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Fast schon euphorisch hat Marshall T. Poe in seiner breit angelegten Geschichte der Kommunikation die Gegenwart als eine Zeit der medienvermittelten Transkulturalität beschrieben. Während die Zeit des Buchdrucks und der audiovisuellen Medien die Zeit der Toleranz und des Multikulturalismus gewesen seien, bewegen wir uns nun – so sein Argument – hin in eine Zeit, in der Identitäten »jenseits von Kultur« (Poe 2011: 240) lägen. Identitäten sind für ihn zukünftig weniger in historischen (National-)Kulturen verwurzelt, sondern eher eine Mischung verschiedener historischer und auch (neu) erfundener Kulturen. Ein Beispiel dafür sind für ihn die – wie er es nennt – transnationalen Identitäten verschiedener Subkulturen. Während diese zuerst einmal jenseits des Internets gelebt werden, ermöglicht Letzteres doch einen vergleichsweise einfachen Zugang zu ihnen. Der aktuelle Medienwandel befördert damit einen alltagsweltlichen Transkulturalismus. Als Beleg führt Marshall T. Poe den von dem togolesischen Botschaftersohn und Kreativunternehmer Claude Grunitzky herausgegebenen Band »Transculturalism« an. In Letzterem wird Transkulturalismus als eine Form des Lebens beschrieben, bei der »einige Menschen Wege finden, ihre ursprüngliche Kultur zu überschreiten, um fremde Kulturen zu entdecken, zu studieren und zu infiltrieren« (Grunitzky 2004: 25). Mit dem aktuellen Medienwandel verbunden wird also eine ganz neue Welt des Lebens und Erlebens von Kultur, für die der Begriff des Transkulturalismus steht.
Wenn wir aufmerksam die Medien verfolgen, scheint es daneben andere Seiten von Transkulturalität zu geben. Die Rede ist dann von transkulturellen Konflikten, die es in Organisationen zu managen gilt, oder aber von dem transkulturellen Konflikt zwischen dem »Westen« und dem »Rest« der Welt (Hall 1994a: 137–179). Nicht nur wissen wir von solchen transkulturellen Konflikten durch die verschiedenen Medien: neben dem World Wide Web können dabei ebenso traditionelle Massenmedien wie beispielsweise das Fernsehen oder die Zeitung genannt werden. Medien können selbst treibende Kräfte in solchen transkulturellen Konflikten werden. Exemplarisch wurde dies 2006 in dem sogenannten Karikaturenstreit deutlich (Eide et al. 2008): Europäische Karikaturen über den Propheten Mohammed lösten Proteste in der arabischen Welt aus, was in Europa zu einem öffentlichen Diskurs über den Islam und religiöse Werte führte. Produziert wurden die Karikaturen für die dänische Tageszeitung JYLLANDS-POSTEN, durchaus mit dem Ziel, Kontroversen auszulösen. Sie stehen somit für den Blick eines bestimmten Mediums auf »fremde Kulturen«. Erfahren von diesen Karikaturen haben die Menschen in der arabischen Welt wiederum durch die Medien – durch ein kritisches Dossier, das unter islamischen Geistlichen kursierte, Internetseiten und durch Berichte von AL JAZEERA –, was unterschiedliche Proteste auslöste. Über diese Proteste wurde dann in europäischen (Massen-)Medien mit zum Teil sehr distanzierenden Kommentaren berichtet. Die durch die Globalisierung der [10]Medien mögliche transkulturelle Kommunikation führt, wie dieses Beispiel zeigt, ebenfalls zu Konflikten zwischen Kulturen (und Religionen) und bringt diese nicht zwangsläufig zusammen.
