Читать книгу Young Agents - Andreas Schluter - Страница 12

FLUCHT?

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Der Bodyguard tritt ein. Unter dem einen Arm trägt er eine zusammengeklappte Liege, unter dem anderen eine Decke. Beides wirft er mir vor die Füße.

»Dein Bett«, sagt er nur. Und will gleich wieder weggehen.

»Können wir bitte etwas zu trinken bekommen? Und Hunger haben wir auch«, halte ich ihn auf.

Der Bodyguard sieht mich einen Augenblick stumm an, schaut dann einmal kurz durch den Raum, als könne er nicht glauben, dass kein Trinkwasser bereitsteht, und zieht murrend ab. »Ich komme gleich wieder.«

Shiona läuft ihm nach. »Warten Sie! Mein Vater kann Ihnen im Moment kein Geld geben. Das hier hat alles keinen Sinn, verstehen Sie?«

Bam! Vor ihrer Nase schlägt die Stahltür zu.

Ich sage nichts. Schließlich habe ich Shiona bereits alles erklärt. Jetzt muss sie es nur noch glauben.

Stattdessen klappe ich die Liege auf und baue mir mein Bett.

»Du willst ernsthaft hier übernachten?«, fragt Shiona vorwurfsvoll, als ob ich es mir gerade ungefragt in ihrem Zimmer gemütlich machen würde.

»Hast du eine andere Idee?«, frage ich sie.

Shiona winkt ab. »Auf jeden Fall nicht hierbleiben.«

»Gut«, stimme ich ihr zu. »Wie sieht dein Plan aus?«

»Welcher Plan?«, fragt sie zurück.

»Na, wenn du nicht hierbleiben willst, brauchst du einen Fluchtplan. Ohne zu fliehen kommen wir hier nicht raus. Das ist dir doch wohl klar.«

»Leck mich!«, schimpft Shiona, winkt ab und hockt sich schmollend auf ihr Bettgestell.

Mir ist klar, dass sie nicht wirklich wütend auf mich ist, sondern auf die Situation, in die wir geraten sind. Und ich denke, allmählich begreift auch sie, dass wir diese missliche Lage ihrem Vater zu verdanken haben. Die Unschuldsvermutung beginnt offenbar zu bröckeln.

Kurz nachdem ich mein Bett fertig aufgebaut habe, erscheint der Bodyguard wieder. Dieses Mal hat er einen Korb dabei. Darin zwei Flaschen Sprudelwasser, ein paar Bananen, zwei Äpfel und ein Handtuch für mich.

»Danke«, sage ich und nehme den Korb entgegen.

»Essen gibt’s in drei Stunden«, teilt der Bodyguard uns mit.

Shiona verzichtet dieses Mal darauf, ihn anzubetteln und herumzujammern. Sie hat ihre Strategie geändert. »Wenn mein Vater erfährt, wie Sie uns hier behandeln, können Sie sich auf etwas gefasst machen!«, faucht sie den Bodyguard an.

Überraschenderweise wirkt ihre Drohung.

Hatte der Bodyguard sich vorhin noch über sie lustig gemacht, denkt er jetzt mit ernstem Gesichtsausdruck kurz nach und antwortet dann: »Ihr habt hier alles, was ihr braucht. Und wie gesagt: Es ist nur ein kurzer Übergang.«

Fast schon entschuldigend, wie er das gesagt hat. Dann geht er und schließt wieder die Tür von außen.

Natürlich habe ich gerade darüber nachgedacht, ihn zu überwältigen und Shiona und mich zu befreien. Aber ich weiß nicht, wie viele Personen sich im Erdgeschoss aufhalten. Allein würde ich eine Flucht vielleicht riskieren, aber mit Shiona im Schlepptau ist es zu gefährlich und zu unsicher. Außerdem muss ich mich selbst in dieser Lage noch vorsehen, meine wahre Identität nicht zu verraten. Denn wenn ich während der Flucht offenbaren würde, dass ich ein gut ausgebildeter Agent bin, wird Shiona spätestens hinterher Fragen stellen, wer ich wirklich bin, wieso ich in der Lage bin, Profigangster auszuschalten und so weiter. Und sie ist immerhin die Tochter eines Schwerstkriminellen. In Nullkommanix flöge nicht nur meine Identität, sondern die aller YOUNG AGENTS auf. Das wäre das sichere Ende unserer Abteilung. Nein! Ich muss äußerst vorsichtig agieren. Auch wenn es mir verdammt schwerfällt.

In diesem Moment läuft Shiona doch wieder auf die Tür zu und tritt wutentbrannt dagegen. Aber der Bodyguard ist schon längst verschwunden.

