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ОглавлениеKAPITEL 2:
GLOBAL WERDEN
Das Israel der Antike war ein göttliches Mittel zu einem göttlichen Zweck.
Das ist keinesfalls abwertend gemeint.
Ein Mittel zum Zweck zu sein, ist das, was den Dingen Bedeutung gibt. Sinn verleiht. Wenn Sie sich weigern, ein Mittel zum Zweck zu werden, wird Ihr Leben nie eine Bedeutung haben. Das ist der tiefere Sinn von Bedeutung. Leben Sie nur für sich selbst, dann werden Sie nur sich selbst haben, um Ihrem Leben Bedeutung zu geben. Ist Ihr Leben ein göttliches Mittel zu einem göttlichen Zweck, dann wird Ihr Leben Sinn gewinnen. Das lehren uns Beerdigungen. Beerdigungen erinnern uns daran, dass der Wert eines Lebens immer daran gemessen wird, wie viel davon verschenkt wurde; kurz: ob ich zutiefst einverstanden bin, dass ich ein göttliches Mittel zu einem göttlichen Zweck bin.
Aber zurück zu Israel.
Gott schuf das Volk Israel als göttliches Mittel zu einem göttlichen Zweck. Zu einem weltumspannenden Zweck. Gottes globaler Plan für sein Volk wurde erstmals angekündigt, lange bevor es etwas gab, das wie eine größere Menschenmenge aussah. Vor über 4000 Jahren versprach Gott dem neunundneunzigjährigen Abraham einen Sohn, der zu einem Volk werden sollte, das die Welt segnen werde.
Die ganze Welt.
Dies ist der ursprüngliche Wortlaut:
„Und ich will dich zu einem großen Volk machen, und ich will dich segnen, und ich will deinen Namen groß machen, und du sollst ein Segen sein!“1
Gott versprach Abraham, dass er seinen „Namen groß machen“ werde. Das ist Bibelsprache für: „Ich werde dich berühmt machen.“ Ich schätze, das ist jetzt nicht das erste Mal, dass Sie von Abraham hören …
Na bitte. Das Versprechen wurde gehalten.
Aber jetzt kommt die eigentliche Nachricht:
„Alle Völker der Erde sollen durch dich gesegnet werden.“2
Wir können uns gar nicht vorstellen, wie lächerlich das für einen Mann mit überhaupt keinem Volk klang, der gerade mitten im Nirgendwo stand. Aber dieses Versprechen löste eine Kette von Ereignissen aus, die sich im Laufe von etwa zweitausend Jahren ereignen werden. Zusätzlich zu dem unvorstellbaren Umfang dieses Versprechens war daran auch etwas historisch Bemerkenswertes, ja Eigenartiges.
Gott versprach, die Welt durch die Nachkommen Abrahams zu „segnen“.
Das ergab überhaupt keinen Sinn.
Die Völker in der Antike haben einander nicht gesegnet.
Die Stämme in der Antike eroberten, plünderten und versklavten einander. Seien wir ehrlich: Moderne Nationen segnen einander auch nicht. Wir spionieren, verhandeln und verhängen Sanktionen. Noch einmal: Wir können uns nicht einmal ansatzweise vorstellen, wie lächerlich das für Abraham klang.
Weiter geht’s!
Abraham hatte irgendwann einmal ein paar Leute, die eines Tages nach Ägypten emigrierten, wo sie sich im Laufe der Zeit zu einem großen Volk vermehrten, was ihrer Gastgebernation schrecklich unangenehm war. Anstatt sie rauszuschmeißen, ließ der Pharao sie für seine Pläne arbeiten.
Als Sklaven.
So viel zu diesen ganzen Versprechen. Es ist schwierig, alle Nationen der Erde zu segnen, wenn man Ziegel für einen König herstellt, der sich als Herr des Universums betrachtet. Aber im Gegensatz zu den Göttern Ägyptens war Abrahams Gott mobil. Als Abrahams Gott der Meinung war, jetzt sei es an der Zeit, ließ er sich blicken. Er machte Mose zu seinem Bevollmächtigten und sandte ihn mit diesem unvergesslichen Spruch zu Pharao.
„Lass mein Volk ziehen!“
Nach ein klein wenig Armdrücken tat der Pharao genau das.
