körper, wodurch sie sanft schaukelten. Aus den verschiedenen Richtungen des Gartens erklang Vogelgezwitscher und die Balzrufe verschiedenartiger Tiere.
Jiulie regte sich und blinzelte in meine Richtung. Da ich mich wohlfühlte, sagte ich nichts und streichelte verträumt über ihre helle Haut. Sie war glatt und vollkommen.
Mehrere Augenblicke verstrichen, dann konnte die Sirene ihre Neugierde nicht mehr ertragen und sprach mich an: »Und? Wirst du meinen Gesang bald brauchen?«
»Sobald ich die noch fehlende Komponente besitze, wird Saphira dich zu sich rufen. Ob dies in einigen Tagen oder gar erst in einigen Zehntagen sein wird, vermag ich nicht zu sagen. Ich darf keinen Fehler begehen, weißt du? Die Folgen eines Fehlschlages sind nicht absehbar, aber sicherlich schmerzhaft.«
»Von welcher Zutat sprichst du?«
»Ich spreche von Vampirblut. Aber nicht die Zutat macht mir Sorgen – die Vampirin, von der ich mir die Zutat verspreche, ist von Geheimnissen umgeben. Ich will das Blut der Vampirgöttin Ballana für den Trank.«
»Ballana? Dann solltest du sehr vorsichtig sein. Gerade du, denn sie ist sehr eifersüchtig.«
»Und besitzergreifend. Ich weiß. Daher mache ich mir ja nicht nur Gedanken darüber, wie ich an sie herankomme, sondern insbesondere sorge ich mich darum, wie ich von ihr wieder wegkomme.«
»Ballana ist gefährlich«, betonte Jiulie.
»Ja, das ist sie. Sehr gefährlich sogar. Darum habe ich die Besorgung der Komponente wohl auch bis zuletzt aufgeschoben. Doch jetzt führt kein Weg mehr an eine Konfrontation vorbei.«
Alle Zweifel der vergangenen Wochen schossen mit einem Mal durch meinen Kopf. Ich kaute auf meiner Unterlippe und begann dann mit der Schilderung meiner zahlreichen Bedenken. Jiulie konnte mit ihrem Wesen Gefühle freilegen und hörte mir geflissentlich zu. Nachdem ich mir die Last vom Herzen geredet hatte, fühlte ich mich besser.
»Ich werde mich noch ein wenig ausruhen, Jiulie, und freue mich schon auf unser Wiedersehen.«
»Viel Erfolg, Crish.«
»Danke. Und eine große Portion Glück könnte auch nicht schaden.«
Jiulie lachte hell. Ihre fröhliche Stimme war Balsam für mich.
»Stimmt, Glück kann niemals schaden.« Sie zwinkerte mir zu, glitt mit ihren Fingern noch einmal durch mein Haar und ich kostete ihre salzigen Lippen. »Viel Glück«, hauchte sie, dann stieß sie sich ab und versank mit Laana in den Fluten.
Ich schwamm zum Ufer, nahm die Stofffetzen und die Ampulle für das Vampirblut auf und schlug den Weg zu meinen Gemächern ein.
Noch bevor ich den Gebäudekomplex betrat, hörte ich ein Rascheln im Gebüsch. Imphraziel kullerte aus einem Rosengewächs heraus, rappelte sich auf und zupfte einzelne Dornen von seiner Haut. Eine Handvoll der Stacheln hatte sich in seinen Flügeln verfangen. Verzweifelt griff der Imp nach hinten, verrenkte sich dabei und fluchte in den schmutzigsten Wörtern, die der Abyss kannte.
»Na, sieh mal an, wen haben wir denn hier?«, amüsierte ich mich. »Hast du dich von deinen vierbeinigen Spielgefährten loslösen können? Wenn du auf der Suche nach hübschen Zweibeinern bist – meinen Glückwunsch! Du hast ein besonders hübsches Exemplar gefunden.« Ich setzte mich in Pose.
»Dogo Dash! Anstelle herumzustehen wie ein Stiesel, könntest du mir besser helfen, diese lästigen, piekenden Dinger zu entfernen.«
Amüsiert streckte ich meine rechte Hand aus und schnappte wie eine Pinzette mit Daumen und Zeigefinger nach einem Dorn. Ein kurzer Ruck, und er war entfernt. Nachdenklich sah ich auf die Pflanzenwehr.
»Begleitest du mich, wenn ich Ballana aufsuche, Imphraziel?«
Imphraziel sah mich an, als wäre ich geisteskrank, und tippte mit einer Kralle gegen seinen Kopf. »Ich bin doch nicht verrückt. Da gehst du ganz allein hin.«
»Du willst ja nur vor mir flüchten, Feigling.« Ich schnippte den Dorn weg und betrat das Gebäude. In dem Korridor vor mir brannten bereits Fackeln und verdrängten die Abendröte mit blau schimmernden Flammen. Mehrere Abzweigungen führten in die unterschiedlichen Trakte.