Solche wenigen Beispiele machen deutlich, wie komplex und vielfältig das Phänomen der transkulturellen Kommunikation ist. Sie zeigen, wie notwendig ein differenziertes Wissen über die Möglichkeiten und Grenzen transkultureller Medienkommunikationsprozesse ist, wenn man die sich globalisierende Medienkommunikation angemessen einschätzen und beurteilen möchte. Transkulturelle Kommunikation betrifft uns alle, wenn wir im Fernsehen, Kino und in der Presse mit Medienprodukten konfrontiert sind, die über die Grenzen verschiedener Kulturen hinweg »reisen«. Sie betrifft uns, wenn wir über das Internet mit Menschen anderer Kultur in Kontakt stehen. Auf welche Weise und von welchen Unternehmen werden diese transkulturell verfügbaren Medienprodukte hergestellt? Wie verhält sich die Medienpolitik zu den Aktivitäten global agierender Medienkonzerne? Durch was zeichnen sich transkulturelle Medienprodukte aus? Wie werden sie rezipiert und angeeignet? In welcher Beziehung steht all dies zu unserer kulturübergreifenden Kommunikation im Social Web? Und welche Theorien und Ansätze sind es, die uns in diesem Feld bei einer kritischen Betrachtung weiterhelfen? Diese Fragen sind es, auf die ich mit dem vorliegenden Buch zumindest ansatzweise eine Antwort geben möchte. Bevor ich in dieser Einleitung allerdings einen kurzen Überblick über das Buch insgesamt gebe, möchte ich einige Anmerkungen zu dem Begriff der transkulturellen Kommunikation machen.
Wie wir auf den folgenden Seiten noch sehen werden, ist der Begriff der transkulturellen Kommunikation eingebunden in eine weitergehende wissenschaftliche Diskussion um Globalisierung und Mediatisierung. Deswegen ist es sicherlich nicht möglich, ihn erschöpfend in zwei oder drei Sätzen zu definieren. Einleitend kann es also nur um eine erste Orientierung gehen. Bereits die eingangs genannten Beispiele haben deutlich gemacht, dass in diesem Buch medienvermittelte Formen transkultureller Kommunikation Gegenstand der Betrachtung sind, also nicht die direkte Faceto-Face-Kommunikation von Menschen untereinander. Dies hängt damit zusammen, dass transkulturelle Kommunikation insbesondere über Medien erfolgt. Im Gegensatz zu interkultureller und internationaler Kommunikation – also Kommunikation zwischen Menschen oder Gruppen von Menschen, die verschiedenen Kulturen bzw. Nationalstaaten angehören – hebt der Begriff der transkulturellen Kommunikation auf solche Kommunikationsprozesse ab, die »über verschiedene Kulturen hinweg« geschehen. Exemplarisch kann man an die vielen Beispiele der eigenen Internetpraxis denken, das Lesen von Online-Zeitungen anderer Weltregionen (so man die jeweilige Sprache versteht) oder aber das Laden von Bildern und Musik aus unterschiedlichen kulturellen Kontexten. Man kann aber auch an einen Hollywood-, Bollywood- oder Nollywood-Film denken, der von Menschen verschiedenster Kulturen rezipiert und angeeignet wird. Dass für solche Zusammenhänge mit transkultureller Kommunikation[11] ein eigener Begriff reserviert wird, hat seinen Sinn darin, dass eine Auseinandersetzung mit diesen Phänomenen einen vielschichtigeren Zugang notwendig macht, als er mit den Begriffen der interkulturellen oder internationalen Kommunikation verbunden ist. Es kann nicht wie bei einer Beschäftigung mit Phänomenen interkultureller oder internationaler Kommunikation (nur) darum gehen, verschiedene nationalkulturelle Kommunikationsmuster miteinander zu vergleichen. Solche Differenzen werden im Forschungsfeld der transkulturellen Kommunikation zwar auch berücksichtigt. Daneben geht es aber ebenso um Muster, die über verschiedene traditionale Kulturen hinweg differenzstiftend sind. Konkret kann man diesbezüglich beispielsweise an bestimmte Darstellungsmuster oder Formate wie »Who wants to be a Millionaire?« denken, die in verschiedenen »nationalen Medienkulturen« zugleich auftreten und über diese hinweg bestimmte Sendungen definieren. Ein Ansatz der transkulturellen Kommunikation will also neben nationalkulturellen Spezifika in kulturübergreifenden Kommunikationsprozessen auch solche Spezifika vergleichend in den Blick bekommen, die verschiedene traditionale Kulturen übergreifen, ohne gleich der These zu verfallen, wir hätten es deshalb mit einer globalen Einheitskultur der Standardisierung oder McDonaldisierung zu tun.
