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Freitag, der 13.
ОглавлениеIch denke, viele von Euch kennen den Klassiker: Freitag, der 13. Es ist ein US-amerikanischer Horrorfilm aus dem Jahr 1980 von Sean S. Cunningham. Und wer ihn nicht kennt, sollte sich ihn unbedingt einmal anschauen. Zurück ins Jahr 2020, mein Bekannter Ralf fuhr mich morgens nach Sindelfingen ins Krankenhaus. Mein Arzt empfahl mir, wegen der Narkose nicht selbst zu fahren. Wie beim ersten Mal musste ich wieder einen Corona-Zettel am Eingang ausfüllen, zur stationären Aufnahme gehen und eine Nummer ziehen. Dann konnte ich mich auf ein Sofa im Wartebereich setzen und warten, bis meine Nummer auf einem Bildschirm erschien. Endlich hatte ich etwas Zeit, das Buch meines Kameraden und Autor-Kollegen Johannes Clair: „Vier Tage im November. Mein Kampfeinsatz in Afghanistan“ zu lesen zu beginnen. Dieses Buch begleitete mich von da an während der gesamten Behandlung. Nach ein paar Minuten stand meine Nummer auf der Anzeige. Ich ging in die Kabine Nummer 2, in der mich zwei Mitarbeiterinnen des Krankenhauses schon erwarteten. Die eine lernte gerade die andere Dame ein. Ich bekam ein "All-inclusive-Bändchen" an meine rechte Hand, hier waren alle Daten von mir auf einem Barcode ersichtlich. Ich musste noch ein paar Papiere ausfüllen und unterschreiben, die ich dann wieder in die Hand bekam und mit auf Station nahm. Die Station war im dritten Stock, das hieß Treppensteigen, da ich ja keinen Aufzug fahre. Zum Glück hatte ich nur eine leichte Sporttasche dabei. Oben angekommen suchte ich erst einmal eine Stationsschwester, die mir weiterhelfen konnte. Das war nicht einfach, denn ich sah niemanden auf den Gängen herumlaufen, den man fragen hätte können.
Fast am Ende des Ganges befand sich ein Stationszimmer und eine Möglichkeit sich hinzusetzen, was ich dann auch machte. Ich wartete, bis sich jemand auf dem Gang zeigte, den ich fragen konnte. Und zum Glück habe ich dann die richtige Schwester, die auf mich zukam, angesprochen. Sie meinte: Einen kleinen Moment noch, ich bin gleich bei Ihnen. Ich antwortet ihr: Kein Problem, ich habe Zeit, ich sollte nur morgen Abend wieder zuhause sein, denn da kommt ein guter Film im Fernsehen. Sie schaute mich an und lachte, natürlich unter der Maske. Ich hatte die einfache Maske auf, die bis dahin noch erlaubt war. Kurze Zeit später brachte sie mich in ein Zimmer, wo ein älterer Mann im Bett lag und schlief. Ich durfte meine Sachen in den Schrank an der Wandseite einräumen und das schöne OP-Hemdchen mit dem sexy Netzhöschen anziehen und dann im Bett warten, bis ich zur Biopsie abgeholt wurde. Ich las im Buch weiter und irgendwann kam eine andere Schwester und meinte: Jetzt geht’s los, Herr Meyer. Ich legte mein Buch auf den Nachttisch und ab ging es Richtung Fahrstuhl, was ich eigentlich gar nicht mochte. Aber im Bett und mit Betreuung ging das schon, ich dachte ja gerade an etwas anderes als dass der Aufzug jetzt steckenbleibt. Die Tür ging auf und schon standen wir vor dem Vorbereitungsraum zum OP. Zwei junge Damen in OP-Kleidung nahmen mich in Empfang. Ich musste vom Bett über die Patientenschleuse auf einen Patientenumbetter klettern und mich flach darauflegen. Dann wurde mir eine Wärmedecke über den ganzen Körper gelegt, da es im OP ja nicht gerade warm ist. Anschließend fuhren wir in den OP. Dort musste ich noch einmal auf den OP-Tisch klettern. Eine der Damen setzte mir am rechten Arm unter Aufsicht einer erfahrenen OP-Schwester den Zugang für die Narkose. Nachdem der Zugang gesetzte war, kam Dr. med. R. S. an den Tisch und meinte: So, gleich geht’s los.
