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7.
Die Behandlung beginnt

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Am 16. Oktober begann meine Behandlung. Ich war in die Ambulanz der Medizinischen Klinik am Sendlinger Tor einbestellt, durch einen kleinen Park getrennt von der (evangelischen) Matthäuskirche. Natürlich war ich nervös, sogar ein wenig aufgekratzt. Dass ich einen Professor »im Hintergrund« hatte, den ich persönlich kannte und der sich für mich einsetzte, war immer eine gewisse Sicherheit in dem großen Apparat. Da ich mich zuvor an einer Zentralstelle hatte anmelden müssen, war ich jetzt Teil des »Systems«. Die Frage, wie und wo ich versichert sei, habe ich seither unzählige Male gehört.

Wie eine Chemotherapie vor sich geht, wusste ich bis dahin nicht. Einige Patienten lagen auf Liegen und bekamen Infusionen. Dass ich heute auftauchen würde, war bekannt. Eine Schwester erwartete mich. Für mich stand eine Plastikflasche bereit, in der die Ration für eine Woche genau abgestimmt war. Mittels Baxter-Pumpe, die ich in einer Hüfttasche verstauen konnte, wurde mir diese in den Körper injiziert. Die Technik ist patientenfreundlich: Ein leerer Elsaomer-Ballon wird im Innern des Infusors mit der Infusionslösung 5-FU (Fluorouracil), die auf Gewicht und Körpergröße abgestimmt ist, befüllt. 5-FU ist ein Arzneimittel, welches als Zytostatikum in der Chemotherapie, hauptsächlich beim kolorektalen Karzinom und bei Brustkrebs angewendet wird. Durch die Dehnung des elastischen Materials wird Druck auf die Flüssigkeit ausgeübt. Der Druck presst das Arzneimittel aus dem Reservoir durch den Schlauch. Ungewohnt ist am Anfang nur, dass man diese Flasche am Körper trägt. Nachts muss man eine Technik suchen, um nicht auf der Flasche oder auf dem Schlauch zu liegen zu kommen. Beim Duschen ist mir die Flasche manchmal heruntergefallen, was einen kräftigen Zug auf den Schlauch am Port ausübte. Aber es ist nie etwas Ernstes passiert. Eine Woche lang dauerte diese erste Chemo-Staffel.

Parallel dazu begann am 17. Oktober die Strahlentherapie. Täglich außer Samstag und Sonntag, sechs Wochen hindurch, bis 24. November. Ungewohnt war für mich, vormittags von St. Michael durch die Innenstadt in die Klinik zu spazieren, wo ich zu einem festen Termin, bis auf wenige Ausnahmen um 10 Uhr, bestrahlt wurde. Dafür wurde ich mit blauer Farbe im Bauch- und Beckenbereich markiert, um punktgenau bestrahlt werden zu können. Die Prozedur dauert fünf bis sieben Minuten. Man merkt eigentlich nichts, es ist einfach immer derselbe Ablauf: ankommen, kurz warten, entkleiden, auf den Tisch legen, man wird justiert, die Helfer verlassen den Raum, die Bestrahlung beginnt. Einmal pro Woche gab es ein Arztgespräch wegen der Nebenwirkungen. Natürlich wird so präzise wie möglich bestrahlt, aber in derselben »Gegend« befinden sich Harnblase und Prostata. Von Anfang an musste ich daher Pampers tragen. Die Inkontinenz ließ auch nicht lange auf sich warten. Windeln in der Apotheke besorgen zu müssen, war zuerst gar nicht so leicht. »Die sind für mich«, flüsterte ich und war erleichtert, dass die beiden Packungen diskret in einer Plastiktasche verstaut wurden.

In der Tat kam die ganze Verdauung schnell durcheinander. Kollateralschaden der Bestrahlung! Einmal erhielt ich einen Anruf aus Wien, von einem Freund aus der Provinzleitung: »Wie geht es dir, was machst du gerade?« Ich: »Ich stehe gerade vor dem Kaufhof am Marienplatz und wollte Blumen besorgen. Aber es ging gerade los: Da kann ich nur mehr die Beine grätschen und alles in die Windeln fallen lassen.« Nur mit Klaus redete ich so offen. Er war über zehn Jahre in der Hospizarbeit der Wiener Caritas tätig und kannte solche Situationen. Bei einem anderen Anruf sagte ich: »Ich liege auf dem Bett, ich bin sehr müde, und ich beobachte, wie die Herbstsonne in unsere Platane leuchtet, ich schaue die bunten Blätter an.« Und Klaus darauf: »Tu alles, was dir guttut, genieße den Augenblick.«

Dass ich wochenlang nur sehr eingeschränkt arbeiten, also an meinem Papstbuch schreiben konnte, sei nur nebenbei erwähnt. Ich war, vor allem nachmittags, überaus müde und döste auf dem Bett dahin. Dazu kam das Wechseln der Pampers.

Wenn ich in die Strahlenklinik kam, sah ich andere Patienten: viele ältere, meistens älter als ich; aber auch Kinder, oft im Rollstuhl. Viele trugen Kopftücher oder Basecaps. Mir fielen die Haare nie aus – manchmal jedoch wünschte ich mir das heimlich, weil ich sehr oft zu hören bekam: »Man sieht dir gar nichts an. Du schaust ganz gesund aus.« Der Schein trog.

Durchkreuzt

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