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Prolog

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Ich habe versagt.

Die Worte hallten in seinem Inneren wider wie der grausame Richterspruch eines allmächtigen Gottes namens Schicksal. Wie hatte er nur je glauben können, etwas Besseres zu sein, all dem hier zu entkommen?

Kalte Luft fegte ihm ins Gesicht, Regentropfen piksten seine Haut wie Nadelstiche. Längst klebte die Stoffjogginghose an den Beinen, tropfte Wasser von der dünnen Sportjacke.

Der Beton des Bürgersteigs war dunkel vor Feuchtigkeit.

Er rannte.

Vorbei an überfüllten Mülltonnen, Pennern, die sich in Hauseingängen verschanzten, Jugendlichen, die in kleinen Gruppen von den Spielplätzen zurück in die Wohnsiedlungen strömten. Der Regen trieb sie alle davon, wie Ratten, die das sinkende Schiff verließen; wenn auch nur, bis die nächsten Sonnenstrahlen hinter den Wolken hervorlugten. Dann kamen sie aus ihren Schlupflöchern und machten weiter wie bisher.

Seine Glieder wurden schwerer, herabgezogen von bleierner Nässe, die die Kleidung tränkte. Er sollte zurücklaufen, nach Hause. In das winzige Zimmer, das er sich mit seinem Bruder teilte. Sich auf das Bett werfen und durch die dünne Wand hindurch seiner Mum lauschen, die sich von sinnlosen amerikanischen Mittagstalkshows berieseln ließ, bevor sie zu ihrer nächsten Schicht im Pub verschwand.

Alex rannte weiter.

Vor ihm tauchte eine Unterführung auf. Ein typischer Treff für Halbstarke. Fast schon hoffte er, dass sie sich ihm in den Weg stellten. Mit geballter Faust tauchte er ein in die Schatten. Er wollte zuschlagen. Wie früher, als die Welt noch so einfach gewesen war, reduziert auf seine Freunde, Bier, gemeinsames Abhängen. Ohne einen Gedanken an die Zukunft, ohne Pläne oder Perspektiven. Nur das Hier und Jetzt zählte.

Er liebte die Erinnerungen.

Und hasste sie gleichermaßen.

Es gab kein Zurück. Nicht, dass er das wirklich gewollt hätte. In den letzten Monaten hatte er alles dafür getan, dem trägen Einerlei aus Perspektivlosigkeit zu entkommen. Weg aus dem Sumpf namens Brixton, Angell Town, um endlich auf eigenen Beinen zu stehen, seine Mum zu unterstützen, seinem kleinen Bruder eine Chance zu verschaffen.

Doch der Traum war tot.

Alex verlangsamte seine Schritte, stoppte. Inmitten von Dunkelheit, Kälte und Nässe blieb er stehen. Niemand verbarg sich in den Schatten, kein Klappmesser sprang auf, nirgendwo ertönte eine Stimme: »Hey, Alter«. Nicht mal darauf konnte er sich verlassen. Seine Handknöchel traten hervor, so fest ballte er die Faust. Er wollte prügeln, Nasen brechen, Haut aufplatzen sehen. Alles ganz einfach.

Allein.

In seinem Inneren tobte die Wut unaufhörlich, sie warf sich gegen den Panzer aus Selbstbeherrschung, den er so sorgfältig errichtet hatte. Sie wollte hinaus. Toben. Ehe das Gefühl zu stark werden konnte, trabte er weiter.

Vorbei an mit Graffiti beschmierten Wänden, weggeworfenen Bierdosen und einer am Boden liegenden Handtasche. Sie war leer, vermutlich Diebesgut.

Als er die Unterführung verließ, peitschte ihm der Wind ins Gesicht. In der Ferne zuckten Blitze, rollte der Donner. Das Unwetter kam näher.

Ich sollte umkehren.

Doch er rannte weiter. Stemmte sich gegen Luft und Wasser, obwohl er doch nie gewinnen konnte. Das Versagen schien Teil seines Ichs zu sein.

Die Straße endete; wurde zu einem Trampelpfad, der auf einen Spielplatz führte. Eine Schaukel wurde vom Wind hin- und hergeworfen, das Karussell drehte sich. Von der Wippe war nur noch eine Seite übrig, sie steckte im Schlamm. Der Gitterzaun war an zwei Stellen eingetreten.