»Verdammt!«, flucht sie zornig, verfällt aber sofort wieder in einen weinerlichen Tonfall. »Wie konnte das passieren?«

Ratlos und verzweifelt wendet sie sich an mich. »Glaubst du denen, dass wir nur kurz hier sind?«

Darüber brauche ich nicht lange nachzudenken. »Ja. Vermutlich hat er die Wahrheit gesagt.«

»Wo werden die uns dann hinbringen?«, fragt Shiona ängstlich nach.

Ich zucke mit den Schultern, tue ahnungslos und frage im Gegenzug: »Kennst du den Vorgesetzten deines Vaters?«

»Vorgesetzten?«, wiederholt Shiona. »Du meinst, seinen Chef?«

Ich nicke.

»Er hat keinen«, versichert Shiona mir. »Mein Vater ist sein eigener Chef. Und zwar von mehreren Unternehmen. Das weißt du doch auch.«

Ich nicke. Ja, stimmt. Offiziell weiß ich das. Inoffiziell aber weiß ich noch viel mehr. Nämlich dass die meisten seiner Unternehmen vor allem Geldwaschanlagen sind. Und für seine Haupteinnahmequelle, nämlich aus der Organisierten Kriminalität, hat er sehr wohl einen Boss, nämlich den Boss.

Ich belasse es aber dabei und sage nichts mehr. Sie wird schon sehen, dass sie in einer seiner Villen landen wird. Nur: Wir YOUNG AGENTS wüssten auch gern, wohin sie Shiona bringen, damit wir sie von dort befreien können. Denn solange Shiona gefangen gehalten wird, wird ihr Vater nicht aussagen. Und ich gehe fest davon aus, dass sie Shiona allein von hier wegbringen werden.

»Jetzt lass uns erst mal schlafen, Shiona«, schlage ich besänftigend vor.

»Spinnst du?«, faucht sie mich sofort wieder an. »Wie soll man denn hier schlafen?«

Sie will ihr Smartphone aus der Tasche ziehen, aber da ist natürlich keines mehr. Jetzt merkt sie es auch. »Oh Scheiße!«

Ich habe meines noch. Also, mein Geheimdiensthandy, das ich in einer eingenähten Tasche unter dem Gürtel im Hosenbund versteckt halte. Der Bodyguard hat es nicht gefunden. Ich fürchte nur auch hier, wenn ich es herausziehe, wird Shiona zu viele Fragen stellen. Deshalb lasse ich es vorerst in seinem Versteck und versuche es später, wenn Shiona hoffentlich schläft. Wahrscheinlich ist diese Zelle im Keller ohnehin so sehr abgeschirmt, dass ich keinen Empfang habe. Somit kann ich weder jemanden anrufen, noch per GPS nachschauen, wo wir uns befinden.

Das Türschloss habe ich auch schon inspiziert. Fast schon instinktiv, denn meine Türöffner-Tools habe ich nicht dabei. Zudem: Es ist kein einfaches Schloss, sondern der Boss hat diesen Raum als Gefängniszelle konzipiert, und er hat ganze Arbeit geleistet. Entsprechend ist die Tür gesichert. Hier saßen wohl schon ganz andere Kaliber von Gaunern fest. So leicht also kommt man nicht hinaus.

Aber wir müssen atmen. Deshalb gibt es in der Decke eine Lüftung. Vermutlich führt dahinter aber kein Lüftungsschacht nach draußen, wie man das aus so vielen Thrillern kennt, sondern nur ein dicker Lüftungsschlauch, durch den man nicht entkommen kann. Kurzum: Wir sitzen tatsächlich fest.

Trotzdem habe ich bereits einen Plan, wie ich zumindest für eine kurze Zeit hier rauskomme, um zu peilen, wo wir überhaupt sind, und vielleicht auch, um zu sehen, wie viele Personen uns bewachen. Ich werde Shiona aber nicht in meinen Plan einweihen. Ich weiß weder, wie gut sie ein Geheimnis bewahren, noch, wie gut sie lügen kann.

»Weißt du, wie spät es ist?«, fragt sie mich jetzt.

Ich schaue auf meine Armbanduhr.

»Halb fünf«, antworte ich knapp.

»Ts«, macht Shiona.

»Was?«

»Und du wolltest schlafen«, erinnert sie mich mit einem verächtlichen Ton.

