Читать книгу Wie ich dich Nicht erfolgreicher, attraktiver, beliebter, aber zufriedener mache - Angela Gaede - Страница 4
Individualität
ОглавлениеAlles, was ich in diesem Buch schreibe, basiert auf der Überzeugung, dass Menschen (Lebewesen) Individuen sind. Wir können uns Gruppen anschließen, zum Herdentier werden, unsere Persönlichkeit aufgeben, trotzdem bleiben wir ein Individuum. Es mag unter den aufgezählten Punkten schwierig sein, diese Individualität zu erkennen, es wird jedoch stets eine Kleinigkeit geben, die uns von den anderen unterscheidet. Das ist nicht schlecht, nicht gut, in manchen Fällen ist die Kleinigkeit so winzig, dass sie keine tragende Rolle spielt.
Individualität ist demnach sehr individuell! Bei manchen Menschen stellt die Individualität einen Grundpfeiler ihrer Persönlichkeit dar. Selbst, wenn sie sich bemühen, Teil einer Herde zu sein, fallen sie aus dem Rahmen. Ich habe mich bemüht zu Gruppen … Nein, ich muss anders anfangen. Als Kind war ich ICH. Ich machte mein Ding, wie es Kinder so tun. Andere Kinder waren potenzielle Spielkameraden und es fiel mir nicht schwer, mit ihnen in Kontakt zu kommen. Ich wurde älter, wir zogen wieder einmal um und plötzlich änderte sich das. Ich hatte Angst auf andere Kinder zuzugehen. Was, wenn sie nicht mit mir spielen wollen? Was, wenn sie gemein zu mir sind? Hatte ich diese Gedankenhürde überwunden, fluppte wieder alles. Doch in der Schule traf ich auf Merkwürdigkeiten, die ich nicht verstand und die mir das Spielen mit den anderen erschwerten. Über uns wohnte eine Familie mit einem Sohn, der in meine Klasse ging. Schnell wurden wir die besten Freunde. Durch ihn war es für mich ein Leichtes auf dem Schulhof mit den anderen Jungs Fußball zu spielen. Mir fiel schnell auf, dass die Mädchen nur mit Mädchen und einem Gummiband spielten. Gummitwist! Kannte und konnte ich nicht. Ich bin unter vier großen Brüdern aufgewachsen, die haben mir einiges beigebracht, aber kein Gummitwist. Obwohl mir diese Trennung auffiel, war sie mir egal. Ich war ein Kind und wollte spielen, egal mit wem oder was. Die anderen sahen das leider nicht so. Bei den Mädchen war ich schnell das Mädchen, dass mit den Jungs spielt. Befand ich mich unter den Jungs, wurde meistens nur ich geärgert, Mädchen quietschen einfach besser, wenn man ihnen eine Spinne unter die Nase hält. Dieses merkwürdige Verhalten verunsicherte mich und ich zog mich mehr und mehr zurück. So ging es Jahr für Jahr weiter. Ich fand Freunde, war sogar Klassensprecherin, wurde zu Partys eingeladen, doch ich fühlte mich nie als Teil einer Gruppe oder Herde. Ich verstand viele Dinge nicht, die Menschen taten. Immer wieder irritierte es mich, wenn ich ICH war und auf Ablehnung, spöttische Blicke oder hochgezogene Augenbrauen stieß. Es gab Phasen, in denen ich mich versuchte anzupassen, “normal“ zu sein. Dann gab es Phasen, in denen ich mich schrecklich einsam fühlte und in dieser Emotion versank. Ich probierte die verschiedensten Stilrichtungen aus, nur um jedes Mal festzustellen, dass ich kein Skater, kein Grufti, kein Partymäuschen, kein Mädel (mir fällt keine bessere Bezeichnung ein. Ich meine damit Frauen, die sich gegenseitig als Mädel bezeichnen, Mädelsabende veranstalten und einmal im Leben eine Prinzessin sein wollen) bin. In Phasen, in denen ich mich sehr einsam fühlte, fragte ich mich, was mit mir nicht stimmte. Warum bin ich, wie ich bin? Wer bin ich? Was läuft falsch bei mir? Mir fehlte (fehlt mir heute manchmal immer noch) die Akzeptanz meiner Person, meiner Individualität. Nehmen wir ein Beispiel. Ich kann mit Hochzeiten und ihren Traditionen nicht viel anfangen. Liegt es an Erfahrungen? Muss ich da etwas aufarbeiten? Ja und nein. Ja, es gibt Dinge, die ich im Zusammenhang mit Beziehungen aufarbeiten muss. Nein, ich habe keine Schwierigkeiten mit Hochzeiten, weil ich etwas aufarbeiten muss. Ich glaube an die Liebe. Die Liebe ist da oder nicht. Sie entwickelt sich, wächst oder auch nicht. Jemanden mehr zu lieben, nur weil er mir einen Ring an den Finger gesteckt hat oder wir ein Dokument unterschrieben haben, kommt mir komisch vor, entspricht nicht dem, was ich fühle. Ich bin nicht scharf auf ein Prinzessinnenkleid, weil ich keine Prinzessin sein möchte und weil ich lieber alleine auf die Toilette gehe. Diese Kleider mit Reifrock sind in meinen Augen sehr unpraktisch, ich bin da eher praktisch, also sind sie nicht mein Fall. Die Tradition, dass der Vater die Braut zum Altar führt, empfinde ich nicht als schön. Das entspringt nicht den Problemen, die ich mit meinem Vater habe, sondern dem Fakt, dass ich mich mit diesen Ritualen auseinandergesetzt habe und ihren Ursprung kenne. Töchter waren das Eigentum ihres Vaters, der bei der Hochzeit sein Eigentum in den Besitz des zukünftigen Ehemanns übergab. Ich passe nicht in das Mädelsbild, weil ich zu praktisch, zu unromantisch und zu hinterfragend bin. Eigentlich erachte ich es als überflüssig, trotzdem weise ich darauf hin, dass ich nur mich darstelle. Es ist keine Wertung in meinem Beispiel. Andere sehen das anders, empfinden es anders und das ist gut so. Mit diesem Beispiel möchte ich verdeutlichen, wie wichtig der Charakter, die Individualität eines Menschen ist. Leider wird dieser Punkt zu oft außer Acht gelassen von Therapeuten, Coachs und uns selbst. Will man mit sich selbst klarkommen, will man seine Probleme lösen, muss man sich selbst erst kennenlernen. An sich zu arbeiten, fällt wesentlich leichter, wenn man weiß, wer man ist, wie man tickt, welche Charakterzüge einen ausmachen. Verhält man sich anders als die Mehrheit, die einen umgibt, bedeutet das nicht automatisch, dass man ein Problem hat. Manchmal sind da keine Blockaden, da ist nichts, was man aufarbeiten muss, manchmal muss man sich nur als das akzeptieren, was man ist; ein Individuum.