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[18][19]2Zugänge zu transkultureller Kommunikation

Die Beschäftigung mit Medienkommunikation in ihrem globalen Kontext hat in den letzten Jahren einen Boom erfahren: Immer stärker ist ins Bewusstsein der Kommunikations- und Medienwissenschaft gerückt, dass ein Spezifikum medienvermittelter Kommunikation (kulturelle) Grenzüberschreitungen, aber auch neue Grenzziehungen sind. Mit Etablierung der Satellitenkommunikation, des Internets und zunehmend auch einer globalisierten Mobilkommunikation wurde deutlicher, dass viele Momente des aktuellen Medienwandels nicht an nationalstaatlichen oder nationalkulturellen Grenzen haltmachen, sondern per se grenzüberschreitend sein können. Gleichzeitig sind aber auch vielfältige neue Prozesse der Grenzziehung auszumachen. Während eine sich für globale Fragen interessierende Mediengeschichte zeigt, dass manches der Phänomene bei einem näheren Blick dann doch nicht ganz so neu ist (siehe Briggs/Burke 2009; Bösch 2011), kann man allerdings sagen, dass die fortschreitende Globalisierung und Mediatisierung der letzten Jahre den Blick der Kommunikations- und Medienforschung für Fragen grenzüberschreitender Kommunikation geschärft hat.

Parallel zu diesem (empirischen) Relevanzgewinn finden wir eine Begriffsverschiebung in den Publikationen. Manche Studien arbeiten bis heute mit den Begriffen der »internationalen Kommunikation«, der »interkulturellen Kommunikation« und der »Entwicklungskommunikation«, betonen aber in jüngerer Zeit die globale Einbettung derselben. »Internationale Kommunikation« (Thussu 2006) legt dabei den Akzent auf eine die Landesgrenzen übergreifende produzierte Medienkommunikation, verbunden mit dem Gedanken, dass (öffentliche) Massenkommunikation primär nationalstaatlich orientiert ist (Esser/Pfetsch 2004). Bei der »interkulturellen Kommunikation« (Jandt 2012) rücken stärker auch Fragen der personalen, wechselseitigen Medienkommunikation in den Blick, und es gibt deutliche Übergangsbereiche zwischen Kommunikations- und Medienwissenschaft auf der einen Seite und Sprach- und Literaturwissenschaften auf der anderen Seite. Die »Entwicklungskommunikation« (McPhail 2009) befasst sich – durchaus getrieben von konkreten Problemen – zuerst mit der Frage, welchen Beitrag die Medien für eine »Modernisierung« (Lerner 1977) der damals sogenannten »Dritten Welt« leisten können, später mit der Nutzung von Medien als »Hilfe zur Selbsthilfe« (Servaes 1999). Letztlich werden Grenzziehungen und Entgrenzungen in all diesen Fällen aber primär national gedacht.

Mit der fortschreitenden Globalisierung und Mediatisierung haben sich dann weitere Begriffe etabliert, insbesondere die der »transnationalen« und »transkulturellen Kommunikation«. Der Begriff der »transnationalen Kommunikation« trägt hierbei nach wie vor den Bezug zu Nationalstaat und Nationalkultur in sich, betont aber das Bestehen von Phänomenen, die weitergehend sind, als dass man sie im »Inter« von Nationen einordnen könnte (siehe bereits Schiller 1979). Der in diesem Buch im [20]Zentrum stehende Begriff der transkulturellen Kommunikation geht noch einen Schritt weiter. Das Kernargument lautet, dass die Etablierung des Ansatzes der transkulturellen Kommunikation nicht einfach damit verbunden ist, dass es sich bei ihm um eine weitere Analyseebene vergleichender Kommunikations- und Medienforschung handelt. »Transkulturell« fasst also nicht nur das Interesse für kulturübergreifende Kommunikationsprozesse, wie im Englischen der Ausdruck »cross-cultural« in der Medien- und Kommunikationsforschung (Lewis 1999). Letztlich ist mit dem Begriff der transkulturellen Kommunikation eine grundsätzlichere Umorientierung verbunden. Um dies zu verdeutlichen, möchte ich in diesem Kapitel in vier Schritten vorgehen. Zuerst werden die drei primären Diskursfelder, auf die sich der Ansatz der transkulturellen Kommunikation bezieht, rekonstruiert: die kommunikativen Folgen der Globalisierung, die Kritik des Postkolonialismus sowie die methodologische Reflexion bestehender vergleichender Forschungsansätze. Dies macht dann viertens – als integrierendes Fazit und Weiterführung der Diskussion zugleich – das Potenzial des Ansatzes der transkulturellen Kommunikation in einer empirischen Analyse der kommunikativen Figurationen in globalisierten, mediatisierten Welten greifbar.

Damit bei dieser Darstellung keine Missverständnisse entstehen, erscheinen zu Beginn einige Klärungen notwendig. So ist im Weiteren der Begriff des Ansatzes bewusst im Sinne des englischen »approach« gewählt. Dieser Ausdruck soll verdeutlichen, dass es sich bei der transkulturellen Kommunikation nicht um eine geschlossene Theorie handelt (wie beispielsweise die Systemtheorie) oder um eine Schule von Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern (wie bei der Frankfurter Schule). Vielmehr hat sich um diesen Begriff herum in einem nun mehrere Jahrzehnte anhaltenden wissenschaftlichen Diskurs eine spezifische Zugangsweise auf Fragen der Medienkommunikation etabliert, die in einem offenen Sinne als ein Ansatz greifbar wird. Entsprechend geht es in diesem Kapitel um Zugänge zu transkultureller Kommunikation.

Dies erklärt auch, warum im Weiteren dieser Ansatz entlang von drei Diskursfeldern dargestellt wird bzw. wie diese in ihrer Beziehung zueinander zu sehen sind. Letztlich handelt es sich hierbei – und dies begründet ihre Auswahl – um die drei in einer rückblickenden Betrachtung greifbar werdenden primären Bereiche der Diskussion: um grenzüberschreitende und grenzziehende Kommunikation, in denen der Begriff der transkulturellen Kommunikation bzw. der Transkulturation Verbreitung fand und in deren Zusammenkommen sich transkulturelle Kommunikation als ein Ansatz konstituiert hat. Hierbei zeichnet sich jedes der drei Diskursfelder als Zugang zu transkultureller Kommunikation durch eine unterschiedliche Akzentsetzung aus, die gleichwohl eine wichtige Komponente des Ansatzes der transkulturellen Kommunikation bedeutet: Dies ist die historisierende Zugangsweise im Diskussionsfeld der transkulturellen Kommunikation als Folge einer fortschreitenden Globalisierung der Medienkommunikation. Im Diskursfeld des Postkolonialismus ist dies das kritische Potenzial des Konzepts der Transkulturalität. Und bei der methodischen Diskussion geht es insbesondere um die Reformulierung des Instrumentariums der kulturübergreifenden[21] und kulturvergleichenden Medien- und Kommunikationsforschung. Solche unterschiedlichen Akzentsetzungen machen deutlich, warum es heuristisch sinnvoll ist, diese Diskursfelder voneinander zu unterscheiden. Gleichzeitig wird aber auch greifbar, inwiefern alle drei in einer Betrachtung von transkultureller Kommunikation zusammengehören: Erst die Gesamtheit der Kernaspekte dieser drei Diskursfelder macht den Ansatz der transkulturellen Kommunikation aus.

Wichtig sind im Rahmen einer solchen Argumentation im Vorfeld aber auch je eine kurze Anmerkung zum Kultur- und Kommunikationsbegriff. Der Kulturbegriff des Ansatzes der transkulturellen Kommunikation ist in der Folge des von Jan Nederveen Pieterse (1998) so bezeichneten translokalen Kulturbegriffs einzuordnen. Diesen translokalen Kulturbegriff hat Nederveen Pieterse von einem territorialen Kulturbegriff abgegrenzt. Territoriale Konzepte von Kultur sind innenorientiert und endogen, fokussiert auf eine Organität, Authentizität und Identität von Kultur. Es geht also um Vorstellungen von Kultur als einem »funktionalen Organismus« – zumeist als Nationalkultur und bezogen auf nationale Gesellschaften. Translokale Konzepte von Kultur hingegen sind außenorientiert und exogen, fokussiert auf Hybridität, Übersetzung und fortlaufende Identifikation. Das Bild von Kultur ist ein anderes, das stärker deren Prozesshaftigkeit und Unabgeschlossenheit betont. In einem solchen Rahmen bewegt sich der Kulturbegriff des Ansatzes der transkulturellen Kommunikation. Deshalb wird hier davor gewarnt, den Begriff der Kultur unhinterfragt mit Vorstellungen von Nationalkulturen territorialer Staaten gleichzusetzen. Kultur hat zuerst einmal immer etwas mit alltagsweltlicher Bedeutungsproduktion zu tun. In Anlehnung an den britischen Sozial- und Kulturforscher Stuart Hall (2002) können wir darunter so viel wie die »Summe« der verschiedenen »Klassifikationssysteme« und »diskursiven Formationen« verstehen, auf die sich unsere alltagsweltliche Bedeutungsproduktion bezieht. Klassifikationssysteme sind letztlich Muster des systematischen Zusammenhangs von Zeichen (wobei der Zeichenbegriff hier in einem sehr weiten Sinne verstanden wird, also nicht nur sprachliche Zeichen meint). Diskursive Formationen sind weitergehende, musterhafte Konstellationen des Gebrauchs dieser Zeichen in sprachlichen und nicht-sprachlichen Praktiken. Es geht bei Kultur also immer auch um die Praxis, das »Doing« der Bedeutungsproduktion.