In Höhe meines Kopfes flog der Imp neben mir her. Im Plauderton fragte er: »Wie hält eigentlich deine Mutter Ballana unter Kontrolle?«
»Mutter ist die Scharlachrote Königin. Sie wird ihre Mittel haben, um Ballana in ihre Schranken zu weisen.«
»Sie ist die Königin, richtig, aber Ballana hat sich noch niemals einem anderen Wesen unterworfen. Und ich bin auch nicht so dumm und ziehe einen direkten Vergleich ihrer Macht. Niemand hat den Titel der Vampirgöttin in Frage gestellt – und diesen Fehler überlebt. Also?«
»Also hat meine Mutter eine Vereinbarung mit Ballana geschlossen. Darauf willst du doch hinaus.«
»Ich will auf gar nichts hinaus. Ich gebe dir nur etwas zu denken.« Er machte eine kurze Pause, bevor er hinzufügte: »Ist vielleicht ungewöhnlich für dich – das Denken, meine ich.«
Aufgebracht hielt ich inne und sah ihn an.
»Ich kann sehr wohl denken. Doch Spekulationen über mögliche Inhalte einer Absprache sind müßig. Ich werde bestimmt nicht zu meiner Mutter rennen und danach fragen. Ganz zu schweigen von Ballana. Wenn du also sowieso wieder alles besser weißt, dann sag du mir doch, was die beiden untereinander ausgemacht haben!«
»Wenn ich eine Antwort hätte, würde ich nicht fragen. Bene telemora! Nur die beiden haben die Antwort auf meine Frage.« Mit dieser Feststellung verschwand Imphraziel vor meinen Augen.
Bevor ich meiner Wut mit einem Schrei Luft machen konnte, vernahm ich Schritte und lauschte. Sie näherten sich. Es klang wie das Schlagen von Metall auf Steinboden.
Neugierig geworden schlich ich zur Biegung und lugte um die Ecke. Mit selbstsicherem Schritt kam Virginie in meine Richtung, die Beine bis zu den Hüften von Metallplatten geschützt. Ihre wuchtigen Stiefel waren metallbeschlagen und verantwortlich für das Knallen. Sie trug schwarze Kleidung und der Stahl ihrer Rüstung hatte die Farbe von Anthrazit. In ihm glänzten silbrige Einlegearbeiten, die prachtvoll gearbeitet waren. Insgesamt wirkte der gefallene Archon düster, ein Eindruck, den seine schwarzen, angelegten Flügel verstärkten.
Hastig warf ich die Stofffetzen weg und setze einen Arm und ein Bein um die Ecke. Liebenswürdig sah ich in Richtung der Kriegerin. Ihr einst milder und gefühlvoller Blick war nun hochmütig und stahlhart.
»Hallo Virginie«, hauchte ich. Sie blieb drei Schritte vor mir stehen und wir musterten uns gegenseitig von oben bis unten. Jetzt konnte ich ihre Aufmachung näher in Augenschein nehmen. Ihre prunkvolle Rüstung war aufreizend geformt und ließ einige frivole Stellen frei –wie den Bauchnabel mit der von mir angebrachten Tätowierung und einem neuen Piercing. Rand und Zentrum der knapp bemessenen Brustrüstung waren aufwendig ziseliert. Ich konnte nur phantasieren, welche Tätowierungen und Spielereien unter der Rüstung lauerten.
In ihrer Körperhaltung lag Stolz. Ihre Gesichtszüge waren härter geworden und zeigten keinerlei Empfindungen.
»Es ist niemand hier, nur wir«, stellte sie fest.
»Ich war allein«, bestätigte ich.
Ohne Erklärung zog sie ihr Schwert und setzte die Spitze an meinen Hals. Die Geschmeidigkeit ihrer Bewegung hatte mir nur einen kurzen Blick auf die von magisch anmutenden Runen überzogene dunkle Schneide erlaubt. Die Waffe war sicherlich der Macht von Virginie würdig. Einer dunklen Streiterin würdig – unheilig und von tödlicher Schärfe. Auch für mich.
»Sag mir einen Grund, Buhle, warum ich dir nicht den Kopf abschlagen sollte.«
Ohne jeden Zweifel wusste sie den Grund, aber sie machte sich einen Spaß aus der Demonstration ihrer Bereitschaft zur Brutalität und wollte die Angst von meinen Lippen vernehmen.