Wie damit deutlich wird, steht der Begriff der transkulturellen Kommunikation in direkter Nähe zu zwei anderen Konzepten, nämlich denen der Mediatisierung und Globalisierung. Beide Konzepte bezeichnen sehr lang anhaltende Wandlungsprozesse. Beginnen wir hier zuerst einmal mit dem Ausdruck der Mediatisierung. Wie ich an anderer Stelle sehr ausführlich dargelegt habe (Hepp 2013a: 27–62), fasst Mediatisierung in einer ersten sehr allgemeinen Annäherung das Wechselverhältnis zwischen medienkommunikativem Wandel einerseits und soziokulturellem Wandel andererseits. Wir können für die gesamte Menschheitsgeschichte sagen, dass nicht nur die Zahl der technischen Kommunikationsmedien über ihren Verlauf hin erheblich zugenommen hat. Auch haben die jeweils bestehenden Kulturen und Gesellschaften erheblich etwas damit zu tun, wie wir miteinander kommunizieren. Einerseits hat Mediatisierung damit so etwas wie quantitative Aspekte in dem Sinne, dass eine wachsende Zahl von Medien immer länger (zeitliche Dimension) an immer mehr Orten (räumliche Dimension) und in immer mehr Situationen (soziale Dimension) zur Verfügung steht. Andererseits können wir von qualitativen Aspekten der Mediatisierung sprechen, d. h. davon, dass Medien unsere Kommunikation prägen und damit auch, wie wir durch unsere Kommunikation unsere Kulturen und Gesellschaften hervorbringen oder konstruieren.
Dieser Zusammenhang klingt in den eingangs zitierten Überlegungen von Marshall T. Poe an, der Transkulturalität in eine enge Beziehung damit setzt, wie internetbasierte Medien unsere heutige Kommunikation prägen. Die Sachlage ist allerdings komplizierter, als das bei ihm anklingt. Dies hängt damit zusammen, dass das »Prägen« der Medien weit vielfältiger ist, als er vermutet. Wir haben nicht einfach ein »Sollen« (Poe 2011: 240) des Internets, das dann eine bestimmte Transkulturalisierung[12] weltweit befördert. Vielmehr verbergen sich hinter dem Ausdruck der »Prägkräfte der Medien« (Hepp 2013a: 49) zwei sehr konkrete Zusammenhänge: Einerseits institutionalisieren Medien die Art und Weise, wie wir kommunizieren. Mit E-Mail, Fernsehen, Internetradio, Mobiltelefon etc. werden nicht einfach nur Apparaturen bezeichnet, sondern mit ihnen sind immer auch bestimmte Formen bzw. Muster der Kommunikation verbunden. Andererseits verdinglichen Medien unsere Kommunikation, indem mit ihnen eben diese Apparate und deren Infrastrukturen aufgebaut werden. Besteht erst einmal eine solche Verdinglichung von Kommunikationsmöglichkeiten, so ist deren Veränderung mit einem großen Aufwand verbunden: Aus dem zentralisierten Kommunikationsnetz des Radios kann man nicht einfach mehr ein dezentrales Kommunikationsnetzwerk machen, auch wenn dies in seinen Anfängen technisch vorstellbar war (Brecht 1932).
Die meisten Menschen leben gegenwärtig in dem, was man als mediatisierte Welten bezeichnen kann (Hepp/Krotz 2012, 2014). Gemeint ist damit, dass für ihre »kleinen Lebens-Welten« (Luckmann 1970) bzw. »sozialen Welten« (Strauss 1978) in der Art und Weise, wie sie bestehen, technische Kommunikationsmedien konstitutiv sind und sie im oben umrissenen Sinne durch diese geprägt werden. Die heutige Welt der Schule kommt beispielsweise nicht ohne Medien aus; das betrifft nicht nur das Schulbuch, sondern zunehmend auch Computer und Internet. Die Welt der Politik ist insofern mediatisiert, als die Form von Demokratie, die wir leben, darauf beruht, in Medien wie dem Fernsehen und dem Social Web für die eigene politische Vorstellung werben, aber ebenso andere kritisieren zu können. In einem solchen Sinne sind die verschiedenen Welten gegenwärtiger Vergemeinschaftung jenseits von Medienkommunikation überhaupt nicht denkbar: Was wäre die Gothic-Szene ohne ihre Musik, oder was wären die Serienfans ohne ihre Fernsehserien? Ähnliches gilt auch für die Welten sozialer Bewegungen. So könnten wir uns beispielsweise die Occupy-Bewegung ohne Social Web kaum vorstellen. Mediatisierte Welten sind also die Ebene, auf der sich Mediatisierung in der gelebten Medienkultur konkretisiert – und dies verstärkt in verschiedenen Regionen der Welt.