In einem solchen Sinne werden im Weiteren Kulturen als Verdichtungsphänomene begriffen (siehe Hepp 2013a: 66–68). Damit ist gemeint, dass die vielen kulturellen Muster, die empirisch auftreten, für unterschiedliche Kulturen charakteristisch bzw. in der einen oder anderen Weise bei verschiedenen Kulturen zu finden sind. Entsprechend gehen Kulturen fließend ineinander über bzw. sind an ihren Rändern unscharf. Trotz solcher Unschärfen wird im Kern der Verdichtung einer Kultur greifbar, was diese charakterisiert, wodurch sie sich von anderen Kulturen unterscheidet. Wenn im Folgenden in diesem Zusammenhang dann nicht nur von Kultur sondern von Medienkultur gesprochen wird, bezeichnet dies all solche Kulturen, deren primäre Bedeutungsressourcen mittels technischer Kommunikationsmedien vermittelt werden und[22] die durch diese Prozesse auf unterschiedliche, je zu bestimmende Weisen »geprägt« werden. Medienkulturen sind also im Sinne unserer eingangs formulierten Definition durch Mediatisierung gekennzeichnete Kulturen. Und mediatisierte Welten sind diejenigen Ausschnitte des Sozialen, in denen sich Medienkulturen in der Alltagspraxis konkretisieren.

Bezogen auf den Begriff der Kommunikation ist zu sagen, dass mit dem Ansatz der transkulturellen Kommunikation ein handlungs- bzw. praxistheoretischer Kommunikationsbegriff verbunden ist. Kommunikation bezeichnet entsprechend jede Form der symbolischen Interaktion, bewusst und geplant wie habitualisiert und situativ vollzogen (Reichertz 2009: 94). Das heißt, dass Kommunikation auf den Gebrauch von Zeichen verweist, die Menschen in ihrer Sozialisation erlernen und die als Symbole meist arbiträr sind, d. h., auf sozialen Regeln beruhen: Es gibt keinen natürlichen Grund, warum der Baum »Baum« heißt. Interaktion bezeichnet das wechselseitig aufeinander bezogene soziale Handeln von Menschen. Gemeint ist damit, dass Menschen aneinander orientiert etwas tun. Kommunikation ist grundlegend für die menschliche Wirklichkeitskonstruktion, d. h., wir »erschaffen« uns unsere soziokulturelle Wirklichkeit in vielfältigen kommunikativen Prozessen. Wir werden in eine Welt geboren, in der vor uns Kommunikation besteht, wir erlernen das, was diese Welt (und ihre Kultur) auszeichnet, in dem (kommunikativen) Prozess des Spracherwerbs, und wenn wir dann in dieser Welt handeln, so ist dies immer auch kommunikatives Handeln.

2.1Folgen der Globalisierung

In einem ersten Diskursstrang kommt der Ausdruck der transkulturellen Kommunikation als im weitesten Sinne zu verstehende Folge der Globalisierung (von Medienkommunikation) auf. Exemplarisch kann für den deutschen Sprachraum auf die Arbeiten des Soziologen und Kommunikationsforschers Horst Reimann (1992) verwiesen werden. Dieser versuchte, mit transkultureller Kommunikation die Spezifik der zunehmenden globalen Kommunikationsprozesse in einer »Weltöffentlichkeit« nachzuempfinden. Referenzpunkt ist dabei für ihn die Systemtheorie Niklas Luhmanns, die wegen des zumindest prinzipiell grenzüberschreitenden Charakters heutiger Kommunikation von der Existenz einer Weltgesellschaft ausgeht: Indem »immer weitere Kommunikationsmöglichkeiten […] sich nicht auf regionale Grenzen festlegen lassen« (Luhmann 1997: 150) und die Grenzen einer Gesellschaft in dieser Perspektive durch die Grenzen der anschlussfähigen Kommunikation bestimmt werden, kann von der Existenz einer Weltgesellschaft gesprochen werden. Diese ist durch vielfältige transkulturelle Kommunikationen gekennzeichnet.

Mit ihrem Bezug zu den Cultural Studies und der europäischen Kulturphilosophie theoretisch ganz anders verortet sind die Veröffentlichungen der Kommunikationsund [23]Medienwissenschaftler Kurt Luger und Rudi Renger (1994), die ebenfalls mit dem Konzept der transkulturellen Kommunikation arbeiten (Luger 1994). In ihrer sich stark an den Philosophen Wolfgang Welsch anlehnenden Argumentation werden gleichwohl ebenfalls die Bezüge zur Globalisierungstheorie deutlich. Die Kernüberlegung ist, dass mit der Globalisierung an die Stelle von »Kulturen alten Zuschnitts« – also National- oder Regionalkulturen – diverse (neue) »Lebensformen« (Welsch 1992: 5) getreten sind: u. a. durch Markenkommunikation, globalisierte populäre Medieninhalte oder Werbung-gestützte Lebensstile. Transkulturalität ist dann ein Konzept, um solche Phänomene zu analysieren.

Aber auch im englischsprachigen Raum ist der Begriff des Transkulturellen bereits früh stark mit Fragen der Globalisierung verbunden. Neben Ansätzen einer »transkulturellen Psychologie« (Kiev 1972) stehen hierfür sich auf praktische Fragen des Managements beziehende Publikationen. In diesen wird beispielsweise transkulturelle Kommunikation als Teil einer »transkulturellen Führung« (Simons et al. 1993) behandelt, die in durch Globalisierung gekennzeichneten Unternehmen notwendig wird. Transkulturell wird dabei definiert als »Verankert-Sein in der eigenen Kultur bei gleichzeitigen allgemein-kulturellen wie kultur-spezifischen Fähigkeiten, um effektiv in multikulturellen Umgebungen zu leben, zu interagieren und zu arbeiten« (Simons et al. 1993: 245). Noch deutlicher werden solche Bezüge in kommunikations- und medienwissenschaftlichen Publikationen. So macht der amerikanische Kommunikations- und Medienforscher James Lull – Bezug nehmend auf Néstor García Canclini (1995) – mit fortschreitender Globalisierung der Medienkommunikation eine Transkulturalisierung aus (Lull 2000: 242). Und auch der Kommunikations- und Medienwissenschaftler Marwan M. Kraidy (2005: 38–44) entwickelt sein Verständnis transkultureller Kommunikation in Auseinandersetzung mit der Globalisierung der Medien.

Textbox 1: Verständnisse von Transkulturalität und Transkulturation

Transkulturalität in philosophischer Perspektive:

»›Transkulturalität‹ will beides anzeigen: dass wir uns heute jenseits der klassischen Kulturverfassung befinden und dass die neuen Kultur- bzw. Lebensformen durch diese alten Formationen wie selbstverständlich hindurchgehen.« (Welsch 1992: 5)

Transkulturalität in anthropologischer Perspektive:

»[…] das Wort Transkulturation beschreibt besser die unterschiedlichen Phasen des Übergangsprozesses von einer Kultur in eine andere, da es nicht lediglich das Erwerben einer anderen Kultur umfasst, was das englische Wort der Akkulturation impliziert; im Gegensatz schließt dieser Prozess notwendigerweise auch den Verlust von oder das Entwurzeln aus einer vorherigen Kultur mit ein, was man als Dekulturation definieren könnte. Zusätzlich trägt Transkulturation die Vorstellung[24] einer sich in der Folge ergebenden Herstellung neuer kultureller Phänomene in sich, die man Neokulturation nennen könnte.« (Ortiz 1970: 102 f.; Herv. i. O.)

Transkulturalität in wirtschaftswissenschaftlicher Perspektive:

»›Transkulturelle Führung‹ füllt eine Lücke in der Managemententwicklung. Es geht bei ihr darum, wie Vielfalt unsere alltäglichen Handlungen beeinflusst. Es geht um Gespräche, Sitzungen, Unterredungen, das Treffen von Entscheidungen ebenso wie um das Erlangen von Einvernehmen, das Lösen von Streit, angemessenes Training und Leistungseinschätzungen. Das Konzept sagt uns, wie wir mit Menschen mit unterschiedlichem Hintergrund umgehen, ob bei der Planung, Arbeit oder dem gemeinsamen Essen.« (Simons et al. 1993: xv)

Transkulturalität in kommunikations- und medienwissenschaftlicher Perspektive:

»Im Gegensatz zur interkulturellen Kommunikation, die dazu tendiert, Kontakte zwischen Individuen unterschiedlicher, als einzelne Entitäten gedachter Kulturen zu studieren, geht transkulturelle Kommunikation davon aus, dass alle Kulturen grundsätzlich gemischt sind. [Das Konzept] versucht die Tiefe, Reichweite und Ausrichtung verschiedener Ebenen von Hybridität in sozialer – und nicht individueller – Hinsicht zu verstehen. Kritischer Transkulturalismus integriert sowohl diskursive als auch politisch-ökonomische Analysen in die Untersuchung von internationaler Kommunikation und Kultur.« (Kraidy 2005: 149)

Die Etablierung des Begriffs der transkulturellen Kommunikation verweist demnach auf eine spezifische Reflexion von medialer Globalisierung (siehe die Beiträge in Hepp/Löffelholz 2002): Wenn wir von einer Globalisierung der Medienkommunikation ausgehen können, so müssen wir in der Konsequenz anders über grenzüberschreitende Kommunikation nachdenken, als dies mit klassischen Paradigmen der internationalen und interkulturellen Kommunikation der Fall war. An dieser Stelle treffen sich bemerkenswerterweise so unterschiedliche Theorietraditionen wie die der Systemtheorie, der Cultural Studies und der Medienanthropologie.