Ich musste ihm noch schöne Grüße von Oberfeldarzt Frau Dr. N. ausrichten, er grinste mich an und meinte: Ja, die kenne ich auch sehr gut, sie stand öfters neben mir im OP. Ich sah die Spritze mit dem Beruhigungsmittel in seiner Hand und wie er es durch den Zugang in meine Venen spritzte. Gleich darauf folgte eine weitere Spritze mit weißem Inhalt und da wusste ich, dass ich sofort im Reich der Träume sein würde. Der Arzt sagte noch: Jetzt geht’s los - und schon war ich im Tiefschlaf. Als ich wieder zu mir kam, lag ich im Bett auf Station, neben mir wieder der ältere Herr, aber jetzt hellwach. Ich musste feststellen, dass es mir sehr gut ging. Ich hatte wieder die Narkose gut vertragen und keine Schmerzen durch den Eingriff. Na also, was will man mehr. Mein Bettnachbar fragte mich, wieso ich hier war und ich antwortete ihm: Nur wegen der Prostata- Biopsie. Und dass ich am nächsten Morgen wieder nach Hause könne. Er meinte, dass würde er auch gerne, aber er müsse noch ein wenig hierbleiben, denn er würde am Montag an der Wirbelsäule operiert. Ich fragte ihn: Wieso? Und dann begann er mir seine ganze Leidensgeschichte von Anfang an zu erzählen. Zwischendurch dachte ich nur: Man, geht’s dir gut. Er hatte auch vor einem Jahr Prostatakrebs und ihm sollte auch die Prostata entfernt werden. Während der Behandlung stellten die Ärzte fest, dass er eine Krankheit habe, bei der es sehr schwierig sei, Operationen durchzuführen, weil sein Blut sehr dünn sei. Das stellten die Ärzte aber erst während der laufenden OP fest. Deswegen konnten sie die Prostata nicht ganz entfernen, sondern nur eine Ausschabung machen. Hierbei wird mit dem durch die Harnröhre eingeführten Endoskop Gewebe mit einer Hochfrequenz-Schlinge abgetragen und dabei die Wundfläche gleich verschorft. (Quelle: www.prostata.de) Der Eingriff verlief gut und die Ärzte waren zuversichtlich. Sein PSA-Wert war wieder im grünen Bereich.
Nach einiger Zeit stieg aber der PSA-Wert wieder an und die Ärzte mussten dann eine andere Therapie einschlagen und versuchten es mit Chemotherapie und Bestrahlung der Prostata. Als ich das hörte, dachte ich nur: Du armes Schwein. Das möchte doch keiner ernsthaft mitmachen wollen. Ich hörte ihm gespannt zu und dachte für mich: Schlimmer kann es nicht werden. Und es kam schlimmer. Durch die Chemo und die Bestrahlung wurde es zwar besser, aber nicht gut genug. Die Metastasen hatten sich schon in seiner Lendenwirbelsäule verbreitet. Das war gar nicht gut, vor allem hatte er jetzt Tag und Nacht Schmerzen, die so stark waren, dass er sie ohne starke Medikamente nicht aushalten konnte. Er erzählte mir, wie es ist, wenn man nicht mehr stehen, sitzen oder liegen kann vor lauter Schmerzen. Ich wollte es mir nicht vorstellen, was der arme Mann gerade durchmachen musste. Wenn man so etwas mitbekommt, dankt man Gott, dass man sich jeden Tag noch schmerzfrei bewegen kann. Apropos, da sind meine leichten Schmerzen beim Wasserlassen lächerlich. Zurück zu mir. Später bekam ich noch etwas zum Abendessen, danach ging es mir um Welten besser. Mit hungrigem Magen kann man schlecht schlafen. Die Nacht verlief für mich gut, ich konnte gut und fest schlafen, im Gegensatz zu meinem Bettnachbar. Dieser brauchte wieder starke Schmerzmittel in der Nacht, damit er wenigstens ein paar Stunden schlafen konnte. Ich hatte Mitleid mit ihm, als ich das hörte. Vor dem Frühstück konnte ich mich noch Duschen. Nach dem Frühstück verabschiedete ich mich von meinem Bettnachbarn und wünschte ihm alles Gute für die bevorstehende Operation und gute Genesung. Heute würde es mich interessieren, wie es ihm ergangen ist, ob er heute schmerzfrei und gesund leben kann. Ich wurde von meinem guten Freund und ehemaligen Kameraden Klaus, Mitglied der Rettungshundestaffel, abgeholt und nach Hause gebracht.
Zuhause angekommen verbrachte ich ein sehr geruhsames Restwochenende. Am darauffolgenden Montag ging es wieder zum Dienst. Und jetzt hieß es abwarten, bis das Ergebnis der Biopsie da war. Diese Zeit war nicht einfach für mich, vor allem, wenn man weiß, wie so etwas auch enden kann. Bis zu diesem Tag hatte ich meinen Eltern noch nichts davon erzählt, was ich bis dahin alles durchgemacht hatte. Erst, wenn das Ergebnis der Biopsie da war und ich genau wusste, was los ist, würde ich meine Eltern einweihen. Wieso sollte ich zu diesem Zeitpunkt alle Menschen, die ich liebe, verrückt machen, wenn später alles doch nur ein Fehlalarm war. Bis jetzt wussten es nur meine beiden Freundinnen und meine Vermieter. Seit der Biopsie waren nun schon sechs Tage vergangen. Es hieß, zwischen fünf und acht Tagen könne es schon dauern, bis das Ergebnis da sei. Ich hatte zum Glück genügend zu tun, um mich abzulenken im Dienst. Und die folgende Woche war ich noch fast die ganze Woche auf dem Flughafen eingeplant, um den Sprungdienst zu koordinieren. Das machte mir Riesenspaß und wenn ich Glück hatte, konnte ich noch ein paar Runden mit dem Airbus A 400 M mitfliegen. Der Tag der Entscheidung würde kommen, ob ich mich verrückt machte oder einfach darauf wartete. Klar möchte man schon wissen, woran man ist. Ich würde es früh genug erfahren und dann wird man weitersehen. Und bis dahin mochte ich ganz normal weiterleben, wie ich bis dahin auch gelebt hatte. Ob gesund oder nicht gesund, das ist doch egal, die Hauptsache ist, man wacht jeden Morgen wieder auf und kann sein Leben leben.