Der Grund, warum ich die Freiheit habe, mehr als vierhundert Jahre der Geschichte Israels in kaum mehr als vier Sätzen zusammenzufassen, ist unsere Vertrautheit mit dieser Geschichte. Doch weil viele moderne Leser (und Kinogänger) die Geschichte kennen, müsste es eigentlich fast unmöglich sein, ihre Bedeutung zu übersehen. In der außergewöhnlichsten, langwierigsten, spektakulärsten Art und Weise, die es wert ist, in Hollywood beachtet zu werden, demonstrierte Israels Gott seine Mobilität und Autorität. Ganz offensichtlich war seine Autorität nicht geografisch begrenzt. Die ganze Erde unterstand seiner Zuständigkeit. Seine Botschaft an den Pharao war eindeutig:
„Du hast etwas, das mir gehört, und ohne das gehe ich hier nicht weg!“
Israels unsichtbarer Gottkönig demütigte sämtliche Götter Ägyptens, einen nach dem anderen. Zuletzt ermöglichte er es seinem Volk, die wohl reichste Nation der damaligen Welt zu plündern. All das geschah, ohne jemanden mit einem Schwert zu bedrohen. Als Israel Ägypten gerade noch in der Ferne sehen konnte, war Ägyptens Wirtschaft bereits stark geschwächt. Ganz offensichtlich war Israels einziger Gott mächtiger als alle Götter Ägyptens zusammen. Und das alles ohne Heimvorteil. Israels Gott war die Gastmannschaft. Er war mobil. Mobile Götter waren im Altertum etwas Besonderes.
Schneller Vorlauf um vier Monate, und wir finden das Volk Israel, wie es am Fuß des Berges Sinai lagert und dabei zuschaut, wie Mose mit Gottes Anweisungen für die Nation von dort herabsteigt. Wir nennen sie die Zehn Gebote. Leider bekamen sie in den nachfolgenden Jahrhunderten an die 600 „Kinder“. Die berühmten ersten zehn funktionierten ein wenig wie ein Inhaltsverzeichnis – sozusagen die Kurzfassung. Wenn Sie in einer Gemeinde groß geworden sind, erinnern Sie sich vielleicht daran, wie diese älteste der antiken Verfassungen begann:
„Ich bin der Herr, dein Gott; ich habe dich aus der Sklaverei in Ägypten befreit.“3
Übersetzt: Ich war’s!
Er fuhr fort:
„Du sollst außer mir keine anderen Götter verehren!“4
Dabei dachten sie: Richtig! Das sollen wir nicht. Wir haben gesehen, wozu du fähig bist.5 Und dann die Aussage, die Israel von allen anderen in der Nachbarschaft unterschied:
„Fertige dir keine Götzenstatue an, auch kein Abbild von irgendetwas am Himmel, auf der Erde oder im Meer. Werfe dich nicht vor solchen Götterfiguren nieder, bring ihnen keine Opfer dar!“6
Als Mose damit fertig war, die Zusammenfassung von allem vorzulesen, was Gott von der Nation verlangte, antworteten sie zünftig:
„Wir wollen alles tun, was der Herr befohlen hat!“7
Aber das haben sie natürlich nicht getan.
Und das sollte uns nicht überraschen.
Sie waren im Zeltlager.
Hält auch nur irgendjemand seine Zeltlagerversprechen ein?
Ich habe das nicht getan. Das haben Sie wahrscheinlich auch nicht. Wenn Sie nicht damit aufgewachsen sind, ins Sommerlager der Gemeinde zu gehen … na, vielleicht ist es besser so.
Die Kinofilme und die abendlichen Vorleseversionen dieser Erzählung am Bett der Kleinen spiegeln nicht genau wider, dass Mose mehrere Ausflüge auf den Sinai unternahm, rauf und runter. Jedes Mal kehrte Mose mit noch detaillierteren Anweisungen für die Nation zurück. Eine dieser Klettertouren dauerte vierzig Tage. Während er unterwegs war, wurde das Volk unruhig. Vielleicht erinnern Sie sich noch aus Kindergottesdiensten an diesen Teil:
„Als Mose so lange Zeit nicht vom Berg herabkam, versammelten sich die Israeliten bei Aaron und forderten ihn auf: ‚Los, mach uns Götterfiguren! Sie sollen uns voranziehen und den Weg zeigen. Wer weiß, was diesem Mose zugestoßen ist, der uns aus Ägypten herausgeführt hat!‘“8
Ernsthaft?
Gott diktiert noch immer das Kleingedruckte, und sein Volk gibt bereits das erste und wichtigste Gebot auf. Wie konnte das geschehen? Aaron schlug vor:
„Eure Frauen und Kinder sollen ihre goldenen Ohrringe abziehen und zu mir bringen!“
Da nahmen alle Israeliten ihre Ohrringe ab und brachten sie Aaron. Er nahm den Schmuck entgegen, schmolz ihn ein und goss daraus ein goldenes Kalb. Anschließend gab er ihm mit dem Meißel die endgültige Form. Als es fertig war, schrien die Israeliten:
„Das ist unser Gott, der uns aus Ägypten befreit hat!“9
Was? Dieses Kalb, das du aus dem von uns geplünderten ägyptischen Gold gemacht hast, wie wir gerade gesehen haben, dieses Kalb war es, das uns aus Ägypten befreit hat?