Für ein angemessenes Verständnis der Globalisierung der Medienkommunikation erscheint es hilfreich, sich zuerst einmal die Genese dieses Konzepts zu vergegenwärtigen. So wird hierunter nicht einfach in einer ökonomischen Konzeptionalisierung das Entstehen von global agierenden Medienkonzernen und deren sich steigernde weltweite Macht gefasst. Das Konzept ist ungleich komplexer. Zu sehen ist es erst einmal in der Kritik des Ansatzes des Kulturimperialismus, wonach eine zunehmende weltweite Verbreitung von Medienkommunikation letztlich mit der (kulturellen) Machtausübung einer Nation im Zentrum über eine Nation in der Peripherie gleichzusetzen wäre (Galtung 1972: 35), was gerne als Amerikanisierung gedacht[25] wird. So endet der britische Kultursoziologe John Tomlinson (1991: 175) seine umfassende Darstellung der Entwicklung dieses Ansatzes des Kulturimperialismus mit dem Satz: »Was Imperialismus ersetzt, ist Globalisierung.« Diese zugespitzte Aussage verdeutlicht, dass zum Zeitpunkt ihrer Äußerung die weltweite grenzüberschreitende Kommunikation ein Maß an Komplexität erreicht hat, mit der diese nicht (mehr) hinreichend mit Vorstellungen national-imperialer Strukturen gefasst werden kann: Das Hollywood-Studio COLUMBIA PICTURES ENTERTAINMENT INC. wurde mit SONY von einem japanischen Unternehmen übernommen, aber auch lateinamerikanische bzw. indische Medienunternehmen begannen in den Westen »zurückzukommunizieren« (siehe überblickend zu dieser Thematik Boyd-Barrett/Thussu 1992; Tomlinson 2002). Das Konzept der Globalisierung der Medienkommunikation versprach eine größere Komplexität der Theoriebildung als das des Kulturimperialismus.

Hiermit fügte sich die Kommunikations- und Medienwissenschaft in den allgemeinen Diskurs der Sozialwissenschaften ein. Verschiedene sozialwissenschaftliche Theoretiker forderten, den bestehenden sozialwissenschaftlichen Begriffsapparat im Hinblick auf die fortschreitende Globalisierung zu überdenken (siehe beispielsweise Appadurai 1996; Beck 1997; Giddens 1996; Hannerz 1996). Solche Überlegungen aufgreifend argumentiert insbesondere John Tomlinson (1999) dafür, im kulturellen Bereich Globalisierung nicht mit der Homogenisierung einer »globalen Kultur« (Featherstone 1990) gleichzusetzen. Umgekehrt kann aber auch nicht davon ausgegangen werden, dass Globalisierung kulturell folgenlos wäre. Globalisierung bezeichnet in einer solchen Perspektive – wie bereits in der Einleitung formuliert – die Zunahme einer »komplexen Konnektivität« nicht nur von Eliten, sondern ebenso auf der Ebene des Alltagslebens einer großen Zahl von Menschen. Diese Konnektivität hat verschiedene Dimensionen. Entsprechend ist es möglich, die Globalisierung der Medienkommunikation als die weltweite Zunahme einer kommunikativen Konnektivität zu begreifen (Hepp 2004: 125–135; siehe auch Hepp et al. 2005). Mit dieser geht als Kulturwandel eine Deterritorialisierung einher, d. h. ein Aufweichen der scheinbar natürlichen Beziehung zwischen Kultur und geografischen bzw. sozialen Territorien (García Canclini 1995: 229). Konkret wird dies an Beispielen von Kulturprodukten wie (Welt-)Musiktiteln, die durch die Konnektivität des Internets an fast allen Orten verfügbar sind, an Fernsehformaten wie »Idol«, die in verschiedensten Ländern Verbreitung finden, an Bollywood-Filmen, die weit über den indischen Kontinent hinaus Zuschauerinnen und Zuschauer haben, oder an Kontakten vieler Reisender und Migrantinnen bzw. Migranten, die sich über Internet und Social Web managen und aufrechterhalten lassen. Dies darf aber nicht zu verkürzenden Vorstellungen verleiten, die Globalisierung der Medienkommunikation mit einer Grenzenlosigkeit derselben gleichsetzen (Hafez 2005). Wir haben es beispielsweise in Bezug auf die arabische Welt mit einer Reterritorialisierung einer panarabischen Öffentlichkeit zu tun. Gleichwohl bedeutet die Globalisierung der Medienkommunikation, dass wir diese[26] nicht in einer rein westlichen Perspektive erfassen können. Ein »De-Westernizing« der Kommunikations- und Medienforschung erscheint notwendig (Curran/Park 2000; Gunaratne 2010; Nyamnjoh 2011; Ray 2012; Thussu 2009). Gemeint ist damit, dass hinterfragt werden sollte, inwieweit die anhand westlicher Medienkulturen und Mediensysteme entwickelten Begrifflichkeiten hinreichend sind, um Medienphänomene in der gesamten Welt zu erfassen.

In einer solchen allgemeinen Diskussion wurde verstärkt der historische Charakter der Globalisierung von Medienkommunikation betont. An dieser Stelle ist auf die Arbeiten des französischen Kommunikations- und Informationswissenschaftlers Armand Mattelart zu verweisen. Dieser verortet die Anfänge der gegenwärtigen »globalen Vernetzung« im Aufbau der ersten Telegrafenleitungen des 19. Jahrhunderts (Mattelart 1999: 15–36). Ebenso zeigt er, dass heutige Vorstellungen der Informationsgesellschaft ihre Wurzeln in Utopien des 17. und 18. Jahrhunderts haben (Mattelart 2003: 9–26). Wir müssen gegenwärtige Schübe der Globalisierung der Medienkommunikation also in ihrem weiteren historischen Kontext sehen, der letztlich auf eine – wenn auch nicht linear – fortschreitende Mediatisierung von Kultur und Gesellschaft verweist (Krotz 2005): Umfassende Kommunikationsbeziehungen zwischen verschiedenen Regionen der Welt bestanden auch früher. Mit der technischen, sich mehr und mehr vervielfältigenden Vermittlung dieser Kommunikationsbeziehungen besteht die Differenz allerdings einerseits in der alltagsweltlichen Reichweite der heutigen kommunikativen Konnektivität. Andererseits besteht die Differenz darin, dass diese kommunikative Konnektivität in Echtzeit möglich ist und so eine umfangreiche medienvermittelte Synchronität gestattet. In einer solchen Einordnung ist die Globalisierung der Medienkommunikation kein vollkommen neues Phänomen des 20. und 21. Jahrhunderts. Allerdings findet in diesem Zeitraum eine umfassende »Radikalisierung« derselben statt: Wir haben es mit einer durch die elektronischen Medien sprunghaft steigenden Zunahme der alltagsweltlichen Relevanz und Synchronität von kommunikativer Konnektivität zu tun.

Insgesamt können wir damit ein ambivalentes Verhältnis zwischen den Konzepten der Globalisierung der Medienkommunikation und dem der transkulturellen Kommunikation ausmachen: So ist die umrissene Diskussion um die Globalisierung der Medienkommunikation der weitergehende Horizont eines Diskursstrangs, in dem sich das Konzept der transkulturellen Kommunikation etablierte und zu einem Ansatz entwickelte. Gleichzeitig allerdings versucht Letzterer die Diskussion um die Globalisierung der Medienkommunikation fortzuführen und zu konkretisieren. Mit der Beschäftigung mit transkultureller Kommunikation ist der Versuch verbunden, die in der Diskussion um die Globalisierung der Medienkommunikation allgemein konstatierte, zunehmende weltweite kommunikative Konnektivität genauer zu fassen. Wodurch zeichnet sich Medienkommunikation aus, wenn diese kulturübergreifend geschieht? Wie ist transkulturelle Medienkommunikation empirisch adäquat zu beschreiben? Es sind solche, auf eine empirische Kommunikations- und Medienforschung [27] zielende Fragen, die mit dem Begriff der transkulturellen Kommunikation verbunden sind.

2.2Postkoloniale Kritik

Ein zweites Diskursfeld des Ansatzes der transkulturellen Kommunikation ist das der postkolonialen Kritik. Wie der Begriff schon verdeutlicht, handelt es sich dabei um ein interdisziplinäres Feld, zu dem neben Arbeiten der Kommunikations- und Medienforschung auch die der Ethnologie bzw. Kulturanthropologie und literaturwissenschaftliche Untersuchungen gehören. In diesem Feld ist allerdings weniger der Ausdruck der transkulturellen Kommunikation verbreitet, als der der Transkulturalisierung (engl. »transculturation«) etabliert. Dieser geht insbesondere auf eine Studie des kubanischen Kulturanthropologen Fernando Ortiz aus dem Jahr 1940 zurück. In seiner Untersuchung mit dem englischen Publikationstitel »Cuban Counterpoint« (orig. 1940: »Contrapunteo cubano del tabaco y el azúcar«) befasst sich Ortiz damit, wie das Wechselverhältnis der Produktionskulturen von Tabak und Zucker in Kuba zu verschiedenen neuen Kulturformen beiträgt. In dieser Analyse steht »Zucker« für das mit der Kolonialisierung importierte industrielle System mit Disziplinierung, maschineller Produktion und mechanisierter Zeit. »Tabak« steht für die indigenen Produktionsweisen mit einheimischer Kontrolle des Produktionsprozesses, individueller handwerklicher Kompetenz und jahreszeitlich bestimmten Arbeitsrhythmen (Mackenthun 2011: 134). Das Zusammenkommen dieser beiden Produktionsweisen ist ein komplexer dialektischer Prozess. Um diesen zu fassen, entwickelt Ortiz den Begriff der Transkulturation, den er gegen den der Akkulturation im Sinne des Hineinwachsens in eine Kultur stellt (siehe hierzu das Zitat in der Textbox 1).