»Wenn du mir den Kopf abschlägst, Virginie, werden meine Lippen nicht mehr vor dir und meine Zunge nicht mehr in dir erzittern können«, erwiderte ich und fuhr anschließend mit meiner Zunge über die Oberlippe. Ein Kloß hatte sich im Hals gebildet, direkt unterhalb der Stelle, wo die Spitze gegen meine Kehle drückte. Ich wagte nicht zu schlucken.
»Ich war jung und naiv.«
Der gefallene Archon trat näher an mich heran, bis wir Auge in Auge standen und die Nasenspitzen beinahe einander berührten. Ein kräftiger Schlag in meinen Magen folgte, der mir die Luft aus den Lungen trieb. Ich konnte nicht einmal aufschreien, schon griff Virginie mich und drehte meinen Körper grob herum. Ihr Schwert lag nun an meinem Hals und ich musste mich auf die Zehenspitzen stellen, damit die messerscharfe Klinge nicht einschnitt. Japsend rang ich um Atem. Ihre freie Hand fuhr mit allen metallverzierten Fingernägeln über meinen nackten Bauch und ich spürte, wie sie Striemen hinterließen. Sie glitten tiefer und ritzten meine Oberschenkel ein. Blutige Tropfen lösten sich. Mir wurde kalt und als sie meine Schenkel auseinanderzog, wehrte ich mich nicht. Ich wagte es nicht. Jede Bewegung löste eine Flut neuer Schmerzen aus. Tränen liefen über meine Wangen. Die Striemen brannten, mein Magen kniff. Ich hasste Schmerzen – den Kopf abgeschlagen zu bekommen war vielleicht die mildere Alternative zu dem, was nun folgte.
Zwei Finger führte sie zwischen meine Schamlippen, zwei kneteten den äußeren Bereich. Aus dem angsterfüllten Zittern meines Körpers wurde ein verlangendes Beben. Ich stützte mich so gut ich vermochte ab und kreiste gleichzeitig mit dem Becken. Ich konnte gar nicht anders, ich musste mich ihren in mich stoßenden Fingern entgegenrecken. Geschickt führte sie ihre Hand über und in mein Geschlecht und besorgte es mir. Genüsslich streckte ich meine Arme nach hinten aus und angelte nach Halt. Sie tauchte mit dem Kopf unter meine Achsel hindurch, hauchte dabei über meine Haut, hielt ihr Schwert aber unverändert in Position. Ihre Zunge strich über meine Brustwarze und ich bot ihr meine Brüste mit den Händen an. Sie biss zunächst sanft, dann schmerzhaft aber erregend hinein.
»Fester«, hauchte ich ihr zu, »du weißt, wie ich es will von dir.«
Virginie biss fester zu, ihre Finger stießen rücksichtsloser in mich hinein und ihr Daumen massierte in immer schneller werdenden Kreisen meinen Kitzler. Meine Augenlider flatterten. Die Welt um mich herum schwankte.
»Schneller, oh, ja … fester … au, … auow!«
Als ich zum Höhepunkt kam, gab mir meine Peinigerin einen groben Stoß und ich fiel zu Boden. Unsanft landete ich mit dem Gesäß auf dem Läufer. Sie richtete ihr Schwert auf mich.
»Bis zum nächsten Mal«, dräute sie und lachte pervers. Das Blut in meinen Adern gefror.
Dann steckte sie ihre Klinge ein und setzte unbeirrt ihren Weg fort. Ich blieb sitzen und verschnaufte.
»Man war ich gut«, murmelte ich zu mir selbst. In Gedanken ging ich das soeben erlebte noch einmal durch. Ich war von einem einst unschuldigen Paladin und heiligen Boten des Sonnengottes Halio vergewohltätigt worden. Virginie hatte viel gelernt und weiter an Macht gewonnen. Ein dunkler Streiter, wie ich ihn mir düsterer nicht vorstellen konnte. Und an ihr nagte, dass ich es war, die sie verführt hatte. Damals, in Ustan. Ich war stolz auf mich.
Gleichzeitig ermahnte ich mich zur Vorsicht. Im Reigen der Dämonen überlebten nur die Gerissensten, die ihre wahre Stärke verbargen. Alle körperlich Starken starben – früher oder später. Jene, die hervortraten und sich über andere erhoben, starben einsam. Und alle, die sich ihrem unstillbaren Hunger hingaben, sich auf ihre Überlebensinstinkte oder simple Selbstverteidigung verließen, erlitten einen schnellen Tod.
Von all diesen Möglichkeiten des Scheiterns distanzierte ich mich, doch durfte ich eine Gefahr für mich nicht verdrängen.
Törichter Stolz.