Indirekt klingt bei solchen Überlegungen der Wandel der Globalisierung an. Über Globalisierung wird seit den 1990er-Jahren viel diskutiert. Hierbei gilt die Globalisierung der Medienkommunikation als eine zentrale Dimension der Globalisierung überhaupt. Diese Zentralität lässt sich an den globalen Finanzmärkten verdeutlichen, deren Funktionieren die Existenz weltweiter Kommunikationsnetzwerke voraussetzt. Dies ist nicht nur notwendig, um die Finanztransfers selbst zu tätigen, sondern auch, um notwendige Informationen zu erhalten, damit man erfolgreich transnational spekulieren kann.
Wir werden in diesem Buch mit einem eher vorsichtigen Begriff der Globalisierung der Medienkommunikation operieren und darunter so viel verstehen wie die weltweite Zunahme medienvermittelter Konnektivitäten, also die Zunahme von technisch vermittelten Kommunikationsbeziehungen. Eine so verstandene Globalisierung[13] der Medienkommunikation hat viel mit Mediatisierung zu tun: In dem Moment, in dem die Welten, in denen Menschen leben, mediatisierte Welten werden, steigen auch – zumindest dem Potenzial nach – die Möglichkeiten ihrer in verschiedene Regionen der Welt reichenden Kommunikationsbeziehungen erheblich. Dies betrifft sicherlich zuerst einmal die Menschen der sogenannten entwickelten Länder und da wiederum nicht alle. Aber auch in anderen Regionen der Welt ist das Leben der Menschen zunehmend ein Leben in mediatisierten Welten. Auch wenn hier privilegierte Gruppen vorangeschritten sind, betrifft dies – wie wir im weiteren Verlauf dieses Buchs sehen werden – ebenso Menschen in prekären Lebenssituationen. Diese entfalten ebenso transkulturelle, kommunikative Konnektivitäten.
Der Grund für diese vorsichtige Definition von medialer Globalisierung ist bereits mit den eingangs genannten Beispielen angeklungen: Indem die medienvermittelten Kommunikationsbeziehungen sehr Unterschiedliches zur Folge haben können – von der Abgrenzung und Stabilisierung bestehender Kulturgemeinschaften über Konflikte zwischen diesen bis hin zu Annäherungsprozessen –, erscheint zuerst einmal ein analytisches Instrumentarium notwendig, das keine direkten Unterstellungen über die hochkomplexen Folgen der Globalisierung der Medienkommunikation macht. Letzteres ist beispielsweise für Verständnisse der Medienglobalisierung als Homogenisierung oder Amerikanisierung der Fall. Diese können die Widersprüchlichkeit von Medienglobalisierung nicht fassen, weil hier von vornherein eine bestimmte Wirkungsweise unterstellt wird.
Mit diesem Verständnis der Globalisierung der Medienkommunikation sind zwei weitere Konzepte verbunden, die in dem vorliegenden Buch immer wieder Verwendung finden, nämlich erstens das des Netzwerks und zweitens das des Flusses. Wenn man von Konnektivitäten spricht, so will der Ausdruck des Netzwerks die strukturellen Aspekte dieser Konnektivitäten fassen. Es geht hier ganz konkret um die »Verbindungen« zwischen verschiedenen »Knoten«, die in deren Struktur beschrieben werden können. Man denke hier etwa an bestimmte Kommunikationsnetzwerke wie die des Satellitenfernsehens oder des Internets. Der Ausdruck des Flusses hebt dagegen stärker auf Prozesse entlang solcher Netzwerke und über sie hinweg ab. Dies sind beispielsweise die Kommunikationsflüsse, die de facto im Internet oder auch entlang von Satellitennetzwerken verlaufen. Solche Kommunikationsflüsse haben dann unterschiedliche Spezifika und Verdichtungen – sie sind nicht gleichmäßig in einem Netzwerk verteilt.