Mit diesem früh von dem Sozialanthropologen Bronislaw Malinowski (1970) gewürdigten Konzept der Transkulturation entwickelt Fernando Ortiz einen zuvor in dieser Form nicht ausformulierten Blick auf kulturelle Prozesse in Lateinamerika. Aus seiner Sicht ist die »wirkliche Geschichte Kubas die Geschichte von miteinander verzahnten Transkulturationen« (Ortiz 1970: 98): Bereits mit der Kolonialisierung war es nicht so, dass eine (nationale) spanische Kultur in Kuba Fuß fasste. Kulturen von Menschen unterschiedlicher romanischer Länder Europas fanden ihren Weg dorthin. Sie traten von Beginn an in Kontakt mit indigenen Kulturen, was zu einem »neuen Synkretismus von Kulturen« (Ortiz 1970: 98) führte. Vielfältige weitere Prozesse der Transkulturation schlossen sich an, u. a. durch den Sklavenhandel. Hier betont Ortiz Jahrzehnte vor den Arbeiten des Kulturanalytikers Paul Gilroy (1993) den Status der Überfahrt in Sklavenschiffen: Afrikaner sehr unterschiedlicher Kulturen wurden »wahllos in die Sklavenschiffe geworfen und durch das System der Sklaverei sozial gleichgemacht« (Ortiz 1970: 101). Dieser selbst schon transkulturelle Sklavenhandel stieß in Kuba dann weitere Prozesse der [28]Transkulturalisierung an. Transkulturation fasst demnach einerseits, dass koloniale Macht- und Produktionsverhältnisse nicht das Durchsetzen einer Kultur bedeuten (siehe Hermann 2007: 257 f.; Koch 2008: 12). Andererseits verdeutlicht der Begriff in seiner Prozesshaftigkeit, dass es hierbei um einen fortlaufenden Vorgang des Entstehens neuer synkreter – oder, wie man heute sagen würde: hybrider – Formen von Kultur geht.

Teils in explizitem Verweis auf Ortiz, später ohne Referenz auf ihn, fand der Begriff der »Transkulturation« Verbreitung in der postkolonialen Forschung. Detailliert wurde dies von Diana Taylor (1991) nachgezeichnet. Sie verweist insbesondere auf die Arbeiten des peruanischen Ethnografen und Literaten José María Arguedas (1982). Aus seiner Sicht ist die indigene Kultur, wie wir sie kennen, das Produkt von Transkulturationen – des langjährigen Kontakts zwischen früheren peruanischen Kulturen und denen der Kolonialisierenden. Entsprechend gibt es für ihn keine »reine« indigene oder spanische Kultur unter den Einwohnern Perus, sondern nur vielfältige »Mestizo«-Kulturen. Eurozentrische Konzeptionalisierungen von Kultur erscheinen ihm nicht hinreichend, um den hybriden Charakter der Kulturen Lateinamerikas zu fassen.

Die hierauf aufbauende Diskussion gewann an Breite (siehe beispielsweise die Beiträge in Bekers et al. 2009; Davis et al. 2002; Kalogeras et al. 2006). Spätere Arbeiten lateinamerikanischer Kultur- und Kommunikationswissenschaftler wie beispielsweise die des bereits zitierten Néstor García Canclini, die den unweigerlich hybriden Charakter lateinamerikanischer Kulturen betonen, müssen in der direkten Folge dieser Beschäftigung mit Transkulturalität gesehen werden (siehe García Canclini 1995; Hepp 2009b; Lull 1998). Dabei fasst der Ausdruck der Transkulturalisierung generell das Entstehen neuer Kulturformen aus ehemals differenten kulturellen Kontexten in einem Prozess der durchaus machtgeprägten Hybridisierung. Hybridität bezeichnet – ähnlich wie der von Ortiz verwendete Ausdruck des Synkretismus – die Vermischung von Ressourcen unterschiedlicher kultureller Kontexte, deren Verbindung, Fusion und Melange (Hepp 2010: 216; 274). Ein solcher Prozess wird in diesem Diskursfeld vor allem in Bezug auf die »subalterne« Aneignung des Kolonialismus analysiert, wobei insbesondere die Kontaktzonen einer solchen Hybridisierung von unten interessieren. So konstatiert Mary Louise Pratt (1992) in ihrer Studie zum kolonialen Reisejournalismus, dass Transkulturation sich in bestimmten Kontaktzonen ergibt, die sie wie folgt beschreibt:

»Kontaktzonen [sind] soziale Räume, in denen sich disparate Kulturen treffen, aufeinander stoßen und miteinander auseinandersetzen, oftmals in hochgradig asymmetrischen Beziehungen der Über- und Unterordnung – wie Kolonialismus, Sklaverei oder deren Nachwirkungen, die heutzutage über den Globus hinweg gelebt werden.« (Pratt 1992: 4).

Wie dieses Zitat deutlich macht, rückt damit der Begriff der Transkulturation in eine große Nähe zu dem des »dritten Raums«. Als »third space« hat Homi Bhabha [29](1994: 55) – einer der zentralen Theoretiker des Postkolonialismus – kulturelle Zwischenräume der Begegnung charakterisiert. In diesen haben »die Bedeutungen und Symbole der Kultur keine ursprüngliche Einheit oder Beständigkeit« (Bhabha 1994: 55). Entsprechend können Prozesse der Übersetzung und Rehistorisierung stattfinden, wobei Bhabha neben dem Ort der Literatur an konkrete Lokalitäten wie beispielsweise das Treppenhaus als Ort der Begegnung (kulturell) sehr unterschiedlicher Menschen denkt. Der Begriff der Transkulturalität fügt sich damit umfassend als »Schlüsselkonzept« (Ashcroft et al. 2009) in die analytischen Konzepte des Postkolonialismus ein. Diesen geht es darum, »ein kritisches Potential zur Beschreibung komplexer historischer Verhältnisse sowie ein utopisches Potential für die Durchführung des unabgeschlossenen Projekts der mentalen Dekolonisierung« (Mackenthun 2011: 123) zu entwickeln.

Eine auf das Diskursfeld des Postkolonialismus ausgerichtete Beschäftigung mit transkultureller Kommunikation reicht von theoretischen Reflexionen der eigenen Arbeit durch Medienpraktiker (MacDougall 1998), über wissenschaftliche Studien zu Filmen als transkulturelle Begegnungsräume (Kramer 2006) bis hin zur Erforschung von Prozessen medienvermittelter Transkulturation in Zeiten der Globalisierung von Medienkommunikation (Kraidy 2005; Lull 2002). Letztlich geht es in solchen Analysen darum, gegenwärtige Transkulturationen zu erfassen, die sich in grenzüberschreitender und grenzziehender Medienkommunikation konkretisieren. Hiermit werden die Problematiken und Phänomene der Transkulturation, die ursprünglich einmal als Ausdruck postkolonialer Situationen gegolten haben, als ein generelles Phänomen der gegenwärtigen Medienkommunikation angesehen. Transkulturelle Begegnungen spielen sich nicht mehr nur an (post-)kolonialen Begegnungsorten ab, sondern sind zum Normalfall grenzüberschreitender Medienkommunikation geworden, so die Überlegung. Wie es James Lull zugespitzt formuliert: »Prozesse der Transkulturation synthetisieren neue kulturelle Genres, während sie traditionelle kulturelle Kategorien einreißen« (Lull 2000: 242).

Die bisher differenzierteste kommunikations- und medienwissenschaftliche Theorieentwicklung in einem solchen Rahmen hat Marwan M. Kraidy (2005) vorgelegt (siehe zu seinem Verständnis der transkulturellen Kommunikation Textbox 1). Sein Ansatz eines »kritischen Transkulturalismus« betont den konstruierten und gleichzeitig machtgeprägten Charakter von Kultur und rückt eine (zunehmende) globale Transkulturalität in den Blick. Es geht darum, nicht von einer Determination transkultureller Kommunikationsbeziehungen durch die bestehenden Strukturen einer politischen Ökonomie der Medien auszugehen, sondern Transkulturationen als sich in bestimmten Ökonomien konkretisierende Interaktionsbeziehungen zu analysieren. Zentral ist dabei die Betonung einer »translokalen Perspektive« (Kraidy 2005: 155). Diese zielt darauf, die vielfältigen Kommunikationsbeziehungen zwischen sehr unterschiedlichen Orten und auf sehr verschiedenen Ebenen in den Blick zu rücken und solche Beziehungen nicht vorschnell in nationalen Totalitäten aufgehen zu lassen. [30]Zusammenfassend charakterisiert Kraidy den von ihm umrissenen Ansatz mit folgenden Worten: »Kritischer Transkulturalismus […] verweigert das, was der Anthropologe George Marcus die ›Fiktion des Ganzen‹ genannt hat, betont aber zur gleichen Zeit, dass interkulturelle Beziehungen ungleich sind« (Kraidy 2005: 153).

Letztlich zielt eine solche Forschung darauf, auf kritische Weise die Hybriditäten zu erfassen, die durch kommunikative Praxis translokal und verschiedene kulturelle Kontexte übergreifend geschaffen werden. An dieser Stelle rekurriert Marwan M. Kraidy (2005: 152) auf den Begriff der Hybridität bei Mikhail Bakhtin (1981), der zwischen organischer und intentionaler Hybridität unterscheidet. Organische Hybridität bezeichnet das Ergebnis der von Ortiz konstatierten Prozesse der Transkulturation als einen unbewussten Vorgang: »Unbewusste Hybride […] gehen schwanger mit potenziellen neuen Weltsichten, mit neuen ›internen Formen‹ der Wahrnehmung der Welt in Worten« (Bakhtin 1981: 360). Die intentionale Hybridität hingegen ist eine bewusste Konstruktion durch die gezielte Kombination unterschiedlicher kultureller Elemente. Kraidy weist darauf hin, dass die Hybriditäten transkultureller Kommunikation zumindest in Teilen gezielt hergestellt sind, weswegen man Fragen der Macht im Blick haben muss:

»Intentionale Hybridität ist entsprechend primär ein kommunikatives Phänomen. […] Kommunikation ist zentral für die Formierung von Hybriditäten, weil sie die Handlungsfähigkeit derjenigen stärkt, die die Mittel zur Übersetzung und Benennung der Welt haben, während die Handlungsfähigkeit anderer Teilnehmer geschwächt wird. Mit anderen Worten ist es primär ein kommunikativer Prozess, ob Hybridität eine Selbstbeschreibung oder eine Zuschreibung durch andere ist. Das Mittel und die Fähigkeit zu kommunizieren sind entsprechend eine wichtige Determinante der Handlungsfähigkeit in interkulturellen Beziehungen, die den Schmelztiegel der Hybridität bilden.« (Kraidy 2005: 152)

In der Zugangsweise dieses kritischen Transkulturalismus’ ist Hybridität also keine per se positive Eigenschaft, sondern die »kulturelle Logik« der Globalisierung, die es kritisch zu analysieren gilt. Exemplarisch macht dies Kraidy am »unternehmerischen Transkulturalismus« der Gegenwart fest. Dieser versucht, Hybridisierung zu nutzen, um Unternehmen profitabler und Kunden zufriedener zu machen (Kraidy 2005: 95). Hier liegt eine strategische Instrumentalisierung von Hybridität vor, die den Reichtum Einzelner fördert – und die weit entfernt ist von emanzipatorischen Vorstellungen des »dritten Raums«. Dies heißt auch, dass man sich – wie Annabelle Sreberny und Gholam Khiabany (Sreberny/Khiabany 2011: 31) zu Recht anmahnen – davor hüten muss, »die Dichotomie von Tradition und Moderne einfach umzukehren, indem wir alles ›Traditionelle‹ überbewerten und den kommerziellen, entwurzelten, banalen und fertig abgepackten ›westlichen‹ Produkten die ›authentischen‹, ›organisch gewachsenen‹ und ›tief verwurzelten Kulturen‹ […] gegenüberstellen«.

