Читать книгу Die Öffnung der Welt - Ангелос Ханиотис - Страница 15
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Die Diadochen: Abenteurer und Architekten von Königreichen Das Problem der Nachfolge (323 v. Chr.)
ОглавлениеMakedonische Könige starben für gewöhnlich nicht im Bett; sie fielen im Kampf oder wurden ermordet. In der traditionellen makedonischen Monarchie erlangte ein neuer König seine Legitimierung per Akklamation durch das Heer. Er war in erster Linie ein militärischer Befehlshaber. Wie in den poleis die Bürgerversammlungen ihre Militärführer und andere Beamten wählten, so berief auch die makedonische Versammlung von Kriegern den Mann, der sie in die Schlacht führen würde. Das dynastische Prinzip der Nachfolge wurde respektiert, aber der neue König war nicht immer der älteste Sohn des verstorbenen Königs – nicht einmal zwingend sein Sohn. Als Philipp 336 v. Chr. ermordet wurde, war es alles andere als selbstverständlich, dass Alexander ihm nachfolgen würde. Philipps Neffe Amyntas, der Sohn von König Perdikkas III., hatte immer noch Anspruch auf den Thron, und Alexander hatte zwei Halbbrüder: den älteren Arrhidaios, 359 v. Chr. geboren, und Karanos, den minderjährigen Sohn von Philipps letzter Gemahlin. Arrhidaios hatte eine Behinderung, Karanos’ Thronansprüche hätten jedoch von seinen Verwandten mütterlicherseits, die Mitglieder des makedonischen Adels waren, unterstützt werden können. Unmittelbar nachdem das Heer Alexander zum König erklärt hatte, wurden Amyntas und Karanos getötet. Dieses Blutvergießen von 336 v. Chr. war noch nicht vergessen, als Alexander 13 Jahre später starb. Und die älteren Generäle in Alexanders Armee hatten auch zwischen 369 und 359 v. Chr. schon Königsmorde und Usurpationen miterlebt. Derartige Erfahrungen ließen kaum auf eine friedliche Machtübertragung hoffen.
Wenn sich 359 und 336 v. Chr. die Frage gestellt hatte, wer König der Makedonen werden sollte, war die Lage 323 v. Chr. weitaus komplizierter. Ein Großteil der makedonischen Armee, die einen neuen König akklamieren |44|konnte, befand sich in Makedonien, nur ca. 6000 Soldaten waren in Babylon geblieben. Und Alexander war mehr als nur makedonischer König und Oberbeamter des Thessalischen Bundes. Er war der Anführer des Hellenenbundes und, noch wichtiger, der Herrscher eines Reiches, das er persönlich erobert hatte. Dass Alexander selbst keine Vorkehrungen für seine Nachfolge getroffen hatte, machte es nicht gerade einfacher.
Bei seinem Tod übergab Alexander seinen Siegelring einem seiner höchsten Offiziere, Perdikkas, der chiliarchos (Wesir) war. Das bedeutete jedoch nicht, dass er ihm den Thron überließ; es verlieh Perdikkas lediglich die Autorität, die Machtübertragung zu überwachen. Zum Zeitpunkt von Alexanders Tod war es unvorstellbar, dass eine Person außerhalb der Argeadendynastie zum König erklärt werden könnte. Nur ein enger Verwandter kam infrage: ein Bruder, ein Sohn oder ein Schwager. Der König hinterließ zwei Witwen: Roxane, seit 327 v. Chr. seine Gattin, war schwanger. Stateira, die Tochter von Dareios III., hatte Alexander erst ein Jahr vor seinem Tod geheiratet und ihm keine Kinder geboren. Einige Quellen behaupten, dass Alexander einen außerehelichen Sohn mit seiner Geliebten Barsine, einen Jungen namens Herakles, gehabt haben könnte. Alexanders ältere Schwestern, Kynnane und Kleopatra, waren verwitwet; eine dritte Schwester, Thessalonike, nun Mitte zwanzig, war (überraschenderweise) noch unverheiratet. Für ehrgeizige Männer des makedonischen Adels wären alle drei Frauen gute Partien gewesen, doch keine von ihnen befand sich in Babylon. Sie waren in Makedonien bei Alexanders Mutter Olympias, die immer noch eine einflussreiche Persönlichkeit am Hof war. Nur Alexanders älterer Halbbruder Arrhidaios hielt sich in Babylon auf – trotz seiner Behinderung hatte er Alexander auf seinem Feldzug begleitet. Das Heer erklärte also Arrhidaios zum König, doch seine Herrschaft muss als Übergangslösung betrachtet worden sein, bis Alexanders ungeborenes Kind volljährig sein würde oder es einem von Alexanders Generälen gelingen würde, sich auf irgendeine Art die Legitimierung der Herrschaft über das Königreich von Makedonien oder das gesamte Reich zu verschaffen. Der neue König, der den Königsnamen Philipp III. annahm, wurde unter die Vormundschaft von Krateros, einem der höchsten Offiziere, gestellt, während den wichtigsten Militärkommandanten Aufgaben in der Reichsverwaltung übertragen wurden. Als Roxane wenige Monate später einen Sohn zur Welt brachte, wurde auch dieser, als Alexander IV., zum König erklärt und demselben Vormund anvertraut.