Alex hastete vorbei.

Vor ihm erhoben sich die Reste der groß angekündigten Neubausiedlung. Drei einsame Baracken, die trostlos und leer vom Zahn der Zeit zugrunde gerichtet wurden. Das gewaltige Projekt war gestoppt worden. Heute sprach niemand mehr davon.

Eine riesige, schlammige Baustelle. Häusergerippe und Baumaterial, mehr war nicht geblieben.

Alex übersah eine Eisenstrebe, die aus der Erde ragte.

Vom eigenen Schwung getragen, landete er bäuchlings im Dreck. Er blieb einfach liegen. Die Regentropfen patschten auf seinen Rücken, den Hinterkopf, die frei liegenden Knöchel. Schlamm bedeckte sein Gesicht.

Er lachte.

Wenn der Kerl ihn jetzt sehen könnte. Alex hatte sein Gesicht vor sich. Den sauberen Maßanzug, das Kräuseln der Lippen, die hochgezogene Braue. Nach all seinem Einsatz hatte er den Job nicht bekommen. Warum? Das hatte man ihm sogar gesagt. Weil er von hier stammte, vom Ende der Welt, aus den Slums.

Wieder musste er lachen, er konnte sich kaum noch beruhigen.

Um Brixton zu verlassen, benötigte er einen Job. Doch um einen solchen zu bekommen, musste er Brixton verlassen.

Ein Paradoxon. Die unlösbare Aufgabe, die ihn an dieses Leben fesselte.

Alex kam in die Höhe.

Er kauerte auf den Knien, den Oberkörper nach vorne gebeugt, das Gesicht gen Boden gerichtet. Schlamm und Dreck. Sah so seine Zukunft aus?

Sein Blick wanderte zum Himmel.

Ein Blitz schlug in eine der Baracken ein. Es donnerte.

Aufgebracht spannte er die Muskeln an. Die Wut wurde übermächtig. Er brüllte sie hinaus, ließ seinem Hass auf die grausame, unfaire Realität freien Lauf. Tränen rannen über seine Wangen – und entfachten noch mehr Groll.

»Ist das alles?«, brüllte er dem Schicksal entgegen. »Ist es das, was du willst? Mich im Dreck liegen sehen?!«

Das Schicksal antwortete.

Alex kniff die Augen zusammen.

Was war das? Ein grüner Schimmer glitt heran und vertrieb die Schwärze. Direkt über ihm kam er zum Stillstand. Ein glühender Ball aus purer Energie.

Alex erhob sich.

Bildete er sich das ein? Drehte er nun völlig durch?

Der Ball schmolz. Das glatte Objekt wurde zu einem verschlungenen Ding.

Dann schoss es nach vorne.

Direkt in Alex hinein.

Er brüllte. Sein Innerstes wurde zerrissen und neu zusammengesetzt. Nichts blieb verborgen, jede Faser seines Seins kam an die Oberfläche, verband sich mit den grünen, verwobenen Fäden, die Form anzunehmen begannen.

Zuerst entstand ein Strahlen rund um seinen Körper.

Aura, flüsterte etwas in seinem Inneren.

Sein Körper wurde der Schwerkraft entrissen, glitt in die Höhe und kam wenige Meter über dem Boden in der Luft zum Stillstand. Er hing zwischen den Gewalten, spürte Sturm und Regen auf die Haut peitschen. Sein Haar war nur mehr eine nasse Masse, die an seinem Schädel klebte.

Das grüne Ding verband sich mit der Hülle, der Aura und verschmolz endgültig. Anders konnte er den Gedanken nicht beschreiben. Alex wurde eins mit dem, was da in ihm war. Es nahm Form an, färbte sich neu ein.

Ein lodernder Schmerz peitschte durch seinen Geist.

Alex schrie ihn hinaus in die Nacht, ließ ihn eins werden mit den Gewalten. Und während pures Feuer durch seine Adern floss, erwachte tief in seinem Inneren das Erbe der Macht.

Das Erbe der Macht - Band 1: Aurafeuer (Urban Fantasy)

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