Читать книгу Maria - Fräulein der Friesen - Andreas Scheepker - Страница 13
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Оглавление»Unser lieber und verehrter Doktor Rimberti, der Rechtsgelehrte der kaiserlichen Statthalterin. Welche Ehre und Freude, Euch wiederzusehen!«
Lübbert Rimberti erstarrte, als er den Speiseraum der Burg betreten wollte. Er blieb im Türrahmen stehen. Zwischen Fräulein Anna und Fräulein Maria saß niemand anders als Graf Enno von Ostfriesland. Zwei Offiziere Ennos saßen mit ihnen an der Tafel. Neben Fräulein Maria saß ein griesgrämig blickender älterer Mann, den seine schlichte, aber teure Kleidung als Persönlichkeit von Rang auszeichnete. Trotz seines Alters wirkte er kraftvoll. Er warf einen kurzen misstrauischen Blick auf Rimberti und wandte sich dann wieder den Fräulein zu.
Rimberti verneigte sich und überbrachte seine Ehrerbietung und die Grüße von Königin Maria. Diese ritualisierte Begrüßung verschaffte ihm den Augenblick, den er benötigte, um klar zu denken.
Mit ausladender Geste forderte Enno ihn auf, Platz zu nehmen. Die Tafel war reich gedeckt mit frisch gebackenem Brot, Bratenfleisch, Schüsseln mit Grütze, Käselaiben, Kuchen und Obst. Dazu standen Kannen mit Wein und Bier auf dem Tisch.
»Ihr seht, lieber Rimberti, Ihr seid hier bei Freunden, und auch Ihr dürft Euch in dieser Runde als ein solcher fühlen«, sagte Graf Enno. »Auch wenn wir nicht immer eines Sinnes sind, so vergesse ich Euch nicht, dass Ihr mein Leben gerettet habt, als der Mörder mit der Armbrust auf mich schoss. Und den Verkauf der Herrlichkeit Hillersum an meine Widersacher habt Ihr ebenfalls verhindert. Das bisschen Ungemach, das Ihr mir bereitet habt, soll darüber vergessen sein. Ich bin kein nachtragender Mensch.«
Rimberti antwortete nicht und nahm ihm gegenüber Platz. Das Gesicht des älteren Mannes neben Fräulein Maria verfinsterte sich noch mehr.
Graf Enno fuhr fort: »Jetzt müssen wir beide, Ihr und ich, gute Freunde für unsere beiden Fräulein sein. Von Westen droht Junker Balthasar mit Krieg, und aus dem Oldenburgischen kommen Plünderer, ohne dass ihnen dort Einhalt geboten wird. Nun, ich habe Soldaten mitgebracht, die die Burg Jever beschützen. Und mein treuer Diener Isko Onninga wird morgen mit seiner Reitertruppe eintreffen, um die Landgemeinden zu schützen.«
Enno hielt seinen leeren Weinpokal einem Diener hin, der ihn auffüllte. »Gieß er gefälligst mehr ein! Sei er nicht so geizig!«, herrschte der Graf den Diener an. »Ich habe alles aus eigener Tasche bezahlt, was wir hier essen und trinken.« Fräulein Maria sah auf ihre gefalteten Hände. Der ältere Mann neben ihr schaute noch finsterer drein. Ihre Schwester Anna kaute gedankenverloren und schaute in den Raum, ohne dass Rimberti feststellen konnte, wohin ihr Blick schweifte. Auf dem Teller hatte sie kandierte Ingwerstücken. Enno trank den Pokal in einem Zug leer und stieß heftig auf.
»Ich hörte, es gab Ärger?«, fragte Graf Enno und taxierte dabei Rimberti.
»Grootewarden wurde angegriffen«, antwortete Fräulein Maria mit leiser, aber fester Stimme.
»Gestern wurde das Dorf von Owelackers Landsknechten geplündert, und vorgestern wurde es von Isko Onninga und seinen Leuten überfallen«, erklärte Rimberti und bemühte sich, dabei ruhig zu bleiben.
Graf Enno warf ihm einen ungehaltenen Blick zu. »Wie ich hörte, habt Ihr dafür gesorgt, dass Isko sich mit meinen Männern zurückziehen musste. Hättet Ihr ihn nicht in seinen Aufgaben behindert, hätte er die Plünderer vertrieben.«
»Ich glaube nicht, dass Isko Onninga den Schneid gehabt hätte, gegen Owelacker und dessen Leute anzutreten. Das sind gut ausgebildete Kämpfer. Männer wie Isko kämpfen nur gegen Schwächere.« Rimberti sah Enno herausfordernd an.
