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1.2.2 Die ersten selbstverwalteten Computernetze

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Zentrale vs. dezentrale Organisation. Generell können wir feststellen, dass in den 1960er-Jahren ein technischer Diskurs über die Vor- und Nachteile zentraler und dezentraler Rechnerarchitekturen einsetzte. Mit dieser Debatte war die Frage verbunden, ob dezentrale und offene Organisationsmodelle generell zentralistischen Ansätzen überlegen sind – und ob, wie im Falle der RFCs, die Einbindung aller Nutzer in Entscheidungsprozesse nicht zu stabileren Ergebnissen führen würden. In den Auseinandersetzungen zwischen Anhängern des Betriebssystems Linux und Windows wird dieses Thema ebenso wieder aufgegriffen wie im Zeitalter des Social Webs bezüglich der Vorzüge einer von vielen Nutzern geschriebenen Wikipedia gegenüber einem redaktionell betreuten, gedruckten Lexikon.

Zivile Nutzung durch Privatpersonen. Dieser Diskurs schloss auch eine Diskussion über alternative Nutzungspotenziale des Computers ein. Philosophierten in der Pionierzeit des Computers vor 1960 Einzelpersonen und kleine Kreise über das Verhältnis von Mensch und Computer, so erhielt diese Debatte in den radikalen 1960er-Jahren neue Impulse und überhaupt einmal eine soziale Trägerschicht, weil neue gesellschaftliche Gruppen, vor allem Studentinnen und Studenten, mit dem Medium Computer experimentierten und beispielsweise nach 1969 Zugriff auf das ARPANET erhielten.

Hackerkultur. In diesem Zusammenhang wurde die Open-Source- und Free-Software-Hackerkultur bedeutsam, die in den 1960er-Jahren im akademischen Umfeld entstand. Ihr Anliegen: Der Kampf gegen die Bildung von Informationseliten (vgl. Raymond 1999)3. Das war damals ein verhältnismäßig kleiner und elitärer Kreis. Die ersten Hacker bildeten sich als eine Gruppe, die sich u. a. über die spielerische Verwendung der Technik formierte. Dabei entwickelte sich, wie Steven Levy schreibt, »ein neuer Way of Life, mit einer Philosophie, einer Ethik und einem Traum heraus« (vgl. Levy 1984)4. Diese Ethik wurde zunächst nicht formuliert, sondern entstand durch stille Übereinstimmung. Aber sie entsprach dem liberalen Selbstverständnis vieler Akademiker und korrespondierte mit den sozialen Bewegungen gegen die atomare Bedrohung und gegen den Autoritarismus in der Gesellschaft. Levy fasste die Hackerethik 1984 so zusammen:

1. Access to computers – and anything which might teach you something about the way the world works – should be unlimited and total.

2. Always yield to the Hands-on Imperative!

3. All information should be free.

4. Mistrust authority – promote decentralization.

5. Hackers should be judged by their hacking, not bogus criteria such as degrees, age, race or position.

6. You can create art and beauty on a computer.

7. Computers can change your life for the better.

Hier entstand eine neuartige, weltweit vernetzte Technik-Community mit einem eigenen Selbstverständnis und identitätsstiftenden kulturellen Codes: Das Jargon File, ein Wörterbuch der Hackerkultur, wurde 1975 zum ersten Mal im Netz publiziert. Die Hackerkultur entwickelte sich weiter und etablierte sich als Anwalt eines freien Zugangs zu Wissen über digitale Medien. Diese Kultur blieb allerdings immer eine Subkultur verhältnismäßig weniger avantgardistischer Technikakteure, die jedoch eine Öffentlichkeit schufen und eine bedeutende meinungsbildende Rolle in Fragen der Informations- und Kommunikationstechnologien erlangen konnten.

Erstes alternatives Netz. Ein weiterer Meilenstein in Richtung eines öffentlichen Netzes wurde 1979 das USENET als freie Alternative zum ARPANET. USENET funktionierte als internetweites schwarzes Brett. Die Kommunikation dort ist mit den heutigen Foren zu vergleichen. Im Prinzip konnte sich jeder Nutzer mit Postings an der Diskussion beteiligen und eigene Bereiche eröffnen. Besonders berüchtigt war die alt.*-Gruppe, in der sich alle möglichen und unmöglichen Interessengruppen zusammenfanden. Sozial bildete sich mit dem USENET ein öffentlicher Raum, in dem jeder zu jedem Thema lesen und schreiben konnte. Aktuell erlebt das USENET eine unerwartete Renaissance als unkontrollierte Tauschbörse für Musik und Videos.

Geburtsstunde des technischen Internets. Auf technischer Ebene vollzogen sich Anfang der 1980er-Jahre zwei wichtige Durchbrüche. 1981 stellte IBM seinen Personalcomputer vor. Damit wurde der Zugang zum Netz räumlich unabhängig von den großen Rechenzentren. Ein Jahr später wurde das Internetprotokoll TCP/ IP zum Standard, als die Defence Communications Agency und die ARPA diese beiden Protokolle implementierten. Mit der Implementierung wurde auch zum ersten Mal der Begriff »Internet« wirklich definiert. Von nun an bezeichnete man damit die Menge der verbundenen Netzwerke, die auf dem Protokoll TCP/IP basieren.

Separate Communities mit eigenen Computernetzwerken. Mitte der 1980er- Jahre entdeckten schließlich auch Menschen außerhalb der Hochschulen Computernetze als Medium. Im Jahr 1985 gründete Stewart Brand und Larry Brilliant das Whole Earth ’Lectronic Link (WELL) in San Francisco, eine der ältesten noch aktiven Online-Communitys im Internet. Über dieses Forum fanden dann auch die Gründer der Electronic Frontier Foundation zusammen, einer Organisation der Free-Speech-Bewegung. Dies ist neben den Hackern ein weiteres Beispiel für die enge Verzahnung von politischen Bewegungen mit progressiven Szenen in der Medienwelt. Howard Rheingold, ein frühes und sehr aktives Mitglied von The WELL, verarbeitete schließlich seine Erfahrungen in einem Buch mit dem sprechenden Titel »The Virtual Community« (1993).

Freenets. Für Menschen außerhalb der Universitäten entstanden zudem eine Reihe sogenannter Freenets, mit denen man Zugang zum Internet erhielt. Das erste, das Cleveland Freenet, wurde 1986 von der Society for Public Access Computing (SoPAC) in Betrieb genommen. Das Cleveland Freenet war zunächst ein separates, lokales Netz mit 10 Modems, das sich erst nach einer Weile mit dem Internet verband. Ausgehend von diesem Beispiel entstanden weitere Freenets als Orte technischen Experimentierens, aber auch für Debatten und den täglichen Klatsch und Tratsch. Erwähnenswert ist an dieser Stelle, dass Ende der 1980er-Jahre mit dem Internet Relay Chat (IRC) von Jarkko Oikarinen ein synchrones Kommunikationsformat hinzukam, das in Konkurrenz zum Telefon trat und bis heute ein beliebtes Medium von Schülern und Studenten ist.

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