Sicherlich sind Begriffe des Netzwerkes, des Flusses oder der Prägkräfte von Medien Metaphern, d. h. Bilder, mit denen wir uns komplexe soziokulturelle Zusammenhänge vor Augen führen. Vielleicht haben sich diese Konzepte aber gerade wegen ihrer Bildhaftigkeit als Beschreibungsansätze etabliert, um Phänomene der Globalisierung und Mediatisierung zu fassen. Durch solche Begriffe werden diese zuerst einmal abstrakten »Metaprozesse« (Krotz 2007) fassbar und damit auch begreifbar. Der [14]Ausdruck Metaprozess bedeutet hier nicht nur, dass Mediatisierung und Globalisierung sehr lang anhaltende Wandlungsprozesse sind. Zusätzlich ist mit dem Ausdruck der Gedanke verbunden, dass Globalisierung und Mediatisierung nicht auf wenige Untersuchungsvariablen heruntergebrochen werden können, entlang derer sich diese dann als Transformationsprozesse beweisen ließen. Vielmehr eröffnen solche Metaprozesse als Beschreibungskonstrukt ein gewisses »Panorama« (Hepp 2013a: 42–48) der langfristigen Veränderung – ein Panorama, das es dann ermöglicht, bei der Analyse konkreter Einzelphänomene die richtigen Fragen zu stellen und die Phänomene, die man betrachtet, in einen übergreifenden Rahmen einzuordnen.
Mein Ziel im Weiteren ist es, einen Zugang zu dem sich in den letzten Jahren nachhaltig entwickelnden Bereich der transkulturellen Kommunikation zu bieten. Meine Argumentation steht dabei in enger Beziehung zu den Darlegungen in dem Buch »Medienkultur. Die Kultur mediatisierter Welten«. In »Medienkultur« geht es gewissermaßen um einen Blick »in« einzelne Kulturen hinein. Dort habe ich mich damit befasst, was Kulturen charakterisiert, wenn sie mediatisiert sind. In »Transkulturelle Kommunikation« rückt der Kontakt der verschiedenen mediatisierten Kulturen in den Vordergrund. Im Zentrum steht also der Blick auf das Verhältnis »zwischen« Medienkulturen, ein Verhältnis, das durch transkulturelle Kommunikation gekennzeichnet ist.
Diese Betrachtung ist stets mit zwei Problemen konfrontiert: Erstens kann sie in einem Buch nie die gesamte Welt abdecken. Dazu sind die Zusammenhänge, um die es geht, viel zu reichhaltig. Zweitens ist sie stets von einem gewissen Standpunkt aus geschrieben, indem jede derartige Beschreibung eine Beobachterposition hat, die als solche nie vollkommen »neutral« sein kann. Um beide Probleme zumindest ansatzweise zu lösen, argumentiere ich auf den folgenden Seiten exemplarisch. Das heißt, für alle im Weiteren interessierenden Phänomene und Fragen werden solche Beispiele herausgegriffen und beschrieben, die ich zumindest für den aktuellen Zeitpunkt als charakteristisch ansehe. Die Argumentationsgrundlage legen dabei zumeist empirische wissenschaftliche Studien, wobei deren Methodiken vielfältig sind und von umfassenden standardisierten Befragungen und Inhaltsanalysen bis hin zu Fallstudien reichen. Herangezogen werden daneben Überblickswerke anderer Kolleginnen und Kollegen. In manchen Fällen stützt sich meine Argumentation auch auf eher journalistische Arbeiten. Dies ist insbesondere dort der Fall, wo es um sehr aktuelle Entwicklungen geht und keine anderen Datenquellen zu finden gewesen sind.