[31]Insgesamt wird in dem Diskursfeld der postkolonialen Kritik so ein weiterer Aspekt von transkultureller Kommunikation greifbar: Es geht nicht nur darum, transkulturelle Kommunikation empirisch gesehen als eine mit der Globalisierung an Relevanz gewinnende Form von (Medien-)Kommunikation zu begreifen. Viel grundlegender hebt der Begriff auf Prozesse der Transkulturation ab, die als kennzeichnend für den kulturellen Wandel in Zeiten des Kolonialismus und den sich anschließenden verschiedenen Modernen gesehen wurden. Diese Transkulturation wird als ein kommunikativer Prozess verstanden, der nicht nur für einzelne Orte kultureller Begegnung und Melange kennzeichnend ist. Mit der Zunahme von (weltweiten) Kommunikationsbeziehungen ist Transkulturation zu einem Alltagsphänomen geworden, das es in seiner Widersprüchlichkeit kritisch zu analysieren gilt.

2.3Methodologische Reflexion

Ein drittes Diskursfeld um transkulturelle Kommunikation ist methodologisch ausgerichtet. In diesem werden zwar Überlegungen der zuvor behandelten beiden Diskursstränge aufgegriffen, weswegen man dieses als nachgelagert begreifen kann. Dabei gilt es – so die Argumentation –, grundlegend die methodischen Herausforderungen zu behandeln, die mit zunehmender Globalisierung der Medienkommunikation bzw. kommunikativer Transkulturation bestehen. Hiermit hat dieses Diskursfeld eine sehr große Nähe zu der Kritik an einem methodologischen Nationalismus, weswegen es diese zuerst zu rekonstruieren gilt.

Der Begriff des methodologischen Nationalismus geht insbesondere auf den Nationalismusforscher Anthony D. Smith (1979) zurück. Im Kern wird damit die Annahme gefasst, dass sich nationale Gesellschaften und der Territorialstaat eins zu eins entsprächen. Weiter ausformuliert hat die Kritik an einer solchen Annahme der Soziologe Ulrich Beck, indem er generell die »Axiomatik einer nationalstaatlich eingestellten Soziologie« (Beck 1997: 51) problematisiert. Dieser wirft er vor, methodologisch mit einer »Container-Theorie der Gesellschaft« (Beck 1997: 49) zu operieren, die Gesellschaften (National-)Staaten definitorisch unterordnet. Die Folge ist, dass Gesellschaften als Staatsgesellschaften begriffen werden und Gesellschaftsordnung so viel meint wie Staatsordnung.

Mit einer solchen Container-Theorie der Gesellschaft haben die Sozialwissenschaften die historische Verknüpfung von entstehender Soziologie und politisch gewolltem Aufbau von (europäischen) Nationalstaaten im 19. Jahrhundert mehr oder weniger unreflektiert als Grundmodell der Beschreibung des Sozialen übernommen. Das hierbei bestehende Problem ist, dass die mit Globalisierung an Relevanz gewinnenden Sozialformen wie beispielsweise Diasporas, soziale Bewegungen, supranationale Organisationen usw. in ihrer Spezifik nicht hinreichend erfasst werden. Vor diesem Hintergrund fordert Beck einen methodologischen Kosmopolitismus ein. Letzterer[32] grenzt sich sowohl in der Raum- als auch der Zeitdimension vom methodologischen Nationalismus ab. Räumlich treten »an die Stelle von national-nationalen Beziehungen trans-lokale, lokal-globale, trans-nationale, national-globale und global-globale Beziehungsmuster« (Beck 2004: 118). In der Zeitdimension geht es darum, einerseits die global geteilte Vergangenheit beispielsweise des Kolonialismus analytisch zu berücksichtigen, andererseits die gegenwärtig global erfahrenen Zukunftsbedrohungen beispielsweise im Bereich der Umweltverschmutzung (Beck 2004: 121). Im Kern zielt der methodologische Kosmopolitismus also darauf, dem Paradigma des Containerstaats als Bezugsgröße von Forschung das der räumlichen und zeitlichen Komplexität von translokalen Beziehungsmustern gegenüberzustellen.

Eine solche Diskussion um die Kritik an einem methodologischen Nationalismus prägte umfassend die sozialwissenschaftliche Diskussion der letzten beiden Jahrzehnte. So unterscheiden beispielsweise die Migrationsforscher Andreas Wimmer und Nina Glick Schiller (Wimmer/Glick Schiller 2002: 302–308) drei Modi des methodologischen Nationalismus: Der erste Modus ist bereits durch die von Beck erwähnten Klassiker der Soziologie benannt. Er zeichnet sich dadurch aus, dass Nation zwar eine implizite Zentralität für die entwickelten Konzepte des Sozialen hat (»die Gesellschaft des Nationalstaats«), dies gleichzeitig aber nicht reflektiert wird und so ein »blinder Fleck« der eigenen Betrachtung entsteht. Der zweite Modus ist der der »Naturalisierung des Nationalstaats«. Bei diesem wird der Nationalstaat nicht weiter problematisiert und zum Bezugspunkt jeglicher Forschung gemacht. Ein dritter Modus des methodologischen Nationalismus ist der des generellen »Fokus auf die Grenzen des Nationalstaats«. Bei sozialwissenschaftlichen Analysen geht es dann um die Beschreibung von nationalstaatlichen Prozessen »innerhalb« von Nationalstaaten in Abgrenzung zu Phänomenen »außerhalb«. Folgt man Wimmer und Glick Schiller, gehen diese drei Modi im Diskurs des methodologischen Nationalismus ineinander über und kennzeichnen ihn so insgesamt.

Im Diskursfeld um transkulturelle Kommunikation als methodologische Reflexion finden sich vielfache Bezüge auf die Kritik des methodologischen Nationalismus. Dass dabei allerdings nicht von Transnationalismus sondern von Transkulturalismus gesprochen wird, verweist darauf, dass das Konzept des Nationalen selbst aus kulturanalytischer Perspektive problematisiert wird. Ein wichtiger Bezugsautor ist hierbei der Kulturgeograf und Kommunikationswissenschaftler Kevin Robins. Dieser hat seine Überlegungen zu Transkulturalität und transkultureller Kommunikation im Rahmen seiner empirischen Forschung zu Medien und Migration entwickelt. Dabei weist Robins darauf hin, dass ein Transnationalismus, der Diasporas mit den identischen Konzepten beschreibt wie Nationen bzw. Nationalstaaten, dieser Sozialform nicht hinreichend gerecht wird (vgl. Robins 2003).

Der von Kevin Robins umrissene Zugang postuliert jedoch nicht das Ende des Nationalstaats. Vielmehr geht es ihm darum, das Wechselverhältnis von nationalen und transnationalen Dynamiken in einem weitergehenden transkulturellen Rahmen[33] zu fassen. An dieser Stelle führt er den Begriff der »transkulturellen Vielfalt« (Robins 2006a: 31; siehe auch Robins 2006b: 276) ein, um die Kritik des methodologischen Nationalismus um eine Kritik an Vorstellungen von Kultur als homogener Nationalkultur (im Sinne der eingangs erwähnten territorialen Kulturvorstellung) zu erweitern. Er weist darauf hin, dass gerade Debatten um Vielfalt in Europa letztlich im nationalen Rahmen erfolgen, indem Kultur mit Nationalkultur gleichgesetzt wird und Vielfalt in Europa entsprechend die Vielfalt unterschiedlicher Nationalkulturen bedeutet. Problematisch dabei ist jedoch nicht nur die Nationalisierung von Kultur, sondern darüber hinaus der damit verbundene Kulturbegriff als solcher:

»Letzten Endes ist die Konzeption von Kultur problematisch, wie sie in einer solchen Agenda mobilisiert wird, in der sich der scheinbar neutrale Ausdruck ›Kultur‹ tatsächlich als Kultur in einer nationalen Vorstellung herausstellt. Folglich wird eine Kultur als eine einheitliche und umgrenzte Entität angesehen, als der Besitz einer bestimmten ethnischen oder nationalen Gruppe, als unterschiedlich von den Kulturen anderer Gruppen und als über die Zeit hinweg festgelegt und konstant.« (Robins 2006a: 31)

Betrachtet man jedoch Europa mit seinen vielfältigen Kommunikationsbeziehungen genauer, ist es – wie andere Regionen der Welt – sowohl historisch als auch gegenwärtig durch umfassende transkulturelle (Kommunikations-)Prozesse gekennzeichnet, die es vergleichend in einem komplexeren methodischen Rahmen zu analysieren gilt. Für die Gegenwart lässt sich auf die vielfältigen (Trans-)Migrantinnen und Migranten verweisen, die jenseits der »umgrenzten« Vielfalt nationaler Kulturen in Europa transkulturelle Kommunikation eröffnen. Ein transkultureller Blickwinkel bricht also methodologisch insofern mit Fragen des Nationalen und Transnationalen, als er die Möglichkeit der Verfasstheit von Kultur jenseits von Nationalität untersucht: »Transkulturalismus […] war ursprünglich vor-national und entsprechend vor-transnational« (Robins 2006a: 31).