»Hast du eine bessere Idee, was wir hier unten machen sollen?«, frage ich zurück. »Das Beste in einer solchen Lage ist einfach, Ruhe zu bewahren.«

»Ach ja, klar«, sagt sie. »Du musst es ja wissen. Kennst dich voll aus mit Entführungen, oder was? Wie oft bist du denn schon gekidnappt worden?«

»Ich hab’s gelesen«, erwidere ich und versuche, einen möglichst unterwürfigen Tonfall hinzubekommen. Schließlich bin ich der Loser der Schule. Und auch in der Band nur der Gitarrist, der nichts zu sagen hat. Shiona ist der Kopf der Band. Sie bestimmt alles. Aber jetzt ist die Situation eine andere. Bloß: Sie weiß das nicht.

»Schön, was du so alles liest«, raunt sie. Ihre anfängliche Angst und ihr Gejammer schlagen immer mehr um in Wut und Bockigkeit. Denn sie glaubt noch immer, ihr Vater bräuchte einfach nur Lösegeld zu bezahlen, und wir beide kämen frei.

»Hoffentlich fordern sie nicht zu viel«, murmelt sie vor sich hin. »Ich meine, sooo viel Geld hat mein Vater auch nicht.«

Ich sage nichts dazu, sondern fange leicht an zu stöhnen und mir den Bauch zu halten. Das gehört zu meinem Plan.

Shiona blickt auf und fragt irritiert: »Was hast du?«

»Mein Magen«, behaupte ich. »Das ging heute Morgen schon los. Ich wäre fast früher von der Schule nach Hause gegangen. Aber dann wurde es wieder etwas besser. Und dann kamst du und hast mich abgeholt.«

»Mach keinen Scheiß«, sagt Shiona. Schützend hält sie sich den Ärmel vors Gesicht. »Werd’ jetzt bloß nicht krank.«

»Das kann man sich doch nicht aussuchen!«, erwidere ich augenrollend.

»WAS?«, kreischt Shiona auf. »Du wirst wirklich krank? Echt jetzt?«

»Ich weiß nicht«, sage ich. »Ich glaub nicht. Vielleicht war die Wurst von meinem Schulbrot nicht mehr gut.«

»WAS?«, kreischt Shiona wieder. »Wie kann man denn Gammelfleisch essen? Das … schmeckt man doch.«

Ich sage nichts mehr, sondern stöhne noch lauter, wanke hinter den Paravent, aber nur, damit Shiona nicht sieht, wie ich mir den Finger in den Hals stecke. Ja, auch das haben wir auf der Agentenakademie trainiert: mutwilliges Übergeben. Wieso? Na ja, um es in Situationen wie dieser anzuwenden.

Ich muss gestehen, ich war darin nie besonders gut. Und auch jetzt fällt es mir echt schwer. Ich muss den Finger noch tiefer in den Hals schieben. Ich würge, huste, röchle, aber – es kommt nichts. Komm schon …

»Oh neee!«, höre ich Shiona klagen.

Und dann klappt es endlich.

Ich übergebe mich! Und zwar nicht in die Kloschüssel, sondern absichtlich daneben.

Das ist eklig. Aber leider notwendig. Sonst würde mein Kotzanfall ja keine Spuren hinterlassen. Muss er aber. Sonst funktioniert mein Plan nicht.

Shiona tut das, was ich vermutet habe. Sie rennt zur Tür und bollert dagegen.

»HEY!«, schreit sie. »Kommen Sie schnell! Billy ist krank und kotzt! Hallo!«

Keine Reaktion.

Shiona wiederholt ihre Rufe und bollert erneut gegen die Tür.

Ich schaue mir mein Malheur an und finde, es reicht noch nicht. Also wiederhole auch ich meine Prozedur, stecke mir den Finger erneut so tief wie möglich in den Hals.

Und breche noch mal.

Daraufhin werden Shionas Rufe noch lauter.

»HALLOOOOOO! HIERHEEEEER!«, schreit sie.

Dann endlich: Von außen wird der Schlüssel im Schloss gedreht.

Der Bodyguard kommt und bringt gleich das angekündigte Essen mit. Er trägt ein Tablett auf der einen Hand. Darauf sehe ich mehrere Hamburger und Pommes frites. Alles noch in den typischen Pappschachteln. Also gibt es vermutlich einen McDonald’s in der Nähe. Offenbar sind wir nicht vollkommen abgelegen.

»Was ist denn hier los?«, fragt der Bodyguard verblüfft.

»Er hat sich übergeben!«, jammert Shiona und zeigt auf mich. »Er ist krank. Bestimmt etwas Schlimmes und Ansteckendes. Darmgrippe oder so. Ich will hier raus!«

Jetzt bin ich allerdings doch verwundert. Natürlich war mein Plan, dass ich rausgeholt werde, damit ich mich draußen umsehen und eventuell sogar Hilfe rufen kann. Jetzt schlägt Shiona glatt vor, sie rauszuholen und mich allein im Kerker zu lassen, was uns natürlich keinen Schritt voranbringen würde.