Zum Standpunkt, von dem aus ich argumentiere, ist zu sagen, dass dieser durch die Sprachen, die ich beherrsche (Deutsch und Englisch), gekennzeichnet ist. Hinzu kommt, dass gerade bei einer Auseinandersetzung mit transkultureller Kommunikation die eigene kulturelle Verortung eine Rolle spielt. In meinem Fall ist dies die eines Europäers, der in erheblichem Maße auch Potenziale transnationaler Vergemeinschaftung und Vergesellschaftung sieht, wofür die EU ein Beispiel ist. Mit der eigenen kulturellen Positionierung kann man vermutlich nur so umgehen, indem man sie, wie[15] hier geschehen, explizit macht und wo nötig weiter reflektiert. Wirklich umgehen lässt sie sich nicht.
Beides in Kombination – die notgedrungen exemplarische Argumentation und die eigene sprachlich-kulturelle Positionierung – hat dazu geführt, dass verschiedene weitere Beispiele, die für eine vertiefende Betrachtung von Fragen der transkulturellen Kommunikation von großem Interesse wären, in diesem Buch nicht weiter verfolgt werden konnten. Dies betrifft vor allem den afrikanischen, asiatischen und lateinamerikanischen Raum. Ich habe mir aber große Mühe gegeben, an entsprechenden Stellen auf die Arbeiten von Kolleginnen und Kollegen zu verweisen. Wie gesagt geht es in diesem Buch nicht darum, so etwas wie eine »Weltgeschichte der Globalisierung von Medienkommunikation« zu schreiben. Ein solches Buch wäre ein anderes Projekt, auch wenn erste Ansätze dazu bestehen (beispielsweise Mattelart 1999 oder Tunstall 2007). Es geht mir darum, möglichst konzis den Ansatz der transkulturellen Kommunikation vorzustellen. Dieser wäre meines Erachtens ein wichtiger Bezugspunkt auch für das Schreiben einer solchen Weltgeschichte. Ebenso erscheint er mir wichtig – und das ist möglicherweise noch entscheidender – für ein ganz alltägliches und kritisches Verständnis dessen, was mit fortschreitender Globalisierung und Mediatisierung in unserer Welt so vor sich geht.
Meine weitere Darstellung gliedert sich – neben dieser Einleitung und dem Ausblick – in fünf größere Teile. Das Kapitel »Zugänge zu transkultureller Kommunikation« stellt den Ansatz der transkulturellen Kommunikation aus verschiedenen Perspektiven vor. Es geht darum zu verstehen, dass Transkulturalität nicht einfach eine weitere Vergleichsebene ist, die der der Interkulturalität und Internationalität hinzuzufügen ist. Vielmehr konkretisieren sich im Begriff der transkulturellen Kommunikation ein bestimmtes Verständnis der Folgen der Globalisierung, eine postkoloniale Kritik und eine methodologische Reflexion. Diese drei zusammengenommen machen die originäre Zugangsweise der transkulturellen Kommunikation aus.
Das sich anschließende Kapitel befasst sich mit Regulationen und Infrastrukturen transkultureller Kommunikation. Inwieweit haben politische Agenden die Globalisierung der Medienkommunikation beschleunigt? Wie konnten globalisierte Infrastrukturen der Medienkommunikation entstehen? Für eine Auseinandersetzung damit ist ein vergleichender Blick auf die unterschiedlichen Mediensysteme der Welt von großem Vorteil. Die Beziehung zwischen Fragen transkultureller Kommunikation und Regulation kann aber nicht auf die Frage reduziert werden, wie bestimmte Medienpolitiken die Globalisierung der Medien befördert haben. Umgekehrt ist die Globalisierung der Medienkommunikation selbst für die (Medien-)Politik eine Herausforderung: Früh wurde dies in der medien- und kommunikationspolitischen Diskussion der UNESCO gesehen, wo bereits in den 1970er-Jahren die Forderung nach einer neuen Weltinformations- und Kommunikationsordnung laut wurde. Aktuell wird dieser Rückbezug an Konzepten einer Global Governance der Medien deutlich – also anhand von Versuchen, »globale Medien« durch selbst-»globalisierte Regulationen« zu steuern.