In diesem Sinne können wir die mit dem Ansatz der transkulturellen Kommunikation verbundene methodologische Reflexion als Zuspitzung der Kritik des empirischen Nationalismus verstehen: Es geht nicht nur darum, die unhinterfragte Anwendung national-territorialer Konstruktionen von Gesellschaft auf jegliche soziale Phänomene zu problematisieren. Diese Kritik des methodologischen Nationalismus wird gesteigert, indem sein impliziter Kulturbegriff in Frage gestellt wird, um die Möglichkeit überhaupt (wieder) zu eröffnen, Kultur jenseits implizit nationaler Konzeptionalisierungen empirisch zu erforschen.

Für einen solchen Zugang stehen neben Kevin Robins auch andere Kommunikations- und Medienwissenschaftlerinnen bzw. -wissenschaftler. Neben den bereits Genannten wie beispielsweise James Lull oder Marwan Kraidy lässt sich auf Ulrike Hanna Meinhof und Anna Triandafyllidou (2006) verweisen. Diese argumentieren,[34] dass traditionelle Ansätze der Beschreibung von Kulturpolitik, die beim Nationalstaat ansetzen, nicht hinreichend sind, um aktuelle Kulturpolitiken in Europa zu erfassen. Notwendig sei vielmehr ein methodisches Ansetzen aus einer »urbanen und metropolen Perspektive« (Meinhof/Triandafyllidou 2006: 6). Ein solcher Zugang zu einem »transkulturellen Europa« eröffnet eine Möglichkeit der Analyse bestehender kultureller Prozesse, die weder auf die Perspektive einer europäischen Kultur im Sinne des kleinsten gemeinsamen Nenners aller Nationalkulturen verkürzt noch auf die Perspektive von Europa als Ansammlung von Nationalkulturen. Joseph Chan und Eric Ma (2002) schlagen einen transkulturellen Ansatz der Medienforschung vor, der einfache Dichotomien wie Mikro vs. Makro oder (in Bezug auf Asien) Staat/Partei vs. Markt/Leute überwindet und komplexere Modelle der (vergleichenden) Medienkulturanalyse entwickelt. Paula Chakravartty und Yuezhi Zhao (2008) fordern eine transkulturelle politische Ökonomie der Medien ein, die jenseits der einfachen Dichotomien (nationalkultureller) politischer Systeme und einem darüber gelagerten supranationalen System operiert, um die globale Verbreitung eines Medienkapitalismus angemessen beschreiben zu können.

Im Kern verweisen solche Argumentationen darauf, in einer komparativen Medienund Kommunikationsforschung einfache Vergleichsmodelle zugunsten komplexerer Ansätze zu überwinden (vgl. zum Folgenden ausführlich Couldry/Hepp 2012; Hepp/Couldry 2009). Methodologisch steht die Zugangsweise der transkulturellen Kommunikation dann für eine bestimmte Vergleichssemantik.

Die internationale und interkulturelle Vergleichssemantik ist dadurch gekennzeichnet, dass der (National-)Staat als ein territorialer Container begriffen wird und als einziger Referenzpunkt von Vergleich fungiert. Konkret heißt dies, dass Mediensysteme, Medienmärkte und Medienkulturen unhintergfragt in Bezug auf (National-) Staaten konstruiert werden und der Staat so von vornherein als Bezugsrahmen einer Auseinandersetzung mit Prozessen der grenzüberschreitenden und grenzziehenden Kommunikation genommen wird. Man kann von einer in ihrer Grundstruktur binären Vergleichssemantik sprechen, weil sie zumindest zwei (National-)Staaten komparativ gegenüberstellt. Dabei kann diese Semantik des Vergleichs auch mit einer größeren Zahl von Staaten weiter gedacht werden. Vor dem Hintergrund der bisherigen Argumentation sollte deutlich geworden sein, dass eine solche Form des Vergleichs auf nicht unerhebliche Probleme stößt. Diese können vor allem an drei Punkten festgemacht werden:

Abbildung 1: Internationale und interkulturelle Vergleichssemantik


Quelle: eigene Darstellung

 [35]Erstens wird eine solche Vergleichssemantik nicht der bestehenden Komplexität der kommunikativen Konnektivitäten gerecht, wie sie mit der Globalisierung der Medienkommunikation in heutigen mediatisierten Welten besteht. Deren Kommunikationsbeziehungen sind durch die Etablierung von Satellitentechnologien und dem Internet bzw. digitalen Medien wesentlich vielfältiger und nicht einfach in Bezug auf Staatsgrenzen konstruierbar.

 Zweitens geht eine solche Vergleichssemantik von einer Abgeschlossenheit von Kultur aus. Diese wird in aktuellen kulturanalytischen Studien in Frage gestellt, weil sie nicht angemessen erscheint, gegenwärtige kulturelle Komplexitäten zu erfassen.

 Und drittens schließlich erlaubt es eine solche Vergleichssemantik nicht, neu entstehende kulturelle Phänomene bzw. den Wandel von Kultur zu beschreiben. Dies ist insbesondere der Fall, wenn sich diese nicht in einen nationalen Funktionalismus fügen.

Abbildung 2: Transkulturelle Vergleichssemantik


Quelle: eigene Darstellung

[36]Solche Probleme versucht eine transkulturelle Vergleichssemantik zu vermeiden. In ihr wird eine globale Kommerzialisierung der Medien als Gesamtrahmen von gegenwärtigen, (staatliche) Grenzen überschreitenden kommunikativen Konnektivitäten betrachtet (siehe dazu im Detail Kap. 3.1). Diese globale Kommerzialisierung bildet – wie in der oben stehenden Abbildung 2 visualisiert – den Rahmen, in dem es Nationalstaaten und deren Mediensysteme wie auch die verschiedenen (medien-)kulturellen Verdichtungen zu sehen gilt. Gemeint ist damit nicht, dass die Art und Weise der Produktion von Medien überall identisch wäre. Der Begriff der globalen Medienkommerzialisierung hebt an dieser Stelle vielmehr darauf ab, dass in verschiedensten Regionen der Welt Medienkommunikation zunehmend als Austausch ökonomischer Waren angesehen wird. Dies betrifft nicht nur die sogenannte westliche Welt (Herman/McChesney 1997; Hesmondhalgh 2007), sondern ebenfalls andere Weltregionen (siehe für China beispielsweise Ma 2000 und Zhao 2009). Und auch in Bezug auf das Internet kann gesagt werden, dass dessen rasante Verbreitung in den 1990er-Jahren mit einer Kommerzialisierung Hand in Hand ging (Castells 2005: 19–44). Nichtsdestotrotz muss man im Blick haben, dass diese globale Medienkommerzialisierung nicht zu einer weltweiten Standardisierung der Bedeutung von Medienprodukten führt. Dies hängt u.a. mit der »Unbestimmtheit« (Ang 1996: 172) des globalen Medienkapitalismus zusammen, dem es gerade um das Finden neuer, vermarktbarer (kultureller) Unterschiede geht. Sehr oft scheint damit der globale Medienkapitalismus eher eine Quelle fortschreitender kultureller Fragmentierungen, Auseinandersetzungen und Missverständnisse zu sein – nicht nur zwischen Nationalkulturen, sondern auch quer durch diese hindurch.

Innerhalb dieser globalen Medienkommerzialisierung sind politische Mediensysteme aufgrund ihrer Staatsbezogenheit die bis heute am umfassendsten territorial bezogenen Gegenstandsbereiche (Hepp/Wessler 2009). Rücken jedoch stärker Fragen von (Medien-)Kultur ins Zentrum der Betrachtung, fällt auf, dass einzelne kulturelle Verdichtungen nach wie vor staatsbezogen sind (bspw. nationale politische Diskurskulturen), andere – und für Zeiten der Globalisierung von Medienkommunikation besonders Charakteristische – jedoch über Staatsgrenzen hinweg erkennbar werden. Beispiele für solche kulturellen Verdichtungen sind Diasporagemeinschaften, populärkulturelle Gemeinschaften wie beispielsweise Jugend- und Freizeitkulturen, politische Vergemeinschaftungen von sozialen Bewegungen oder Religionsgemeinschaften. Die Artikulation solcher Vergemeinschaftungen verweist letztlich auf deterritorial bestehende, transmediale kommunikative Räume (siehe dazu im Detail die Darstellung in Kap. 6.3).

Auf komparativer Ebene versucht eine transkulturelle Perspektive damit, eine einfache Inter-Vergleichssemantik zu überwinden, ohne den Staat bzw. die Nationalkultur als eine mögliche Referenzgröße auszuschließen. Konkret bedeutet dies, dass eine transkulturelle Vergleichssemantik nicht mit der Vorstellung von in Bezug auf Staaten abgeschlossenen Medienkulturen, Medienmärkten und Mediensystemen operiert, sondern mit der Vorstellung der Verdichtung solcher Phänomene im Rahmen übergreifender[37] kommunikativer Konnektivitäten. Eine solche Vergleichssemantik versucht, die Spezifik dieser Verdichtungen ebenso zu berücksichtigen wie die vielschichtigen Beziehungen zwischen ihnen. Letztlich zielt in einem solchen methodologischen Blickwinkel das vorliegende Buch also darauf, einen konzeptionellen Rahmen für ein vielschichtiges vergleichendes Vorgehen zu entwickeln.