Graf Enno hielt seinem Blick stand. »Doktor Rimberti, Ihr seid nicht von der Königin geschickt worden, um Euch in die Geschicke unseres Landes einzumischen. Eure Aufgabe ist es, Papiere zu lesen, Paragrafen zu reiten und mit Tinte zu klecksen. Verseht Ihr Euren Dienst und lasst uns das Unsrige tun.«
Graf Enno winkte mit der Hand, um Rimberti zu entlassen. Der jedoch tat, als hätte er die beiläufige Geste nicht bemerkt und erklärte: »Die Statthalterin persönlich schickt mich, um die Urkunden und die Situation vor Ort zu prüfen. Ihr werdet erstaunt sein, wie genau die junge Königin alles und alle im Blick hat. Es ist noch nicht lange her, da hat Herzog Karl die Reichsacht gegen Euch gefordert. Hätte er es durchgesetzt, würde er selbst statt Eurer vermutlich als neuer Herr von Ostfriesland regieren oder Junker Balthasar. Ich habe die Königin beruhigt und ihr versichert, dass sie auf Euch als treuen Lehensmann setzen kann, und dass ich hier alles in wohlgeordneten Verhältnissen vorfinden werde.«
Für einen Moment war Enno verunsichert. Dann grinste er und hielt dem Diener seinen Pokal hin. Als der nicht sofort einschenkte, funkelte Enno ihn wütend an und zischte: »Will Er hier Maulaffen feilhalten? Schenk Er ein!«
Der Alte neben Fräulein Maria sah Rimberti aufmerksam an. Er kniff die Augen zusammen, als könne er nicht mehr gut sehen.
Nachdem der Diener rasch vorgetreten und den Pokal aufs Neue gefüllt hatte, stürzte Graf Enno den Wein hinunter. »Bestellt der Statthalterin, dass wir hier alles im Griff haben. Plünderer gibt es überall, und Isko Onninga wird sie aus dem Verkehr ziehen, sobald ihr Versteck gefunden ist.«
Rimberti wollte die Gefangenen erwähnen, entschied sich aber anders. Die Befragung der drei Männer würde er selber vornehmen.
»Ich hörte, wir haben drei von den Plünderern gefangen genommen«, erklärte Fräulein Maria und sah dabei auf den Tisch. »Sie befinden sich unten im Verlies. Wir werden sie verhören und erfahren, wo sich ihr Lager befindet.«
»Bestens«, erwiderte Graf Enno und stopfte sich ein Stück Weißbrot in den Mund. »Isko soll sich die drei vornehmen. Stellt eine Wache auf und sorgt dafür, dass niemand mit den Männern spricht. Und mit niemand meine ich genau, was ich gesagt habe.«
Auf seinen Wink erhob sich einer der Offiziere diensteifrig und verließ den Raum.
»Ist es nicht klüger …«, wollte Fräulein Maria einwenden.
Graf Enno unterbrach sie: »Ihr zweifelt nicht im Ernst an meiner Klugheit?« Er räkelte sich in seinem Stuhl mit den ausladenden Armlehnen und drehte sich wieder Rimberti zu.
»Seht, Rimberti, die Sache ist doch sehr einfach«, erklärte er. »Vor 20 Jahren verstarb Häuptling Edo Wiemken. Einige Jahre später erfolgte dann der unglückliche Tod seines Sohnes, Junker Christoph. Im gleichen Jahr haben die fünf Regenten, die noch von Häuptling Edo ernannt worden waren, meinem Vater die Treue geschworen und ihn als Bewahrer des Jeverlandes und als Beschützer der Fräulein von Jever anerkannt.«
Fräulein Anna steckte sich ein großes Stück von dem kandierten Ingwer in den Mund, während Maria den Grafen mit großen Augen ansah.
»Nun«, fuhr Enno fort, »seitdem haben mein Vater, mein Bruder Johann und ich unser Bestes getan, um diesem Amt gerecht zu werden. Wir lassen das Land durch unseren Drosten verwalten und durch unsere Soldaten beschützen. Und ich werde nicht aufhören, nach einer passenden Partie für unsere Fräulein Anna und Maria zu suchen. Rimberti, Ihr verfügt doch über so glänzende Verbindungen zum kaiserlichen Hof. Könnt Ihr da nicht etwas in die Wege leiten?«
Fräulein Anna sah zuerst den Grafen und dann Rimberti an. Dann senkte sie den Blick und sagte, während sie auf dem Ingwer kaute: »Habt Ihr da nicht etwas vergessen?«
Graf Enno brummte. »Nach dem Willen meines Vaters würden Maria und ich heute Morgen nicht als gute Freunde, sondern als Mann und Frau am Tisch sitzen. Aber es hat sich anders ergeben. Das ändert jedoch nichts an der engen Verbindung zwischen Eurem und unserem Haus.«
»Gibt es darüber einen Vertrag?«, erkundigte sich Rimberti.