[16]Das Kapitel, »Medienproduktion und deren transkulturelle Kontexte«, setzt sich mit der Produktion transkultureller Kommunikation auseinander. Behandelt wird im weitesten Sinne, welche Unternehmen Medieninhalte anbieten, die »transkulturell verfügbar« sind und durch welche Produktionskulturen sich diese Medienkonzerne auszeichnen. Diskutiert wird weiter das Entstehen von transkulturellen Formen des Journalismus. Daneben interessieren – spätere Überlegungen im sechsten Kapitel vorbereitend – alternative Formen der transkulturellen Medienproduktion. Zum Schluss widmet sich das dritte Kapitel dem Phänomen globaler Medienstädte als herausragende Lokalitäten einer transkulturell orientierten Medienproduktion.
Von der Medienproduktion weg bewegt sich das darauffolgende Kapitel hin zu den Medienprodukten bzw., um konkreter zu sein, zu transkulturellen Medienrepräsentationen. Dabei beginnt das Kapitel mit dem Bereich, der immer wieder stark die Diskussion um transkulturelle Kommunikation gekennzeichnet hat, nämlich dem des Films. Dieser wird anhand der Beispiele Hollywood, Bollywood und Nollywood fokussiert. Dann wechselt der Schwerpunkt zu Produktimporten und Formatadaptionen, durch die im fiktionalen Bereich weitere transkulturelle Kommunikationsbeziehungen geschaffen werden. Anschließend wird die Frage diskutiert, inwieweit transkulturelle Nachrichtenartikulationen und damit auch politische Öffentlichkeiten bestehen. Abgeschlossen wird das Kapitel mit einer Betrachtung von Medienereignissen – vielleicht dem Phänomen auf Repräsentationsebene, das für eine Auseinandersetzung mit Fragen transkultureller Kommunikation die höchste Relevanz hat.
Das folgende Kapitel »Medienaneignung und Transkulturation« beschäftigt sich mit transkultureller Kommunikation aus der Sicht des Medienhandelns von Menschen in deren Alltag. Zuerst wird hier ein Begriff von Medienaneignung als Prozess der kulturellen Lokalisierung erarbeitet. Dieses Verständnis ermöglicht es, die Diskussion um einen »digital divide« in mediatisierten Alltagswelten aus einer anderen Perspektive zu sehen als bisher. Dies führt dann zu sich mit transkultureller Kommunikation verändernden Gemeinschaften und Vergemeinschaftungen, den medienbezogenen Identitäten von Menschen in verschiedenen kulturellen Kontexten und sich hieraus ergebenden Herausforderungen für die (politische) Bürgerschaft.
Den Abschluss des Buchs bildet das Kapitel »Perspektiven transkultureller Kommunikation«. Hier werden die Kernpunkte der vorangegangenen Kapitel aufgegriffen und auf dieser Basis einige Anmerkungen dazu gemacht, welche Perspektiven der transkulturellen Kommunikation bestehen – sowohl im Hinblick auf den Gegenstandsbereich als auch im Hinblick auf die in diesem Buch umrissene wissenschaftliche Zugangsweise.
Verschweigen möchte ich in der Einleitung zu diesem Buch nicht, dass es in einer Haltung geschrieben wurde, die versucht, eine vorschnelle Wertung zu vermeiden. Gleichwohl ist aber allein die Entscheidung dafür, sich mit transkultureller Kommunikation zu beschäftigen, nicht frei von normativen Implikationen. Mir geht es[17] darum, die Möglichkeiten transkultureller Kommunikation auszuloten, weil ich diese für in hohem Maße wichtig halte für menschliche Kooperation in Zeiten fortschreitender Globalisierung. In einem solchen Sinne hat Richard Sennett (2012: x) festgestellt: »Dank moderner Kommunikationsformen haben wir mehr Kanäle zwischen den Menschen, aber verstehen uns immer weniger darin, gut zu kommunizieren.« Meine Hoffnung ist, dass dieses Buch einen kleinen Beitrag dazu leistet, diese Kommunikation, und damit auch die kulturübergreifende Kooperation, zu verbessern.