2.4Integrative Analysen

Ausgangspunkt dieses Kapitels war die Überlegung, dass sich im Ansatz der transkulturellen Kommunikation drei sich überlappende, gleichwohl sinnvoll zu unterscheidende Diskursfelder treffen: Erstens das der Auseinandersetzung mit transkultureller Kommunikation als Folge der Globalisierung, zweitens das der Betrachtung transkultureller Kommunikation als Teilaspekt der postkolonialen Kritik und drittens eine Konzeptionalisierung von transkultureller Kommunikation als methodologischer Reflexion. Betrachtet man diese drei Diskursfelder zusammenfassend, stellt man fest, dass diese – auch wenn ihre Referenzautoren jeweils unterschiedlich verortet sind – argumentativ in einer Beziehung zueinander stehen: So wird aus der Zunahme von kulturübergreifenden Kommunikationsbeziehungen mit fortschreitender Globalisierung der Medienkommunikation gefolgert, dass transkulturelle Kommunikationsprozesse auf alltagsweltlicher Ebene zunehmen (können), und dabei unterstellt, dass damit verschiedene Hybridisierungsprozesse ein Alltagsphänomen geworden sind. Gerade vor diesem Hintergrund erscheinen Inter-Vergleichssemantiken nicht hinreichend, und man benötigt für eine komparative Forschung komplexere Designs. Diese sollten Nationalstaaten und Nationalkulturen als Referenzgrößen nicht ausschließen, aber vermeiden, Letztere unproblematisiert zum containerhaften Ausgangspunkt von Forschung zu machen. Entsprechend kann man die unterschiedenen Diskursfelder wie folgt systematisieren:

Tabelle 1: Diskursfelder transkultureller Kommunikation

DiskursfeldForschungsfokusForschungsagenda
Folgen der Globalisierungtranskulturelle KonnektivitätKommunikationsbeziehungen
Postkoloniale KritikTranskulturalisierungHybridisierungsprozesse
methodologische Reflexiontranskultureller VergleichMehrebenen-Untersuchungen

Quelle: eigene Darstellung

Sieht man eine transkulturelle Kommunikationsforschung in einem solchen Gesamtrahmen, wird deutlich, dass es sich hier um einen Ansatz handelt, der die Analyse der [38]Komplexität von Kommunikationsbeziehungen, ihrer Grenzüberschreitungen und Grenzziehungen in einer globalisierten Welt einfordert. Doch wie ist ein solches Unterfangen praktisch zu realisieren?

Geht man von den Kernpunkten der bisherigen Argumentation aus, sollte eine Antwort auf diese Frage eine Systematisierung der in der obenstehenden Tabelle gefassten drei Forschungsfoki und -agenden leisten: Sie sollte eine Vorgehensweise umreißen, die in der Lage ist, die Komplexität von Kommunikationsbeziehungen in durch die Globalisierung gekennzeichneten, mediatisierten Welten zu fassen. Gleichzeitig sollte diese Vorgehensweise die hiermit einhergehende Hybridisierung verschiedenster Phänomene kritisch beschreiben können. Und sie sollte dies in vielschichtigen Mehrebenen-Untersuchungen realisieren. Genau dies leistet das Konzept der »kommunikativen Figuration« (Hepp 2013a: 84–90; Hepp/Hasebrink 2014), wie es im Weiteren als heuristischer Ansatzpunkt für eine transkulturelle Medien- und Kommunikationsforschung beschrieben werden soll.

Der Begriff der Figuration ist in den Sozialwissenschaften durchaus etabliert, häufig allerdings ohne weitere begriffliche Ausarbeitung. So spricht beispielsweise die Soziologin Saskia Sassen (2008: 29) in ihrer breit angelegten Untersuchung zur politischen »Etablierung« und »Demontage« des Nationalstaates davon, dass hierzu die Analyse »bestimmter historischer Konfigurationen« notwendig wäre. Hiermit betont sie, dass es nicht um die Betrachtung von Einzelphänomenen geht, sondern um deren Interaktionsgefüge. Der Wissens- und Techniksoziologe Bruno Latour spricht von der »Figuration« (Latour 2007: 93 f.) im Sinne einer konkreten sozialen Gestalt, die Bezugspunkt sozialwissenschaftlicher Erklärungen sein sollte. Es finden sich aber auch Verwendungsweisen des Konzepts der Figuration in der Kommunikations- und Medienforschung. Ein Beispiel hierfür wären die »Figurationen des Klatsches« (Leach 1997), in denen sich feministischer Gegendiskurs konkretisiere. Allgemein wird daneben von »kommunikativen Figurationen« gesprochen, die es historisch kontextualisierend zu erfassen gilt (Burkhardt/Werkstetter 2005: 430). Trotz ihrer je unterschiedlichen Akzentsetzungen treffen sich solche verschiedenen Verwendungsweisen des Ausdrucks »Figuration« darin, dass sie die Notwendigkeit der Analyse von Gesamtkonstellationen betonen: Beschreibung, Erklärung und Kritik soziokultureller Phänomene werden dann möglich, wenn man diese in dem ihnen jeweils spezifischen Gesamtzusammenhang erfasst.

Über eine solche allgemeine Verwendungsweise hinaus wurde der Begriff Figuration insbesondere vom Soziologen Norbert Elias theoretisiert (siehe Textbox 2). Dessen Begriff der Figuration durchschreitet die häufig statischen Analyseebenen von Mikro, Meso und Makro, indem man ihn »auf relativ kleine Gruppen ebenso wie auf Gesellschaften« (Elias 1993: 143) beziehen kann. Folgt man der Argumentation von Elias, sind Figurationen »Netzwerke von Individuen« (Elias 1993: 12), die in wechselseitiger Interaktion – wie beispielsweise im gemeinsamen Spiel oder gemeinsamen Tanz – ein größeres soziales Gebilde konstituieren. Dieses kann die Familie sein, die [39]Gruppe, der Staat oder die Gesellschaft: In all diesen Fällen lassen sich solche sozialen Gebilde als unterschiedlich komplexe Netzwerke von Individuen beschreiben. Mit diesem Zugang möchte Elias die Vorstellung vermeiden, »dass die ›Gesellschaft‹ aus Gebilden außerhalb des »Ichs«, des einzelnen Individuums bestehe und dass das einzelne Individuum zugleich von der Gesellschaft umgeben und von ihr durch eine unsichtbare Wand getrennt« (Elias 1993: 11 f.) sei. Für Elias gehören »Individuum« und »Gesellschaft« eng zusammen und können nicht voneinander separiert werden. Sie fassen eher zwei Aspekte eines Gesamts, das er mit dem Begriff der Figuration zu bezeichnen sucht. Figuration ist damit »ein einfaches begriffliches Werkzeug« (Elias 1993: 141), um soziokulturelle Phänomene in einem »Verflechtungsmodell« (Elias 1993: 141) interdependenter Handlungen zu fassen. Es geht – wenn man das Spiel als Beispiel für eine Figuration nimmt – darum, »das sich wandelnde Muster, das die Spieler als Ganzes miteinander bilden« (Elias 1993: 142), insgesamt zu beschreiben. Hierbei ist der Begriff der Figuration skalierbar, d. h., auf sehr unterschiedlichen Ebenen operationalisierbar. Der Begriff der Figuration zielt demnach darauf ab, soziale Entitäten als prozesshafte Verflechtungszusammenhänge einer empirischen Analyse zugänglich zu machen. Dabei geht es auch darum, zu klären, »was Menschen eigentlich in Figurationen zusammenbindet« (Elias 1993: 144).

Textbox 2: Norbert Elias zum Konzept der Figuration

»Der Begriff der ›Figuration‹ dient dazu, ein einfaches begriffliches Werkzeug zu schaffen, mit dessen Hilfe man den gesellschaftlichen Zwang, so zu sprechen und zu denken, als ob ›Individuum‹ und ›Gesellschaft‹ zwei verschiedene und überdies auch noch antagonistische Figuren seien, zu lockern. […] Man kann ihn auf relativ kleine Gruppen ebenso wie auf Gesellschaften, die Tausende oder Millionen interdependenter Menschen miteinander bilden, beziehen. Lehrer und Schüler in einer Klasse, Arzt und Patienten in einer therapeutischen Gruppe, Wirtshausgäste am Stammtisch, Kinder im Kindergarten, sie alle bilden relativ überschaubare Figurationen miteinander, aber Figurationen bilden auch Bewohner eines Dorfes, einer Großstadt oder einer Nation, obgleich in diesem Fall die Figuration deswegen nicht direkt wahrnehmbar ist, weil die Interdependenzketten, die die Menschen hier aneinander binden, sehr viel länger und differenzierter sind. Man versucht dann, die Eigentümlichkeiten solcher komplexer Figurationen indirekt, durch die Analyse der Interdependenzketten, dem eigenen Verständnis näherzubringen.« (Elias 1993: 141; 143)

Auf Grundlage solcher Überlegungen sind kommunikative Figurationen musterhafte (transmediale) Interdependenzgeflechte von Kommunikation. Um einige Beispiele zu nennen: Familien bilden auch eine kommunikative Figuration, für die – gerade in ihrer translokalen Zerstreuung – Kommunikation mittels (Mobil-)Telefon ebenso[40] zentral ist wie das Social Web, (digitale) Fotoalben, Briefe, Postkarten oder das gemeinsame Fernsehen. Begreift man (nationale oder transnationale) Öffentlichkeiten als normativ spezifisch aufgeladene kommunikative Figurationen, so bestehen diese ebenfalls über unterschiedliche Medien, deren Produktion und Aneignung hinweg. Dies betrifft nicht nur klassische Medien der Massenkommunikation, sondern mit WIKILEAKS, TWITTER und Blogs ebenso Medien des Social Webs. Wir haben es aber auch mit kommunikativen Figurationen von global agierenden sozialen Bewegungen zu tun, die sich über das Internet und Mobiltelefon organisieren und gleichzeitig traditionelle Massenmedien zu nutzen wissen, um zum Beispiel ihre politischen Ziele als Teil globaler Medienevents zu inszenieren.

