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Beispiel 3: Gelassenheit als außergewöhnlicher Bewusstseinszustand: »Die leere Unendlichkeit«

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Daneben gibt es eine noch tiefere Form der Gelassenheit, so wie sie manche Menschen etwa während der Meditation erleben.

Ein Beispiel dafür findet sich in folgenden Bericht eines Neuseeländers, der im Urlaub in der Schweiz während eines Vortrags über Meditation unerwartet einen solchen Zustand erlebte:

»Plötzlich wurde mein herumwandernder Geist im wahrsten Sinne des Wortes ruhig. (…) Alle meine Sinne waren sehr wach und registrierten alles, was um mich herum geschah. Es war, als ob mein »Selbst« an einen entfernten Ort gegangen war, aber da war ein großes Gefühl der Lebendigkeit, der (räumlichen) Weite, aber vor allem ein großes Gefühl innerer Ruhe und Ordnung. Mein Körper war still und blieb so. Ich kann mich daran erinnern, dass ich eine Zeit lang nur zweidimensional sah, dann jedoch gelang es mir, das Bild wieder dreidimensional zu machen, und ich hatte das Gefühl, dass ich nicht wollte, dass mich irgendjemand ansprach (als ob der magische Zauber dadurch gebrochen werden könnte) und ich war mir auch nicht sicher, dass ich die Worte finden könnte, um zu antworten, falls irgendjemand auf mich zukäme. Ich fragte mich innerlich, wer ich war und mein Geburtstag und stellte so fest, dass mein Geist in gewissem Umfang noch intakt war. Da war dieses große Gefühl von Klarheit und Präzision, und später beschloss ich, einen Spaziergang zu machen. (…)

Als ich die Wiese am Fuß des Bergpfades betrat, war es, als ob ich im Wunderland war. Da war diese außerordentliche Vielfalt von Geräuschen, die die Insekten im Gras von sich gaben, da war eine erstaunliche Vista von Aussichten und Farben. Ich konnte alle möglichen Arten von Insekten, Fliegen, Bienen usw. identifizieren, die im Gras herumflogen, und ich konnte die wunderbarsten Ansichten sehen und die wunderbarsten Töne hören. Es war wie der Himmel auf Erden. Ich wusste in dem Moment, was Schönheit ist und ich wusste auch, was Liebe ist. Ich war in einem außerordentlichen Zustand der Zeitlosigkeit (obwohl ich mir durchaus auch der chronologischen Zeit bewusst war, so wie sie die Uhr anzeigt). Meine Bewegungen kamen mir weder schnell noch langsam vor, sondern alles schien genau in der richtigen Geschwindigkeit zu geschehen. Da war kein Gefühl des Vergleichens, während ich alle diese wunderbaren Dinge sich vor mir entfalten sah. Ich kam an einem kleinen Baum vorbei und ich empfand eine außergewöhnliche Zärtlichkeit für diesen Baum, so wie Eltern gegenüber ihrem Kind. Ich berührte ihn und liebkoste die Blätter dieses Baums. Ich sah den Wald und ich war außerordentlich emotional bewegt (aber kontrolliert) in Bezug auf den Wald und die Bäume da drin. Ich staunte über die Struktur der Baumrinde, ich berührte sie, ich streichelte sie, ich sah das Moos auf der Rinde und ich berührte und streichelte sie. Es war überwältigend wundervoll.« (K. W., persönliche Kommunikation; Übersetzung durch die Verfasserin).

Dieser Zustand dauerte mehrere Stunden an und wurde dann schwächer, bis er sich nach einigen Wochen allmählich verlor.

Interessanterweise berichtet der Autor, dass dieser außergewöhnliche Bewusstseinszustand in dem Moment begann, als er »Introspektion auf die Introspektion« machte (»introspecting on introspection«). Ähnliches findet sich auch bei Carl Albrecht (1990): Nach ihm liegt der Weg zur absoluten inneren Ruhe darin, den Zustand der Versunkenheit selber zum Gegenstand der Innenschau zu machen. Ähnliche Berichte finden sich in unterschiedlichen Meditationstraditionen ebenso wie im Alltag, bei religiösen Menschen ebenso wie bei Agnostikern und Atheisten, zum Teil auch im Kontext sogenannter mystischer Erfahrungen (Bock, 1991; Benson, 1997; Kapleau, 1965; Roberts, 1982; Wren-Lewis, 1988). Herausragendes Kennzeichen ist das Erleben von innerer Leere, Ichlosigkeit und Zeitlosigkeit.

Gelassenheit durch Auflösung innerer Konflikte

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