Was dachten wohl die älteren Herren, die erst für Philipp und dann für Alexander gekämpft hatten? Und noch wichtiger: Was ging den jüngeren |45|Männern durch den Kopf, die mitangesehen hatten, wie ihr Kindheitsgefährte die damals bekannte Welt erobert hatte, Herrscher eines Vielvölkerreiches geworden war, sich allmählich von den meisten von ihnen distanziert hatte, Züge eines orientalischen Despoten angenommen und sogar den Status eines Gottes erlangt hatte? Alle historischen Berichte, die wir haben, betrachten die Ereignisse dieser Jahre von ihrem Ergebnis her – der Aufspaltung des Reiches und der Schaffung dreier großer und mehrerer kleiner Königreiche. Doch konnte im Jahr 323 v. Chr. niemand wissen, was kommen würde, nicht einmal, ob Roxane einen Jungen oder ein Mädchen zur Welt bringen würde. Alexander hatte weniger als sieben Jahre gebraucht, um das Perserreich zu unterwerfen; seine Generäle benötigten letztlich 17 Jahre, um es zu wagen, sich selbst zum König zu erklären, was zeigt, wie sehr sie zögerten, mit der Tradition der Argeadendynastie zu brechen. Wir wissen nicht, ob 323 v. Chr. eine Teilung des Reiches überhaupt als Option betrachtet wurde. Erst 281 v. Chr., mehr als 40 Jahre nach Alexanders Tod, wurde diese Vision von einem einzelnen Herrscher über das Reich, oder einen Großteil davon, aufgegeben.
Alexanders Schatten lastete weiterhin schwer auf seinen Gefährten. Als einer von ihnen, Kassander, eine Statue Alexanders sah, sollen sich an seinem Körper alle Symptome von Angst gezeigt haben: Schaudern, Zittern und Schwindelgefühl. Selbst tot rief Alexander nicht nur Furcht hervor, sondern fachte auch Ehrgeiz an, und er konnte Legitimität verleihen. Sein Leichnam, die Insignien seiner Macht sowie seine Familienmitglieder wurden zu bedeutenden Instrumenten für Propaganda und Legitimierung. Aus diesem Grund entführte Ptolemaios, einer der Generäle, Alexanders Leichnam, um ihn in seiner eigenen Provinz, Ägypten, beerdigen zu lassen. Obwohl die antiken Quellen das Begräbnis explizit in Alexandria lokalisieren, hindert das phantasiebegabte Archäologen nicht daran, auch anderswo nach seinem Grab zu suchen. Auch die Vormundschaft über die Könige Philipp III. Arrhidaios und Alexander IV. war ein äußerst umkämpftes Privileg. Kassander bemühte sich um Legitimierung, indem er Alexanders Schwester Thessalonike heiratete. Ein extremes Beispiel für die Instrumentalisierung der Hinterlassenschaften Alexanders ist das Verhalten von Eumenes, einem seiner höchsten Offiziere: Bei Militärratsversammlungen während eines Krieges in Kleinasien präsentierte er Alexanders Thron und insinuierte so die Anwesenheit des toten Königs.
Als man Alexander auf seinem Totenbett fragte, wem er seine Königsherrschaft überlassen würde, soll er geantwortet haben: „Dem Besten; ich |46|sage vorher, dass meine Freunde als Leichenspiele für mich einen großartigen Wettkampf organisieren werden.“ Se non è vero, è ben trovato. Sein Tod entfachte eine Abfolge von Kriegen, die als Wettkampf zwischen ehrgeizigen und mächtigen Männern – und einigen ihrer Frauen – um die höchste Macht gesehen werden können. Das Resultat dieser Kriege war nicht nur eine völlig neue politische Landschaft, sondern auch eine neue Auffassung von monarchischer Herrschaft, die zunächst stärker auf Charisma als auf dynastische Legitimität gründete.