Zum Glück geht der Bodyguard nicht auf sie ein.

»Mitkommen!«, brummt er, zieht mich am Kragen mit sich hinaus und schlägt die Tür hinter uns zu. Während er sie abschließt, höre ich, wie Shiona von innen wieder dagegenbollert und schreit: »Sie können mich in dem Gestank hier doch nicht allein lassen! Iiiiiigitt! Ich muss auch gleich brechen bei dem Geruch!«

Ich nutze den kurzen Moment, in dem der Bodyguard mit dem Türschloss beschäftigt ist, greife mir unter die Gürtelschnalle und aktiviere auf meinem Geheimdienst-Handy die GPS-Ortung. Jetzt wird es nicht nur aufzeichnen, wo ich mich befinde, sondern meinen Standort gleichzeitig lautlos direkt an Naomi und Charles senden. Sobald es ein GPS-Signal empfängt, versteht sich. Ich hoffe, oben wird es damit klappen.

Der Bodyguard packt mich am Arm und zieht mich die wenigen Schritte bis zur Treppe mit sich. Dann befiehlt er: »Du wartest hier.«

Er steigt die Treppe hinauf.

Mist! Jetzt stehe ich in diesem Miniflur zwischen Zellentür und Treppenaufgang. Einen anderen Weg gibt es nicht nach draußen. Mein Smartphone hat noch keinen Empfang, wie ich mit einem schnellen Blick auf mein Display enttäuscht feststelle.

Was soll ich tun?

In den Augen der Entführer bin ich ein ganz normaler und etwas schmächtiger Schüler, der nur zufällig und ungewollt von einem der Entführer mitgeschleppt wurde.

Und was tun ganz normale Schüler? Nicht gehorchen. Genau.

Also gehe ich ebenfalls die Treppe hinauf. Selbst wenn sie mich oben erwischen, werden sie nicht argwöhnisch werden, sondern mich nur für ungehorsam halten; vielleicht noch für frech oder dumm, sicher aber nicht für gefährlich.

Oben angekommen, lege ich ein Ohr an die Tür.

Und höre niemanden. Das bedeutet, dass vermutlich auch niemand in der Nähe ist. Ich öffne also die Kellertür einen Spalt, die – wie ich es mir gedacht habe – nicht verschlossen ist, und linse in den Flur, der auf der einen Seite zum Ausgang führt, auf der anderen Seite zu einer weiteren Zimmertür, die zum Glück nicht offen steht. Bevor ich mich raustraue, werfe ich noch mal einen Blick auf mein Smartphone. Immer noch kein GPS-Empfang. Und auch kein Mobilfunknetz. Verdammt! Ist etwa das gesamte Haus abgeschirmt? Ich muss also noch raus aus dem Haus.

Ich öffne die Tür ein bisschen weiter, schleiche hinaus auf den Flur, bleibe stehen, lausche. Als ich immer noch nichts höre, husche ich zur Haustür. Leise betätige ich die Klinke, um sie zu öffnen – und stelle fest: Sie ist verschlossen. Scheiße!

Ich drehe mich um. Die Zimmertür gegenüber ist immer noch zu. Geräusche oder gar Stimmen höre ich nicht. Ich habe also gute Chancen, dass mich in den nächsten Sekunden niemand stören wird, und könnte es wagen, vorn auszubrechen. Anders als unsere Zellentür besitzt die Haustür ein normales Türschloss. Wäre kein Problem, sie zu öffnen – wenn ich meine Türöffner-Tools dabeihätte. Hab ich aber nicht, weil ich meinen Agentenrucksack nicht bei mir habe. Ich habe gar nichts bei mir, womit ich das Schloss knacken könnte. Keinen Draht, keinen spitzen Gegenstand, einfach nichts.

Vielleicht durch das Zimmer hinter mir? Ich nehme an, diesen Weg ist der Bodyguard gegangen. Denn er wollte ja gleich zurückkommen und wird mich kaum allzu lange unten im Keller stehen lassen wollen. Ich lege mein Ohr an die Zimmertür, höre aber immer noch nichts. Wenn der Bodyguard allein im Haus wäre, wäre er doch nicht ohne mich hochgegangen. Der wollte sich doch mit Sicherheit mit jemandem absprechen, was er mit mir machen soll. Wäre er vor die Haustür getreten, um dort zu telefonieren, hätte er die Tür nicht hinter sich abgeschlossen. Also muss er sich hinter dieser Zimmertür befinden. Wieso aber höre ich nichts? Keine Stimmen, nicht mal eine, die vielleicht telefoniert. Nichts. Absolute Stille.