Enno schüttelte den Kopf. »Nein!«
»Ja!«, hielt Fräulein Maria dagegen. »Graf Edzard hatte drei Söhne, und wir waren drei Schwestern. So sollten die beiden ältesten Kinder verheiratet werden. Würde aus dieser Ehe nichts, so sollten, dann …«
»Die Wünsche der Eltern werden nicht immer erfüllt«, unterbrach Enno. »Vor allem war es der Wunsch unserer Väter, Ostfriesland und Jever zu vereinigen, damit daraus ein einiges Friesland wird.«
»Ich glaube nicht, dass mein Vater derartige Pläne hatte.«
»Ihr wart noch ein Kind, als Euer Vater starb. Unsere Väter waren sich einig, und mein seliger Vater war immer ein treuer Freund und Beschützer des Jeverlandes.«
»Gibt es eine schriftliche Vereinbarung?«, hakte Rimberti noch einmal nach.
»Graf Edzard hat uns ein schriftliches Eheversprechen gegeben«, erklärte Fräulein Maria. »Darin ist alles genau geregelt.«
»Könnt Ihr es vorlegen?«, fragte Graf Enno lauernd.
»Natürlich nicht«, antwortete Maria mit leiser, aber klarer Stimme. »Euer Vater hat uns das Dokument vor einigen Jahren weggenommen.«
»Es war eher ein Brief«, wollte Enno richtigstellen und wandte sich wieder an Rimberti. »Ein Brief, in dem mein Vater seine Wünsche für eine gemeinsame Zukunft unserer Familien formuliert. Er wollte nicht, dass er in falsche Hände gerät und gegen ihn verwendet wird.«
Enno fasste Fräulein Anna in den Blick, die so damit beschäftigt war, mit einem kleinen Messer zu großes Stück Ingwer in winzige Stücke zu zerschneiden, dass es den Anschein hatte, dass sie von dem Gespräch nicht viel mitbekam. »Das wollt Ihr doch auch nicht, oder Fräulein Anna?«, fragte er mit Nachdruck.
»Maria und Ihr sollt ein Paar werden«, sagte Fräulein Anna, ohne ihren Blick von dem Teller vor sich zu nehmen. »Ihr beide seid die zweitältesten Geschwister. Ihr seid füreinander bestimmt. Enno, Ihr seid Marias rechtmäßig versprochener Ehemann.«
Für einen Moment wurde es still. Ennos Offizier sah betreten auf seinen Teller.
Enno sah Fräulein Anna scharf an. Dann drehte er sich zu Fräulein Maria hin. »Das schwere Essen und der süße Wein am frühen Morgen bekommen Eurer Schwester nicht. Ihre Rede ist genauso wirr wie ihr Blick. Lasst sie in ihre Räume begleiten.«
»Ich finde meinen Weg allein«, sagte Anna. Sie nahm ihren kleinen Teller mit den Ingwerstücken und verließ den Raum.
»War das nötig?«, fragte Maria verhalten.
»War das nötig?«, polterte Enno und fegte mit einer Handbewegung seinen Pokal und die Reste seiner Mahlzeit von Tisch. »Muss ich mich von dieser Irren beleidigen lassen?« Er sah beiläufig zu Rimberti. »Das könnt Ihr auch Eurer Königin melden, was ich mir hier bieten lassen muss.«
Der ältere Mann neben Maria schnappte nach Luft und wollte sich erheben, aber Maria umfasste sein Handgelenk, und er blieb auf seinem Platz.
Rimberti saß weiter unbeweglich aufrecht. »Euer Durchlaucht, ich werde der Stellvertreterin Eures Kaisers und Lehensherrn alles berichten, was ich höre und sehe. Die Sache mit dem Eheversprechen lässt sich ja überaus leicht klären.«
Enno sah ihn misstrauisch an, und aus Marias Blick war alle Skepsis verschwunden.
»Nun«, fuhr Rimberti fort, »wenn ich die Sache richtig verstanden habe, ist es etwa 14 Jahre her, dass Euer Vater dieses Heiratsversprechen …«
»Dieses vorgebliche Heiratsversprechen!«, unterbrach ihn der Graf.
»Umso besser«, erwiderte Rimberti. »Dann steht ja nichts zu befürchten. 14 Jahre sind eine lange Zeit, aber auch nicht so lang, dass sich niemand mehr finden lassen würde, der diese Ereignisse miterlebt und bezeugen kann. Es muss doch eine ganze Reihe von Personen geben, die dieses Schriftstück gesehen haben oder dabei waren, als alles so abgesprochen wurde. Diese Zeugen werde ich finden und befragen. Und dann werden alle Missverständnisse aus dem Weg geräumt sein.«
Graf Enno sah ihn verdutzt an, und der finstere Blick des älteren Mannes neben Maria erhellte sich für einen Moment.
»Verzeiht mir«, sagte Rimberti, »nun muss ich mich an meine Geschäfte begeben.«
Maria schenkte ihm die Andeutung eines sanften Lächelns.