An dieser Stelle werden die meisten von uns verwirrt. Warum sollten erst vor kurzem befreite Sklaven den Gott verlassen, der sie erst vor kurzem befreit hatte? Wie konnten sie etwas als Objekt der Anbetung annehmen, das direkt vor ihren Augen geschaffen worden war? Das ist für uns verwirrend, weil wir mit dem Glauben an einen unsichtbaren, überall-zur-selben-Zeit-da-seienden Gott aufgewachsen sind. Aber für das Volk Israel war das Neuland. Kein Objekt zur Anbetung zu haben, war für sie ebenso verwirrend, wie es auch uns, ehrlich eingestanden, in bestimmten Zeiten gehörig abgeht. Sie brauchten etwas Greifbares. Etwas Sichtbares. Etwas Feststehendes. Diese Episode ging nicht gut aus. Am Ende bedeutete es nicht nur, dass Mose eine weitere Tour auf den Berg Sinai unternehmen musste, um noch ein weiteres Paar Tafeln zu besorgen. Zum Glück kam es dabei zu einem für das untreue Volk lebensrettenden Deal, den Mose mit Gott aushandelte.
So begann Israels offizielle Beziehung zum unsichtbaren, mobilen Gott Abrahams. Von ihren ägyptischen Sklaventreibern befreit und mit Regeln fürs Leben ausgestattet, bereiteten sie sich darauf vor, das Lager abzubrechen und ihre Reise nach Norden ins gelobte Land anzutreten. Aber noch bevor sie den Sinai im Rückspiegel sehen konnten, gab Mose den Bau eines tragbaren Zeltes – das als Stiftshütte bezeichnet wird – in Auftrag, um die Tafeln mit dem heiligen Gesetz zu beherbergen. Als der Bau dieses Zeltes abgeschlossen war und die Steintafeln sicher in der dafür gebauten Holzkiste lagen, geschah etwas Außergewöhnliches. Mose beschrieb das so:
„Da kam die Wolke auf das heilige Zelt herab, und der Herr in seiner Herrlichkeit erfüllte das Heiligtum, sodass Mose nicht hineingehen konnte.“10
Gott ließ sich häuslich nieder.
Niemand trug eine tragbare Götzenstatue in die Stiftshütte und stellte sie auf einen Sockel, wie es bei den um sie herum lebenden heidnischen Völkern üblich war. Als Israels Gott davon überzeugt war, dass alles so war, wie es sein sollte, entschied er sich dazu, in der Stiftshütte zu wohnen. Er erfüllte sie mit seiner Herrlichkeit. Seiner Gegenwart. Zu seinen Bedingungen.
Aber selbst mit der Gegenwart Gottes in seiner Mitte war Israel noch nicht in der Lage, alle Völker der Erde zu „segnen“.
Fragen Sie nur mal den Pharao.
Niemand in Ägypten fühlte sich in diesem Moment „gesegnet“.
NUR EINES NOCH
Neben Moses mehrfachen Touren auf den Sinai und wieder runter gibt es noch etwas anderes, das wir modernen Bibelleser vermissen. Der Inhalt, der Wortlaut und die Anordnung der Anweisungen Gottes an Israel haben die Form eines juristischen Vertrags. Gelehrte bezeichnen diese Textart als einen Vertrag zwischen einem Feudalherren und einem abhängigen Untergebenen. Diese Form der Vereinbarung wurde von ungleichen Parteien benutzt, um die Bedingungen ihrer Beziehung festzulegen. In solch einem Vertrag diktiert ausnahmslos derjenige, der am längeren Hebel sitzt, dem Abhängigen seine Bedingungen.
