Читать книгу Amelie im Schlaraffenland - Angela Rommeiß - Страница 4

Die Traumwiese

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Amelie kletterte aus ihrem Bettchen und ergriff die Hände des Sandmannes, die er ihr lächelnd entgegenstreckte. Und ehe sie wusste, wie ihr geschah, versank alles um sie her - ihr Kinderzimmer mit dem Bett, den Plüschtieren und dem Spielzeugregal - in einem bunten Wirbel. Sie selbst und der Sandmann standen ganz ruhig da, nur das Zimmer drehte sich immer schneller, bis alles vor ihren Augen verschwamm. Doch noch ehe ihr schwindelig werden konnte, hörte das Drehen schon wieder auf.

Aber, was war das? Das Kinderzimmer war verschwunden, und stattdessen standen sie mitten auf einer Wiese! Um sie herum wuchsen große, farbenfrohe Blumen, deren rote, orangene, blaue und gelbe Blütenköpfe mindestens zehnmal so groß waren wie die normaler Blumen. Am Horizont ging eben die Sonne unter und tauchte alles in ein sanftes, goldenes Licht. Amelie blickte sich staunend um. „Wo sind wir hier? Ist das schon das Sch...laraffenland?“

Das Sandmännchen schüttelte den Kopf. „Nein, das hier ist die Traumwiese. Kommt sie dir nicht bekannt vor? Du bist oft im Traum hier gewesen. Auch die Goldmarie ist hier gelandet, nachdem sie in den Brunnen fiel. Aus dem Blütenstaub der Blumen gewinne ich den Schlafsand für die Menschenkinder. Siehst du die kleinen Erdhügelchen? Da drin haben die Osterhasen ihre Wohnungen.“

„Gibt es denn mehr als einen?“, fragte Amelie.

Der Sandmann lachte. „Hunderte! Sieh dich nur um. Von der Traumwiese aus geht es überall hin, ganz wie du es willst. Dort ... “, er zeigte auf einen Wald, der in der Ferne zu sehen war, „dort ist der Märchenwald. Da wohnen Rotkäppchen, Rapunzel, Hänsel und Gretel und all die anderen. Ich glaube, heute machen sie ein Picknick. Mich haben sie aber nicht eingeladen.“ Es wirkte etwas niedergeschlagen.

„Das tut mir Leid!“, sagte Amelie betroffen. Das Männchen winkte ab und lächelte schon wieder. „Ach, das macht nichts. Schau, dort drüben geht es zu Frau Holle. Siehst du den Apfelbaum? Sehr leckere Äpfel, ich muss mir nachher noch ein paar mitnehmen...“

„Was ist das dort?“, unterbrach ihn Amelie und zeigte auf eine andere Stelle am Horizont, wo dichte Wolken bis zum Boden hinab reichten und immer neue, wunderbare Figuren bildeten.

„Oh, das ist der Weihnachtshimmel. Da ist das ganze Jahr über Hochbetrieb. Was die Kinder sich heutzutage alles wünschen! Früher war dort nicht so viel los.“

Amelie staunte. „Und was kommt hinter dem Weihnachtshimmel?“

„Na, der Nordpol. Die Schneekönigin wohnt da und auch der Weihnachtsmann. Sie vertragen sich nicht besonders.“

„Und was kommt hinter dem Märchenwald?“, fragte das Mädchen. Der Sandmann wiegte den Kopf. „Das kann ich dir auch nicht sagen. Niemand war je an seinem Ende. Zwerge, Trolle und Gespenster sollen dort hausen!“

„Und wo ist das Schlaraffenland?“, wollte Amelie jetzt wissen.

„Schau da hinüber!“, sagte der Sandmann und zeigte auf einen Punkt gegenüber dem Märchenwald. Zunächst sah das Mädchen nur Nebel, doch als sie angestrengt hinschaute, erkannte sie plötzlich in weiter Ferne ein Gebirge, auf dessen Gipfel ein weißes, schlankes Schloss stand. Es war so zart und schön, so weiß und durchscheinend wie der Nebel, der zu seinen Füßen lag. Amelie konnte den Blick gar nicht abwenden.

Das Sandmännchen gähnte. „So, ich werde dann mal schlafen gehen. Du weißt ja jetzt, wo du hin musst.“

„Warte!“, rief Amelie erschrocken. „Lass mich doch nicht alleine! Wie soll ich dorthin gelangen und - wie komme ich wieder nach Hause?“

Das Sandmännchen nickte. „Ach, ich vergesse immer, es zu sagen. Wenn du nach Hause willst, gehst du einfach auf die Traumwiese zurück und wünschst dich in dein Bettchen. Das klappt immer. Sieh zu, dass du vor Ablauf einer Woche zurück bist. Hab nur keine Angst, in der Traumwelt kann dir nichts passieren...“ Mit diesen Worten verschwand das Sandmännchen direkt vor Amelies Augen. Ganz allein stand das kleine Mädchen in seinem rosa Nachthemdchen nun auf der Traumwiese, über der langsam die ersten Sterne aufgingen. Ganz unbemerkt war es dunkel geworden. Amelie fühlte sich einsam. Was sollte sie tun? „Wenn ich mich jetzt nach Hause wünsche, könnte ich sofort wieder in meinem Bett liegen. Aber dann wäre dieses wunderbare Abenteuer vorbei und wer weiß, ob ich noch einmal hierher komme.“ Amelie sah sich um. Die milde Nachtluft war voller Blütenduft. Seltsame Geräusche drangen aus dem Märchenwald zu ihr herüber. Ach ja, dort machten sie ein Picknick. Vielleicht auch ein Lagerfeuer. Ob sie dort hingehen könnte? Es wäre doch schön, mal die ganzen Märchenfiguren ganz echt und hautnah zu sehen. Aber ob ein Menschenkind dort auch willkommen wäre? Schließlich hatten sie noch nicht einmal den Sandmann eingeladen. Amelies Blicke schweiften hinüber zum Weihnachtshimmel. „Dort ist es sicherlich auch interessant“, dachte sie bei sich. Schon oft hatte ihr die Mutti Geschichten erzählt, wie die Englein das Weihnachtsfest vorbereiteten und die Geschenke herstellten. Aber nach Weihnachten war es Amelie eigentlich nicht zumute, jetzt, im August. Zur Frau Holle zu gehen und die Betten aufzuschütteln hatte sie auch keine Lust. Am Ende übergoss man sie noch mit Gold oder gar mit Pech – wie würde sie dann in der Schule ausgelacht werden! Also blieb ihr nur der Weg ins Schlaraffenland. Dort hatte sie ja schließlich auch von Anfang an hingewollt. Jetzt, im Dunkeln, leuchtete das Schloss in der Ferne, als wäre es aus Milchglas und von innen beleuchtet. Außerdem schien es viel näher zu sein als vorhin. Als Amelie zögernd den ersten Schritt darauf zu machte, schwirrten plötzlich hunderte Glühwürmchen um sie herum. Was wollten sie? Ihr den Weg zeigen?

„Ich will zum Schlaraffenland!“, sagte Amelie laut. Und tatsächlich, die Glühwürmchen schwebten als große, helle Wolke vor dem Mädchen her und beleuchteten einen Pfad, der durch das dichte Blumenmeer direkt auf das geheimnisvolle Schloss zuführte. Und Amelie schritt voller Vorfreude aufs Schlaraffenland zu.

Amelie im Schlaraffenland

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