Es nützt nichts: Wenn ich herausbekommen will, was hier vor sich geht, muss ich nachsehen. Langsam – sehr, sehr langsam – drücke ich die Klinke hinunter. Warte einen Augenblick. Drücke dann die Tür ein ganz klein wenig auf. Sie ist nicht verschlossen.

Noch immer höre ich nichts.

Ich stoße die Tür noch einen Tick weiter auf.

Warte.

Nichts.

Noch ein Stückchen.

Bis ich sie soweit habe, dass ich mein Gesicht vorschieben und in den Raum hineinlinsen kann.

Er ist leer. Komplett leer. Und fensterlos.

Täusche ich mich? Bin ich gar nicht im Erdgeschoss, sondern noch unter der Erde? Ist es etwa ein zweistöckiger Keller? Nein. Die Haustür war eindeutig eine Haustür; führt also nach draußen; ich bin also im Parterre.

Dieser Raum hat nur einfach kein einziges Fenster. Seltsam. Ich könnte gar nichts sehen vor lauter Dunkelheit, würde nicht in der Mitte der Decke eine kahle Glühbirne brennen. Genauso wie unten bei uns in der Zelle. Ist das hier etwa auch eine Gefängniszelle? Die Tür spricht dagegen. Es ist eine normale Tür.

Ich trete ein, schließe die Tür sanft hinter mir und sehe dann, dass in der Wand rechts von mir eine weitere Tür abgeht, die ein wenig offensteht. Durch den Spalt dringt etwas Licht zu mir. Ebenfalls Kunstlicht, wie ich vermute.

Ich tripple auf Zehenspitzen neben die Tür. Wenn jetzt jemand vom Nebenraum rüberkommt und dabei die Tür öffnet, wäre ich hinter ihr versteckt.

Nun höre ich endlich auch Stimmen. Während ich lausche und versuche, etwas zu verstehen, ziehe ich mein Handy aus der versteckten Tasche, sehe aufs Display und stelle enttäuscht fest, dass ich immer noch keinen Empfang habe. Ich ahne, wieso: Dieses Haus ist gar kein Haus, sondern ein alter Bunker! Deshalb gibt es auch kein einziges Fenster. Die Mauern sind so massiv, dass es keinen Funkkontakt nach außen gibt.

»Der Plan steht«, höre ich da plötzlich jemanden sagen. Der Stimme nach zu urteilen, unser Bodyguard.

»Fehlt nur noch Maffei.«

»Dass der Boss ihm noch vertraut …«

»Tut er nicht. Deshalb haben wir doch seine Tochter. Aber der Boss braucht ihn. Ich denke, bis zum Abschluss der Aktion wird sie darum bei uns bleiben müssen.«

»Und der Junge?«

»Setz ihn aus. Und mach ihm ein bisschen Angst. Wenn jemand fragt, wo er war, soll er sagen, er hat noch irgendwo mit Kumpels abgehangen. Dem glaubt doch sowieso keiner, dass er entführt wurde.«

»Okay. Dann bring ich ihn jetzt weg.«

Scheiße! Die reden über mich. Ich muss weg hier. Schnell!

Ich düse so schnell und leise wie ich kann zurück zur ersten Zimmertür, husche hindurch und höre schon, wie der Bodyguard den Nebenraum verlässt, um mich aus dem Keller abzuholen. Ich also ab durch die Kellertür und die Treppe hinunter. Unten höre ich, wie Shiona immer noch gegen die Zellentür trommelt und tritt und laut und verzweifelt verlangt, sie freizulassen.

Schon kommt der Bodyguard die Treppe runter. Ich tue natürlich so, als hätte ich die ganze Zeit brav hier unten gewartet.

Der Bodyguard sieht sich kurz um, wahrscheinlich, um zu sehen, ob ich in der Zwischenzeit irgendwo hingekotzt habe, stellt zufrieden fest, dass das nicht der Fall ist, greift in seine Hosentasche, zieht einen dunklen Sack hervor und stülpt ihn mir über den Kopf.

»Wir gehen«, ist alles, was er sagt.

»Wohin?«, frage ich.

»Weg von hier.«

»Wohin?«, frage ich noch mal. »Vielleicht brauche ich einen Arzt. Ich bin krank!«

»Wenn ich dich absetze, kannst du hin, wohin du willst.«

»Absetzen? Was meinen Sie mit ›absetzen‹?«

»Sei still und komm mit. Vorsicht: Stufen!«

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