Der Punkt ist, dass die Zehn oder mehr Gebote viel mehr waren als nur Gebote. Sie waren Teil eines umfassenden rechtlichen Vertrages oder Bundes zwischen Gott (dem Gebietenden) und seinem Volk. Die Schrift hat es so ausgedrückt:
„Und der HERR sprach zu Mose: ‚Schreibe dir diese Worte auf! Denn nach diesen Worten schließe ich mit dir und mit Israel einen Bund.‘“11
Die Ereignisse am Berg Sinai signalisierten den feierlichen Beginn einer Bundesbeziehung zwischen Gott und dem Volk Israel. Wie wir feststellen werden, sollte dieser Bund die Beziehung Gottes zu seinem Volk für die nächsten mehr als tausend Jahre definieren und regeln. Die wichtigsten Bedingungen finden sich in 2. Mose 19-24. Sie werden im dritten, vierten und fünften Buch Mose, die man auch Levitikus, Numeri und Deuteronomium nennt, wiederholt, erweitert und in einigen Fällen geklärt. Aber die folgenden drei Verse fassen die Hauptpunkte des Vertrages ziemlich genau zusammen:
„Ihr habt gesehen, was ich den Ägyptern angetan und wie ich euch auf Adlerflügeln getragen und euch zu mir gebracht habe. Und nun, wenn ihr willig auf meine Stimme hören und meinen Bund halten werdet, dann sollt ihr aus allen Völkern mein Eigentum sein; denn mir gehört die ganze Erde. Und ihr sollt mir ein Königreich von Priestern und ein heiliges Volk sein.“12
Das war ein klassischer Ich-werde-solange-ihr-tut-Vertrag. Haltet meine Gebote, und ich werde euch beschützen. Das Abkommen verpflichtete beide Seiten (wenn sie sich an die Bedingungen hielten) – die einen zum Gehorsam, den anderen zum Schutz. Wenn folgerichtig Israel seinen Teil des Abkommens nicht einhielt, war Gott auch nicht verpflichtet, seinen Teil einzuhalten.
Machen wir weiter.
Schneller Vorlauf.
Israel kam schließlich sicher im verheißenen Land an. Doch sie taten nicht gerade viel, um die dort wohnenden Nationen zu segnen. Stattdessen eroberten und plünderten sie alles, was sich ihnen in den Weg stellte.13 Nach mehreren Generationen, während derer Israel in einer Theokratie lebte, locker organisiert und von Richtern und Richterinnen geführt, entschieden die Ältesten des Volkes, dass es Zeit für etwas Neues wäre. Israel sollte und wollte nun erwachsen werden und damit beginnen, sich „wie alle Völker“ in der Nachbarschaft zu verhalten.14 Dazu war ein König nötig. Ein sichtbarer König.15
KÖNIGE UND ANDERE WÜNSCHE
Es war nie Gottes Absicht, dass Israel einen anderen König als ihn selbst haben sollte. Aber all die coolen Völker ringsum hatten Könige. Deshalb bedrängten die Ältesten und die Führer der Nation den Propheten Samuel damit, dass er einen König ernennen solle. Samuel fragte bei Gott nach und erhielt eine deutliche Antwort:
„Höre auf die Stimme des Volkes in allem, was sie dir sagen! Denn nicht dich haben sie verworfen, sondern mich haben sie verworfen, dass ich nicht König über sie sein soll.“
Autsch!
„Erfülle ihnen nur ihren Wunsch! Nicht dich lehnen sie ab, sondern mich. Ich soll nicht ihr König sein! Seit ich sie aus Ägypten herausgeführt habe, sind sie mir immer wieder untreu geworden und haben sich anderen Göttern zugewandt. Das ist bis heute so geblieben. Jetzt ergeht es dir ebenso. Tu ihnen den Willen! Aber sage ihnen zuvor in aller Deutlichkeit, was ein König für Rechte hat und was er mit ihnen tun kann.“16
Samuel kehrte zu den Ältesten zurück und tat, was Gott ihm aufgetragen hatte. Er tat sein Bestes, um ihnen den Wunsch nach einem König auszutreiben, aber ohne Erfolg.
„Aber das Volk weigerte sich, auf die Stimme Samuels zu hören. Und sie sagten: Nein, sondern ein König soll über uns sein …“17
Was sie als Nächstes sagten, bildete die Grundlage für das, was als Nächstes geschah.
„… damit auch wir sind wie alle Nationen, und dass unser König uns richtet und vor uns herauszieht und unsere Kriege führt.“18
Das Problem war natürlich, dass Gott nicht vorhatte, dass Israel wie alle anderen Nationen sein sollte. Gott wollte, dass Israel sich von allen anderen Nationen abhebt, weil er plante, durch Israel etwas für alle anderen Nationen zu tun.
Israel war ein Mittel zu einem globalen göttlichen Zweck.
Am Ende gab Samuel dem Erwartungsdruck nach und die Israeliten bekamen, was sie wollten. Einen König. Mehrere, genau genommen. Jahrzehntelang hatten sie sogar mehr als einen gleichzeitig. Wie vorhergesagt, waren die meisten Könige Israels katastrophal. Das Volk bezahlte diese Entscheidung mit dem, was sie besaßen und mit ihrem Blut. In dieser Hinsicht wurden sie wie alle anderen Nationen. Trotzdem hielt Gott sein Versprechen, das er Abraham gegeben hatte. Er gab seine globalen Ziele für Israel nicht auf. Alle Völker auf der Erde sollten tatsächlich durch ein Volk gesegnet werden. Leider bestand es darauf, wie alle anderen Völker der Erde zu sein.