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Vorwort

Dieser Bericht entstand vor der Corona Krise und wurde nachträglich nicht überarbeitet. Der Grund liegt darin, dass ich der Meinung bin, dass die Aussagen und Vorschläge durch die Pandemie nicht an Aktualität verloren haben. Im Gegenteil, sie müssten heute noch prägnanter formuliert werden.

Mit der jetzigen Gesundheitskrise ist erstmals eingetroffen, wovon schon lange gewarnt wurde: Eine Viruserkrankung hat die ganze Welt erfasst. Die Gefahr der Pandemie ist Wirklichkeit geworden. Bei Ebola und SARS sind wir in Europa blosse Beobachter geblieben. Jetzt sind wir erstmals auch Opfer geworden. Die Corona Epidemie ist so gesehen eine Art gesundheitlicher Nachvollzug der Globalisierung.

Aus Distanz wird die jetzige Krise eine andere und neue Beurteilung erfahren. Bereits jetzt drängen sich jedoch gewisse Lehren auf:

1. Die Staaten, welche bereits Virus Epidemien erlebt haben, waren jetzt besser vorbereitet. Sie haben ihre Hausaufgaben gemacht und konnten effizient reagieren. Wir wurden für unsere Nachlässigkeit bestraft. Das Hauptkriterium für das erfolgreiche Bestehen war nicht Demokratie oder Diktatur, sondern die Frage, wie gut die Gesellschaft und der Staat vorbereitet waren. Bei uns war das neoliberale Sparen wichtiger als die Gesundheitsvorsorge. Wir müssen also mehr vorsorgen, auch wenn es kostet. Der Präsident von Economie Suisse hat dies in einem Interview deutlich gesagt: Wir haben in einem Monat mehr ausgegeben als wir in den letzten 20 Jahren gespart haben. Vielleicht hätte weniger sparen uns besser geholfen, uns auf eine Pandemie vorzubereiten.

2. Der Service public, an dem wir seit den 80er Jahren des letzten Jahrhunderts gespart haben muss gestärkt werden. Besonders deutlich ist dies im Gesundheitsbereich. Nachhaltig werden die Nachwirkungen im Bildungswesen sein: Homeschooling zeigt nicht nur die gesellschaftliche Bedeutung der öffentlichen Schulen. Es zeigt auch, dass bildungsferne Familien zusätzlich benachteiligt sind. Homeschooling vergrössert die sozialen Unterschiede und verkleinert die Chancengleichheit.

3. Der Sozialstaat hat Robustheit und Krisenfestigkeit gezeigt. Seine Abwesenheit kann in voller Macht in der Vereinigten Staaten beobachtet werden. Die Konsequenzen werden für die amerikanische Gesellschaft verheerend sein. Sie werden auch die Entwicklung der Weltwirtschaft und der schweizerischen Exportwirtschaft beeinträchtigen.

4. Die Abhängigkeit vom Weltmarkt, ja von wenigen Produzenten für die Grundstoffe wichtiger Medikamente, zeigt die Verwundbarkeit unserer Gesellschaft in Zeiten der Krise. Die spontane Reaktion, Rückzug hinter die nationalen Grenzen, ist keine Antwort. Der Nationalstaat wird jedoch an Bedeutung gewinnen. Wir werden die Globalisierung differenzierter beurteilen und deren Rückbau genauer analysieren müssen.

5. Erschreckend ist das Versagen der internationalen Organisationen, sei es die UNO oder die EU. Allerdings: Die Krise hat nichts Neues zutage gebracht, sondern hat die Grundsituation, wie sie sich in den letzten Jahrzehnten entwickelt hat, bestätigt. Die Schwäche der internationalen Solidarität und die Unfähigkeit sich über nationale Egoismen hinweg zu setzen, reduziert aus Sicht des Kleinstaates Schweiz allerdings nicht die Notwendigkeit von internationalen Regeln und einer minimalen globalen Gouvernanz.

6. Das gute Funktionieren der staatlichen Institutionen hat an Bedeutung gewonnen und wird in den kommenden Jahren nachhallen. Die Herausforderung im politischen Prozess wird sein, dass wir die Robustheit und Krisenfestigkeit der Institutionen erhöhen, ohne die Eigenverantwortung der Bürger und das Prinzip der Subsidiarität zu schwächen.

Die Bewältigung der Pandemie und ihrer Folgen sollten uns aber auch eine Warnung sein:

- Unser Wohlstand hängt bedenklich vom Wohlergehen der Welt ab. Praktisch jeder erfolgreiche Zweig der Wirtschaft ist irgendwie mit internationalen Wertschöpfungsketten verbunden. Wir bleiben Teil einer globalisierten Welt.

- Direkte Demokratie, Föderalismus und dezentrale Ausführung kommen ohne eine starke Regierung nicht aus. Sie vertragen sich aber schlecht mit einem grossen Regierungsapparat, der Mikromanagement betreibt. Die Regierung muss in der Lage sein, eine Richtung und eine Strategie vorzugeben. Je mehr sie sich mit der Ausführung befasst, desto mehr werden die Grundpfeiler schweizerischer Politkultur geschwächt.

- Die grossen Herausforderungen des 21. Jahrhunderts, Klimawandel, Armut, Migration und der Zugang sowie das Management der natürlichen Ressourcen wurden kurzfristig in den Hintergrund gedrängt. Wir wehren uns kurzfristig und bekämpfen das Unmittelbare. Wir vergessen dabei das Mächtige und Langfristige. Es wird uns dafür später umso heftiger treffen.

- Es gibt keinen Grund, nicht anzunehmen, dass mit zunehmender Globalisierung, die Risiken für Pandemien zunehmen.

Welche Schweiz für morgen?

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