Mit fortschreitender Globalisierung der Medienkommunikation sind gegenwärtige kommunikative Figurationen in hohem Maße vielfältig. Manche – wie beispielsweise die kommunikativen Figurationen, die eine nationale Medienöffentlichkeit ausmachen – sind territorial bezogen. Sie bewegen sich nicht einfach nur (weitgehend) in den Grenzen von Nationalstaaten, sondern artikulieren diese mit. Andere kommunikative Figurationen wiederum sind konstitutiv für Phänomene, die gerade nicht in einem solchen Rahmen fassbar sind: kommunikative Figurationen der bereits erwähnten Diasporas, populärkulturellen Vergemeinschaftungen, sozialen Bewegungen usw. Zu denken ist in diesem Zusammenhang aber auch an die kommunikativen Figurationen, die für einzelne Orte kennzeichnend sind wie beispielsweise den der globalisierten Stadt. Hier werden weitere kulturelle Bezüglichkeiten geschaffen, wie auch kulturelle Hybridisierungen entstehen, die empirisch durch zum Teil sehr eigene Spezifika gekennzeichnet sind.

Solche Beispiele machen deutlich, dass sich das Konzept der kommunikativen Figuration in hohem Maße eignet, die in diesem Aufsatz für die betrachteten drei Diskursfelder umrissenen Forschungsfoki und -agenden der transkulturellen Kommunikation in eine praktische Kommunikations- und Medienforschung umzusetzen. Bezogen auf die in Tabelle 1 (S. 37) dargestellten Punkte lässt sich dies wie folgt zuspitzen:

 Transkulturelle Konnektivität und Kommunikationsbeziehungen: Das Konzept der kommunikativen Figuration bezieht sich nicht auf Fragen einzelner Medien, sondern setzt seinen Akzent auf die (medienvermittelte) kommunikative Artikulation verschiedener soziokultureller Entitäten. Hierdurch eignet es sich in hohem Maße zum Erfassen vielschichtiger kulturspezifischer wie transkultureller Konnektivitäten bzw. Kommunikationsbeziehungen sowie von deren Relevanz für die kommunikative Konstruktion von Wirklichkeit.

 Transkulturalisierung und Hybridisierungsprozesse: Das Konzept der kommunikativen Figuration eignet sich dazu, Hybridisierungsprozesse auf handhabbarer Ebene zu erfassen. Auch »dritte Räume« und »Kontaktzonen« konstituieren sich in bestimmbaren kommunikativen Figurationen, ebenso wie Prozesse der »Transkulturation« in kommunikativen Figurationen greifbar werden.

 [41]Transkulturelle Vergleiche und Mehrebenen-Untersuchungen: Das Konzept der kommunikativen Figuration ist skalierbar, d. h., auf Phänomene sehr unterschiedlicher Ebenen beziehbar, und liegt damit jenseits eines in der transkulturellen Medienund Kommunikationsforschung immer wieder kritisierten impliziten Ansatzpunkts national-territorialer Vergleiche und Bezugsgrößen. Hierdurch eignet es sich auch für komplexe vergleichende Mehrebenen-Untersuchungen.

Durch eine Betrachtung von kommunikativen Figurationen erreicht man also eine weitere empirische Konkretisierung des Ansatzes der transkulturellen Kommunikation, nämlich im Hinblick auf die Analyse der Gesamtheit von für die kommunikative Artikulation einer Entität (Familie, Diaspora, Öffentlichkeit usw.) relevanten Muster von Kommunikation, die es in einer vergleichenden Analyse zu erfassen gilt. In der Erhebungs- und Auswertungsmethode kann eine Analyse kommunikativer Figurationen sehr unterschiedlich angelegt sein, je nachdem, um welche Art von Entität es sich handelt. Um hier nochmals die genannten Beispiele zu verwenden: Für die Analyse der kommunikativen Figuration einer Öffentlichkeit bietet sich beispielsweise die Kombination von Inhaltsanalysen, Befragungen von Medienschaffenden und Rezipierenden an, für die Analyse der kommunikativen Beziehungen einer Diaspora bieten sich Kommunikationsnetzwerkanalysen an oder für die Auseinandersetzung mit den kommunikativen Figurationen von Familien (virtuelle) Ethnografie und teilnehmende Beobachtung. Der Kernpunkt einer Figurationsanalyse ist also nicht das Erhebungs- und Auswertungsinstrument, sondern die Erschließung der grundlegenden Muster dieser kommunikativen Artikulation in ihrer Gesamtheit. Zu einer transkulturellen Medien- und Kommunikationsforschung wird eine solche Figurationsanalyse dann, wenn sie die Dialektik der kulturellen Grenzüberschreitungen und Grenzziehungen auf spezifische Weise erfassbar macht.

An dieser Stelle ist es gleichwohl wichtig, im Blick zu haben, dass kulturelle Phänomene Mehrebenen-Phänomene sind. Eindrücklich zeigt sich dies in Kreislaufvorstellungen von Kultur, wie sie sich mit den Cultural Studies in der kulturanalytischen Medien- und Kommunikationsforschung verbreitet haben. Wichtig war hierbei das Encoding/Decoding-Modell von Stuart Hall (1980; 1994b; 1999), mit dem dieser – u. a. angeregt durch den Kreislauf des Warenkapitals von Karl Marx – das Phänomen des Fernsehens im Spannungsverhältnis von Encoding und Decoding verortet. Weiter ausdifferenziert wurde eine solche Perspektive dann durch Richard Johnson (1986), der den Kreislauf der Kultur durch vier Instanzen vermittelt sah: erstens die Produktion einzelner Kulturprodukte, zweitens diese selbst als Texte betrachtet, drittens deren Interpretation und viertens schließlich die Kultur als Lebensweise. In ganz ähnlichem Sinne haben auch Paul du Gay et al. (1997: 3) Kultur im Rahmen eines Kreislaufs beschrieben. Als zentrale kulturelle Prozesse dieses Kreislaufs haben sie die Repräsentation, die Identität, die Produktion, den Konsum und die Regulation von Kultur begriffen.

[42]Abbildung 3: Kreislauf der Medienkultur


Quelle: eigene Darstellung

Solche Überlegungen aufgreifend können wir sagen, dass sich in einem Kreislaufzusammenhang Artikulationsebenen von Medienkultur ausmachen lassen. Dies ist erstens die der Produktion, die die Strukturen, Praktiken und Prozesse der »Hervorbringung« von Kulturprodukten beschreibt. Zweitens ist dies die der Repräsentation, d. h. der »Darstellung« von Kultur in Kulturprodukten. Eine dritte Artikulationsebene ist die der Aneignung, also des Prozesses des aktiven »Sich-Zu-Eigen-Machens« von Kultur als Lokalisierung im Alltag. Diese drei Ebenen bilden insofern den Kern von Medienkultur, als es sich hierbei um diejenigen handelt, die in einem klassischen Verständnis den Kommunikationsprozess als solchen ausmachen. Daneben erscheint es aber noch wichtig, zumindest zwei weitere Ebenen im Blick zu haben, nämlich die der Identifikation und Regulation. Bei der Identifikation handelt es sich um die Artikulationsebene von Kultur, die den (fortlaufenden) Prozess der Artikulation von Identität auf Basis vermittelter kultureller Muster und Diskurse beschreibt. Regulation hingegen bezeichnet die Einflussnahme nichtproduzierender Institutionen und Formationen (bspw. Politik) auf Kultur.

Bezieht man solche Überlegungen zurück auf den Begriff der kommunikativen Figuration, geht es darum, entlang dieser Artikulationsebenen und der sich in ihnen konkretisierenden Machtverhältnisse die kommunikativen Figurationen transkultureller Kommunikation zu erfassen. Gemäß unserer bisherigen Argumente heißt dies für die Beschäftigung mit transkultureller Kommunikation zweierlei: Einerseits interessiert entlang der unterschiedenen Artikulationsebenen die kommunikative Beziehung[43] zwischen den verschiedenen Medienkulturen. Welche kommunikativen Figurationen der Produktion aber auch Regulation bestehen zwischen verschiedenen Medienkulturen? Inwiefern schaffen verschiedene Medienprodukte oder herausgehobene Medienereignisse eine transkulturelle Beziehung zwischen ihnen? Welche alltagsweltlichen Kulturbeziehungen werden in den kommunikativen Figurationen der Medienaneignung geschaffen?

Haben wir aber im Blick, dass eine Beschäftigung mit transkultureller Kommunikation auch bedeutet, sich mit dem Prozess der Transkulturation innerhalb von nur scheinbar stabilen Kulturen auseinanderzusetzen, geht es auch um eine Auseinandersetzung mit kommunikativen Figurationen in den verschiedenen Medienkulturen. Hier mögen dann andere Fragen interessieren: Inwieweit wird Transkulturation in den Praktiken der Medienproduktion greifbar? Wie ist in der kommunikativen Figuration von scheinbar nationalen medialen Repräsentationen Transkulturalität eingeschrieben? Was zeichnet die kommunikative Figuration einer Diaspora bezogen auf Transkulturalitäts-Erfahrungen aus?

Solche Fragen verdeutlichen, dass die Figurationen transkultureller Kommunikation hochgradig komplexe und auch widersprüchliche Zusammenhänge sind. Eine Hilfe ist es deshalb, diese kommunikativen Figurationen entlang der unterschiedlichen Artikulationsebenen des Kreislaufs der Medienkultur zu betrachten, wie es in den folgenden Kapiteln dieses Buchs geschehen soll. Auf diese Weise wird es möglich, Anregungen zu geben, was wir im Blick haben müssen, wenn wir die kommunikativen Figurationen unserer heutigen mediatisierten Welten in ihrer Transkulturalität erfassen wollen.

Transkulturelle Kommunikation

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